Rohm, Darre, Schmitt und die deutschnationalen Renegaten Seldte und Rapen, Daneben gibt es auch noch andere Minister. Sind sie schon Nationalsozialisten? Wir wissen es nicht. Darunter ist der Reichsjustizmimster G ü r t n e r, dessen Unterschrift unter dem Gesetz steht, das die Neubildmjg von Parteien, also auch der Deutschnationalen Partei, mit schwersten Strafen bedroht. Herr Gürtner ist als Deutschnationaler in dies Kabinett gekommen. Zeugt es nicht von Charakter, daß er das Gesetz gegen die Neubildung seiner Partei unterzeichnet hat? Neben ihm steht der Reichsfinanzminister von S c h w e r i n-K r o s i g k, von dem man laut sagt, daß er noch Reiohsminister ist, weil er eine zahlreiche Kinderschar hat. Es gehört Charakter dazu, heute deutscher Reichsfinanzminister zu sein! Aber was bedeutet es schon, heute deutscher Reichsminister zu sein! Soweit sie nicht zur Gruppe der Diktatoren gehören, gilt auch für sie— Sklaven sind sie alle! Staat und herrschende Partei werden in Deutschland immer mehr eins. Die persönlichen Träger der Herrschaft gebrauchen die Partei, um den Staat zu beherrschen, sie benutzen den Staat, um ihre Herrschaft über die Partei zu sichern. Ihre letzten Maßnahmen bedeuten im Grunde nur eine formale Anerkennung in Wirklichkeit schon vorhandener Zustände in Deutschland . Der Reichskanzler diktiert— er ist trotz Hindenburg Staatsoberhaupt. Gesetzgeber, Chef der Verwaltung und Justiz in einer Person. Ein Parteiheer von fast einer Million Mann hält das Volk nieder, weitere Millionen dienen als freiwillige Polizisten, Aushorcher, Denunzianten gegen den Rest des Volkes. Das ist Verfassung genug! Wozu dann noch eine geschriebene Verfassung? Das Problem der Eingliederung der Justiz in die totale Despotie wird auf die einfachste Art und Weise erledigt Für die herrschende Partei werden Sondergerichte eingeführt, die allgemeine Justiz wird der Partei Justiz unterstellt Geschriebene Rechtsnormen existieren für die Parteijustiz nicht— daß sie In def totalen Despotie überflüssig sind, hat die allgemeine Justiz längst bewiesen, die nur noch nach dem Parteigesichtspunkt urteilt Die Justiz für die Beherrschten ist in der Despotie nicht ein Werkzeug der Gerechtigkeit, sondern ein Mittel der Bedrückung und Niederhaltung. Die Sonderjustiz für die beherrschende Partei ist ein Mittel der Machtsicherung der Diktatoren. Schließlich ist die innere Verfassung der NSDAP., die immer*mehr zur deutschen Staatsverfassung wird, auch despotisch, und auch innerhalb der herrschenden Partei können die Despoten oder der Despot die Macht nur behaupten mit Unterdrückung, mit drakonischen Strafmitteln und Terror. Die Konzentrationslager für die SA. finden jetzt ihre Ergänzung durch die Parteigerichte der NSDAP. -Mitglieder und der SA . Je weiter die Eroberung des Staates durch die herrschende Partei vorwärts schreitet, umso schärfer tritt die Zweiteilung des deutschen Volkes in Herren und Sklaven hervor. * Es ist nicht eine Staatsverfassung, die in Deutschland entsteht, sondern eine Heeresverfassung. Es gibt in dieser Verfassung keine Staatsbürgerrechte, keine Garantie allgemeiner Menschenrechte, keine Abgrenzung von Gesetzgebung, Justiz und Verwaltung, sondern nur eine Regelung des Unterordnungsverhältnisses unter die Vorgesetzten, eine Regelung der organisatorischen Gliederung, der Strafmaßnah men zur Erzwingung der Unterordnung. Es ist die Ausprägung des reinsten militaristischen Geistes. Denn totaler Staat und Militärdespotie sind ein und dasselbe! Diese Gestaltung der wirklichen deutschen Verfassung, die völlige Verschmelzung von Partei und Parteiheer mit dem Staat ist nicht das geringste Stück der Aufrüstung und K r i e g s v o r b e r e i t u n g, die die Machthaber Deutschlands betreiben. Sicherung der eigenen Herrschaft, das ist der eine Gesichtspunkt, den sie verfolgen, Organisierung des deutschen Volkes für kommende kriegerische Auseinandersetzungen der andere. Unter beiden Gesichtspunkten wollen sie jetzt der Entwicklung ein schärferes Tempo geben. Sie ziehen ihre Schlüsse aus der Schwäche der Demokratie in Europa . Sie wollen sobald als möglich bereit sein, und gehen deshalb daran, mit aller Brutalität die Herrschaft auszubauen, die aus dem ganzen Volke ein einziges Heer machen soll. Mit despotischen Mitteln sichern sie Ihren Oberbefehl, die Befehlsgewalt und die Disziplin der Beherrschten. Eine Verfassung! flrdenKrieg— das ist ihr Ziel! Krieg oder Frieden? Eine Rede Brehsdieids In Paris In der„Neuen Schule des Friedens4* in Paris sprach unter dem Vorsitz Vanderveldes vor einer groBen Zuhörerzahl Breitscheid Ober„Hitler und Europa4*. Er erklärte, daß Europa an dem Sieg Hitlers nicht unschuldig sei und erinnerte daran, wie das besiegte Deutschland , nachdem es demokratische Re publik geworden war, behandelt wurde. Im Vergleich zu dem, was jetzt geschehe, seien die„Verfehlungen" zu Cunos Zeiten harmlos gewesen, dennoch sei damals das Ruhrgebiet besetzt worden. Gegen das Gift des Faschismus sei kein Volk Immun, kein Volk dürfe sagen, bei ihm seien ähnßche Vorgänge unmöglich. Auch in Deutschland habe man nicht glauben wollen, daß doch Aelmliches geschehen könnte wie in Italien , und doch sei die deutsche Diktatur noch viel brutaler und grausamer als die italienische. Breitscheid forderte eine gemeinsame Front aller Völker, die ihre demokratischen Einrichtungen und Zustände erhalten wollten, gegen die faschistische Drohung, wies jedoch den Gedanken eines miü- tärisclien Eingreifens weit von sich.„Nichts liegt mir ferner", rief er aus.„als die Forderung, daß gegen Hitlcrdeutschiand mit Waffengewalt vorgegangen werde. Ein Krieg wäre für mich ein verabscheuenswürdigcs Verbrechen, er wäre das Ende Europas !" Die neuen Pazifisten und der Respekt des Auslandes. Das Matin-Interview, in dem sich Hitler kürzlich als Freund des Friedens und der Versöhnung aufspielte und dabei nicht daran vorbei kam, endlich Stresemanns Verständigungsarbeit einige verstehende Worte zu widmen, hat In» Dritten Reich einiges Staunen und im Ausland s*hr ironische Kommentare ausgelöst. Um die frühere kriegerische Naziagitation mit der neuen Friedensplatte einigermaßen gleichzuschalten, schwingt sich der Völkische Beobachter zu einer Interpretation des Hitlerinter- ▼iews auf und rührt folgenden Brei an: „Früher konnten weder Brüning noch Stresemann von wirklicher Versöhnung und Frieden sprechen, well man in Paris die befleckte Vergangenheit der Sozialdemokratie ebenso gut kannte wie in Deutschland , weil Jeder Schritt nach dieser Richtung hin nur zu leicht mit den unsauberen Motiven der November-Revolution in Zusammenhang gebracht werden konnte.,." Der internationale Kapitalismus wird schmunzelnd zur Kenntnis genommen haben, wie sich die Nazibonzerie hier wieder einmal empfiehlt: die Sozialdemokratie„macht Klassenkampf" und die rote Novemberrevolution hat einige Privilegien der Besitzenden beseitigt, aber wir Nazis haben die Volksrechte wieder zerschlagen, wir scfiüifzen euch Kapitalisten bis auf weiteres vor Soziaiisierung und Großkapitalist Thyssen ist unser Wfrtschaftsdiktator.... Diese reaktionäre Empfehlung kommt dann noch einmal und wird zu einem tollen Galll- matthias verrührt: „So haben die Vorsitzenden des alten Systems, gleich ob sie im e I z e 1 n e n falsch oder richtig handeln, für Deutschland Oberhaupt nicht wirken können, und wenn der eine oder der andere es auch versucht haben mag, so sind alle diese Versuche durch die fluchbeladene Tätigkeit des Gesamtmarxismus zunichte gemacht worden. Es versteht sich deshalb von selbst, daß das Ausland vor solchen Vertretern keinen Respekt haben konnte (Hindenburg , Neurath etc.. wie wird euch? Red. d. N. V.) und demgemäß auf alle Beteuerungen geantwortet hat." Welchen Respekt das Ausland vor den braunen Brandgewinnlern bekundet, das weiß nicht nur Göring am besten, sondern vor allem der Chefredakteur des Völkischen Beobachters, der tapfere Heimkrieger Rosen- b e r g! Dem wurden in London derartige Ovationen gelleiert, daß sie einer Ausweisung gleichkamen und den braunen Oberbonzen zur vorzeitigen Abreise zwaagen. Und während die Vertreter der Demokratie immerhin die Räumung des Rhcinlandes, den österreichischen Anschlußwillen, den Youngplan und andere Erleichterungen erzielten, erntete Hftler- deutschland bis heute nur den deutschösterreichischen Krieg, Erhöhung der Militärbudgets in allen Ländern, völlige I s o 1 i e r u g, beleidigende Behandlung, Mißtrauen und Boykott, so daß es die Japaner bereits zu Ariern erklären mußte. Wann aber wagt die neudeutsche Presse nun endlich, das pazifistisch geschminkte Hitler-Interview endlich im Wortlaut wiederzugeben? Der neue diplomatlsdic Ton Der„Völkische Beobachter" vom 27. November wütet gegen die Regierung Dollfuß : „Der„Grenzzwischenfall", dem ein deut scher Reichswehrsoldat schuldlos zum Opfer fiel, berechtigt die deutsche Oeffentlichkeit zu der Frage: Sind die das heutige Reglerungssystem repräsentierenden Männer in Oesterreich im Sinne des deutschen Paragraphen S1 noch zurechnungsfähig oder dürfen sie bei der Liquidierung ihres Gewaltregiments sich Hoffnungen auf einen Freispruch machen, weil die Angst vor dem Hakenkreuz ihre freie Willensbestimmung ausgeschlossen hat? Das Wüten der derzeitigen Machthaber in Wien ... läßt darauf schließen, daß eine schwere Psychose die Machthaber im Donauraum ergriffen bat Es kann aber keinem Volke gleichgültig sein, wenn sich in seiner nächsten Nachbarschaft ständig sich steigernde Taten der Unzurechnungsfähigkeit abspielen." Das ist der Ton, in dem während des Weltkrieges Propaganda gegen friedliche Regierungen getrieben wurde. Die Nationalsozialisten fühlen sich im Kriegszustand mit Oesterreich und pflegen deshalb die Kriegspropaganda. Wo bleibt das W eltgewissen? V/ir lesen den folgenden Aufsatz an das Volksgewissen: „Es kann der Kulturwelt nicht gleichgültig sein, wenn Im Herzen Europas Gefangenenmord, Geiselaushebung, Erpressug, Raub, Gewalttaten über Gewalttaten Tag für Tag ge- schehen, es kann vor allem dem Deutschtum nicht gleichgültig sein, daß... ein Vernich- tnngskampf geführt wird, der Mittel in Anwendung bringt, die Tataren und Sarazenen im dunkelsten Mittelalter verschmäht haben... Daß man mit weltgehender Zuhillcnahme von Gummiknüppeln von halbwüchsigen Jungen Geständnisse erpreßt, um Erwachsene, oft die Eitern, Ins Gefängnis oder ins Konzentrationslager einfielen] zu können. Nach dieser Anklage folgt die Zuschrift eines Mißhandelten, der einer Terrorbande in die Hände gefallen war: „Dort hielt das Auto an und man zerrte mich aus dem Waget» und wollte mir- im Stehen ein Gel, das ich nicht kenne, das aber sehr dickflüssig war, einflößen. Anfangs wehrte ich mich, dann zwang man mich in die Knie, hielt mir beide Arme auf dem Rücken zusammen und jetzt flößte mir Penz, während er mir die Nase zuhielt, damit ich keine Luft mehr bekam, das Gel ein. Penz hielt mir die Nase derart zu, daß ich fast erstickte. Nach zirka 15 Minuten wurde ich wieder in das Auto gebracht, und unter vielen Drohungen wurde mir gesagt, wenn ich etwas anzeige, würde ich schon das weitere erfahren und die gehörige Ladung bekommen. Da mir von dem eingeflößten Gel sehr schlecht war und ich mich andauernd übergeben mußte, bin ich sofort heimgegangen. Während der Nacht konnte ich vor Schmerzen nicht schlafen und ich fühle mich heute noch sehr übel." Eine„Greueltat" aus dem Dritten Reich ? Aber nein! Wir haben den— „Völkischen Beobachter" vom 23. November 1933 zitiert, der sich unter der Ueberschrift: Wo bleibt das Volksgewissen? über die Behandlung der Nationalsozialisten in Oesterreich beschwert Die Hölle der Konzentrationslager In keinem Lande der Weif wird ein Staatsbürger seiner Freiheit beraubt, wenn er sich nicht gegen die Gesetze vergangen hat. Nur in Deutschland erfolgen Verhaftungen ohne jeden ersfeht- lichen Anlaß und in Willkür. Heuchlerisch wird diese Art der Haft„Schutzhaft" genannt Da die Gefängnisse und Strafanstalten für die große Zahl der Schutzhaftgefangenen nicht ausreichen und die Grausamkeiten der SA.- Wachmannschaften verborgen bleiben sollen, so sind„Konzentrationslager" geschaffen worden. Die Zahl dieser Lager sowie die Zahl der Gefangenen hat sich ständig erhöht Nach einer zuverlässigen Statistik des Vorstandes der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands , Sitz Prag , bestehen noch immer 68 Konzentrationslager, in denen etwa 5 0.0 00 Gefangene sich befinden, und zwar sind das folgende Lager: Oltpreußen: Gründaus bei Köulgsben;, Soldin. Brandenburg : Bernau , Börnicke bei Nau en . Bötzow. Brandenburg a. d. Havel (früheres Zuchthaus, das wegen Baufällig- keit und gesoudheitsgefährdung geräumt war— 1600 Gefangene), Jüterbog , Ora- . nienburg(dient Jetzt Im wesentlichen der Unterbringung rebellierender SA-Männer— 1000 Gefangene),' Sonneburg (ebenfalls längst abbruchreifes und daher geschlossenes Zuchtbans. 600 Geiangeue). Schlesien : Frankental, Münsterberg, Lescb- witz bei Görlitz . Provinz Sachsen : Erfnrt, Lichtenbnrg b. Torgau (etwa 1000 Gefangene) Gräfenbal- nlcben, Zörbig . Schleswig- Holstein : Eutin , Glück stadt , Rickllng. Hannover : Mooringe, Wilsede(1300 Gefangene, und zwar revolutionierende SA- Männer). Westfalen : Bergkamen . Börgermoor (etwa 2000 Gefangene, berüchtigt wegen seiner Grausamkeit), Esterwegen , Neusustrun bei Lathen a. d. Ems, Sennelager , Wanne- Elckel., Hessen-Nassau : Ginsbeim, Fechenbach, Kassel , Rödelheim , Wetzlar . Rbelnprovlnz: Bayernburg b. Wupper tal , Brauweiior. Coblenz-Karmerlta(700 Gefangene). Cobfenz-Kartbause,(300 Gefangene), Düren , Jülich , Kemna b. Wupper tal , Siegburg (2500 Gefangene). Bayern : Dachau (3000 Gefangene, noch immer die Stätte grausamster Folternngen). Sachsen : Bautzen , Coiditz(900 Gefangene). Crimmitzscbau, Dresden (MathlldenschlöB* eben), Grünenhainichen. Hainieben b. Dö beln , Heinewald b. Zittau (380 Gefangene). Burg Hobnsteln(600 Gefangene), Sachsenburg b. Flöhe(1600 Gefangene), Sonneburg b, Chemnitz , Osterstein b. Zwickau . Württemberg : Gotteszell bei Gmünd . Baden : Ankenbuck b. Villigen , Bad DUrbelui (500 Gefangene). Heuberg(gemeinsames Lager von Baden und Württemberg , trotz Entlassungen noch 1600 Gefangene), Klßla» bei Bruchsal , Rastatt (300 Gefangene). Thüringen ; Blankenhain b. Weimar , Jena , Ohrdruf (1000 Gefangene), Untermaßfefd. Hessen : Osthofen , Langen . Oldenburg :• Vechta . Brannschwelg: Woffenbfittel(600 Gefangene). Hamborg : Fuhlsbüttel , WUtmoor. Bremen : Hastet(für rebellierende SA), I"* sei Langlüttgen, Miesier(400 Gefangene). Bremen hat außerdem ein Konzentrationslager auf einem stillgelegten Schiff. Anhalt: Dornburg. Mindestens die gleiche Zahl von Ge* tangenen befindet sich in den-P o l i- zei- und Gerichtsgefängnissen, ohne daß gegen sie eine Untersuchung geführt oder ein Strafverfahren eingeleitet worden Ist Hunderttausend Menschen sind also der Freiheit sowie ihrer Existenz beraubt ihren Familien entrissen, ohne daß man sie überhaupt eines Vergehens gegen die Gesetze beschuldigt!
Ausgabe
1 (10.12.1933) 26
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