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Neuer Vorwärts
Sozialdemokratisches Wochenblatt
Verlag: Karlsbad , Haus„ Graphia" Preise und Bezugsbedingungen siehe Beiblatt letzte Seite
Nr. 78 SONNTAG, 9. Dez. 1934
Aus dem Inhalt:
Das System erschießt weiter Furtwänglers Auflehnung und Rücktritt
Die Saarkatholiken im Kampf Fabriken als Kasernen
Das Pariser» Journal< vom 4. Dezem-| Das ist das Land, das Hitler, Göring | ischen Begriffen und Vorstellungen mag relativ humanes Mittel gegenüber dem ber veröffentlicht in französischer Ueber- und Göbbels regieren. Wie lange noch! das abenteuerlich vorkommen. Hier muß Mord, dessen sich die Nationalsozialisten setzung den Wortlaut des Berichts, den Wie lange noch? man aber daran erinnern, daß schon der in allen Formen und Variationen bis hinder am 30. Juni ermordete SA - Gruppen- Karl Ernst , Gruppenführer der SA- Ber- Mord an Rathenau in der Absicht verübt auf zum Kameradenmord in unzähligen leiter von Berlin , Karl Ernst , von der lin- Brandenburg, preußischer Staatsrat, worden war, die Arbeiter zu einer gewalt- Fällen schuldig gemacht haben. Es wurde also beschlossen, den ReichsBrandstiftung im Reichstag gegeben hat. der nach kurzer abenteuerlicher Laufbahn samen Erhebung zu bringen, um sie dann zu stecken. Ursprünglich Der Bericht stammt aus dem Material des ein Opfer des Kameradenmordes geworden niederschlagen zu können. Die National- tag in Brand schwedischen Senators, Genossen Bran- ist, erklärt in seinem Bericht, daß er ge- sozialisten haben für derartige Verbrechen, sollte das schon am 25. Februar geschehen. ting, eines in der ganzen Welt angesemeinsam mit seinen beiden Unterführern die sie teils ausgeführt, teils nur projek- An diesem Tage hielten aber die Kommuhenen Juristen, der sich seit Jahr und Tag Fiedler und Mohrenschild, die dann gleich- tiert, aber oft ungeniert erörtert haben, nisten im Reichstag bis 10 Uhr abends mit der Aufklärung dieses größten Ver- falls am 30. Juni abgeschlachtet wurden, den Fachausdruck> Absprung gehabt. eine Beratung ab, und darum mußte der brechens der Weltgeschichte aufs angele- den Reichstag in Brand gesteckt habe. Die Um einen solchen Absprung zum Staats- Plan auf den 27. verschoben werden. Erklärung, die vom 3. Juni 1934 datiert streich hat es sich auch bei der Brand- Göring stellte den unterirdischen Gang zur Verfügung, Natürlich wird auch hier wieder, wie in ist, überschlägt sich förmlich in Ausdrük- stiftung im Reichstag gehandelt. Bekanntähnlichen Fällen der Verdacht der Fäl- ken der Treue und der Ergebenheit für den lich hatten die Nationalsozialisten bei den der sein Präsidentenpalais mit dem Reichsschung auftauchen, und insbesondere wer» Führer«. Offenbar sollte sie für den Fall, Novemberwahlen von 1932 ihren Mandats- tag verbindet und beschaffte einige Kanden die Beschuldigten alles mögliche tun, daß sie in die Hände Hitlers kam, diesen bestand von 230 auf 195 verringert, und nen eines Phosphorpräparats, das sich eine um die Beschuldigungen des Dokumentes für den Verfasser günstig stimmen. Desto darum glaubten die Deutschnationalen, halbe Stunde, nachdem es an die freie Luft sich mit ihnen auf eine Koalition einlassen gebracht worden ist, von selber entzündet. zu entkräften. Man kann jedoch zur Ge- schärfer legt sie gegen » Kreaturen à la Göbbels und Göring << zu können. In dieser Koalition hofften sie Damit wurden am 27., abends, im Sitzungswissenhaftigkeit und zum kriminalistischen Scharfsinn des Senators Branting das Ver- los, die in einem gleichzeitig veröffentlich- sich zu behaupten und den Nationalsozia- saal und in der großen Wandelhalle die zu besseren Sitten zu Möbel bestrichen, außerdem wurden Vortrauen haben, daß die Echtheit des ten Brief des Ernst an seinen Spießgesel- lismus allmählich Dokuments aufs sorgfältigste geprüft len Heines in Breslau als der Lahm e« erziehen. Hitler brauchte den Reichstags- hänge und Tapeten mit Petroleum begosworden ist, und daß sie jeder Prüfung und der» Kleiderständer« bezeich- brand auch gegen die Deutschnationalen, sen. standgehalten hat. net werden. Von ihnen wird gesagt, daß so wie einst Bismarck die Attentate Hödels
gentlichste beschäftigt.
Außerdem spricht für die Echtheit des Schriftstücks ein hoher Grad innerer Wahrscheinlichkeit. Wer die Schrift Justi nians über den Reichstagsbrand( Verlagsanstalt>> Graphia<<, Karlsbad ) noch in Erinnerung hat, wird bemerken, daß die Erklärung des Karl Ernst alle dort noch offen gebliebenen Lücken schließt und auf alle Rätselfragen schlagende Antworten
erteilt.
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Indessen hatte Helldorf auch den Vasie mit Hilfe der SA und des» Führers« und Nobilings auch gegen die National- ganten van der Lubbe aufgegabelt, der sich mit leichter Mühe dazu verleiten ließ, zur Macht gekommen seien, um beide zu liberalen gebraucht hatte. ohne von dem Vorhaben Bismarck mag seinerzeit ein glücklicher für sich allein verraten. die Brandstiftung Ursprünglich bestand die Absicht, in Zufall zu Hilfe gekommen sein. Hitlers der anderen zu wissen- Breslau ein Attentat auf Hitler zu fingie- Glücksfall wurde aber von den Seinen mit zu übernehmen. Es wurde beschlossen, ren. Gegen diesen Plan hatte aber der tap- den Mitteln der Brandstiftung fabriziert. daß van der Lubbe durch das Fenster deg fere Göring Bedenken, weil er fürchtete, Wieder könnte der Ungläubige fragen: Restaurants eindringen sollte. Wurde er >> Sind denn in einem zivilisierten Lande, dabei gefaßt, so war für die anderen, von wie es Deutschland früher einmal gewesen denen van der Lubbe ja nichts wußte, wirken könnte. Man kam also von diesem ist, Brandstiftungen gebräuchliche Mittel, nicht das Geringste riskiert. Doch wurde gefährlichen Plan wieder ab und überlegte, um politische Ziele zu erreichen?« Darauf dem Holländer eine Begleitperson mitgeob man nicht das königliche Schloß in ist zu antworten: Brand stecken oder eine Bombe in das Innenministerium werfen sollte.
daß
das Breslauer Attentat beispielgebend
Jene Schrift kam auf Grund genauester Untersuchung zu dem Ergebnis, daß jede andere Täterschaft als die der Nationalsozialisten ausgeschlossen ist, daß einzig und Da war es nun Göbbels , der meinte, allein Nationalsozialisten als Täter in Frage dann sei es schon besser, den Reichskommen können. Ueber die Persönlichkeit| tag in Brand zu stecken, der Brandstifter jedoch und die näheren um einen Vorwand für das Losschlagen Umstände der Tat konnte noch nichts end-| gültiges gesagt werden; obwohl schon da- gegen die Marxisten zu haben.
mals im Volksmunde die richtigen Namen umgingen. Durch die Veröffentlichung des > Journal< dürften die letzten Zweifel über die schuldigen Personen und das Maß ihrer Schuld beseitigt sein.
>> In unzähligen Fällen haben die Nationalsozialisten in Deutschland und in Oesterreich Brände gestiftet und Bomben gelegt.<<
geben, der Pg. Sandner, der ihm bei seinem Aufstieg behilflich war, und dann sofort dem Pressechef Handfstängl, der sich im Palais Görings aufhielt, benachrichtigte. Auch Sandner wurde am 30. Juni ermordet.
Man braucht nur das amtliche österreiAls der arme Teufel van der Lubbe in chische Braunbuch aufzuschlagen, um näheres darüber zu erfahren. Außerdem ist den Reichstag kam, blieb ihm nicht mehr Leuten von durchschnittlich europä- aber die Brandstiftung immer noch ein viel zu tun übrig. An allen Ecken und
Zeichen der Zersetzung
» Sunday Referee« meldet sieben Er
Enden begann es alsbald zu brennen. Karl Ernst , Fiedler und Mohrenschild hatten das Haus schon wieder verlassen. Die Polizei fand den armen Teufel allein, wie er, halb- oder ganz wahnsinnig mit nacktem Karl Ernst hatte gehofft, sein Leben Grobe Insubordinationen der SA und Oberkörper, nur noch mit einer Hose bedadurch retten zu können, daß er sein Ge- schießungen von Nationalsozialisten der SS sind an der Tagesordnung. kleidet, eine Brandfackel schwingend in ständnis ins Ausland schaffen ließ. Er kam in München . Die Löhne sinken, die Preise steigen, den Gängen des Reichstags umherirrte. aber nicht mehr dazu, das Dokument als| >> Reuter« meldet Verhaftung zahl- die Unternehmer, die kleinen Leute, die Wenige Minuten danach begann der ProDruckmittel zu benutzen, die Feme arbei- reicher Nationalsozialisten in Danzig . Bauern schimpfen, die meisten noch heim- pagandaapparat zu spielen. Er meldete, tete zu schnell. Zugleich mit ihm wurden >> Times<< melden wachsende Spannun- lich, viele schon offen. In der Arbeiter- daß die Brandstiftung im Reichstag » eines auch Röhm, Fiedler, Mohrenschild abge- gen zwischen Reichswehr und SS. Sie pro- schaft wachsen in aller Stille trotz Ge- der ungeheuerlichsten Verbrechen schlachtet. Göring und Göbbels phezeien einen zweiten 30. Juni und stapo und Staatsanwalt die Kräfte des Weltgeschichte<«<, von einer leben noch. werden in Deutschland wieder einmal kon- Widerstandes. fisziert.
Die Bestie windet sich in Krämpfen,
Verbrechen der
>> sozialdemokratisch- kommunistischen Einheitsfront<<
Göring und Göbbels haben am 3. April 1933 im Reichskabinett ein Gesetz mit be-| Göring schreit in Essen, die Winterhilfe aber noch ist sie stark genug, jeden, der begangen worden sei. Die Polizei drang in schlossen, wonach Brandstiftung mit dem muß Erfolg haben, denn der Nationalsozia- ihr den Genickfang geben will, mit ihrem das» Vorwärts«<- Gebäude ein und beschlagTode durch Köpfen oder durch Erhängen lismus hat gewonnen, wenn wir den Prankenschlag und ihrem Pesthauch zu bestraft werden kann. An dem Tage, an Winter überdauern«. dem in Deutschland wieder Recht herrscht,| vernichten. Noch geht der Terror um Göbbels sagt in Stettin :» Deutschland und in seinem Gefolge die Furcht. wird mit ihnen nach ihren eigenen Geset- wird das kühnste Experiment zen verfahren werden. Wir wollen nicht voreilig sagen:»> Es durchführen, das die Geschichte jemals gegeht zu Ende!« Aber wir wollen auch nicht Einstweilen sitzt Torgler , der im sehen hat.<< fatalistisch prophezeien:» Es dauert noch Reichstagsprozeß Freigesprochene, noch im
ren.
nahmte aus dem Maschinensaal heraus die gesamte Auflage des» Vorwärts< vom 28. Februar. Tausende kommunistische und sozialdemokratische Funktionäre wurden verhaftet. Schlagartig hatte der große Ausrottungs- und Vernichtungsfeldzug geam 5. März trotz alledem die Sozialdemo
Helmut Brückner, Oberpräsident und Gauleiter von Schlesien , Preußischer lange!«< Dieses ängstliche» Wenn wir den gen die Marxisten eingesetzt. Und wenn und Frauen bevölkern die Kerker, die Kon- Staatsrat usw. usw., einer der Parteigrün- Winter überdauern«<, dieses Desperadospiel kratie mit 7 Millionen ihre Stimmenzahl hielt, wenn die kommunistische Partei es zentrationslager des Dritten Reiches , wäh- der von 1925, Hauptstütze des Regimes, mit» kühnsten Experimenten« ist kein Zei- kratie rend Göring und Göbbels regie- erst vor wenigen Tagen noch von Frick chen von Selbstgefühl. noch auf 5 Millionen brachte, so stieg doch öffentlich gefeiert und belobt, ist aller Sollen wir das Regime in seiner Festig- die NSDAP auf 288 Reichstagsmandate Mord und Totschlag, Brandstiftung, Aemter enthoben und von der Partei aus- keit günstiger beurteilen, als es dies selber und 43 Prozent aller abgegeben Stimmen. Raub und Diebstahl am Eigentum der Ar- gestoßen. tut? Jetzt schon lebt es nicht mehr von Mit der kleinen deutschnationalen Partei, werden nicht bestraft, wenn sie von Graf von der Goltz, Stellvertretender seiner eigenen Stärke, sondern nur noch die sich nun rettungslos in ihrer GefangenNationalsozialisten begangen werden. Ehr- Führer der Wirtschaft, nimmt seinen Ab- von der Schwäche seiner Feinde. Lernen schaft befand, hatte sie im Reichstag eine liche Männer und Frauen werden für die schied, weil er den» organisatorischen Auf- diese, in dem gleichen Tempo, in dem das wenn auch nur knappe Mehrheit. Verbreitung der Wahrheit mit Zuchthaus- bau der Wirtschaft« à la Schacht nicht Regime Kraft verliert, stark zu werden, strafen bis zu 12 und 15 Jahren verurteilt. mitmachen will.
beiter
kommt bald das Ende.
Mit der Erzielung dieser Mehrheit war die Wirkung des Reichstagsbrandes aber