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Sozialdemokratisches Wochenblatt
Nr. 22 Sonntag, 12. Vor. 19SS Bezugspreis Im Quartal 7/ v. Q (Im Ausland kc 24�) JVC 1 0."
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Hlle Juden für fiitler! Sdmueclidie Komödie der Dollualulimmiing
Der Centraiverein Deutscher Staatsbürger jüdischen Glaubens hat seine Mitglieder aufgefordert, einmütig zur Urne zu schreiten, nationalsozialistisch zu wählen und der Regierungspolitik ihre Zustimmung auszusprechen. Es kann kein Zweifel daran sein, daß die erdrückende Mehrheit der deutschen Juden dieser Parole folgen wird. In früheren Zeiten verteflten sich die jüdischen Stimmen in Deutschland mindestens auf vier oder fünf Parteien. Diesmal wird die Stimmenabgabe geschlossen erfolgen. Die NSDAP wird sich nach dem 12. November rühmen können, m e h r j ü- dische Stimmen erhalten zu haben als jemals zuvor irgend eine andere Partei. Auch wird die Regierung Hitler als erste und einzige Regierung Deutschlands von sich sagen können,.daß ihre Politik die einmütige Billigung der gesamten Judenheit Deutschlands ge funden hat Damit ist Wesen und Charakter dieser schauerlichen Komödie einer Volksbefragung eindeutig bestimmt • Man soll auf die deutschen Juden, die am 12. November nationalsozialistisch wählen und sich geschlossen hinter die Hitlerregierung stellen, keine Steine werfen. Steine werden schon genug auf sie geworfen. Sicher wird es auch charaktervolle, heldenmütige geben, die der sozialdemokratischen Parole folgen und mit Hein stimmen werden. Ihnen soll man die Ehre erweisen, die sie verdienen, aber man soll den großen Haufen der armen Teufel nicht schmähen, die lieber den Weg der Vorsicht gehen als den des Marty- nums. Ja, das Verhalten der Juden, die der vorsichtigen Parole des„Centraivereins" folgen, hat ja auch sein Gutes; denn es beleuchtet bKtzhell die deutschen Zustände, es macht jeden Zweifel an dem Wert dieses Volksentscheids unmöglich. Man hat in Deutschland die Juden wie Tiere gehetzt, sie geschlagen, zu Tode ge- niartert, man hat sie unter dem Gejohle des letzten, Pöbels als Schänder christlicher Mädchen durch die Straßen geschleppt, man hat sie aus allen Aemtern hinausgeworfen, aus allen freien Berufen Weggejagt, man hat Gräber ihrer Eltern geschändet und Ehrengräber für ihre Mörder geweiht. Man erklärt sie für ehrlos, rechtlos, nimmt ihnen das letzte Stück Brot, verbietet ihnen die Ehe mit Angehörigen der herrschenden Edelrasse, man Mißhandelt ihre Kinder in der Schule— nie war der„Unberührbare", der Paria in fndien geschundener, getretener, als es der Jude heute in Deutschland ist. Und jetzt, jetzt holt man diese Unglücklichen aus ihren Wohnungen, damit sie ihre Schinder wählen und der gegen sie gerichteten Politik grausamer Ausrot- füng ihre Zustimmung geben sollen. Und sie— sie gehen hin, sie wählen, sie stim- Men mit Ja in der eitlen Hoffnung, daß ■ vielleicht nachher etwas weniger geschlagen werden könnten— die armen Toren! • Man hat in Berlin überlegt, ob man die
Komödie wirklich auf die Spitze treiben und die Juden mit wählen lassen soll. Man hat sich entschlossen, es zu tun aus einem sehr einleuchtenden Grunde. Hätte man den Juden ihr sogenanntes Wahlrecht ge
nommen— Millionen und Abermillionen hätten die Juden darum b e- neddet! In Wirklichkeit wäre das ja auch eine ungerechte Bevorzugung gewesen, denn wenn man den S o
Ich fand einen Kameraden» Einen bessern gibt es nidit!
Die gestohlene Parole „Gegen Kriegshetze und RüstungswahnsinnM
„Gegen Kriegshetze und Rüstungswahnsinn". Mit diesem Wahlruf errangen wir Sozialdemokraten unsere Wahlsiege im Kaiserreich, mit ihm siegten jetzt wieder unsere englischen Genossen bei den Wahlen. Aber weil es uns ernst war mit unserer Parole, weil wir gegen Kriegshetze und Rüstungswahnsinn ernstlich kämpften, wurden wir von den Hitler, Göring und Göbbels als Landesverräter verleumdet, deshalb stürzte sich der nationalsozialistische Mob auf uns— und wir unterlagen. Heute ist es in Deutschland bei Zuchthausstrafe verboten, Sozialdemokrat zu sein, wird die Einfuhr sozialdemokratischer„hochverräterischer" Schriften mit Zuchthaus, ja mit dem Tode bedroht, heute fordert die NSDAP die Stimmen der Wähler, will die Hitlerregierung vom Volk die
Billigung ihrer Politik, da liest man in den Zeitungen und an den Anschlagsäulen: Schluß mit Kviegabcixc und'Rüstung S" Wahnsinn 1 Stimmt mit
rtcgsnwxc Ja
Also das war's! Dazu mußte Deutsch land in Brand gesteckt werden, mußten alle Volksrechte zertrümmert werden, damit die NSDAP unbehelligt die alte sozialdemokratische Wahlparole stehlen kann. Sie hat alles gestohlen; den Namen Sozialismus, den 1. Mai, unsere Lieder, dann Häuser, Grundstücke, Bargeld und die Habseligkeiten unserer Genossen, warum soll sie nicht auch unsere Wahlparolen stehlen? Aber es kommt der Tag, an dem der Geist, den sie jetzt anruft, wider sie aufsteht und sie zerschlägt!
zialdemokraten, den Kommunisten, den Zentrumsmann. zwingt, etwas-zu tun, was seiner Ueberzeugung aufs schärfste widerspricht— warum soll der Jude eine Vorzugsstellung genießen und von diesem Zwang befreit sein? Wir gehen noch weiter und sagen aus genauer Kenntnis der Verhältnisse: es gibt auch Zehntausende von Deutschnation a- I e n und Stahlhelmleuten, die sich nur stöhnend der Erpressung fügen; wenn gleich sie selber Antisemiten sind, werden ihre Gefühle am 12. November von denen der jüdischen Zwangswähler nicht sehr verschieden sein. Aus all dem geht eines ganz klar hervor: Es ist eine Lüge, daß am 12. November in Deutschland gewählt wird. Es gibt kein Wahlrecht mehr, es gibt kein Stimmrecht mehr! Der Deutsche hat heute ebenso das„Recht" zu wähleli, wie das Pferd das„Recht" hat, seinen Wägen zu ziehen, oder wie der Hund da?„Recht" hat, seine Peitsche zu tragen. Was man eine Wahl, eine Volksentscheidung nennt, ist ein Massenauftrieb von Menschen, die weder eine eigene Meinung, noch einen eigenen Willen haben dürfen und die sich wohl oder übel in die ihnen aufgezwungene Rolle fügen, weil ihnen eben nichts anderes übrig bleibt!
Die Welt wird fragen: Wer waren die Tapferen und wieviel waren es, die dem Druck widerstanden und dennoch mit Nein stimmten? Leider wird sie eine Antwort auf diese Frage niemals erhalten. Selbstverständlich werden sich die Nationalsozialisten nicht darauf beschränken, durch Terror den Willen der Wähler zu brechen, sie werden auch dort, wo sich die Nein-Stimmen häufen, vor Fälschungen nicht zurückschrecken. Die Statistik wird nur so viel Neinstimmen melden, wie Adolf Hitler erlaubt. Die Frage ist nur, wieviel er erlauben wird. Setzt man die Zahl der Oppositionsstimmen gar zu niedrig an, so merkt ein jeder den Schwindel. Nennt man eine zu große Summe, so kann das leicht als Beweis für die innere Schwäche des Systems wirken. Aber was sollen Manipulationen mit Wahlziffern helfen? Wenn die Juden mit Ja stimmen, ist doch alles vollkommen klar! Als der Horst Wessel -Film gedreht wurde, da zwang man ein paar hundert Juden aus dem Berliner Osten zum Mitspielen. Jetzt wird am 12. November der große Adolf-Hitler-Film gedreht, und jetzt sind es Hunderttausende von Juden, die dabei als Statisten mitzuspielen gezwungen werden. Und genau so wie ihnen, geht es den 23 Millionen n i c h t jüdischer Wähler, die noch im März d. J. gegen Hit- ier gestimmt hatten. Auf dem Papier der gleichgeschalteten Presse wird es ein grandioses Schauspiel sein— aber wen will man damit betrügen? Der Blick hinter die Kulissen ist nun einmal getan und man sieht hinter all dem verlogenen Führergepränge und Volksgedränge nur noch die nackte Wirklichkeit: Scham und Verzweiflung.einer entwürdigten Menschheit!