Nr. 79 BEILAGE
Neuer Vorwärts
16. Dezember 1934
Aus der Geheimgeschichte des Deitten
über
,, Diese Kerle!"
-
Reichs
Von Karl Max.
am Hofe
Ein Dokument ersten Ranges zur sei, riet Göbbels ihm dringlich, um den| chelmord zu.» Der Hermann geht aufs stellt. Deshalb gilt es,» die beiden<< Göeigentlichen, zur Geheimgeschichte des umlaufenden Gerüchten die Spitze abzu- Ganze!« Und da die Röhm, Heines und ring und Göbbels ,» von ihm zu >> Dritten Reichs< ist das in der letz- brechen, zu einer Heirat mit einer Ernst> auf alles gefaßt« sind, haben trennen. Ihn müssen wir haben, er muß ten Nummer des>> Neuen Vorwärts« Frau natürlich. Ernst hatte Gründe, sie nur das eine Bedürfnis,» diesen mit uns gehen, dann ist die Geschichte ausführlich gewürdigte Geständnis des diesen Rat zähneknirschend zu befolgen, Kerlen zuvorzukommen<<. Hei, dann schon richtig«. Es ist genau das wideram 30. Juni um die Ecke ge- aber daß der braune Mephistopheles, das soll, wenn» die Sache richtig knallt», nach liche Bild, das die Kamarilla brachten Berliner Obergruppenführers merkwürdige junge Eheglück noch mit Herzenslust abgerechnet werden. mit Herzenslust abgerechnet werden. Denkt Wilhelms II. bot, von der sich bald die Ernst, daß er mit ein paar Spießgesellen» dreckigen Anspielungen« versüßte, er- Ernst an Göbbels , sieht er rot:» Ich eine, bald die andere Clique mühte, den auf Weisung von Göring und Göb- grimmte den Ehemann wider Willen:» Daß persönlich muß den Lahmen bekommen... leicht zu Beeinflußenden für ihre trüben bels den Reichstag angesteckt habe, aber der Hund mich damals in die Geschichte Den Lahmen schmore ich, das verwehrt Zwecke einzufangen. Aber was in diesem auch der in jenem Artikel gleichfalls er- hetzte und hinterher noch aufzog, das mir keiner, nachdem er seine Prügel be- Fall den Röhm und Konsorten als Ziel wähnte Brief, in dem der Ernst dem vergesse ich nicht«<. Bei Heines konnte er kommen hat«. Von Röhm dagegen wird vorschwebte:» Ihn müssen wir haben«<, Heines in Breslau von der» Erklärung für seine Schmerzen auf warm brüder- berichtet, er habe nur ein Ziel ,,, dem glückte dem» Kleiderständer« und dem die Februargeschichte« Mitteilung liches Verständnis rechnen, denn nicht Hermann mit der Uniform auch die» Lahmens, und da auch sie der Ansicht macht, auch dieser Brief vom 5. Juni 1934 umsonst nannten die bösen Zungen den Haut abzuziehen<. Kurz,» Volksgenossen!« waren, daß man» diesen Kerlen zuvorhat es in sich. Das Bekenntnis des Ernst Adjutanten des Breslauer Obergruppen- Daß von Hindenburg und den kommen« müsse, kam es zu dem Gemetzel mühen sich eben die Pressekulis des Gö b- führers nicht anders als>> Fräulein» alten Knackern aus dem Neudecker Al- des 30. Juni. bels als Fälschung hinzustellen. Ver- Schmidt<<. tersverein« mit vollkommener Nichtachgebene Liebesmüh', die Welt weiß Bescheid! Ebenso wenig wird das Ableugungsmanöver mit dem Brief Ernsts an Heines gelingen, denn dieses Schriftstück offenbart seine Echtheit in jeder Zeile und erst recht zwischen den Zeilen wer außerhalb der» Bonzokratie« der SA. vermöchte mit dieser Meisterschaft ihre ruppige Tonart und ihre niedrige Gesinnung nachzuahmen!
es
Man weiß, wer Heines war: ein skrupelloser und blutbesudelter FehmeMörder, und man kennt auch Ernst zur Genüge, den ehemaligen Liftboy, der sich rasch in der päderastisch verseuchten SA. zu den höchsten Stellungen» empordiente<<, indem er den Ereignissen nicht die Stirn, sondern ihr Gegenteil bot. Entsprechend ist der Ton des Briefes. Zwar mag ruhig hingehn, daß ein oder zweimal das Wort» Arsch« breit und behaglich ausgeschrieben wird, obwohl es für diese verbreitete Abart brauner Führer einen erotischen Beigeschmack hat; auch Marx und Engels brauchten in ihrer Korrespondenz zuweilen derbe, allzu derbe Ausdrücke, ohne deshalb den Eindruck trüben, daß die Briefschreiber geistig und sittlich hochstehende Menschen waren. Bei den Kraftstoffeleien des Ernst aber entsteht genau der entgegengesetzte Eindruck. Mit dieser gemachten Forsche unterhalten sich Zuhälter; das ist unverfälschter Luden- Jargon; sie möchten, diese betreẞten und besternten Obergruppenführer mit ihren hohen, blanken Reitstiefeln, gern> zackig sein und sind nur gemein.
zu
Denn hundsgemein ist ihre Gesinnung. Oft haben allzu wohlwollende Betrachter versucht, den Widerstreit zwischen dem Röhm- Klüngel und den HitlerGöring- Göbbels, der sich am 30. Juni so blutig entlud, soziologisch auszudeuten: als Gegensatz zwischen Leuten, die es in einer gewissen Sturheit
und
Naivität mit dem» Sozialismus<< des Nazi- Programms ernst meinten, und den Konjunkturrittern von der traurigen Gestalt, die, konservativ verknöchernd, diesen>> Sozialismus« längst über Bord geworfen hatten. Also, falls der Begriff nicht zu hochtrabend ist, Weltanschauungsgegensätze! Aber von Weltanschauung oder etwas Aehnlichem verrät
der
Wahrhaftig, unschätzbar ist der Brief Mit verblüffender Deutlichkeit zeigt der tung gesprochen wird, versteht sich am des Ernst an den Heines als Beleg
Schacht sammelt
M
zuzulegen!
für die Geistesverfassung der Abenteurer und Hochstapler, die Deutschland >> erneuern« wollen. Wenn von dem ganzen blutig barbarisehen Spuk der Jahre 1933 und 1934 nichts bliebe als dieses Bekenntnis einer schönen Seele, und ein Gelehrter fände es in einem Jahrtausend, er wäre imstande, sich aus dieser Urkunde vom Wesen, vom Unwesen des» Dritten Reichs<< ein erschöpfendes Bild zu machen, und würde herzhaft ausspucken.
Ernst an Heines
Lieber E.,
5. Juni 1934.
der Chef ist endlich bei ihm gewesen! Lange Aussprache. Der Chef erzählte mir, es ging bis in die Morgenstunde. Er hat wie oft bei solchen Gelegenheiten geheult und den Chef beschworen, ihm doch zu glauben, daß er hundertmal lieber ihn an der Spitze einer vereinten Armee sehen würde, als einen alten Knacker aus dem Neudecker Altersverein. Aber es ginge nicht. Allgemeine Schwierigkeiten, dann Rücksicht auf das Ausland, Zusammenkunft in Venedig und ähnlichen Quatsch. Kurz und gut, Du wirst ja den Chef bald treffen und Ausführliches von ihm hören. Das Ende vom Lied war gegenseitiges Versprechen, nichts zu unternehmen, abzuwarten, bis der alte Herr abkratzt. Dann wird man sehen.
Das heißt aber für uns jetzt losarbeiten. Denn es ist arschklar, wenn wir warten, bis es diesem hinterhältigen Aegypter gelungen ist, den Lahmen mit dem Kleiderständer gegen uns zusammenzubringen, gehen wir vor die Hunde. Wir müssen handeln und diesen Kerlen zuvorkommen! Der Hermann geht aufs Ganze. Und wenn er auch den Lahmen nicht riechen kann, gegen uns geht er sogar mit dem Schwarzen!
Wir müssen ihnen ein Feuerchen anzünden, daß sie mit dem Arsch hochgehen! Ich persönlich muß den Lahmen bekommen. Schade, daß mir R. damals in den Arm gefallen ist, als ich ihm auf den Schädel hauen wollte für seine dreckigen Anspielungen wegen meiner Heirat.
Ich habe mit dem Chef auch über Deinen Brief gesprochen. Du weißt, ich halte sonst von dem vielen Reden und Schreiben nichts. Er ist Deiner Meinung, daß wir auf alles gefaßt sein müssen. Der Lahme kann die tollsten Dinge drehen. Der Chef hat sein wichtiges Material bereits an sicherer Stelle. Ich habe nach der Unterredung mit ihm die Erklärung über die Februargeschichte unterredet schrieben, die M. nach meinen Angaben geüber schrieben hat. Es ist in sicherer Hand. Wenn
Brief Ernsts auch nicht die Spur einer Die Herren Gläubiger werden gebeten, noch etwas Spur. Wie bei Gangsters, die sich eifersüchtig belauern und auszurotten trachten, ist alles auf das kleinlichst Persönliche zu
gespitzt: Futterneid, Größenwahn, Rach- Herzenserguß des Ernst in jeder Zeile| Rande. Aber vom» Führer«, wie sucht, Haß. Aus dem Schreiben ergeben fast, wie die braunen Edelinge, zu denen man von ihm? In der Enthüllung sich zwei Triebfedern für die> Bewegung der deutsche Spießbürger wie zu Halb- den Reichstags- Brand brüstete sich mir das geringste passiert, platzt das Ding. der Röhm- Heines- Ernst gegen die göttern aufschaut, übereinander denken, Ernst mit seiner bedingungslosen Hitler- Ich schicke Dir beiliegend auf alle Fälle eine Hitler- Göring- Göbbels. Röhm, voneinander reden, gegeneinander handeln. Treue, denn jenes Dokument war der unterzeichnete Kopie. Heb sie gut auf. Du
wenn alle
der» Chef«<, verzehrt sich in der brennen- Wir hören, daß der» Kleiderständer« den Oeffentlichkeit zugedacht und vielleicht solltest auch Deine Sachen irgendwo sicherden Gier, an die Spitze der gesamten deut-» Lahmen«» nicht riechen<< kann, aber der sogar bestimmt, dem» Führer« vor Augen stellen. Lies Dir das Ding mal durch. Es ist schen Wehrmacht gestellt zu werden, und Stellvertreter des» Führers«<, Rudolf He ẞ, zu kommen. In einem intimen Privatbrief, das Stärkste, was wir haben, kocht vor Wut, daß Göring , wegen genannt» der hinterhältige Aegypter<, Freund an Freund, gibt man sich schon Stränge reißen. Vielleicht hilfts was, vielseiner wilhelminisch wechselnden Unifor- sucht die beiden zusammenzubringen. hemdsärmliger und aufrichtiger. Röhm leicht hilft es nichts. Denn im Schreiben ist men» der Kleiderständer« geheißen, Auch zwischen Göring und dem Reichs- hatte mit Adolf , der einfach» er« ge- uns der Lahme über. Unsere Stärke liegt auf und Göbbels ,» der Lahme« genannt, die führer der SS., Himmler , kurzweg» der nannt wird, eine stundenlange Aussprache: anderem Gebiet, und da müssen wir losgehen. Erfüllung dieses seines Herzenswunsches Schwarze« benamst, ist das traute Ver-» Der Chef erzählte mir, es ging bis
in
Aber diesmal mußt Du bis zuletzt mit
mit allerhand Ränken zu hintertreiben hältnis so, daß dieser jenen haẞt und die Morgenstunde. Er hat wie oft bei machen. Ich hab da schon so einen Plan, gesuchen. Was den Ernst gegen den» Lah- jener diesen verabscheut, aber geht es solchen Gelegenheiten geheult und aber geht es solchen Gelegenheiten geheult und den gen den die Dinger vom Lahmen nichts sind. men<< Gift und Galle spucken läßt, hat gegen den Röhm- Klüngel, findet sich Chef beschworen, ihm doch zu glauben, Aber Du darfst nicht wieder losfahren, bevor der» Kleiderständer<< noch intimeren und peinlicheren Anstrich. sogar der an mit dem daß er hundertmal lieber ihn der die Sache richtig knallt. Die Hauptsache ist, Da die Spatzen von den Dächern pfiffen,>> Schwarzen<< zusammen. Da sie einan- Spitze einer vereinten Armee sehen würde den Lahmen zu treffen. Das ist meine Meiwährend der Chef nur ein Ziel hat, daß der Berliner Obergruppenführer eine der bis auf den Grund ihrer schmutzigen usw.<<. Ein nervenschwacher Lügner ist nung mit der Uniform auch die Zierde nicht nur des» Dritten Reiches «<, Seelen kennen, trauen sie einander jedes» e r« also. Aber» ih n« kann man brau- dem Hermann einen Machtfaktor dar- Haut abzuziehen. Man kann beides haben.
sondern auch
des dritten Geschlechts< Verbrechen, jede Hinterlist, jeden Meu- chen, weil er