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Neuer Vorwärts

Sozialdemokratisches Wochenblatt

Verlag: Karlsbad  , Haus ,, Graphia"

Preise und Bezugsbedingungen siehe Beiblatt letzte Seite

Nr. 73

SONNTAG, 4. Nov. 1934

Aus dem Inhalt:

Offener Brief an Aha aus

Braunau  

Geheimnisse des nächsten Krieges Brandstifter Schacht

Sterilisiert wegen Kleptomanie

Legalität mit der Reitpeitsche

Streicher enthüllt das Terrorsystem

-

noch

Diese raffinierte Tarnung des Terrors Der Gauleiter Streicher hat sich in| stem spekuliert auf die Vergeßlichkeit,| SA es als eine Erlösung begrüßt, wenn einer öffentlichen Volksversammlung in auf das Ruhebedürfnis der Welt, auf den sie von der Polizei übernommen wurden, ist nun durch Streicher zerrissen worden! Nürnberg   gerühmt, daß er einen politi- guten Glauben, der immer noch in freien war nicht der Weg aus dem Konzentra- Einer der höchsten Würdenträger des Sy­in der Gefängniszelle schen Gefangenen Steinrück, auf den er Ländern dem Beamtentum, den Behörden, tionslager ins Zuchthaus beinahe ein Weg stems mißhandelt persönlich einen wehrlosen Gefangenen, einen persönlichen Haß hatte, in der Ge- der Amtlichkeit entgegengebracht wird. zurück in die Menschlichkeit? fängniszelle mit der Reitpeitsche ,, ordo- Zieht einem braunen Terroristen eine Po- Aber wo damals die Behörden des ehe- ein Polizeipräsident gibt amtlich seine Zu­nanzmäßig durchgehauen" habe mit der lizeiuniform an, setzt ihm einen Helm auf, maligen Rechtsstaates wirkten, ist heute stimmung dazu, der Mißhandler rühmt Reitpeitsche, die ihm ,, der Führer" ge- ernennt ihn zum Beamten und er wird nur noch die äußere Form vor- sich selbst öffentlich seiner Tat schenkt hatte. Er hat geschildert, wie die- nicht mehr als sadistischer Menschen- handen! Die Unmenschlichkeit, die terro- dazu unter Berufung auf den Führer"! ser persönliche Racheakt offiziell ein- quäler, sondern als Polizist angesehen wer- ristische Roheit stehen heute im Zentrum Das ist die deutsche Legalität! geleitet worden ist: mit Wissen und den! Setzt die Polizeistube und das Ge- der Legalität, und aus den Instrumenten Wenn die ruhebedürftigen Gewissen in der Zustimmung des Polizeipräsidenten ist er, fängnis an die Stelle der SA- Kaserne und des Rechtsstaates sind mit Raffinement Welt sich damit trösten wollen, daß Strei­begleitet von stämmigen SS  - Leuten zur des Konzentrationslagers, und die Welt Werkzeuge des Terrors gemacht worden, cher eben Streicher sei, daß es sich um Gefangenenmiẞhandlung in die Zelle ge- wird ungläubig sein, wenn weiter die An- die sich mit der Polizeiuniform und dem den Einzelfall eines Irren handle, so sagen Diese freimütige Mitteilung be- klage gegen den Terror erhoben wird! leuchtet wie ein Blitz die Rechtlosigkeit Denn die Welt der freieren Länder, des und die Qualen der politischen Gefangenen Staatsbürgertums, der Herrschaft von lichen Terror eines barbarischen Systems. im Dritten Reich  , sie enthüllt, was hinter Recht und Gesetz verbindet mit der Be­den Toren der Polizeistuben und der Ge- hörde, der Polizeiuniform, dem Gefängnis Es ist keine neue Praxis, die das braune verbrecherisch, mit einem Worte: national­fängnisse vor sich geht. und dem Gericht zugleich den Glauben an System damit übt. Die Schändlichkeit be- sozialistisch! die Wahrung des Rechts, des Schutzes und steht darin, daß der gute Ruf einer einst der körperlichen Integrität der Objekte rechtsstaatlichen Verwaltung zur von Polizei und Gesetzgebung. Haben nicht schung der Weltöffentlichkeit in den Anfängen des Terrors die Opfer der wird.

gangen.

Hoheitsabzeichen tarnen. Die Form rechts­staatlicher Behörden deckt den mensch­

wir ihnen: das ist kein Einzelfall, d asist das System! Sie sind alle Streichers, sie sind alle nicht irre, sondern zurech­aber unmenschlich, boshaft, nungsfähig

-

Und mitschuldig machen sich alle, die Täu  - aus Trägheit des Herzens, aus bequemem verwandt Ruhebedürfnis ihre Augen vor der Wahr­heit in Deutschland   verschließen!

Schacht als internationaler Beandstiftee

Das braune System hat vor den Terror, die Folterung, den langsamen Mord den Vorhang der Legalität gezogen. SA- Kaser­nen und Konzentrationslager, in denen sich die Untermenscheninstinkte der brau­nen Banden austobten, sind in den Hinter­grund getreten gegenüber dem, was sich in den Terrorbehörden des Systems voll­zieht. Das Grauen der Konzentrationslager, dieser Folterhöhlen des Dritten Reiches  , hat sich in der ganzen Welt verbreitet und die Schmerzensschreie der bis zur Ver­Der Bankrotteur Schacht hat am 29. Ok- zialistische Revolution zur Exportware ma-, es klarer und knapper niemand vor ihm ge­stümmelung, ja selbst bis zum Tode ge- tober auf einer Kundgebung der thüringi- chen. Welche Regierungen möchte er tan hat. Er sagte: marterten Menschen sind weit über die schen Industrie eine Rede gehalten, deren wohl an der Stelle der heutigen englischen, Grenzen Deutschlands   hinaus gehört wor- Zynismus alles übertrifft, was er sich bisher französischen, holländischen, schweizerischen, den. Die grausamen Massenmißhandlungen geleistet hat. Er hat versucht, die ausländi- amerikanischen   Regierung sehen? und die Schande der Konzentrationslager schen Gläubiger Deutschlands   gegen ihre Re­haben in der Welt ein Echo ausgelöst, mit gierungen aufzuhetzen: dessen Stärke das braune System nicht ge­rechnet hatte. ,, Daß wir kein Geld mehr haben, das verdankt ihr der Politik eurer Regierungen, daß wir kein Geld mehr verdienen können, das verdankt ihr ebenfalls der Politik eurer Regierungen."

,, Als der Nationalsozialismus ans Ruder kam, war die nächste Aufgabe die, dem Ausland klarzumachen, daß es kein Geld mehr von uns bekommen kann.""

Statt der Zahlungen liefert Schacht eine Die Befreiung der Nation besteht also in Einmischung in die inneren Verhältnisse der der Befreiung von dem echt ,, liberalistischen" Gläubigerländer, wie sie wohl noch nicht da­Wahn, daß man Schulden, die man gemacht gewesen ist. Das ist die Methode des hat, auch bezahlen müsse. Schacht läßt die Faustrechtes, der Zerstörung jeder nor- ausländischen Gläubiger Deutschlands  malen Kreditbeziehung. Ohne das Vertrauen, Schaden Hohn ernten, indem er sie wegen daß der Schuldner wenigstens den guten Wil­ihrer Dummheit, Deutschland   mit Anleihen

kein

zum

Jetzt aber haben sie etwas noch Besseres! Sie haben den Apparat der staatlichen Exekutive auf die Bedürfnisse des Terrors umgestellt. In der Geheimen Staats- Es ist die Methode, nach der die Natio- len hat, seine Schulden zu bezahlen, kann ausgeholfen zu haben, auch noch verlacht. polizei ist ein mächtiges Instrument ge- nalsozialisten vor dem 30. Januar 1933 in Kredit weder gegeben noch genommen wer- Er sagte in Weimar  , man dürfe nicht verges­würde Ohne dieses Vertrauen Schaffen worden, in dem ausgesuchte und Deutschland   Politik getrieben haben. Damals den. ,, die Raffiniertheit der aus­besonders trainierte Individuen nicht nur haben sie dem deutschen   Volke gesagt: Un- Mensch auch nur eine Mark zur Bank tragen. 1ändischen Politik" für Spionage- und Spitzelzwecke, sondern sere Regierung ist schuld, daß wir za h- Ohne dieses Vertrauen ist das Weltkredit- legen, daß man die Schulden in Pri­auch zur physischen Vernichtung von po- le n." Heute sind sie selber an der Regierung, system nicht funktionsfähig, das das Ge- vatschulden verwandelt hatte". litischen Gegnern, die trotz allem Druck sie zahlen nicht und nun sagen sie den Gläu- triebe des Welthandels zusammenhält. Der ihre Gesinnung nicht verleugnen, einge- bigervölkern: ,, Eure Regierungen sind Schacht pfeift darauf. Er hat in seiner Rede

setzt werden.

Der den tieferen Sinn des Dritten Reiches   mit

Unschuldig zum Tode verurteilt

sen,

habe darin ge­

,, Ich bekenne es hier wiederum, daß ich das größte Mitgefühl habe mit den auslän­dischen Besitzern deutscher   Obligationen, die geglaubt haben, daß sie mit den deut­ schen   Anleihen eine gute Anlage erwerben würden und die nun auf diese Zinsen zum Teil verzichten müssen." Gemeint sind die Besitzer der Dawes- und Young- Anleihen, beide sind aufgelegt worden, um Deutschland   in der ersten Zeit der Gel­tungsdauer des Dawes- und Youngabkom­mens die Zahlungen der Reparationen zu er­

Der Ausbau der Gestapo   schuld, daß wir nicht zahlen!" scheint im ganzen Reiche vollendet zu sein. Schacht möchte anscheinend die nationalso- einer Knappheit und Klarheit aufgezeigt, wie Die unmittelbar vor der letzten Hitlerwahl Im August in den verschiedensten Gegen­den Deutschlands   einsetzenden Massenver­haftungen, die nach den Wahlen noch un­erhört gesteigert wurden, sind das Werk| der Gestapo  . Die Justiz im Dritten Reich dient nicht| Zuchthaus  , Hamel und Nolte wurden zu je Aber die Gestapo   führt nicht allein die dem Recht, sondern der Rache. Dabel   be- vier Jahren, Fabian zu zwei Jahren Zucht­Verhaftungen durch, sondern sie ist auch dient man sich auch der Todesstrafe. Sie haus verurteilt. Bei Jännicke war sogar die leichtern. Diese ,, Privatisierung" der Repara­in die Untersuchungsmaschine eingebaut. wird sogar für Taten verhängt, die zur Zeit Todesstrafe beantragt. Er ist ein schwer tionsschuld wurde damals in Deutschland   leb­Die Verhafteten bleiben monatelang in ihrer Verübung mit einigen Monaten Gefäng- lungenkranker Mann. Das hat aber die Nazis haft begrüßt. Sie brachte sowohl den Repa­ihren Klauen und sind die Objekte unsag- nis geahndet wurden. Ein derartiger Fall nicht gehindert, gegen das Urteil eine wüste rationsgläubigern wie dem Reparationsschuld­barer bestialischer Quälereien und sadisti- wird uns jetzt aus Schönebeck   an der Elbe   Hetze zu entfachen mit dem Ziel, durch eine ner Deutschland   Vorteile, jenen, weil sie so­scher Ausschreitungen. So erpreẞßt die Ge- berichtet: nochmalige Verhandlung vor einem fort Zahlungen erhielten, diesem well ihm stapo die Geständnisse", die dann die Am Freitag, dem 3. März 1938, veranstal- Sondergericht die Todesstrafe zu erreichen. Zeit gelassen wurde in Jahrzehnten die An­Opfer aus den Schreckenszellen vor die tete die ,, Eiserne Front" eine Straßendemon- Das ist inzwischen auch gelungen. Am 12. leiheschuld zu tilgen. Diese Erleichterungen Richter, und dann auf Jahre hinter die stration. Obwohl polizeiliche Abmachungen Oktober 1934 hat das Sondergericht Halle sind Deutschland   durch das Dawesabkommen Zuchthausmauern bringen! vorlagen, daß keine Nazidemonstration zur Jannicke zum Tode verurteilt, obwohl von 1924 und fünf Jahre später durch das Was immer Inquisitoren, Despoten und gleichen Zeit genehmigt werde, machte der viele Zeugen bekundeten, daß Jännicke keine Youngabkommen gebracht worden. Im Drit­ihre Werkzeuge an eine Gegendemon- Schuld an dem Zusammenstoß trägt. Auch ten Reich aber dürfen diese beiden Namen raffinierten körper- Freiwillige Arbeltsdienst lichen und seelischen Martern ausgeheckt stration und griff sogar den Zug der Eiser- den anderen Verurteilten droht die Todes- nicht, ohne daß man sich behakenkreuzt, strafe bei erneuter Verhandlung vor dem Son- nicht ausgesprochen werden. Wer diese bei­dergericht. Alles steht unter dem Druck des den Amerikaner nicht als Fronvögte der ,, Tri­Rachegeschreis der Nazis.

haben

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in den Terrorbehörden des brau- nen Front" an.

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Bei der sich dann daraus nen Systems wird es angewandt. Je leben- entwickelnden Straßenschlacht gab es auf diger der Widerstand und die geheime Ar- beiden Seiten Verletzte. Ein Angehöriger des beit gegen das System wird, desto un- Freiwilligen Arbeitsdienstes, ein SA- Mann menschlicher werden die Terrormethoden. Haußmann starb später an den Verletzungen. Was wir aus den amtlichen Folterhöhlen Im Verfolg dieses Vorganges hören, übertrifft fast noch die Greuel der Mitglieder des Reichsbanners Jänniche, nicht vollstreckt werden. Die Welt muß sich Konzentrationslager. Amtlichkeit zugedeckt. Das Sy- Jännicke erhielt 28( dreiundzwanzig) Jahre Walten des deutschen   Henkers zu bewahren!

Diese Greuel aber werden

Das Todesurteil gegen Jännicke ist also wurden die nichts anderes als ein Racheurteil. Es darf Hamel, Nolte, Fabian und andere zu der unschuldigen Opfer und ihrer Angehöri­mit der hohen Zuchthausstrafen verurteilt. gen annehmen, um sie vor dem blindwütigen

butknechtschaft" verflucht, ist mehr als ein Landesverräter und reif, von den Folterknech­ten der Gestapo   gepeinigt zu werden. Im Jahre 1927 aber gab es in Deutsch­ land   einen Mann, weder Marxist noch Jude, der folgendes geschrieben hat:

,, Deutschland   braucht ausländische Kre­dite zur Wiederherstellung seiner Produk.