Streuzettel
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Neue Burschenherrlichkeit
gen
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aus ist es
Eine ergötzliche Episode hat sich in einem Orte der sächsischen Lausitz am Tage der Volksabstimmung abgespielt. Das StimmStudenten werden kaserniert- Studieren Nebensache, Exerzieren Pflichtfach lokal befand sich in der Straße, in der der nationalsozialistische Bürgermeister und der Als Hitler noch nicht an der Macht war ,, Der Reichsschaftsführer der Studierenden spanische Stiefeln eingeschnürt< nationalsozialistische Gendarm im gleichen Hause wohnen. Die Wähler kamen zu zweien erbosten sich die deutschen Korpsstudenten an den deutschen Hoch- und Fachschulen mit dem Selbstbestimmungsrecht, aus mit der und dreien. Ein paar Schritte vom Hause des darüber, daß ein Duellverbot sie daran hin- hat mit Wirkung vom 20. September 1934 Geistesfreiheit! Aber die Sache hat noch eine zweite Bürgermeisters entfernt stand ein Junge, der derte, sich gegenseitig die Köpfe blutig zu bestimmt, daß jeder Student, der das erste stolz und wichtig jedem ankommenden Wäh- schlagen und die Gesichter zu zerhacken. Sie oder zweite Semester beginnt, während der Seite. Die Burschen werden nach den beiden neu erworbene in einem von der Kasernensemestern wenig betrachteten das Verbot als staatlichen ersten beiden Semester ler einen kleinen Zettel darreichte. Die Wähler nahmen und lasen lasen erstaunt: Uebergriff, als Einbruch in ihre privilegier- deutschen Studentenschaft anerkannten Ka- wissenschaftliche Kenntnisse nach Hause trazu wohnen hat. dafür werden sie recht brauchbare >> Wer Hitler wählt, wählt den Krieg! Wer den ten Rechte, als Antastung der studentischen meradschaftshaus Freiheit. Die eingerichteten Wohnkameradschaften der Offiziersanwärter sein. Die Arbeitsdienstzeit Frieden will, stimmt mit Nein!< Sie sahen Jetzt dürfen sie wieder nach Herzenslust Korporationen und die bestehenden Kame- haben sie schon hinter sich, im Arbeitslager vom Zettel auf den Jungen und wieder auf den Zettel. Manche kannten den Jungen auch; pauken, jetzt gelten Schmisse wieder als radschaftshäuser der Studentenschaften wer- wurden sie von Reichswehroffizieren ausgefrü- bildet im studentischen Kameradschaftsdie waren noch erstaunter und wußten gleich vornehm, jetzt kann es wieder geschehen, den kurzerhand mit Beschlag belegt und unter- haus wird diese militärische Schulung aufs gar nicht, was sie denken sollten. Die mei- daß blutjunge Burschen wegen irgendeiner her nannte man das gestohlen an dem örtlichen Nazistu- sorgfältigste fortgesetzt. albernen Kinderei tot am Platze bleiben. stehen von nun sten schmunzelten verstohlen, steckten den Zettel ein, wenn es gerade niemand sah, oder Dumme- Jungenstreiche sind wieder» Ehren- dentenführer. Die Deutsche Studentenschaft , gaben ihn dem Jungen mit einem aufmun- händel« geworden, und die Korpsstudenten die staatliche Zwangsorganisation aller Stu- gestellten bis zum 25. Lebensjahr werden aus Arbeitsstellen gerissen und in den terndem Lächeln zurück. Manche aber wie- könnten eigentlich zufrieden sein. Aber sie dierenden, hat das Recht, die Führer der Ka- ihren sen ihn entsetzt von sich oder ließen ihn zu sind es nicht. Und sie wissen, warum. Eine meradschaftshäuser ein- und abzusetzen. Zur Dienstlagern des Obersten Hierl militärisch Scheinfreiheit haben sie zurückgewonnen Kasernierung gehört natürlich die Unifor- gedrillt, jetzt kaserniert man auch noch die alle anderen wirklichen Freiheiten mierung, die Deutsche Studentenschaft be- Studenten so ziemlich die einzigen jungen haben sie verloren. Sie werden in einen stimmt also eine einheitliche Tracht für die Leute, die bisher frei herumliefen entwürdigenden Drill eingespannt, Studieren Kameradschafts- Deutschland ist zum Exerzierplatz geworden. Belegschaften sämtlicher ist Nebensache geworden, Exerzieren häuser. Aber am Rundfunk werden unentwegt FrieHauptfach. Mit dem Wintersemester Wehe dem Burschen, der nicht spinnt, densreden gehalten und Exzellenz Hitler wun 1934/35 setzt ein neuer Zwang ein: die ersten beiden Semester werden nicht nur wehe dem Studenten, der etwa eine eigene dert sich auch noch darüber, daß außerhalb » gebimst<<, sondern außerdem ka- Meinung hat und sie auszusprechen wagt. der Reichsgrenzen keiner die Schalmeienserniert. » Da wird der Geist euch wohl dressiert, in klänge ernst nimmt!
Tode erschrocken fallen, als ob sie Feuer angefaßt hätten; gelesen haben die kleinen Zettel aber alle!
in der Hand.
noch
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Die meisten deutschen Arbeiter und An
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ganz
den und in den Volksschulen außerdem| Systembedingtes Irresein
die Stunde der Nation benutzt werden.<
Das spielte sich eine gute Stunde lang ab. Merkwürdigerweise fand sich während dieser ganzen Zeit niemand, der gegangen wäre, um dem hochverräterischen Tun des Jungen ein schnelles Ende zu machen. Unangefochten stand der Junge da, mit allem Eifer hingegeben an seine Funktion und zuverlässig darauf bedacht, ja keinen ankommenden Wähler, keine Wählerin zu übersehen. Er hatte einen hübschen Packen solcher Zettel früheren Wahltagen gesehen. Und so hatte er es getan, mit Eifer und Stolz. Nichts charakterisiert den NationalsoziaSchließlich drang aber doch die Kunde Irgend etwas mußte nun geschehen, um Als Ergänzung schlagen wir einen Kursus lismus so eindeutig wie die Nachwirkungen von diesem Geschehen auch bis zu dem Gen - das wieder gutzumachen. Und es geschah im Killen sowie praktische Uebungen im seiner Phrasen im Leben des Kleinbürgers. darmen, der in voller Kriegsbemalung Dienst auch: am nächsten Tage wurden drei ehe- Fälschen von Testamenten sowie von Wahl- vor uns liegt das Organ der deutschen Schuhim Stimmlokal tat. Unverzüglich ging er malige sozialdemokratische Funktionäre ver- ergebnissen vor. Was eignet sich auch besser macher» Die Schuhmachereik. Das hinaus, um gegen den Frevel einzuschreiten, haftet und eingesperrt. Wenn das dumme fürs kindliche Gemüt?! empört in doppelter Eigenschaft: als Gen- Kind sich am Tisch gestoßen hat, schlägt es darm und als Nationalsozialist. Da stand den Tisch. So ähnlich war es auch hier. Drei der Junge und sah dem Gendarmen stolz Tage lang saßen die drei Verhafteten im lächelnd entgegen. Und beinahe traf den Kittchen. Dann wurden sie wieder freigelasGendarmen der Schlag es war sein Sohn, sen die Tat des Jungen erschien hinder da stand und die hochverräterischen Zet- reichend gesühnt. Aber gelacht wird darüber tel verteilte! Die Amtshandlung verwandelte dort noch manches Mal werden. sich auf der Stelle in eine gewaltige Ohrfeige, die im Gesicht des Jungen brannte.
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Manfred.
Damit war jedoch die Sache nicht getilgt Mord als Unterrichtsfach
und der schadenfrohe Spott nicht verhütet, dem nun der Gendarm ausgesetzt war. Denn natürlich wurde der Zusammenhang bekannt, und schließlich mußte dem Gendarmen ja selber daran gelegen sein, aufzuklären, wie diese vergerade sein Junge dazu kam, dammten marxistischen Zettel zu verteilen. Ein paar Tage zuvor hatte nämlich der Gendarm diesen Packen Zettel bei einem Sozialdemokraten erwischt und beschlagnahmt. Der Missetäter saß schon hinter Schloß und Riegel. Die Zettel aber hatte der Gendarm in seiner Wohnung aufbewahrt. Der Junge Und nun, während sein hatte das gesehen. Vater Dienst tat, war es ihm eingefallen: da müssen die
Heute ist Volksabstimmung Zettel verteilt werden!
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Der deutsche Stil
>> Für das feine deutsche Jagdzimmer...
war früher ein harmloses Fachblatt, das keinerlei Züge von Anormalität aufwies. Jetzt ist das anders geworden.
Schädel zum Aufsetzen von Abwurfstangen.<| ligen Redakteure haben ein Projekt ausge
( Ein Inserat.)
Marxisten- und Kameradenschädel nach Geschmack und Einstellung!
J
Die vom Wahn der Zeit befallenen unseknobelt, das sie den Fußtage nennen. je Dieser» Fußtag«, der> das gigantischste Organisationswerk aller Zeiten< werden soll, wird als>> befeuernder Aufschwungstag des Deutschlands » Weltgeltung'« deutschen Menschen<, als» Tag der Neuge>> Time and Tid«, eine angesehene eng- burt« und ähnliches gefeiert! lische Zeitschrift, hatte einen Wettbewerb zur Welchen Giganten hebt man hier aus der Bildung neuer Worte ausgeschrieben: Der Taufe und auf die Fußsohlen? Nichts anerste Preis wurde dem Erfinder eines neuen deres als eine Reklame für vermehrten SchuhZeitwortes» goebbeln« zuerkannt. Goeb- ankauf. beln bedeutet: bedingungslos gläubig alles hinunterschlucken, was einem erzählt wird!
Der Minister der Kirchen und Schulen in Oldenburg hat folgende Anordnung erlassen: >> Die geschichtlichen Ereignisse der letzten Zeit, die Röhm- Revolte und ihre Niederschlagung, die Rede des Führers und Reichskanzlers vom 19. Juli, der Tod des Reichspräsidenten und Generalfeldmarschalls V. Hinden burg , die Verfassungsänderung, die Rede des Führers und Reichskanzlers vom 17. Der schwerhörige Großvater August und die Volks befragung sprecher:» Was hat der Hitler gesagt?<< das nicht Enkel( ins Hörrohr brüllend):» Noch tauvom 19. August sind, soweit schon geschehen sein sollte, in sämt- send Jahre!<< lichen zu Schulen eingehend besprechen, und in ihrer Bedeutung zu würdigen. Hierfür kön
Gott sei Dank!
Großvater:>> Was?<
Enkel:» Tausend Jahre noch!<
am
Laut
Großvater( aufatmend):» Gott sei Dank! die nächsten Geschichtsstun- Ich hatte schon verstanden zweitausend.<<
nen So hatte er es an
Wert der Propaganda
( Moderne Fabel.)
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Die Mücke sprach zum Elefanten: » Du glaubst der Größere zu sein? Das lügen nur die Emigranten! Nein, ich bin groß und du bist klein.<<
» Gut«<, lacht der Elefant,»> Beweise! Du könntest in den Spiegel sehn.<< >> Beweise,« summt die Mücke leise, >> Die schaffe ich im Handumdrehn!<<
Sie schwirrte stracks zum PropagandaMinister und man ließ sie vor, Und dem verschmitzten kleinen Mann da
Grinsend verzog der Zwerg die Fresse,
In Runzeln strahlte sein Gesicht: diktierte er der Presse >> Schreibt jetzt,<< » Der Elefant ist nur ein Wicht.<<<
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» Dagegen wird in jedem Stücke Mit größten Lettern festgestellt, Daß unsere nationale Mücke Das größte Tier der ganzen Welt.<<
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Da war die Mücke tief befriedigt, Sie flog zum Elefanten hin:
» Da lies, wie tief du nun erniedrigt, Wie riesengroß ich aber bin.<<
Jedoch verächtlich dreht den Rücken Der Elefant ihr zu und lacht: >> Bleib,' wo man Propagandamücken Zu Geisteselefanten macht!<<
Mucki.
Das ist ein Symptom von offensichtlichem, systembedingten Irresein.
Bei einem Tanzvergnügen, das im Ber liner Osten stattfand, kletterte der Präses des festgebenden Vereins aufs Podium und sagte zu den versammelten Untertanen:» Deutsche Männer und Frauen! Wenn wir jetzt zum Tanze übergehen, so wissen wir, daß wir nicht art fremder Sinnenlust huldi
gen.
ist
ist überall dasselbe. Ueberall wird heute der dem von Natur sehr zurückhaltend und die Deutsche als nicht sehr achtbarer Zeitgenosse Gastlichkeit spielt in seinen Sitten noch behandelt, namentlich im> stammverwand- immer eine zu große Rolle, als daß es einem ten« Skandinavien . In einem Stockhol- Fremden SO leicht ein Werturteil spüren mer Café lächelte eine kleine Gesellschaft ließe, Um so flegelhafter benahm sich dort mir herüber und ich in den Bädern der Adria ein gewisser Teil
Gäste.
mit Seitenblicken zu hörte einige Bemerkungen. Auf mein Drän- der deutschen Man merkte es gen übersetzte mein Freund, was sie über ihnen schon an dem hochfahrenden Tone an, den Tisch gesprochen:» Ein Deutscher ; wahr- mit dem sie Zeitungen bestellten: die brau
scheinlich soll er sich hier aufnorden lassen!< nen Neureichs,
wird.
die emporgekommenen Man fühlt selbst im Hotel, wie man bewitzelt Nazibonzen. In einer Pension in Dubrovnik ( Ragusa ) herrschte einer dieser Flegel den In der Schweiz passierte es mir, daß Zeitungsmann an: als er die» Wiener Neue nicht nur die Kellner, sondern selbst der Lift- Freie Presse<< anbot:>> Was? Das Judenblatt Nach dem Weltkriege war es nicht gerade boy meine Bestellungen nur unwillig entge- wagen Sie mir herzuhalten?!< Dann verlangte ein Vergnügen, als Deutscher im Ausland zu gen nahm. Das erlebte ich in mehreren Ho- er den> Völkischen Beobachter<. In derselAndere Landsleute bestätigten mir ben Pension waren reisen. Auch bei den Neutralen schlug einem tels.
erklärte mir: Für
Einer der Haken
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wenn
Sie musikalisch
auch Polen zu Gaste. Ich half mir schließlich mit dem Eines abends sangen sie polnische Lieder; es Summt sie ihr>> Mach mich groß!« ins Ohr. etwas von der Abneigung und Feindseligkeit dasselbe. entgegen, die durch den> Kaiserismus« ge- Schwyzerdütsch, das ich mir in der Jugend war mir ein Vergnügen. weckt und durch den Ueberfall auf Belgien angeeignet habe. Und siehe, sofort hellten kreuzler drehte sich dem polnischen Tisch zu verstärkt worden war. Das alles änderte sich die Gesichter ringsum auf. Von Ita- und schnarrte:» Bitte um Ruhe! Wenn das sich nach einigen Jahren Republik und demo- lien will ich nicht lange sprechen. Ein Ge- nun alle machen wollten!< Einer der Polen kratischer Aufbau- und Friedensarbeit. Man päckträger, der einen zu hohen Preis for- erhob sich und sagte in gutem Deutsch: spürte, wie der Respekt vor Deutschland derte, draußen wieder wuchs, man merkte die Ach- arbeite er nicht zu demselben Preise, der für Horst- Wessel- Lied, tung, die jeder Bürger eines freien Landes in andere gälte. Ich bin dieses Jahr nur bis sind.<< Oesterreicher waren dabei und Unalles lachte auf Kosten der Hakender Welt genießt und bedauerte die Ange- Ravenna gekommen, aber überall schlug mir garn Dies in kreuzler; sie wurden hier geschnitten wie hörigen jener Nationen, die ab und zu über Ironie oder Feindschaft entgegen. die Grenze gingen, um wieder einmal unbe- einem Lande, in dem man auch unterm Fa- überall. Auf dem Schiff hörte ich, als eine spitzelt freie Luft zu atmen. Das Selbstbe- schismus seufzt, aber die Lächerlichkeit des junge, jüdisch aussehende Dame an unserem wußtsein wuchs, wenn man auf diese Leute hakenkreuzlerischen Rasseimperialismus er- Liegestuhl vorbei ging, wie nebenan einer diestieß, deren Reisen immer einer Flucht aus scheint hier so stark, daß sich selbst der ita- ser Neureichen raunzte:> Gehört mit 30 Jah dem Hitlderdeut- ren erschossen!< Manche Deutsche sind auf bißchen als Provinzler Europas aufgetreten, aber diese HakenkreuzErst in Jugoslawien atmete ich eini- touristen schleppen mehr als Provinzlertum, die ganze Hitlerpest nötigt mich oft zu Auslandsfahrten, aber es von der Nazibarbarei zu wenig; es ist außer- mit sich herum, und ich darf sagen, daß
Bereits am nächsten Morgen schwenkte Die deutsche Presse folgsam ein: » Seit Hitler uns die Mücke schenkte, Gott, sind die Elefanten klein!<<
>> Sie sind nicht größer als Bazillen, Im Mikroskope sichtbar bloß; Doch dank dem nationalen Willen Aufragt die Mücke riesengroß.<<
lienische Faschist neben
dem Vaterlande glichen. Dieser mühsam errungene junge Respekt schen wie ein Vertreter der Vernunft vor- Reisen vorm Deutschen ist vorbei. Wer heute als kommt. Deutscher ins Ausland fährt, spielt dort eine keineswegs glorreiche Rolle. Mein Beruf germaßen auf.
immer ein
Dieses einfache Volk weiß schleppen