Lehren der GesdhlditeAdolf Hitler— Louis BonaparteNach den Schwindelwahlen vom 12.November ist in der französischen Presseauf die merkwürdige Tatsache hingewiesen worden, daß die Stimmenzahl von9 2 P r o z e n t, die die Wahlmacher Hitlers als Regierungsstimmen anzugebenfür gut hielten, genau mit der Stimmenzahl übereinstimmt, die Louis Bona-Parte, der spätere Kaiser Napoleon III.,nach dem Staatsstreich vom 2. Dezember1851 bei der„Volksabstimmung" vom 20.und 21. Dezember erhielt. Dieser mit einemTropfen demokratischen Oels gesalbteStaatsstreich war der Schlußpunkt einerEntwicklung, die von der siegreichen Februarrevolution 1848 über den niedergeschlagenen Aufstand des Pariser Proletariats im Juni 1848 zur Aushöhlung undZertrümmerung der bürgerlichen Republikdurch den im Dezember 1848 gewähltenPräsidenten Louis Bonaparte führte.Karl Marx hat diesen Leidenswegder zweiten französischen Republik inseiner genialen Schrift„D e r a c h t z e h n-te Brumaire des Louis Bona-Parte" geschildert(Dietz, Stuttgart,1914). Diese 1852 verfaßte Schrift liestsich stellenweise wie eine D a r s t e 1-lung des heutigen Deutschland.Wir lassen hier die wichtigsten Abschnittefolgen:Der Niedergang der Revo-lution und der AufstiegBonapartes„Die Niederlage der Juniinsurgenteu(1848)hatte... das Terrain vorbereitet, geebnet,Vorauf die bürgerliche Republik begründet,aufgeführt werden konnte: aber sie hatte zugleich gezeigt, daß es sich in Europa um andere Fragen handelt als um„Republik oderMonarchie"... Sie hatte bewiesen, daß inaltzivilisicrten Ländern mit entwickelter Klas-aenbildung, mit modernen Produktionsbedingungen und mit einem geistigen Bewußtsein,worin alle überlieferten Ideen durch jahrhundertelange Arbeit aufgelöst sind, die RepublikOberhaupt nur die politische Umwälzungsformder bürgerlichen Gesellschaft bedeutet und"'cht ihre konservative Lebensform.Alle Klassen und Parteien hatten sich während der Junitage zur Partei der Ordnung ver-eint gegenüber der proletarischen Klasse, alsder Partei der Anarchie, des Sozialismus, desKommunismus..*. Der Auswurf derbür-eerlichen Gesellschaft bildet schließ-"ch die heilige Phalanx der Ordnung, und Held�rapülinsky(Bonaparte) zieht in dieTuilerien ein als„Retter der Gesellschaft''.(s- 15—17.)Die franzosisdie SA„Die Gesellschaft des 10. Dezember datiertVom Jahre 1849. Unter dem Vorwand, eine�'ohltätigkeitsgesellschaft zu stiften, war das�äriser Lumpenproletariat in geheimeAktionen organisiert worden, jede SektionVon bonapartistischen Agenten geleitet, an der�Pitze ein bonapartistischer Gene-ral. Neben zerrütteten Wüstlingen mit zweideutigen Existenzmitteln und von zweideutigerHerkunft, neben verkommenen und abenteuernden Ablegern der Bourgeoisie, Vagabunden,"Atlassenen Soldaten, entlassene Zuchthaus-s'fä{linge, entlaufene Galeerensklaven, Gauner,Gaukler, Tagediebe, Taschendiebe, Taschen-Kieler, Spieler. Bordellhalter. Lastträger. Li-teraten, Orgeldrcher, Lumpensammler, Sche-Knschleifer, Kesselflicker, Bettler, kurz die8anze unbestimmte, aufgelöste, hin und her8ewor{ene Masse, die der Franzose ia Bohimc"enot: mit diesem ihm verwandten Elementi'dete Bonaparte den Stock der Ccsell-Scllaft vom 10. Dezember.„Wohltätigkeitsge-KUschaft"_ insofern alle Mitglieder gleichschrittsorgane ihre Klassenherrschaft zugleichan der gesellschaftlichen Grundlage und an derpolitischen Spitze angriffen und bedrohten,also„sozialistisch" geworden waren. In dieserDrohung und in diesem Angriff fand sie mitRecht das Geheim nis des Sozialismus, dessen Sinn und Tendenz sie richtigerbeurteilt, als der sogenannte Sozialismus sichselbst zu beurteilen weiß...Indem also die Bourgeoisie, was sie früherals„liberal" gefeiert, jetzt als„sozialistisch"verketzert, gesteht sie ein, daß ihr eigenesInteresse gebietet, sie der Gefahr desSelbstregierens zu überheben, daß, umvon ihren Fenstern herabschießen ließ. Sieverherrlichte den Säbel, der Säbel beherrschtsie. Sie vernichtete die revolutionäre Presse:ihre eigene Presse ist vernichtet. Sie stelltedie Volksversammlungen unter Polizeiaufsicht;ihre Salons stehen unter der Aufsicht der Polizei. Sie löste die demokratischen Nationalgarden auf: ihre eigene Nationalgarde ist aufgelöst. Sic verhing den Belagerungszustand:der Belagerungszustand ist über sie verhängt,Sie unterdrückte jede Regung der Gesellschaftdurch die Staatsmacht; jede Regung ihrer Gesellschaft wird durch die Staatsmacht unterdrückt. Sic rebellierte aus Begeisterung fürMerkst e was?�"aparte das Bedürfnis fühlten, sich auf Ko-sten der arbeitenden Nation wohlzutun."(S. 59)�Dirgeptom gegen Arbeiter-sdiaft„Die Bourgeoisie hatte die richtige Ein-S,cht. daß alle Waffen, die sie gegen den Feu-al'smus geschmiedet, ihre Spitze gegen sieelbst kehrten, daß alle Bildungsmittel, die sie'fzeugt, gegen ihre eigene Zivilisation rebel-'trten, daß alle Götter, die sie geschaffen, vonr abgefallen waren. Sie begriff, daß alle so-enanntcn bürgerlichen Freiheiten und Fort-die Ruhe im Lande herzustellen, vor allem ihrBourgeoisparlament zur Ruhe gebracht: umihre gesellschaftliche Macht unversehrt zu erhalten, ihre politische Macht gebrochen werden müsse: daß die Privatbourgeois nur fortfahren können, die anderen Klassen auszubeuten und sich ungetrübt des Eigentums, der Familie, der Religion und der Ordnung zu erfreuen, unter der Bedingung, daß ihre Klasseneben den anderen Klassen zu gleicher politischer Nichtigkeit verdammt werde; daß, umihren Beutel zu retten, die Krone ihr abgeschlagen und das Schwert, das sie beschützensollte, zugleich als Damoklesschwert über ihreigenes Haupt gehängt werden müsse."(S. 50bis 52.)Die Selbstentmachttingdes Bürgertums„Die französische Bourgeoisie bäumte sichgegen die Herrschaft des arbeitenden Proletariats auf, sie hat das Lumpenproletariat zur Herrschaft gebracht, an der Spitzeden Chef der Gesellschaft vom 10. Dezember.Die Bourgeoisie hielt Frankreich in atemloserFurcht vor den zukünftigen Schrecken derroten Anarchie: Bonaparte diskontierte ihrdiese Zukunft, als er am 4. Dezember(1851)die vornehmen Bürger des Boulevard Montmartre und des Boulevard des Italiens durchdie schnapsbegeisterte Armee der Ordnungihren Geldbeutel gegen ihre eigenen Politikerund Literaten; ihre Politiker und Literatensind beseitigt, aber ihr Geldbeutel wird geplündert, nachdem sein Mund geknebelt undseine Feder zerbrochen ist.... Die französische Bourgeoisie hatte längst das DilemmaNapoleons I. gelöst:„In fünfzig Jahren istEuropa republikanisch oder kosakisch". Siehatte es gelöst in der„kosakischen Republik."(S. 97 und 98.)Die Diktator der Gewalt„Die Staatsmaschine hat sich der bürgerlichen Gesellschaft gegenüber so befestigt, daßan ihrer Spitze der Chef der Gesellschaft vom10. Dezember genügt, ein aus der Fremde herbeigelaufener Glücksritter, auf den Schild gehoben von einer trunkenen Soldateska, die erdurch Schnaps und Würste erkauft hat, nachder er stets von neuem mit der Wurst werfenmuß. Daher die kleinlaute Verzweiflung, dasGefühl der ungeheuersten Demütigung, Herabwürdigung, das die Brust Frankreichs beklemmt und seinen Atem stocken macht. Esfühlt sich wie entehrt."(S. 101.)Die Terrorwahlen„Die Bourgeoisie halte Jetzt(am 20. und21. Dezember 1851) offenbar keine andereWahl, als Bonaparte zu wählen. Als diePuritaner auf dem Konzil von Konstanz Oberdas lasterhafte Leben der Päpste klagten undüber die Notwendigkeit der Sittenreform jammerten, donnerte der Kardinal Pierre d'Aillyihnen zu:„Nur noch der Teufel in eigenerPerson kann die katholische Kirche retten, undihr verlangt Engel." So rief die französischeBourgeoisie nach dem Staatsstreich: Nur nochder Chef der Gesellschaft vom 10. DezemberHann die bürgerliche Gesellschaft retten, nurnoch der Diebstahl— das Eigentum, der Meineid— die Religion, das Bastardtum— die Familie, die Unordnung— die Ordnung!"(Seite109.)Die inneren Widersprücheder Diktatur„Bonaparte als die verselbständigte Machtder Exekutivgewalt, fühlt seinen Beruf, die„bürgerliche Ordnung" sicherzustellen. Aberdie Stärke dieser bürgerlichen Ordnung ist dieMittelklasse. Er weiß sich daher als Repräsentant der Mittelklasse und erläßt Dekretein diesem Sinne... Bonaparte weiß sich zugleich gegen die Bourgeoisie als Vertreter derBauern und des Volkes überhaupt, derinnerhalb der bürgerlichen Gesellschaft dieunteren Volksklassen beglücken will. Neue Dekrete, die die„wahren Sozialisten" im vorausum ihre Regierungsweisheit prellen. Aber Bonaparte weiß sich vor allem als Chef der Gesellschaft vom 10. Dezember, als Repräsentanten des Lumpenproletariats, demer selbst, seine Umgebung, seine Regierungund seine Armee angehören, und für das essich vor allem darum handelt, sich wohlzutunund kalifornische Lose aus dem Staatsschatzzu ziehen. Und er bestätigt sich als Chef derGesellschaft vom 10. Dezember mit Dekreten,ohne Dekrete und trotz der Dekrete.Diese widerspruchsvolle Aufgabe des Mannes erklärt die Widersprüche seiner Regierung,die bald diese, bald jene Klasse bald zu gewinnen. bald zu demütigen sucht und allegleichmäßig gegen sich aufbringt, dessen praktische Unsicherheit einen hochkomischen Kontrast bildet zu dem gebieterischen, kategorischen Stil der Regierungsakte... Bonapartemöchte als der patriarchalische Wohltäteraller Klassen erscheinen. Aber er kann keinergeben, ohne der anderen zu nehmen."(Seite109 und 110.)Die Päderasienregperimgr„Man hätte unrecht, bei dem Hofe und derSippe Louis Bonapartes an die Regentschaftoder Ludwig XV. zu erinnern. Denn oft schonhat Frankreich(nach den Worten von FrauGirardin) eine Mätressenregierung erlebt, abernoch nie eine Regierung von männlichenProstituierten"(S. III.)Anardiie als unvermeid-lidie Folge„Von den widerspruchsvollen Forderungenseiner Situattsn gejagt, zugleich wie ein Taschenspieler in der Notwendigkeit, durch beständige Ueberraschung die Augen des Publikums auf sich als auf den Ersatzmann Napoleons I. gerichtet zu halten, also jeden Tageinen Staatsstreich im Kleinen zu verrichten,bringt Bonapartc die ganze bürgerliche Wirtschaft in Wirrwarr,... macht die einen revolutionsgeduldig, die anderen revolutionslustig und erzeugt die Anarchie selbst im Namen der Ordnung, während er zugleich derganzen Staatsmaschine den Heiligenschein abstreift, sie profaniert, sie zugleich ekelhaft undlächerlich macht."(S. 112.)Die Bedingungen derneuen Resolution„Die Februarrevolution(1848) war eineUeberrumpelung, eine Ueberraschung der altenGesellschaft und das Volk proklamierte diesenunverhofften Staatsreich als eine weltgeschichtliche Tat, womit die neue Epoche eröffnet sei.Am 2. Dezember(1851) wird die Februarrevolution gestohlen durch die Volte eines falschenSpielers und was umgeworfen scheint, ist nichtmehr die Monarchie, es sind die liberalen Konzessionen, die ihr durch jahrhundertelangeKämpfe abgetrotzt waren. Statt daß die Gesellschaft selbst sich einen neuen Inhalt erobert hätte, scheint nun der Staat zu seinerältesten Form zurückgekehrt, zur unverschämteinfachen Herrschaft von Säbel und von Kutte.,. Wie gewonnen, so zerronnen... Unterdessen ist die Zwischenzeit nicht unbenutztvorübergegangen... Die Gesellschall scheintjetzt hinter Ifaren Ausgangspunkt zurückgetreten: In Wahrheit bat sie sich erst den revolutionären Aasgangspunkt zu schallen, die Situation, die Verhältnisse, de Bedingungen, unter denen allehi die moderne Revolution ernsthaft wird!(S. 10)