Beilage des neuen Vorwärts" Nr. 22

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Die Schande des Reichsgerichts

Görings Anfall

Ein Angeklagter, der den wilden Mann

spielt.

Die Bilanz der Göring - Aussage läßt sich in folgende fünf Punkte zusammen­fassen:

1. Konflikt mit Sowjetrußland. 2. Konflikt mit Spanien .

3. Entlarvung der ganzen Justizkomödie. 4. Beweis- durch Anschauungsunter­richt daß Deutschland von geistes­kranken Verbrechern regiert wird.

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5. Verstärkung des dringenden Verdachts, daß der Brand mit Wissen der Regie­rung von Nationalsozialisten gelegt wor­den ist.

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bekannte Gegnerschaft der Sozialdemokratie und hetzt mit allen Spürhunden der Ge- Grabmal für die Rathenaumörder Fischer gegen die Todesstrafe rettete ihm das Leben, heimen Staatspolizei hinter einem jeden und Kern eingeweiht. In dem amtlichen Be­und ein mit den Kommunisten abgeschlossener her, der im Verdacht steht, die Wähler richt darunter heißt es: Amnestiehandel gab ihm auch vorzeitig die gegen die Regierung beeinflussen zu wol- Geboren wurde die Tat an dem art­len! Man durchstöbert alle Betten nach oppositionellem Wahlmaterial!

Freiheit zurück.

Dieser Hoteldieb und Mörder stand nun am 6. November vor dem Reichsgericht und Das ist deutsche Wahlfreiheit 1933! schnarrte:

,, Ich fühle mich hier auch als Vertreter der SA. und deshalb will ich das eine sagen,

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daß die SA kaum mehr versteht Hermann Heller

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Ein zu Tode Gehetzter.

und volksfremden Minister Rathenau aus dem unbeugsamen Widerstandswillen, den eine kleine Gruppe völkischer Akti­visten innerhalb der zweiten Marinebrigade allen Anfeindungen zum Trotz sich wach hielt."

Kapitänleutnant Tillesen bezeichnete die Tat als ein Opfer im Dienste des Dritten Reiches , das als erstes für die rassische Erneuerung zu gelten habe. doz blow obtail

Heller, eine Die Worte

und das muß auch einmal gegenüber dem Ausland zum Ausdruck gebracht werden mit welchem Langmut die Ange­Kurz vor Redaktionsschluß erreicht uns die klagten hier behandelt werden." Nachricht, daß Genosse Hermann Heller in Worauf der Senatspräsident keineswegs Madrid plötzlich, gestorben ist. Heller, eine der glänzendsten Erscheinungen der jüngeren sozialistischen Gelehrtenwelt, hatte als Lehrer des Staatsrechts an den Universitäten Kiel , Leipzig , Berlin und Frankfurt a. M. gewirkt, als ihn die Verhetzung durch den deutschen Barbarenaufstand, traf. Vier Jahre Front

Göbbels schwört

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Der interessanteste und bisher am we­nigsten beachtete Punkt scheint uns der letzte zu sein. Göring hat gegen das Braunbuch" getobt; er hat aber einige si colle Behauptungen dieses nicht allenthalben zu- Weib ne verlässigen Buches für skeptische Beur­teiler viel glaubwürdiger gemacht, alsga als sie es zuvor waren.

Göring schien dabei viel weniger einador Zeuge zu sein als ein Angeklagter, der den ser wilden Mann spielt. Er hat auch ausdrück­lich hervorgehoben, daß viele Verbrecheny von Leuten in SA - Uniform began- big gen wurden, nur hat er behauptet, daß das verkleidete Kommunisten" gewesen seien. Weiter hat er seiner Ueberzeugung Ausdruck gegeben, daß die eigentlichen Täter. von Lubbe spricht man fast gar nicht mehr durch den unterirdi­schen Gang den Weg ins Freie ge­nommen hätten.

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Kämen also eines Tages Zeugen, die versicherten, sie hätten in der Brandnacht SA- Männer im Reichstag gesehen, die nach Ausbruch des Brandes durch den unter­irdischen Gang entwichen seien, so könnte Göring entgegnen, diese Bekundung decke sich ja ganz mit seiner eigenen Aussage nur daß eben die SA - Männer verkleidete Kommunisten gewesen seien.

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Nun ist es eine bekannte Tatsache, daß die Nazis alle SA- Taten, die öffentlich b verleugnet werden müssen, auf verkleide­te ,, marxistische Provokateure" abzuschie- bob ben bemüht sind. Es hat aber noch keine Gerichtsverhandlung gegeben, in der diese " Verkleideten Provokateure" in Erschei­nung getreten wären. Das ist ein klarer Beweis dafür, daß sie nicht existieren, denn hätten sich die Staatsanwälte einen solchen Braten entgehen lassen? Nein, die b verkleideten Provokateure" sind eine bloße Hilfskonstruktion, sie werden regel­mäßig vorgeschoben, wo es nach brauner Substanz riecht.

Ein unabhängiges Gericht hätte längst Torgler und die Bulgaren freigelassen

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man soll sie lassen stahn

,, Der liebe Gott hat Deutschland geseg­net, daß er ihm in Zeiten tiefer Not Adolf

nützten dem mit österreichisch- jüdischer Her- Hitler zum Führer gab" Jendosios

sagte Vizekanzler Papen in Es­ sen und dachte dabei an den Deut­schen Gott.

,, Mit uns ist der treue Gott. Und sein

kunft und marxistischer Gesinnung doppelt Be­lasteten nicht das Geringste. Auch er mußte fliehend das Land verlassen und irrte mit Frau und vier unerwachsenen Kindern in der Welt herum, bis er endlich an der Universität in Madrid gastfreie Aufnahme fand. Entbehrungen Gesalbter ist unser Kampfgenosse. Der und Aufregungen hatten indes die Gesundheit Herr im Himmel hat uns seinen Helfer ge­sandt, unseren Führer!" des erst 42jährigen so untergraben, daß er einem Herzschlag erlag. Heller ist der Verfas­ser zahlreicher wertvoller Schriften wie ,, Hegel und der nationale Machtstaatgedanke",., Poli­tische Ideenkreise der Gegenwart" und ,, Euro­ pa und der Faschismus". Eine von ihm verfaßte ,, Staatslehre" liegt im Manuskript, vollendet

VOT.

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Kulturschande"

sagt sogar ein gleichgeschaltetes Blatt! Mitunter liest man in der gleichge­schalteten Presse Artikel und Berichte, die von tiefer moralischer Entrüstung er­füllt sind. So finden wir in den ,, Zittau­er Nachrichten" vom 28. Oktober unter der Ueberschrift ,, Eine Kultur­schande Europa s" folgenden Auf­schrei:

,, Man stelle sich nun vor, was für ein Kul­turniveau damit erreicht wird, wenn es in einer mitteleuropäischen Stadt nunmehr de möglich geworden ist, daß jeder ruhige Bür­ger aus Familie und Beruf weggeholt werden kann, um gleich auf ein Jahr ins Ge­fängnis zu wandern, nicht weil er etwas verschuldet hat, sondern weil irgendein x- be­liebiger unbekannter Täter ein der... Regie­rung unliebsames politisches Bekenntnis durch Anmalen von Hauswänden oder auf eine an­dere Art zum Ausdruck gebracht hat!

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mit beide Händ'

und Göring an ihrer Stelle verhaftet. Denn diese grobe Ungehörigkeit zurückwies, son­

Nicht genug damit, daß Familie und

schrieb vor einigen Tagen die ,, Hes­sische Landeszeitung"; deshalb hat auch der von Gott gesandte Helfer" das göttliche 5. Gebot ,, Du sollst nicht töten!" auf Grund eines besonde­ren göttlichen Ermächtigungsgesetzes außer Kraft setzen können.

,, Warten Sie nur, bis wir Sie außerhalb der Rechtsmacht dieses Gerichtshofes haben!"

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rief Göring dem aus dem Gerichts­saal abgeführten Dimitroff nach; ihn hatte die Erinnerung an den auch auf der Flucht erschossenen Felix Fe­ chenbach übermannt!

,, Auch die SA wundert sich schon..." schnauzte Fememörder Heines den Vorsitzenedn Senatspräsidenten Dr. Bünger an. Das ist ohne weiteres zu glauben, denn die SA pflegt kürzeren Prozeß zu machen...

,, Ein deutscher Offizier lügt nicht!"

sagte der Nazi- Major Weberstedt als Zeuge im Reichstagsbrand- Prozeß; es war ihm gerade der Verfassungs- Eid

des allverehrten Generalfeldmar­

schalls von Hindenburg eingefallen. ,, Gott aber sei Dank, der uns den Sieg gegeben!"

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sagte der Pfarrer Köhn bei der feier­lichen Einweihung eines Grabmales für die Rathenau- Mörder Kern und Fischer. Deshalb hat sich auch die Deutsche Kirche für Hitlers Ernte­Dankfest bereitwilligst zur Verfügung gestellt.

,, Ich habe keine Kanonen, ich habe nur

die Angaben des Braunbuchs, wenn auch dern sich höflich verneigte und entschuldigte. Beruf zerstört sind, Frau und Kinder Euch!" Als dann derselbe Bursche weitere Aus- vielleicht direkt dem Hungertod ausgesetzt manches an ihnen anfechtbar ist, sind den­noch viel glaubwürdiger als die völlig halt- führungen machte, die nicht zur Sache gehör- sind, daß natürlich jede Verdienstmöglichkeit lose und unsubstanzierte Anklage des ten, verneigte sich der Senatspräsident aber- für die gebrandmarkte Familie damit vernich­Oberreichsanwalts. Göring hätte, selbst mals und bemerkte ergebenst:

Sie als Polizeipräsident sind zu solchen Ausführungen berechtigt."

wenn man ihn in der Reichstagssache nicht für nachweisbar schuldig hält, schon we­gen der offenen Morddrohungen, die Man hatte geglaubt, mit der Vernehmung Gö­er gegen die Angeklagten ausstieß, fest- rings habe die Erniedrigung des Reichs­gesetzt werden müssen. Aber was ist gerichts eine Stufe erreicht, von der es über­Recht in Deutschland ? Verbrecher regie- haupt nicht mehr weiter abwärts geht. ren, und die Richter ducken sich vor Vernehmung des Heines hat dann gezeigt, ihnen! daß es im Dritten Reich keine Schande gibt, die nicht durch eine noch größere überboten

Die

tet ist, er muß noch die Kosten seiner An­haltung selbst bezahlen, ja er muß bei der Einlieferung ins Gefängnis sogar sofort einen Betrag erlegen, mit dem ein Strohsack und andere Requisiten angeschafft werden! Tut er das nicht, weil er kein Geld hat oder weil einfach nichts vorhanden ist, mit dem er das leisten könnte, so darf er auf dem nackten Erdboden schlafen und bekommt einfach nur die Abfälle der anderen zu essen." werden könnte. Man glaubt im ersten Augenblick, daß Heines war übrigens auch, was bei seiner ein des Lebens überdrüssiger Redakteur Vergangenheit nicht Wunder nehmen kann. einen wahrheitsgetreuen Bericht über die einer der berüchtigtesten Schläger im Reichs- Zustände in den zahlreichen deutschen tag. Er war Rädelsführer bei dem Ueberfall Konzentrationslagern in seinem Blatt ver­in München im Hotel Grünwald eine En- auf den Journalisten Dr. Klotz, der in der öffentlicht hat. Weit gefehlt! Der ange­tentekommission Quartier genommen. Eines Wandelhalle des Reichstags fertiggemacht" führte Bericht behandelt die Verordnung Tages brach ein patriotisch getarnter Haufen wurde. Jetzt hört ihn das Reichsgericht als der österreichischen Regierung, wüsten Gesindels in das Hotel ein und richtete Leumunds zeugen über Torgler ! erheblichen Schaden an. In diesem Menschen­

Heines

Oberkommandant des Reichsgerichts.

In den ersten Jahren nach dem Kriege hatte

haufen machte sich ein hochgewachsener jun­

wonach auch Hakenkreuzler ins Konzen­ntrationslager gesperrt werden können. Ja, Bauer, das ist ganz was anderes!.

Ker Bursche mit auffallend niedriger Stirn und Massenverhaftungen flachem Schädel besonders bemerkbar.

Er

Rathenau - Mörder

trug einen grauen Militärmantel, dessen Ta­In Ehrung der schen weit abstanden. Ein Polizist griff in sie über hundert Männer und Frauen ver­hinein und holte etwa ein Dutzend silberne haftet wurden, die im Verdacht stehen, EBbestecks heraus, die die Gravierung des sozialdemokratische Handzettel verbreitet Hotels Grünwald trugen. Später wurde derselbe Bursche wegen Ver­

Nachdem schon im Sommer an der Burg les zu haben, die zu einer oppositionellen Stel­lungnahme am 12. November auffordern. Saaleck in Thüringen unter großen Feierlich­Man will der Welt eine freie Entschei- keiten eine Tafel angebracht worden war,

übung eines grausamen und heimtückischen Mordes rechtskräftig zum Tode verurteilt. Die dung des deutschen Volkes vortäuschen wurde kürzlich auf dem Friedhof Saaleck ein

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weinte sich Hitler vor seinem Volke

in einer Rede in Frankfurt am Main aus. Er verließ sich auf sein Lügen­Trommelfeuer.

,, Dem Eroberer Berlins , die dankbare Reichshauptstadt"

BESTEN ZEUGEN

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heißt die Widmung auf dem Geschenk, das die Stadt Berlin dem Reichs­lügenminister Dr. Göbbels kürzlich zu seinem 36. Geburtstage überreich­te. Es paẞt zu dem Nazi- Wahlplakat aus dem Jahre 1930: Dr. Göbbels , der Oberbandit von Berlin , spricht" denn tatsächlich haben Oberban­diten Berlin erobert! Waldemar Grimm.

IM PR

PROCESS

f

1933

B

DEM

ZU LEIPZIG