Neuer Vorwärts

Sozialdemokratisches Wochenblakk

Verlag: Karlsbad  . Haus Graphia" Preise und Bezugsbedingungen siehe Beiblatt letzte Seite

Almosen und Diebstahl

Die Hitlerdiktatur feiert ihren Jahrestag

Feste setzen Begeisterung voraus. Da sie dazu zählen im Dritten Reich   auch Millionen Kälte, die im Dritten Reich  stark einschrumpit, so hat man schweren Her- kärglich bezahlter Lohnarbeiter, gehen leer aus.

Die Aktion vom 30. Januar hat ganz andere

sind mehr als 100 Mill. Mark für die Winter­hilfe gesammelt worden. Immer größere Kreise des deutschen   Volkes fragen, wo diese Gelder geblieben sind. Bislang ist niemals Bargeld ausgezahlt worden. Alles Geld floß in die un­

zens davon Abstand genommen, den 30. Ja­nuar nach der Parole: Feste, Feiern, Feuer­werk, zu begehen. Statt dessen erging die An- Ursachen. In den Monaten Oktober bis Januar ordnung, im Rahmen der Winterhilfe allen Bedürftigen einen Lebensmittelgutschein Im Werte von einer Mark zu geben. Außerdem sollen 6.5 Millionen Gutscheine über je einen Zentner Kohle ausgegeben werden. Sichtbar­ster Ausdruck der Volksgemeinschaft", so be­jubelt die deutsche Presse diese Anordnung. Aber es herrscht doch auch sehr viel Skepsis bel der zwangsweise verordneten Jubelstim­mung. Wenn z. B. die Frankfurter Zeitung  " schreibt:

ergründlichen Kassen der SA   und der NSDAP  . Nicht der Volksgemeinschaft, sondern der För­derung der Partelzwecke dienten die Gelder, die man zur Bekämpfung von Hunger und Kälte gesammelt hatte. Das ist ein Verbrechen, das jedem gewöhnlichen Staatsbürger unwel­gerlich langjährige Zuchthausstrafen wegen Untreue einbringen würde. Um die ständig wachsende Erregung abzuschwächen, sollen Jetzt wenige Millionen an Bedürftige gegeben werden. Mindestens 80 Millionen Mark aber bleiben veruntreut. Das ist um so gemeiner, so äußert sich darin sicherlich mehr kritische da sie nicht den Reichen und Wohhabenden Kühle als Innere Begeisterung.

,, Man darf wohl aussprechen, daß hier ein Musterbeispiel lenes vom Natio­nalsozialismus in die Politik eingeführten Begriffs gegeben worden ist, den man Pro­paganda nennt",

abgenommen, sondern den Armen groschen­weise gestohlen worden sind. Selbst Göb­ bels   sah sich gezwungen, am 15. Januar im Berliner   Lustgarten festzustellen, daß bel der Winterhilfe

aus den ärmsten Städten und aus den ärmsten Stadtteilen die größten Opfer kommen."

Nr. 34 SONNTAG, 4. Februar 1934

Aus dem Inhalt:

S. Crummenerl: Selbstkritik und Führung

Max Klinger  : Geist und Bewegung Gerhart Seger  : Die Bastillen des

Dritten Reiches  

Richard Kern: Die gelbe Fratze

verschwinden

Hitlerbilanz

Mit Ost- Locarno und Katzenjammer

Am 6. April 1925 bat Stresemann  einige Berliner   Journalisten zu sich, um ihnen seine Politik Frankreich   gegenüber auseinanderzusetzen. Es war die Vorberei­tungszeit von Locarno  , Der Minister er­klärte, daß die territorialen Verluste im

sollten, haben noch nie so zahlreiche Opfer Westen unwiderruflich seien und daß eine

gefordert wie jetzt!

Die Kehrseite

16 Millionen hungern- Offizielle Zahlen widerlegen offizielle Lügen! Bekanntlich geht es dem deutschen   Volke seit Hitlers   Regierungsantritt besser und besser. Die offiziellen Konjunkturberichte triefen von Optimismus. Manchmal aber klappt

die Regie sehr schlecht. Da kann man

z. B. in der Vossischen Zeitung" vom 25. Januar folgendes lesen:

.. Erschütternd sind die Zahlen, die

Revision nur noch im Osten möglich, dort aber auch lebensnotwendig sei. Diese Revision im Osten zu erreichen, den Kor­ridor und Oberschlesien   wiederzuholen, das, so versicherte Stresemann wieder­holt, sei der eigentliche Sinn sei­ner deutschfranzösischen Verständigungs­politik. In vier oder fünf Jahren spätestens werde, nach seiner Ueber­zeugung, dieses Ziel erreicht sein.

Als dann der Pakt von Locarno   abge­schlossen wurde, der nach dem Westen den territorialen Verzicht, nach dem Osten aber nur den Verzicht auf Gewaltanwen­

erst in den letzten Tagen das Winterhilfs- dung aussprach, wußten die Eingeweihten werk über den großen Kreis der Unterstütz- sofort, was das zu bedeuten hatte. Aber auch in Warschau   scheint man sich über ten, die es zu betreuen hat, bekanntgab. den Sinn dieser Differenzierung keinen Sieben Millionen mit neun Millionen Ange­hörigen, zusammen also nicht weniger als Augenblick im Unklaren gewesen zu sein: 16 Millionen Menschen, stehen unter dem die Gleichstellung mit Frankreich  , das so­Schutze des Winterhilfswerks  . Das heißt genannte Ost- Locarno" wurde zu also, daß Millionen und aber Milllonen In einem der wichtigsten Ziele der polnischen Außenpolitik. Desto zäher blieben alle. Deutschland   leben müssen von Ein­künften, die weit unter der Gren- späteren deutschen   Regierungen bei jener ze dessen llegen, was in einer leldlich Differenzierung. Die Revision als Frucht Intakten Wirtschaft als Existenzmini- der Locarnopolitik, das war Stresemanns

mum zu gelten hat."

nationales Testament.

Angeblich sollen die Kosten für diese ein malige Aktion 21.5 Millionen Mark betragen. mit denen 16 Millionen Hilfsbedürftige vor Hunger und Kälte" geschützt werden sollen. Leider wäre selbst dann dieser Betrag dafür nicht ausreichend, wenn diese Zahlen wirklich stimmen würden. Aber weder kostet die Ak­Kann man die slegreichen Arbeitsschlach- Dieses nationale Testament 1st jetzt tion vom 30. Januar 21.5 Millionen Mark, noch ten treffender Illustrieren, als es hier, Im zerrissen. Adolf Hitler   hat, indem er bat le die nationalsozialistische Winterhilfe 16. Was am 30. Januar vor sich gegangen ist, gleichgeschalteten Organ, unter Zugrunde- den Polen   das ersehnte Ost- Locarno Millionen Menschen betreut. Ihre Tätigkeit ist nicht ein Bewels für die Existenz der Volks- legung offiziell herausgekommener Zahlen ze- gab, etwas gewagt, was kein deutscher  reicht nicht nennenswert über die drei bis gemeinschaft, sondern Propaganda and schieht? vler Millionen eingeschriebener Mitglieder hin- Betrug. Mit Bettelpfennigen 1st dem wach- Hunger und Mord das sind die Resultate hätte wagen dürfen, ohne das Schicksal aus. Die Millionen wirklich Bedürftiger, und senden Elend nicht belzukommen. Hunger und des einen Jahres Hitlerdiktatur!

Die Furcht

diktatur.

-

Reichskanzler oder Außenminister zuvor

Erzbergers oder Rathenaus über sich heraufzubeschwören. Als Stresemann den Locarnopakt unterzeichnet hatte,

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einen Hund". Und in seinem Buch

Mein Kampf philosophiert er über Lo­

Ziel der Errichtung der Monarchie, aber| reizenden Charakters seiner Herrschaft empfahl Hitler   im Völkischen Beobach­mit dem Ziel des Sturzes der Hitler  - bewußt ist. Es verfolgt argwöhnisch jede ter". Ihn dafür totzuschlagen wie Hitler   und das monarchistische Gespenst. traditionelle oder geistige Bewegung, Das enthüllt, wie es um die Gleich- weil es in leder einen Sammlungspunkt Als das Geschrel der Hitlerpropa- schaltung" und um die Sicherheit des Re- für die Opposition zu sehen glaubt. Der ganda gegen die reaktionären Wühl- gimes bestellt ist. Es lebt in ständiger| Terror entspringt der Furcht, und je bru­mäuse" begann, das von der Versklavung Furcht vor sich erhebenden Gegenkräften, taler er wird, umso mehr wächst die von dem Clausewitz   spricht: die zuerst began­der Arbeiterschaft ablenken sollte, weil es sich der Brutalität und des auf- Furcht der Terroristen!

konnte man erwarten, daß demnächst etwas geschehen werde. Es ist etwas geschehen: am 27. Januar haben Na­tionalsozialisten eine Geburtstagsfeier von Offizieren für den Mann von Doorn überfallen, so daß es zu einer schweren Prügelei kam. Es ist nur ein ganz klei­ner Reichstagsbrand aber die Methode ist die gleiche. Mit denselben Mitteln, mit denen einst die kommunistische Gefahr

-

0.000 Erwerbslose mehr!

Nicht 4, sondern 7 Millionen Arbeitslose!

Dies ist eben Jener Gifttropfen

gene Charakterlosigkeit, die sich selbst immer weiter steigern muß und die all­mählich das schlimmste Erbe Jeden künftigen Entschluß belastet. Sie kann zum furchtbaren Blelgewicht werden, das ein Volk kaum mehr abzuschütteln vermag, sondern endgültig hin­unterzieht in das Dasein einer Sklaven­rasse."

Nach alledem muß man begreifen, daß Warschau   den neuen Vertrag mit Vergnü­

Während die Statistik über die Arbeits- genüber dem Vorjahre um 100.000 abge- gen unterzeichnet hat. Hitler   aber läßt sich

bewiesen werden sollte, ist jetzt angeh- losigkeit für den Dezember nur einen Rück- nommen

lich der Beweis für die Existenz

monarchistischen

einer Gefahr in

Deutschland   erbracht- eben das, was Hitler   und Göbbels   zur Ablenkung für

nötig hielten.

gang von 343.000 registrierte, zeigt die Stati­stik der Krankenkassen über die Beschäf­

von seinen diätenschluckenden Reichstags­mamelucken als Ueber- Bismarck feiern.. Am genauesten läßt sich die Zahl der Ar-..Ehre und Freiheit der deutschen  Danach ist die Abnahme der Beschäftigten- samtzahl der Arbeitnehmer dle Zahl der Be- des Dritten Reiches   verkündet,, sind wie­tigtenzahlen einen Rückgang von 733.078. beitslosen ermitteln, wenn man von der Ge- Nation", so hat man zum Geburtstagsfest zahl um 390.000 höher als die ausgewiesene schäftigten abzieht. Für Ende Dezember 1933 der hergestellt". Aber niemand nimmt sich Zunahme an Arbeitslosen! Der Rückgang der ergibt sich folgendes: Die Zahl der Arbeits- die Mühe zu erklären, wieso das gesche­sten in Deutschland  , selbstverständlich ber 1932, wo er nur 715.271 betrug! Beschäftigten ist sogar größer als Im Dezem- losen beträgt 4,058.000, ist also fast genau so hen sein soll. Glaubenssätze sind eben da­hoch wie im Mal 1931 mit 4,053.000. Die Zahl zu da, geglaubt zu werden, und ein richtig ist der Mann von Doorn den alten kaiser­der Beschäftigten betrug aber im Mal 1931 Hypnotisierter trinkt jedwede Flüssigkeit 15,197.000 gegen 13,287.000 Im Dezember 1933, mit Genuß, wenn man ihm sagt, sie sei lichen Offizieren lieber als Hitler  - aber lichkeit noch welt ungünstiger, wie ein Be­sind die Monarchisten wirklich war also um 1,910.000 höher. Da In der Zwi- köstlicher Wein. Die Frage, woher, wieso, eine richt über die Sozialversicherung Im 3. Vier- schenzeit die Gesamtzahl der Arbeitnehmer auf welche Weise Ehre und Freiheit wie­Macht? Sie sind es nicht aber das Re- teljahr 1933 beweist. Dort helßt es: nur um etwa 200.000 abgenommen hat, so wird der hergestellt sein sollen, ist marxistisch, Der Mitgliederbestand der Krankenkas- offensichtlich, daß nicht weniger als 1,700.000 verrät eine staatsfeindliche Gesinnung, sen hat weiter zugenommen und die Vor- Arbeitslose aus der Statistik seit Mal und wer sie stellt, muß gewärtig sein, in jahrshöhe überschritten." 1931 verschwunden sind. den Kellern der Gestapo   solange geprügelt

Selbstverständlich gibt es Monarchi­

-

gime fürchtet, daß sie es werden könn­ten! Das Regime späht ängstlich nach

Das

Die Lage auf dem Arbeitsmarkt ist in Wirk­

allen Seiten aus, um welche Punkte sich wohl die Opposition kristallisieren könne. Es wird amtlich also schon als ein Erfolg Diese Schätzung wird durch die Gegen- zu werden, bis er von der Herstellung der angesehen, daß die Vorjahrshöhe überschrit- überstellung der Zahlen der Be- Ehre sowohl wie der Freiheit vollkommen es bei den Objekten der Diktatur die An- ten ist. Man hütet sich jedoch, Zahlen anzu schäftigten und der Gesamtzahl überzeugt ist. schauung voraussetzt: jedes andere| geben. Sie findet man in der Statistik der A r- der Arbeitnehmer bekräftigt. Sie wird Deutsche   und Deutsche   reden heute Regime ist besser als das Hitlerregime. dritten Vierteljahr 10.7 Millionen Versicherte 1934 auf 20,837.000 berechnet. Ziehen wir da- einen Schande und Knechtschaft beitslosenversicherung. Es gab Im vom Statistischen Reichsamt für den Anfang ganz verschiedene Sprachen. Was für die gleichviel wie es aussieht! Das Regime gegenüber 10.6 Millionen Versicherte im Vor- von die Beschäftigtenzahl von 13,287.000 ab, heißt, scheint zu fürchten, daß Maske des Monarchismus sich eine teljahr 1932. Danach hat die Zahl der gegen Die wirkliche Arbeitslosenzahl muß also zwi nale Heldentat, Raub und Plünde­Opposition sammeln werde, nicht mit dem Arbeitslosigkeit versicherten Arbeitnehmer ge- schen 7 und 7 Millionen liegen.

unter der vierteljahr und 10.8 Millionen im dritten Vier- so ergibt sich eine Differenz von 7,550.000.

heißt bei den anderen Ehre und Freiheit. Meuchelmord heißt natio­

rung heißen Kampf gegen den Bolsche­