Wie fälscht
man Wahlen?
Küchengeheimnisse des 12. November
Deutsche Wahlen waren bisher vielleicht vollzogenem Akt mit Abzeichen versehen werdie saubersten der Welt. Freilich war das nicht den sollen, so daß alle diejenigen, die am immer so. In reaktionären Zeiten, als noch die Abend ohne diese Kontrollmarke gehen, als preußischen Junker herrschten, war für die Drückeberger sichtbar werden, dann hat man Landtagswahlen offene Stimmabgabe vorge- ungefähr eine Vorstellung davon, welche schrieben. Und die so angeblich geheime Wahl Freude und welche Ehre es ist, Wähler im zum Reichstag war besonders in den länd- Dritten Reich zu sein. Das„ ,, Resultat" aber, lichen Gegenden ein öffentlicher Skandal. das mit solchen Methoden erzielt wird, wird von aller Welt mit Hohngelächter aufgenommen werden.
Die Sozialdemokratie hat jahrzehntelang gegen alle MIBbräuche für saubere Wahlen
gekämpft.
Und so kam zuletzt eine Art Präzisionsmecha- Nein? Nein!- Ja! Ja!
nismus zustande, der die Freiheit der Stimmabgabe hundertprozentig sicherte.
folgende Kundgebung des Magdeburger Städti-| Solche Wahrheit kann nur auf Schmuggerschen Presseamtes: wegen zu ihm gelangen.
,, Seit einigen Tagen wird in der Stadt Dabei war ar Bayern , wenn man von der das Gerücht verbreitet, daß die Richt- Pfalz absieht, eines jener Länder, die bei den
sätze für Unterstützungsemp
vergangenen Wahlen und Abstimmungen der fänger nach Durchführung der Wahl her- nationalsozialistischen Ansteckung den stärkabgesetzt werden sollen. In dieser Behaup- sten Widerstand leisteten. Am 31. Juli 1932 tung ist nichts anderes als die hetzeri- erhielten die Nazis in Niederbayern nur 20 sche Arbeit verantwortungslo- Prozent der abgegebenen Stimmen, in Oberser Wahlagitatoren zu erblicken, die bayern nur 27 Prozent. Bei den Landtagswahdas in der bevorstehenden Wahl zum Aus- len im März desselben Jahres hatten es die druck kommende Gemeinschaftsbekenntnis des Nazis auf 32.5 Prozent der abgegebenen StimVolkes zum Führer und zur Reichsregierung men gebracht. Diesmal werden sie mit 100 verhindern möchten. Es wird deshalb aus- Prozent aller abgegebenen gültigen Stimmen drücklich darauf hingewiesen, daß die seit gewählt werden. Man weiß nicht, ob man dazu dem 1. Juni 1932 bestehenden Richtsätze für lachen oder weinen soll. Unterstützungsempfänger auch weiterhin in
ihrer vollen Höhe aufrechterhalten werden."
Vom wirtschaftlichen Standpunkt aus liegt
Ob die im letzten Satz enthaltene Zusiche- dem bayrischen Volk das Weinen freilich vie! rung eingehalten wird, kann stark bezweifelt näher als das Lachen. Denn es wird immer werden. Jedenfalls zeigt auch diese Kundge- schlechter. Ein Beispiel: bung, daß die allmächtige Diktaturpartei sich In einer der größten Zuckerfabriken des Landes
trotz des Terrors recht unsicher fühlt.
Wenn der Wähler das Wahllokal betrat, natürlich aus Staatsmitteln in Millionen Wahlfreiheit!
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Oberbürgermeister Hesse- Braunschweig.
betrug im März der Wochenlohn eines Arbeiters noch 30 Mark. Jetzt ist er bei steigenden
erhielt er zunächst von einem Schriftführer von Exemplaren eine Broschüre unter dem den amtlichen Wahlumschlag nebst den dazu- Titel„ Das Genfer Nein" herausgebracht. Wir müssen auch zeigen, daß wir Lebensmittelpreisen auf 22 Mark herabgesungehörigen Vordrucken. Er begab sich in die Nun verbreitet die Reichspropagandaleitung eine Organisation haben, die tat- ken und durch sogenannte freiwillige LeistunWahlzelle, in der er unbeobachtet seine Zei- durch das offiziöse Conti- Büro am 2. Novem- sächlich jetzt so eingespielt ist, daß jeder gen noch um einige Mark gesenkt. Von dem chen ein rug und die Zettel in den Umschlag ber folgende Kundgebung: Block wart am Abend des 12. No- Rest soll ein Ehepaar mit ein paar Kindern vember, wenn in seinem Stimmbe- leben. Mit dem freiwilligen Arbeitsdienst hat steckte. Dann ging er zum Vorstandstisch, ,, Gewissenlose Brunnenvergifter versuzirk Neinstimmen vorhanden sind, man folgenden Bluff gemacht: Eines Tages nannte seinen Namen; die Nummer, unter der chen in falscher Auslegung des Titels der sofort sagen kann, wer diese Nein- wurde verkündet, daß die im freiwilligen Ardieser Name in der Wählerliste verzeichnet Broschüre„ ,, Das Genfer Nein" die Meistimmen abgegeben hat. beitsdienst stehenden nun für sieben Tage in war, wurde aufgerufen, dann warf der Vornung zu verbreiten, man müsse bei der der Woche Löhnung erhalten sollten, da sie sitzende den Umschlag mit den Zetteln in eine Volksabstimmung am 12. November mit ja doch wie Soldaten auch am Sonntag im Wahlurne, die nach genauen Vorschriften an- Nein stimmen, wenn man für die Politik Wir werden schon irgendwie erkennen, Dienste ständen. Darob allgemeine Befriedigefertigt wurde, damit ein Uebereinanderder Regierung eintreten wolle. Kein deut- wer seine Pflicht nicht getan hat, und werden gung und Schmunzeln der Nazis, die den Aufschichten der Umschläge der Reihe nach nicht scher Volksgenosse wird auf eine derartige stieg im Dritten Reich nun schon deutlich zu möglich war. Nach Beendigung des Wahlaktes dumme Spekulation hereinfallen." merken beginnen. Aber wie geht die Geschichte wurde die Urne zur Vorsicht noch einmal geweiter? Vorher erhielten die Leute 6 Tage à Nicht minder bezeichnend für die Angst der schüttelt und dann geöffnet; es begann die 30 Pfennige in der Woche, jetzt gibt es 7 Tage Auszählung, bei der die Vertauensmänner aller Wahlmacher vor dem„, Nein" des Volkes ist à 25 Pfennige in der Woche. Arbeitslose unter größeren Parteien anwesend waren und sich 27 Jahren werden von den Arbeitsämtern zur gegenseitig kontrollierten, so daß jede FälPflichtarbeit auf dem Lande beordert. Der Arschung augenblicklich hätte bemerkt werden beitslose bekommt für seine Arbeit beim Baчmüssen. Ja, die deutschen Wahlen waren die ern aus der Versicherungsanstalt monatlich 15 saubersten der Welt. Mark und vom Bauern das Mittagessen. Für dieses Mittagessen erhält der Bauer von der
Das war einmal und ist nicht mehr! Der Apparat ist noch da, aber der Geist, der ihn beherrschte, ist in sein Gegentell verwandelt.
Der Terror herrscht, er ist entschlossen, jedes Fernbleiben vom Wahlakt und jedes Stimmen gegen die Regierung unmöglich zu machen.
kleine Numerierungsmaschinen,
dafür sorgen, daß diese Menschen mit einem Kainszeichen auf der Stirn als Deutsche zwelter Klasse durchs Leben laufen sollen.b Prinz August Wilhelm in Hamburg .
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Die Bauern befühlten die Armmuskulatur
der Arbeiter,
Wahlpropaganda" heute! Braune Erpresser Versicherungsanstalt monatlich 10 Mark. Der lancieren. Hunger und weißer Sklavenmarkt Arbeiter muß von seinen 15 Mark das Abendessen und alles übrige bestreiten. Dabei nimmt Aus Bayern wird uns geschrieben: sich dagegen auflehnen? Alle fragen bereits, diese Abstellung zur Landarbeit Formen an, Die Reichstagsauflösung und die Bekannt- wie wird es im Wahllokal zugehen? daß man von einem weißen Sklavenhandel gabe von Neuwahlen hat anfangs bei allen Die Wahlpropaganda versucht in raffinier- reden möchte. In einer bayrischen Stadt hat Wie das im einzelnen zu machen ist, mit Gegnern des gegenwärtigen Systems eine ge- ter Weise auf die Stimmung der Bevölkerung sich folgender Fall zugetragen: 50 Arbeitslose dieser Frage haben sich die jetzt maßgeben- wisse" Genugtuung hervorgerufen. Sie waren Rücksicht zu nehmen. In manchen Gegenden standen da, um von den Bauern angemustert den Kreise in Berlin sehr eifrig beschäftigt. sich klar darüber, daß eine Stimmenabgabe heißt es: ,, Mit Hitler für den Frieden, mit Hit- zu werden. Wie wir zuverlässig erfahren, hat man probe- für eine oppositionelle Partei unmöglich sel, ler für die Gleichberechtigung, mit Hitler geweise besonders konstruierte weil ja nur eine Liste zulässig ist und die gen den Rüstungswahn der Welt." In anderen Fortführung der anderen Parteien mit Zucht- Gegenden hält man solchen Pazifismus für hausstrafe bedroht ist, wohl aber hofften sie, weniger opportun. Dann liest man Inschriften betrachteten sie gründlich von oben bis unten, durch Ungültigmachung der Wahl- wie:„ Nie wieder einen Pakt, der uns schän- wie sie das vom Viehmarkt her gewohnt sind zettel und Nein- Stimmen beim Volks- det." Oder: man hängt Lampions in Form von und nahmen dann ganze vier Arbeiter heraus, entscheid ihrer Abneigung gegen das System Brandbomben über die Straße und schreibt die sie für die kräftigsten hielten. So wird Ausdruck geben zu können. Es war also zu- dazu:„ Ein Flugzeug bringt 2000 solcher Brand- der letzte Rest von Menschenwürde zertramnächst als ob bei weiten Volksschichten ein bomben. Deutsches Volk, wehre dich!" pelt. Oder ein anderer Fall, der typisch ist: Aufatmen beginne. Seitdem aber die WahlproEine besonders teuflisch erfundene Metho- Ein Arbeitsloser mit drei Kindern hätte einen paganda eingesetzt hat und man ungefähr eine de, die Wähler schon im voraus für den 12. gesetzlichen Anspruch auf rund 19.20 Mark ArVorstellung von dem Terror hat, unter dem November zu präparieren, ist folgende: Es beitslosenunterstützung wöchentlich zu nächst wird eine nationalsozialistische Wahlbroschüre für die Dauer von sechs Wochen. Bei der Arverbreitet. Preis 5 Pfennig das Stück. Die SA , beitslosenmeldung wird ihm eine Notstandsarbeit beim Straßenbau zu 13.70 Mark pro die sich im Besitz der Wählerlisten befindet, geht von Haus zu Haus und fordert die Wäh- Woche angeboten. Der Arbeitslose lehnt ab mit ler auf, die Broschüre zu kaufen. Ist niemand dem Erfolg, daß er jetzt keine Arbeitslosenunterstützung bekommt. zu Hause oder stößt sie auf Ablehnung, so
die in die Wahlurnen unauffällig einzubauen sind, herstellen lassen. Es wurden auch Versuche gemacht, die Wahlurnen im Innern so umzubauen, daß ein Uebereinanderschichten der Wahlumschläge möglich wird. Bald aber hat man erkannt, daß es gar nicht nötig ist, sich in solche Unkosten zu stürzen, da die Macht, über die man verfügt, vollkommen dazu ausreicht, jedes Wahlergebnis genau so zu erzielen, wie es von oben vorgeschrieben ist.
Schon der Schriftführer, der die Umschläge
diese angebliche Volksentscheidung vor sich gehen soll, hat eine Stimmung der Enttäuund Vordrucke aushändigt, kann bei verdäch- schung um sich gegriffen. Nur ein paar ganz tigen Wählern auf Umschlag oder Vordruck ein geheimes Zeichen anbringen. Auf dem Lande wird er in vielen Fällen dem Wähler
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Charakterfeste werden allen Gefahren zum Trotz so handeln, wie sie es für richtig halten. Die sogenannte Wahlpropaganda hat im breitesten Ausmaß eingesetzt. Dabei empfindet jeder das Niederträchtige dieser ganzen politischen Aktion. Ueberall wird proklamiert: ,, Wer nicht zur Wahl geht, ist ein Feind des Staates!"
die Mühe des Ankreuzens abnehmen und ihm schon angekreuzte Zettel in die Hand drücken wer sollte es wagen, sie abzulehnen! Auch wird niemand mehr darüber wachen, daß die Wahlzellen in Ordnung sind. Man wird SALeute so aufstellen, daß sie die Vorgänge in Ueberall sind große Plakate, die Wählerverder Zelle genau beobachten können, wer sammlungen verkünden. Aber zugleich erfol
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kommt sie zum zweiten Mal. Sodann heißt es: ,, Wenn Sie die Broschüre nicht kaufen, wird zu Ihrem Namen in der Wählerliste ein roter Strich gemacht
und dann kann Ihnen vielleicht in der Nacht vom 12. zum 13. November etwas Unangenehmes passieren."
Was bei einem Wochenlohn von 13.70 Mark für die Frau und die drei Kinder übrig bleibt, wenn der Mann wo anders arbeiten und leben muß, danach fragt im Drit ten Reich niemand. Dabei gibt es aber nichts als lauter Feste. Ein Fest löst das andere ab. Aber auch beim will dagegen protestieren? Kommt der Wäh- gen auch die Bekanntmachungen:„ Die SA ler aus der Zelle an den Vorstandstisch, so be- trifft sich am Wahltagvormittag... Uhr im Festefeiern wird mit größter Brutalität darWundert sich jemand, daß unter solchen über gewacht, daß keine Stimme der Kritik, steht eine zweite Gelegenheit, den von ihm Lokal... Von dort Abmarsch zum Wahl- Umständen das nationalsozialistische Presseder Besinnung laut wird. Leider gibt es keine abgegebenen Umschlag besonders kenntlich zu lokal." Oder:„ Die Kriegsbeschädigten von... erzeugnis reißenden Absatz findet? Sicherlich Statistik darüber, wie viele Leute schon in machen. Kommt dann schließlich die Auszäh- treffen sich am Wahltage um... Uhr in der wird man höchstens der staunenden Welt mit- Haft geraten sind, weil sie der Meinung Auslung, so sind die Herren Nazis ganz unter Gastwirtschaft... Von dort Abmarsch zum teilen, in welchen Mammutauflagen die natio- druck zu geben wagten, etwas weniger Feste wer will sie daran hindern, nach ihrem Wahllokal." Die Leute wissen also bereits, daß nalsozialistische Wahlliteratur abgesetzt wird. feiern wäre bei so viel Not besser angebracht. besonderen Einmaleins zu zählen? Der soge- Wähler und Wählerinnen rudelweise zur Nur auf welche Weise solche Wunder zu- Die Zahl dieser Kritiker, die jetzt im Konzennannte Verfassungsminister Frick hat sogar Abstimmung geführt werden. Wer kann stande kommen, das erfährt das Ausland nicht. ausdrücklich bestimmt, daß die Wahlfunktionäre in den Wahllokalen ihre SA- oder SSUniform tragen sollen. So wissen die Wähler von vornherein, mit wem sie es zu tun haben.
sich
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Deutsche Richter
Göbbels hat kürzlich im Kreise besonders Es gibt noch Richter in Berlin ! vertrauenswürdiger Nazijournalisten angekün- Sie fürchten sich nicht, einem Irren digt, die Regierung rechne mit etwa 95 Pro- die Schlinge am Halse festzuziehen, zent Wahlbeteiligung, davon 90 Prozent für ihm vollends den Kopf zu verwirren, Hitler. In absoluten Zahlen ausgedrückt, wären und ihn, der stumpfsinnig lallt und trotzt das rund 42 Millionen abgegebene Stimmen, und wie ein Tier vor sich niederglotzt davon etwa 38 Millionen Ja und immerhin 4 mit eiserner Strenge zu kirren. Millionen Nein. Entweder glaubt Göbbels , die
Wähler der Großstädte noch nicht ganz sicher Es gibt noch Richter in Berlin in seiner Hand zu haben, oder, was wahr- Wehe dem schuldlos Gejagten! scheinlicher ist, er beabsichtigt, die zu zäh- Sein reines Gewissen belastet ihn. lenden Oppositionsstimmen auf zehn Prozent Wehe dem peinlich Befragten! zu kontingentieren, weil er der Meinung ist, Sein Wort verhallt und sein Schwur gilt etwas müsse man der Opposition schon noch nichts, lassen, damit der Schwindel nicht allzu offen- die Wahrheit erregt den Zorn des Gerichtskundig sei. Wehe dem unrecht Verklagten!
Nimmt man hinzu, daß die Wähler nach
Es gibt noch Richter in Berlin ! Nahen sich mächtige Zeugen, dann liegen sie zitternd auf den Knien und wagen kaum aufwärts zu äugen. Ob der Kronzeuge Mörder, ob Morphinist, sie sind bereit, wenn er ungnädig ist, sich selbst und das Recht zu beugen.
Es gibt noch Richter im deutschen Reich, die kann kein Göring bestechen, sie haben kein Pöstchen, sie sitzen nicht weich, sie schuften am Fließband, in Hütten und
Zechen Doch einmal brechen sie alle ans Licht und fordern die Herren vor ihr Gericht, um endlich Recht zu sprechen.
Hugin.
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trationslager über ihre Unvorsichtigkeit nachdenken können, ist aber sicherlich nicht ge ring. Auch gegen die eigenen Anhänger wird oft in brutalster Weise vorgegangen. Wenn SA- Leute nur verlauten lassen, daß ihnen die Strapazen zu groß werden, werden sie geschlagen und ins Konzentrationslager gesteckt. Dabei wird der Drill immer schlimmer. Oft dauern die Nachtübungen bis zwei Uhr morgens und am gleichen Vormittag soll man wieder wie üblich zum Dienst bereit sein. Das führt nicht selten zu Reibereien, die mit schwe ren Prügeln und Konzentrationslager enden.
Wirkliche Begeisterung für das System dürfte nur noch bei den Nutznießern sein. Sonst nicht einmal mehr bei der eigenen Truppe. Aber der Terror ist zu groß, um die innere Abneigung sichtbar werden zu lassen. Träte durch irgend ein Ereignis ein Umschwung ein, so würden alle ihr ,, kreuziget ihn" schreien, die heute noch„ Heil Hitler" rufen.