Staatsfeind Nr. 1
Deutsche Gangsterregierung verbietet
amerikanischen Gangsterfilm
Besonders schlimm aber sind die Gastwirte daran. Sie brauchen es gar nicht an Denunzianteneifer fehlen zu lassen, sie brauchen nur ein wenig schwerhörig zu sein
In Deutschland ist die filmische Drama- Die> befreite deutsche Nation hat den Henleben, rassechemisch gereinigt, ist vorbild-| nen Schweigens. Selbst hier sitzen die Agenten der Leute mit dem schlechten Gewissen tisierung des Schicksals Al Capones, ein dichtmaschigsten Maulkorb um, den die Welt lich geworden. Drama» Staatsfeind Nr. 1<, von der je gesehen hat! Was auch immer an SchändAber einmal muß sich der an die Kette herum, spitzen ihre Riesenohren und notieren staatsgefährliche MundFilmzensur verboten worden.» Der Film zeigt lichem, an Rohem und Unwürdigem passiert, gelegte Mensch doch Luft verschaffen! Wo sich verdächtige, eine Häufung schwerster Verbrechen und die das Volk hat zu schweigen und in erpreẞter soll er da hingehen, um, ohne Risiko, im ver- geräusche. ganze Roheit der Verbrecher«, heißt es in der Loyalität an den Tyrannen vorbeizudefilieren. schwiegenen Eckchen ein wenig miesmachen Entscheidung. Und weiter: Was aber soll der arme geplagte Untertan zu können? Der Filmzensor hat, die Arbeiterbevölke- nun machen? Er kann doch nicht immer mit Er ist ja angefüllt von Miẞstimmung, von rung treffen wollen. Er tut ihr unrecht. Die zugekniffenen Lippen stumm dabei stehen, Enttäuschung, von Ausweglosigkeit bis zum organisierbare Masse, die von der Sozialdemo- wenn die Bonzenskandale ins Riesenhafte Rande; in der Kneipe, beim Bier, lösen sich kratie und von den Gewerkschaften unzer- wachsen, wenn der Umsatz sinkt, die Pleite die Schlösser vor den Mündern der Gleichstörbare Bildungswerte empfangen hat, ist immer dringlicher an die Türe klopft und die geschalteten, der Druck weicht, die Komplexe gegen Kriminalfilme dieser Art immun. Al- bombastischen Führerreden in Permanenz aus lösen sich. lerdings ist zuzugeben, daß sich an der Pe dem gemißhandelten Lautsprecher und ihm ripherie der Großstädte allerlei licht- selbst kilometerlang zum Halse heraus
scheues
pflegt.
-
schon
sitzen sie in der Tinte! Der Aufgabenkreis der Restaurateure verbreitert sich. Die Geplagten haben sich nicht mehr allein, wie bis
her, um das Ausschenken der Biere, das ordnungsgemäße Begleichen der Zeche, um Speisen und Sperrstunde zu bekümmern, sie müssen jetzt auch mit gespitzten Ohrmuscheln unter die Stammtische kriechen, um das Gefluster der Untertanen auf etwaige Dishar
Wehe dem Gastwirt, der sich ein staatsgefährdendes Wort entgehen läßt. Ihm drohen Schande, Ruin und» Konzertlager<.
In Frankfurt a. d. O., einem MittelstädtAuf der Straße muß. er Männchen mar- chen unweit von Berlin , haben das einige verkieren, wenn die randalierenden Bengels mit sucht. Die Folgen sieht man beim Aufschla- monien zu prüfen. ihren behakenkreuzten Lappen vorbeimar- gen der Nummer 39 der» Berlin - Brandenburschieren, in der Zeitung serviert man ihm gischen Gastwirtezeitung«. Sie ist das Fachtagaus, tagein optimistischen Edelschmus, ihm blatt der Berlin - Brandenburger Gastwirte und summt der Kopf von> Blut, Boden, Rasseauf- bringt, sehr versteckt und in kleiner Schrift, zucht und Aufbruchs- Sentenzen«, die ihn nicht einen Bericht über die letzte Frankfurter zufrieden und glücklich machen. Ortsgruppenversammlung des> Reichsverbands der Gastwirte«. Hier lesen wir:
Gesindel herumzutreiben kommen! pflegt. Kerle dieser Art lehnen es ab, sich gewerkschaftlich zu organisieren, verschlingen Schundromane von Karl May und ähnlichen Autoren, fuchteln bei jeder Gelegenheit mit dem Revolver herum und enden, nachdem sie verschiedene kleinere Vorstrafen wegen Roheitsdelikten erlitten haben, normalerweise im Zuchthaus. Geraten sie jedoch in ungewöhnliche Verhältnisse, dann vermögen sie durch Art und Zahl ihrer Verbrechen die ganze Welt ins Erstaunen zu setzen, und ihrer Wirklichkeit gegenüber verblaẞt jeder Kriminalfilm.
Al Capone war nur ein kleiner Stümper. Und doch hat die Filmzensur recht, wenn sie den Film, der von ihm handelt, für staatsSchon gefährlich hält. sein Name allein könnte Millionen und aber Millionen schlagartig zu der Erkenntnis bringen, wer in Deutschland Staatsfeind Nr. 1 ist!
Selbst im trauten Familienkreis, eingesponnen in die diskrete Heimlichkeit seiner vier Wände, wagt er nicht, den Mund aufzutun.
Kein Stammgast, nicht der engste Freund, darf sein Herz zu Kompromissen bewegen! Beim ersten verkehrten Wort des Freundes hat er nach dem Göringschen Feldjägerkorps zu schreien. Unseliger Gastwirt, unselige
Gäste!
mit
» Eine lebhafte Aussprache entspann sich über einen bedauerlichen Fall, der sich in Frankfurt ( Oder) abgespielt hat und der Und so wird dem sorgenvollen Restauraein Todesopfer gefordert hat. Im Endergebnis haben die politischen Formationen teur nichts anderes übrig bleiben, als für 19 Frankfurter Lokale ein Symbolik zu arbeiten. Er lasse hoch oben Sperrverbot verhängt, das sich naturvon der Decke herab einen riesigen gemäß schwer wirtschaftsschädigend auswirkt und leider noch immer nicht zurück- Maulkorb in das Gastzimmer herabbaugenommen worden ist. Kreisverwalter Haase meln, letztes und tiefstes Symbol des deutbetonte erneut mit allem Nachdruck, daß schen Zustandes! zu in Fällen, WO in einer Gastwirtschaft Denn warnend zu plakatieren, daß er zum staatsfeindliche Aeußerungen bemerkt würden, sofort das Feldjäger- Geheim- und Beschnüfflungsdienst für die korps oder die Schutzpolizei zu Gestapo verpflichtet sei, würde ihm gewiß benachrichtigen ist, gleich viel, ob es nicht bekömmlich sein.
Wie gern möchte er sich seinen Aerger von der Seele schimpfen, aber dem Spießbürger schaudert vor den Konsequenzen, da sitzt der Junge, Mitglied der Hitlerjugend , darauf dressiert, die nicht ganz stubenreinen Eltern auf vorschriftsmäßige Gesinnung kontrollieren. Wer gibt ihm denn die Garantie dafür, daß der Bengel nicht morgen zum Trupp- Führer hinläuft und den Alten unter menschlicher Meckereien bezichtigt?! Die Folgen wären: Konzentrationslager,
öffentliche Anprangerung, geschäftlicher
sich um einen alten Stammgast oder sonstigen Freund handelt. Bei Nichtbefolgen dieser Anordnung sei stets, wie jetzt wieder erwiesen, der Leidtragende der Gastwirt.<
Den Maulkorb aber, dies Wappenzeichen neudeutscher Herrlichkeit, werden sie ihm nicht beschlagnahmen können.
Ein Rheinidyll aus dem Dritten Reich Sagt er doch alles, was zu diesem Regime, Die christliche» Neue Saarpost« veröffent- Ruin. So spricht der Unglückliche denn ein licht einen Brief, den ein» alter Kämpfer« frommen Tischgebet auf dem» Führer«. Und Also auch hier, im stillen Zechlokal, gibt zu diesen regierenden Männern und zu ihrer und ehemaliger preußischer Offizier einem der Junge grinst. Denn das deutsche Fami- es keine Oase in der Wüste des großen brau- namenlosen Schande zu sagen ist! Freund im Saargebiet geschrieben hat. Darin
heißt es:
> In Koblenz , WO vierzehn Jahre kein Bonze und kein politischer Beamter stolperte und auch die schärfsten Untersuchungen nach dem 30. Januar 1933 nichts Dunkles ans Licht beförderten, weil sie es einfach nicht konnten, wurden in den eindreiviertel Jahren Hitlerscher Alleinherrschaft folgende Fälle bekannt:
1. Bornkessel, alter SA- Führer, 1933 zur Kriminalpolizei kommandiert, beging dienstliche Unterschlagungen mit schwerer Urkundenfälschung, 13 Monate Gefängnis!
2. Bender, Führer der Landarbeiter, schwere Untreue, 13 Monate Zuchthaus . 3. Schmidt, Justizinspektor, im Zusammenhang mit Bender, 18 Monate Zucht haus
.
4. Pehl, Führer der Kriegsopfer, mußte entlassen werden, well er mehrere Male wegen Eigentumsvergehen vorbestraft war und mit belgischen Offizieren 1923 auf Duzfuß stand und mit ihnen auf
Nachher
zen die Sache von den Dächern pfiffen, Einwohner zählt, kann also der alte Kämpfer ,, Offizier bemerkt in seinem Brief, sein jetziger wurde endlich eingeschritten.
5. Jentsch, Führer der Arbeitsopfer,
schwere Untreue. Seit drei Monaten in Untersuchungshaft. Mindestens ein Jahr Zett wird herauskommen.
6. Stremmler, Führer der Bauarbeiter, schwere Untreue. Verfahren schwebt. War früher schon wegen Untreue vorbestraft.
7. Niklowitz, Führer der NS- Hago, Schreiber aus: schwere Untreue, sitzt in Untersuchungshaft. Sicher auch Zuchthaus.
8. Hoffmann, Frau, hervorragend in Winterhilfe tätig gewesen. Unterschlagung. Untersuchungshaft.
9. Krämer, Standartenführer, wegen Unterschlagung in Untersuchungs
haft.
10. Friedrich, Truppführer, Adjutant des Krämer, mitverhaftet.
Mit dieser Liste der Korruption aus einer einzigen Stadt, die noch keine hunderttausend
Von Bruno Brandy.. Morgendämmerung. Eine Landschaft in Europa . Ringsum Trümmerfeld, zerborstene ganze Land! Häuser, verkohlte, rauchgeschwärzte Ruinen, tote Menschen zwischen steinernem Chaos.
Zwei Männer stapfen durch die tote Wüstenei, barhäuptig, die Gasmaske vorm Gesicht, in Hemd und Hosen der eine, im Gehrock der
andere.
Der Eine: Und Du sagst, das war nicht zu verhindern? Mensch, Du standest doch mit an der Spitze! Schau um Dich und antworte mir: Wenn Ihr dies Ende
Der Minister: Dieses Ende haben die
-
der hier seine bittere Enttäuschung sich ab- Beruf führe ihn durch ganz Deutschland . Man reagiert, auftrumpfen! Aber er weiß noch brauche, um den Sumpf Hitlerdeutschlands mehr. Der stellvertretende Gauleiter Beck- kennen zu lernen, nur sein Ohr den Gesprä mann und der Oberbürgermeister Christ sind chen der Reisenden in den Durchgangswagen bereits in Urlaub geschickt oder die Entlas- zu leihen. Wörtlich:» Was ich hier schreibe sung steht unmittelbar bevor. Und Simons,( er meint die Affären von Koblenz ) ist nicht der Gauleiter selber? Darüber führt der einzig dastehend. Ich könnte jede beliebige andere Stadt nehmen. Das Bild wäre im Staatsrat und Gauleiter Gustav S1- Grunde nicht anders, oft aber noch schlimmons, oberster Führer und Schirmherr mer.< aller deutschen Saarvereine, soll stark mitbelastet sein. Es wird angenommen, daß wegen der bevorstehenden Saarabstimmung nichts, wenigstens einstweilen nichts, unternommen wird. Gustav Simons mußte aber am 27. Oktober nach München , um sie sich mit Angehörigen dieser Rasse einlassen.< sich zu verantworten.
Der alte Nationalsozialist und ehemalige
» Der Fall... sei ihnen allen eine Warnung, und zwar den Juden sowohl wie den Weibern . die sich so weit in Schande erniedrigen, daß
Mannheimer> Hakenkreuzbanner.
meine
Der Eine: Und jetzt? Gehts jetzt den Gasmaske, der Leib in zerfetzte Fahnen-| Abermilliarden! Trösten wir uns, Exporteuren besser? Wir wandern seit zwei tücher gehüllt. Hebt ab und zu etwas vom Herren, Europa ist in Ehren untergegangen. Tagen und haben noch keine andere lebende Boden auf, kommt näher, sieht die beiden Schade, daß alle tot sind, sonst könnten wir Seele gesehen. Ausgestorben. Tot ist das Schlafenden, bleibt in respektvoller Entfer- jetzt eine fabelhafte Konjunktur genießen... nung stehen. ( kichernd, hüstelnd), ein Konjunktürchen, Der letzte Nationalist( den Zy- sage ich Ihnen!( Windstöße treiben stickige Herren ja eben nicht glauben wollen drum linder lüftend): Darf ich nähertreten, meine Gasschwaden über das Gelände.) Achtung, Herren? Oder sind Sie auch schon tot? Ich dicke Luft, meine Herren! Es geht nichts gab's nichts! Der Eine: Es gab noch etwas. Es gab bin harmlos, hähähä... Ich sammle Anden - über das gemeinsame Fronterlebnis, hähäbei Wotan, hä...( Stülpt die Gasmaske über das Geden Appell an die leidenden Millionen. Es gab ken an die große Zeit, denn die Abrüstung der Welt. Kein Land meine Herren: so was erleben wir nicht sicht.) Gott mit Ihnen, meine Herren! Heil hätte widerstehen dürfen; ein Völkerbund des gleich wieder... Sehen Sie den Schornstein Hitler !( Stapft meckernd und kichernd über Der einzige Ueberlebende von die Trümmer davon.) Friedens hätte mit diesem Ruf jeden Despo- da draußen? ten bezwungen ihre Demagogenkunst lebte unseren Werken! Beschäftigten dreitausend
-
vorher hättet ja nur von den Rüstungen der anderen! Aber Arbeiter. Renomierteste Firma des Kon- Ein sonniges Gemiit
schauen können der Krieg wäre trotzdem gekommen?!
Der Minister( knöpft den Gehrock
nister stürzen.)
Der früher einmal
bessere Staaten. eure Herzen waren lau, euer Wille zag, euer tinents. Lieferte an alle geachtete Publizist Denken im Herkömmlichen eingerostet!( Dro - Vom Revolver bis zum Langrohrgeschütz Hermann Claudius , der sich so gerne Dichhend): Wer von euch hatte den Mut, mit alles erstklassig. In den letzten zwei Jahren ter nennen hört, hat sich bekanntlich seiner auf, atmet schwer): Ich weiß nicht, mir ist, eurer überlebten Welt zu brechen? Nur we- herrschte Rekord- Konjunktur. Große Zeit für zeit eiligst gleichgeschaltet. Er veröffentals läge alles tausend Jahre zurück. Meine nige Deinesgleichen, Du warst nicht dabei! Aktionäre... hähähä:...( Schiebt die Gas- lichte in diesen Tagen im Feuilleton deutErinnerung ist nahezu verschüttet... Was( Packt einen Knüppel, will sich auf den Mi- maske hoch, hebt ein Messer auf, liest die scher Zeitungen eine SonnenstrahlenerzähInschrift der Klinge:> Blut und Ehre, lung, die folgendermaßen beginnt: Der Minister( fällt ihm in den kichert.) Schade um diese Menschheit, wie?> Ich habe mit gefangenen Vögeln immer und Menschlichkeit gesteinigt wurden, hatte Arm): Auch ich wollte den Frieden. Auch War ein heroisches Geschlecht! So herrlich viel Mitleid gehabt!<< die ich war nur ein Staubkorn der Geschichte... sinnlos zu verrecken Dafür hat es dem Gesinnungsakrobaten ( Sie ringen miteinander.) Packt Dich der kein anderes Zeitalter vorgemacht! Und wenn Claudius immer an Mitleid mit gefangenen Der Eine: Doch, sie wußten einen Aus- Wahnsinn wieder? Willst Du allein bleiben die starken Männer nicht endlich gekommen Kollegen gefehlt. Sonst hätte er sich nämwären, die Reiniger und Erneuerer, die das lich nicht gleichgeschaltet. weg! Es gab die Solidarität der friedlichen Verrücktheit predigten, dann Beide sinken erschöpft auf einen verkohl- Sterben in Völker! Es gab den Boykott! Es gab gegen Mittelalter und Kulturschande die moralische ten Balken, lehnen sich gegen einen Mauer- hätte der Heroismus nie die glorreichen Forund wirtschaftliche Blockade!
der Wahnsinn
Selbst neue Chancen. Friedlichen wußten keinen Ausweg mehr.
nicht.
zwischen Toten?!
-
das hat uns noch
angenom
rest, schließen die Augen, schlafen erschöpft men des überirdischen Blödsinns Der Minister: Die moralische viel- ein. Ein Vogel wippt durch die Luft, kreist men... hähähä... und auf Blut und Ehre: Ueberall einige Male verzweifelt über den Trümmern, nie hätten wir in zwei Jahren vier Milliarden leicht, die wirtschaftliche er sich setzen, fliegt lautlos verdient! waren die Lager voll, kein Land wollte auch als wollte Der Minister( im Traume nur auf tausend Tonnen Ausfuhr verzichten. weiter. Bei uns mußte Getreide vernichtet werden. Von weit draußen steigt eine Gestalt näher Appell an die Abermillionen... Der letzte Nationalist: Die Kapitalisten waren bereit, jede Regierung und näher: der letzte Nationalist. Milliarden, zu stürzen, die Export hemmte. Auf dem Kopfe einen Zylinder, darunter bitte? Millionen?!
Der weiße Fleck
Wer etwa meint, daß in Deutschland nun bald genug» gereinigt«, geschnüffelt, registriert und katalogisiert worden sei, wer da meint, daß es bald keine einzige Großmutter lallend): mehr aus der Grabesruhe zu scheuchen gebe, der irrt sich. Den Rassisten erscheinen die Wie Ahnenreihen noch lange nicht stramm genug ich, ausgerichtet, die Stammbäume noch lange
sage