Nr. 98 BEILAGE

Neuer Vorwärts

28. April 1935

Der Musterstaat des Dritten Reiches "

Sein Erfolg

von fremden

Gern schreien die Reklamechefs des schuldigung, den Fluchtplan des Kronprin-| erboste Friedrich Wilhelm ungemein; er den auf kaum einwandfreiere Weise stein­>> Dritten Reichs< den Fridericus Rex als zen begünstigt zu haben, vom Kriegs- berief die Richter zu sich, schlug einem reich. Vornehmlich aber stank ein Sumpf > ersten Nationalsozialisten< aus, aber recht gericht zu mehrjähriger Festungsbaustrafe mit Faust und Stock die Zähne ein, warf der Korruption gen Himmel, da sich die warm wird ihnen dabei selber nicht. Die- verurteilt und auf einfache Weisung Fried- die anderen die Treppe hinunter und ließ meisten Hochmögenden ser Hohenzoller fällt doch zu sehr aus rich Wilhelms kurzer Hand enthauptet den überführten Verbrecher frei ausgehn. Mächten schmieren ließen; nicht nur jener dem Rahmen der Mittelmäßigkeit, um wurde, aber es ist nur ein Fall unter vielen. Auch dieser» Führer« gefiel sich in Grumbkow stand im englischen und im einem ausgesprochenen Regime der Mittel- Ein Geheimrat Wilke war wegen kaum dem Wahn, daß sein Regime eine» Er- österreichischen Solde und strich auch von mäßigkeiten als Aushängeschild zu dienen; beweisbarer oder sehr geringfügiger Un- neuerung« des Staates bedeute und Frankreich Bestechungsgelder ein. heute würde er in Braun- Deutschland nach terschleife zu zwei Jahren Festung verur- dem alten System vollkommen entgegen- In einem allerdings» erneuerte<< Fried­den neuesten Vorschriften nicht einmal teilt worden; der König verfügte statt des- gesetzt sei. So vor allem auf dem Felde rich Wilhelm sein Land: indem er es in >> wegen Mangels an Willen zu körperlicher sen, daß» der Schurke« dreimal» von dem der Sparsamkeit. In der Tat kümmerte sich eine riesige Kaserne verwandelte. Bei sei­Härte und Einsatzbereitschaft zur höhe- Schinder mit Staupen geschlagen mit Staupen geschlagen und der Monarch mit komischer Pfennigfuch- nem Tod hatte Preußen mit seinen 2.2 Mil­ren Schule zugelassen, verschwände wahr- nachher auf zeitlebens in das infame Loch serei um die unbedeutendsten Posten des lionen Einwohnern ein Heer von 89.000 Taler scheinlich als Homosexueller in einem Kon- nach Spandau gebracht werden<< solle. eigenen wie des staatlichen Haushalts, Mann, und von den 7,4 Millionen zentrationslager und wäre namentlich we- Aehnlich hatten wegen eines ähnlichen aber er betrieb das» Plus- Machen«, wie er Staatseinkünften gingen 6 Millionen für gen seines vertrauten Umgangs mit einem » liberalistisch zersetzenden« Geist wie Vol­ taire den Gewalthabern höchst verdächtig. Da es also mit Friedrich II. nichts Rechtes ist, besinnt man sich allmählich auf seinen Vater und zieht damit keine Niete. Fried­rich der erste, aber Friedrich Wil­ helm der allererste National­sozialist- das ist der Sinn des sozu­sagen offiziellen Films» Der alte und der junge Könige, der, mit viel Ko­sten gedreht und mit viel Pomp einge­weiht, seit einigen Wochen über die Lein­wand läuft. In ihren hymnischen Kritiken hob die gleichgeschaltete Presse hervor, daß zwischen dem Preußen Friedrich Wil­helms I. und dem Deutschland Adolf Hit­ lers eine direkte Verbindung bestehe, und wo die jungen Leute des Göbbels einmal recht haben, sollen sie auch recht behal­ten. Wenn es irgendwo in der ganzen Ge­schichte und in der weiteren Welt einen Staat gibt, der wie die Keimzelle des>> Drit­ten Reichs<< wirkt, ist es das Preußen von 1712 bis 1740.

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KOLN

FRANKF RT

OSTETTIN

BERLIN

BRESLAU

militärische Zwecke drauf. Da sich diese Streitmacht durch Werbungen mehr noch im Ausland als im Inland ergänzte, war Menschenschacher und Menschenraub im Preußen Friedrich Wilhelms I. auf die Hö­he einer Kunst erhoben. Im Innern wider­setzten sich die Bauern nicht selten der gewaltsamen Werbung mit Gewalt, und mit anderen Staaten, erst mit Hannover , dann mit Holland , kam es wegen des schamlosen Treibens der preußischen Wer­ber zu sehr ernsten Konflikten. Gilt Fried­ rich Wilhelm als» der Schöpfer unseres Offizierstandes«, so behielt ihn den Junkern vor und nicht nur um der Ehre willen; Kompagniechef zu sein, war eine Quelle der Bereicherung; die Art, wie ein Hauptmann aus seiner Kompagnie mate­rielle Vorteile herausschlug, vergleicht Friedrich Förster, der sehr loyale Biograph Friedrich Wilhelms I., der Bewirtschaftung eine Negerplantage. War der Drill des preußischen Militärs, das, nach Treitsch­kes Wort, durch» die eiserne Strenge der unmenschlichen Kriegszucht gebändigt wurde, weithin berühmt oder berüchtigt, So hausten die Krieger Friedrich Wil­helms I. 1734/35 doch im Würzburger und Bamberger Winterquartier wie die wilden Scharen Wallensteins und Tillys; entrüstet erhob der Kaiser seine Stimme gegen>> das grausame, menschenräuberische und geld­gierige Verhalten« dieser Soldateska. Die von ganz Europa belachte Besonderheit des» Soldatenkönigs<< aber waren seine >> langen Kerle«. Konnte er für sein Leib­garderegiment Burschen von 1.90 oder gar 2 m Länge bekommen, war dem Pfennig­fuchser keine Summe zu hoch; es gab Grenadiere, die insgesamt nicht weniger als 9000 Taler gekostet hatten. Die Vor­liebe für die» langen Kerle« machte Fried­ rich Wilhelm auch zum Vater des glor­reichen» Rassezuchtgedankens«: die Flü­gelmänner seiner Garde verheiratete zwangsweise mit gleichfalls in die Höhe geschossenen Bauerntöchtern und war ent­täuscht, als die erhofften Riesenkinder aus diesen Verbindungen ausblieben.

er

Nirgends feierte der Führerge­danke solche Triumphe, nein, solche Orgien wie hier. Zwar orakelte der König einmal, daß er sein wahrer Republikaner < sei und bezeichnete sich als>> den ersten Diener des Staates<- von ihm, nicht von Friedrich II , stammt dieses inzwischen in den Schulen totgehetzte Wort, aber in Wahrheit war er ein wilder Despot asiati­schen Gepräges; nicht umsonst schwärmte er für das Moskowiterreich und sah in Peter I von Rußland sein Vorbild. Trotz aller schönen Redensarten von> Staats­wohl und Pflicht« und» Disziplin< zeigte er sich bei jeder Gelegenheit als Wüterich mit blutunterlaufenen Augen, der, jedem Koller ohne die geringste Selbstbeherr­schung nachgebend, in seiner Familie als toller Tyrann umhertobte; um ein Haar hätte er seine älteste Tochter Wilhelmine wegen einer Ungezogenheit einmal mit einer Vorhangschnur erdrosselt, einmal mit einem Tischmesser erstochen, und daß der > große Friedrich« der große Friedrich<< Da Kommißluft in muffigen Schwaden werden konnte, verdankte er nur einem wie über dem Hof so über dem Lande General, der, dazwischenspringend, hin­lag, gefiel sich der Tyrann, dessen Schul­derte, daß der vor Jähzorn wahnsinnige bildung denkbar dürftig war, in einer be­Vater seinem verhaßten Sohn den Degen tonten Verachtung des Geistes. Auf Arien durch den Leib rannte. Wenn er den und Chöre aus heroischen Opern, die er Thronerben an den Haaren herumriẞ und dabei ein­sich gelegentlich, manchmal bis aufs Blut schlug, prügelte er seine schlafend, durch Hoboisten des Potsdamer Garderegiments ließ, be­Diener erst recht auf die roheste Art. Da­vorspielen schränkte sich seine Beziehung den mit nicht genug, hatte er stets zwei mit er sein königliches Salz geladene Pistolen neben sich liegen; Vergehens die Richter gegen den Kriegs-[ es nannte, auch auf andere und sehr eigen- Musen. Sonst fand versah ein Diener etwas, paffte der König und Domänenrat von Schlubuth auf tümliche Art. Nach großen Schwarzwild- Pläsier an der grausamsten Form der los; so wurden einem die Füße grausam Festungsstrafe erkannt, der König ließ ihn jagden wurden die erlegten Wildsäue, so- Jagd, der Hetze, an derben» Eintopfge­verletzt, ein anderer verlor ein Auge. aufknüpfen. Aber wenn er gegen höhere weit sie nicht in die Hofküche wanderten, richten<, an viel Tabak und viel Alkohol. Wie mit Familie und Gesinde sprang Beamte so verfuhr, um sich in Respekt zu Beamten und Bürgern zugesandt, die sie, Das allabendliche Tabakkollegium, das sich dieses Urbild eines» Führers<< mit dem setzen und sich vielleicht auch eine Art ob gern oder ungern, für eine vorgeschrie- in Qualm aus Tonpfeifen einräucherte und zu erwer- bene Summe nehmen mußten. Auch bot schweren Rheinwein in Strömen fließen ganzen Volk um. Nach seiner Auffassung schauerlicher Volkstümlichkeit als geistige Erholung des vom Staat waren Leben und Eigen- ben, so galt seine Mordanmerkung in den Friedrich Wilhelm I. munter Aemter, Ti- ließ, stand tum, Meinung und Recht der Un- Akten: Soll hängen! weit häufiger ar- tel, Orden feil; eine Stellung erhielt nicht Herrschers und seiner Kumpane auf tertanen dem Willen des Ober- men Teufeln aus der breiten Masse. Wild- der Geeignetste, sondern der Meistbietende. Tiefe einer rüden Wachtstubenunterhal­bei den rohen endeten unweigerlich mit einem Bildete sich unter den niederen Beamten tung; die Leidtragenden hauptes blindlings unterwor- diebe endeten unweigerlich mit fen; mit Fug schrieb der in Berlin le- Strick um den Hals, und 1735 kam ein in diesen Jahrzehnten der so oft verspot- Spässen waren die Gelehrten, in denen der bende sächsische Minister Graf Manteuf- Edikt heraus,» daß ein jeder Hausbedien- tete Typ des> preußischen Hungerleiders« König nichts als» Pedanten, Tintenkleck­die Großwürdenträger ser, Schmierer« sah. Die Akademie der fel:» Jeder Untertan in diesem Lande, wel- ter, er sei männlichen oder weiblichen Ge- heraus, so saßen chen Standes er sei, wird wie ein gebore- schlechts, der seinem Herrn über drei Ta- und Günstlinge des Königs in der Wolle. Wissenschaften, deren Einkünfte auf ein ner Sklave betrachtet, über den der Herr ler stehlen würde, an einem vor dem Hause Der General von Grumbkow, Hauptver- Nichts zusammengestrichen wurden, ver­nach Gutdünken verfügen kann. Die Lan - des Bestohlenen errichteten Galgen aufge- trauter Friedrich Wilhelms, scheffelte aus höhnte Friedrich Wilhelm , indem er ihr deskinder wußten, weshalb sie vor ihrem henkt werden sollte<<. Als erste Opfer die- seinen verschiedenen Aemtern 36.000 Ta- etwa als Aufgabe stellte, die Ursache des Landesvater als dem schrecklichsten der ser Verordnung wurde der Diener des ler jährlich und zahlte seinem Koch ein Brausens des Champagners zu erklären; Schrecken zitterten, denn daß er über sie Kriegsministers von Happe und die Köchin höheres Gehalt, als die meisten Staats- die beiden Hofbaumeister seines kunst­herfiel und mit seinem Krückstock jämmer- eines Geheimrats, die drei Taler zwölf gute beamten bezogen; der Oberst von Der- freundlichen Vaters, Andreas Schlü­und Eosander von Göthe , lich verdrosch, war noch das Geringste. Groschen entwendet hatte, aufgeknüpft. s chau, sehr einflußreicher Generaladju- ter und Keiner fühlte sich auch in einem Lande, in Aber auch Umgekehrtęs ereignete sich. tant des Königs, erpreßte, mit der Ober- gingen mangels an Aufträgen außer Lan­dem kein Recht und Gesetz galt außer der Daß das Kammergericht es wagte, einen aufsicht über die Bauten der Friedrich- des, und einer der namhaftesten Denker Willkür des Einen, nur einen Augenblick Grenadier von der Leib- und Lieblingstrup- stadt betraut, von den Bürgern beträcht- der Zeit, der in Halle lehrende Professor seines Lebens sicher. Bekannt ist der Fall pe des Königs wegen nachgewiesenen Ein-| liche Summen und brachte mehrere Fami- Wolf, wurde bei dem unwissenden König des Leutnants Katte, der unter der An- bruchsdiebstahls zum Tode zu verurteilen, lien an den Bettelstab, und Minister wur- langeschwärzt, daß seine Lehre nicht ge­

Eine Isolierung aber keine glänzende!

zu