Nazimethoden des Lohnabbaues

Der Schwindel der Deutschen Arbeits­ front   in der Berichterstattung über die Lohn­frage hat einen Höhepunkt erklommen. Sie bringt jetzt Veröffentlichungen über die Zu­lässigkeit des Tariflohnverzichts und greift die frühere Rechtssprechung des Reichs­arbeitsgerichtes an, um zu erzählen, daß heute die Arbeitsgerichte Berlin   und Frank­ furt   a. M. die nachträgliche Zulässigkeit des Tariflohnverzichts unterbunden hätten. Aus einer Entscheidung des A.G Berlin wird zitiert:

> Nach dem Grundsatz, daß jeder Arbei­ter seines zuständigen Lohnes wert sein muß, kommt es nicht allein darauf an, daß der Vertrag des Arbeitnehmers dem Inhalt der Tarifforderung entspricht, sondern auch, daß er so erfüllt wird. Von diesem Gedanken der Erfüllung heraus muß für die heutige Rechtslage die Zulässigkeit eines nachträglichen Tariflohnverzichts ab­gelehnt werden.<

Das klingt wieder einmal recht sozial Dieser Spruch ist aber ebenso belanglos, wie die Tarifverträge von heute, die nur noch auf

halt für Ausnahmen gemacht wird. Sie wer­den vorgesehen für>> notleidende Betriebe<<, für Betriebe, die eine Mindestzahl von Be­

Der Treuhänder für Schlesien   drückt sich gelernte Facharbeiter, daß von der Lohntafel schäftigten nicht übersteigen oder sie sind dabei besonders lieblich aus und schreibt: abweichende Arbeitsbedingungen zulässig

zeitlich begrenzt.

die

Besonders zahlreich sind die Ausnahme­> Die Vorschriften dieser Tarifordnung sind, der Ueberschreitung enthalten Mindestbestimmungen. Auf sie ist >> falls ihre Leistungen nicht denen ihrer Be- ordnungen hinsichtlich je nach der wirtschaftlichen Lage der ein­der regelmäßigen Arbeitszeit, wobei so­rufsgruppe entsprechen<<. zelnen Betriebe nach Maßgabe der Leistun->> Nicht eingearbeitete Gefolgschaftsmit- gar die vorgesehene Bezahlung der gen der Beschäftigten aufzubauen. Ueber glieder erhalten Abzüge bis zu 20 Prozent Ueberstunden unterbleiben kann. die Gewährung übertariflicher Vergünsti­der festgesetzten Löhne.  < In einer Tarifordnung des Treuhänders für gungen entscheidet der Unternehmer frei Akkordlohndrückerei. nach seinem sozialen Gewis­Niedersachsen, die für die Kraftfahrzeug­sen.< Soweit die Tarifverträge noch nicht aufge- reparaturen im Stadtkreis Osnabrück   erlassen Diese Leistungsabweichungen können hoben sind, werden sie unwirksam gemacht, ist und in der die Arbeiter 50 Stunden, auch nach unten erfolgen, daher der in dem die Zeitlöhne durch Akkordlöhne er- Vorarbeiter 55 Stunden, die Werkmeister bis Name» tarifliche Mindest löhne<. So for- setzt werden. Die Akkordlöhne werden dau- zu 60 Stunden in der Woche leisten müssen, muliert der Treuhänder von Sachsen  , daß die ernd herabgedrückt. Es ist z. B. eine beliebte heißt es: Mindestlöhne für Gefolgschaftsmitglieder be- Methode, durch Umänderung des Umrech­stimmt sind, nungsfaktors bei den Minutenakkorden die >> die die ihnen zugewiesene Arbeit nach den Lohnsätze immer weiter abzubauen. fachüblichen Regeln sauber und in ange- In einer Tarifordnung der württembergi­messener Zeit ausführen können. Nachweis- schen Textilindustrie ist bestimmt: lich minderleistungsfähige Gefolgsmänner Vertrauensrat können nach Beratung im

mit Zustimmung des Treuhänders abwei­chend von den Tariflöhnen bezahlt wer­den<.

lei­

>> Alle Arbeitsstunden, die über diese an­gegebene Stundenzahl geleistet werden, müssen mit dem Stundenlohn der Gruppe bezahlt werden.<

Es gibt also keinen Ueberstundenzuschlag. Zieht man außer diesen Lohnabbaumaß­> Bei Akkordarbeit darf der Verdienst nicht unter die festgesetzten Zeitlöhne sin- nahmen der Treuhänder in den Tarifordnun­ken, sofern nicht nachweislich die Gründe gen noch die Elendslöhne der Notstandsarbei­des Minderverdienstes in der Person ter, die das Lohnniveau herabdrücken und die der Gefolgschaftsangehörigen begründet

sind. Der Betriebsführer kann nach Be- regelmäßigen Abzüge von Lohn und Gehalt ratung im Vertrauensrat den Grad des im Ausmaß von 25 bis 30 Prozent des Brutto­Minderverdienstes festlegen.< einkommens mit in Erwägung, so formt sich das Gesamtbild des Arbeitslohnes im Dritten

Ausnahmen von der Tarifordnung.

Solche Sonderbestimmung für> erwerbs­dem Papier stehen. Das AG Berlin   gibt selbst beschränkte Arbeiter<, für nicht voll in seiner>> Entscheidung« zu, daß seine Auf- stungsfähige Arbeiter« oder für>> Minder­fassung keine Rechtskraft erlangt, leistungsfähigkeit<< kehren in den letzten Be­denn es spricht im zweiten kanntmachungen im Reichsarbeitsblatt in den Teil von den Die weitere Aushählung der Tarifordnun- Reich. gen wird von den Treuhändern betrieben, in- Der Lohnkampf ist verboten, der Aus­Ausnahmen für die untertarifliche Ent- Tarifordnungen besonders zahlreich wieder. lohnung, in den Fällen, in denen der Tarif- Der Treuhänder für Mitteldeutschland   be- dem sie für einzelne Betriebe Ausnahmen zu- beutung des Lohn- und Gehaltsempfängers lohn für den Betrieb» nicht tragbar stimmt im Nachtrag zum Tarifvertrag für die lassen. Es gibt Tarifordnungen, in denen sind Tür und Tor geöffnet. Ob offene Tarif­Metallindustrie Halle für neu einzustellende schon beim Erlaß ganz allgemein der Vorbe- lohnunterschreitung,

ist<.

» Zum anderen erscheint es aber nicht angebracht, die Gerichte mit der Aufgabe zu betrauen, einzelne Ausnahmen von der Anwendung des Tarifvertrags zu machen, vielmehr ist hierzu nur eine Stelle fähig, welche die genaue Uebersicht über die wirt­schaftliche Gestaltung der Berufskreise hat...

Es erscheint zweckdienlicher, diese Prü­fung der Ausnahmegenehmigung dem Treuhänder der Arbeit vorzubehalten, denn nur eine solche unparteiische(?) Stelle, die die genaue Uebersicht über die wirtschaftliche Entwicklung der einzelnen Wirtschaftszweige hat, wird die Gewähr dafür bieten, daß der Tarifvertrag in seiner gerichtlichen Durchsetzbarkeit nicht ge­fährdet wird.<<

Die neue Rechtsprechung soll also hin­sichtlich der Unabdingbarkeit der Tariflöhne angeblich verbessert worden sein, aber im praktischen Fall der untertarif­lichen Bezahlung tritt das Arbeitsge­richt von heute seine Entscheidungsbefugnis an den Treuhänder ab.

Das Arbeitsordnungsgesetz vom 20. Januar 1934, durch das bekanntlich die Tarifver­tragsordnung vom 23. November 1918 abge­in löst worden ist, enthält der Lohnfrage überhaupt nur Kann- Bestimmungen. Ein Blick in das Reichsarbeitsblatt gibt Aus­kunft, daß diese Treuhänder der Unterneh­mer ihre Kann- Befugnisse reichlich aus­genutzt und ein ganzes System des nach außen nicht immer sichtbaren Lohnabbaues geschaffen haben.

Aufhebung der Tarifverträge. Zunächst wurden die früheren Tarifver­träge als Tarifordnungen wenigstens formell aufrechterhalten. Neuerdings häufen sich die Bekanntmachungen der Treuhänder, wonach die als Tarifordnung noch in Kraft befind­lichen Tarifverträge aufgehoben werden. Da vielfach die Aufhebung erfolgt, ohne daß eine Tarifordnung erlassen wird, so bleiben große Wirtschaftszweige überhaupt ohne jede tarifliche Bindung..

Tarifordnung ohne Lohnregelung. Soweit statt der ersatzlosen Aufhebung der Tarifverträge neue Tarifordnungen oder Richtlinien für die Betriebsordnungen erlas­sen werden, enthalten sie vielfach alle mög­lichen unklaren Bestimmungen über Einstel­lung, Entlassung, Urlaub, Arbeitspausen, Ar­beitsversäumnisse usw., während jede Rege­lung der Löhne und Gehälter ausdrücklich ausgenommen ist. So wird z. B. im RABI. VI 499 bekanntgegeben:» Die Regelung der Lohnsätze für die einzelnen Arbeitergruppen unterliegt betrieblicher Fest­setzung.<.

Offener Lohnabbau.

Es fehlt aber auch nicht an neuen Tarif­ordnungen, in denen die Treuhänder durch die Senkung der Lohnsätze, durch eine neue Ein­teilung der Tarifgruppen oder der Ortsklassen schwere Lohneinbußen anordnen, die bis zu 25 Prozent gehen.

Leistungslöhne.

durch

Der Sinn jeder tariflichen Entlohnung wird durch das sogenannte Leistungsprinzip illu­sorisch gemacht. Sowohl die Betriebsordnun­gen, wie die Tarifordnungen sprechen nur von >> Mindestsätzen«, die Leistungsver­gütungen ergänzt werden sollen. Die damit hergestellte freie Konkurrenz der Arbeiter soll die allgemeine Lohnsenkung automatisch bringen.

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ob Tarifordnung oder Richtlinien zur Betriebsordnung oder un­mittelbarer Lohndruck im Einzelarbeitsver­trag die Methoden der Nazis zur Regelung der Löhne dienen sämtlich nur einem Zweck, dem Lohnabbau. Die unbegrenzte Aus­beutung der Lohnarbeit ist der schlagendste Beweis für die Nazilüge von der Volksgemein­schaft.

Die Konkurrenzfahne

Der Stellvertreter des Führers, Rudolf Heß  , hat zur> Frage der Beflaggung der Gaststätten Stellung genommen und hat, wie die deutschen   Zeitungen mitteilen, u. a. erklärt:

>> Die Verwendung der Partei- und Reichs­fahnen zu Reklamezwecken ist nicht nur nicht erwünscht, sondern als eine Entwür­digung zu betrachten und daher verboten. Dasselbe gilt für den Mißbrauch von Sym­bolen der Partei und des Reiches für die Herstellung von sogenannten Haus- und Gastwirtschaftsfahnen. Vorhandene Firmen­fahnen sollten im allgemeinen nur dann ge­meinsam mit den Fahnen der Partei und des Reiches gezeigt werden, wenn in dem Betrieb eine besondere betriebsinterne Feier vorgenommen wird. Dauerhissungen Parteifahnen sind nur an solchen Gebäuden oder auf solchen Grundstücken zulässig, die entweder im Eigentum der Partei oder ihrer Gliederungen stehen oder von ihnen gemie­tet sind.<<

von

Die Gaststätten also, die ihre Pacht nicht an einen Privatmann, sondern an die natio­nalsozialistische Partei und ihre Gliederun­gen abführen und an deren Gedeihen deshalb höhererseits Interesse besteht, dürfen die Par­tei- und Reichsfahne ruhig weiter> zu Rekla­mezwecken entwürdigen«, denn wo das Geld­verdienen anfängt, hört bei den Braunen die Heiligkeit aller Symbole auf.

Neuer Vorwärts

Gozialdemokratisches Wochenblatt

Herausgeber: Ernst Sattler; verant­wortlicher Redakteur: Wenzel Horn; Druck:» Graphia<; alle in Karlsbad  . Zeitungstarif bew. m. P. D. Zl. 159.334/ VII- 1933. Printed in Czecho- Slovakia  .

Der» Neue Vorwärts« kostet im Einzel­verkauf innerhalb der CSR.   1.40( für ein Quartal bei freier Zustellung 18.-). Preis der Einzelnummer im Ausland 2.-( 24. für das Quartal) oder deren Gegenwert

in der Landeswährung( die Bezugspreise für das Quartal stehen in Klammern): Argentinien  Pes. 0.30( 3.60), Belgien   Frs. 2.-( 24.-), Bul­ garien   Lew 8.-( 96.-), Danzig Guld. 0.30 ( 3.60), Deutschland   Mk. 0.25( 3.-), Estland  E. Kr. 0.22( 2.64), Finnland   Fmk. 4.-( 48.-), Frankreich   Frs. 1.50( 18.-), Großbritannien  d 4.( Sh. 4.-), Holland Gld. 0.15( 1.80), Ita­ lien   Lir. 1.10( 13.20), Jugoslawien   Din  . 4.50 ( 54.-), Lettland   Lat. 0.30( 3.60), Litauen   Lit. 0.55( 6.60), Luxemburg B. Frs. 2.-( 24.-), Norwegen   Kr. 0.35( 4.20). Oesterreich Sch. 4.40( 4.80), Palästina P. Pf. 0.020( 0.216), Polen Zloty 0.50( 6.-). Portugal   Esc. 2.­( 24.-), Rumänien   Lei 10.-( 120.-), Schwe­ den   Kr. 0.35( 4.20), Schweiz   Frs. 0.30( 3.60), Spanien   Pes. 0.70( 8.40), Ungarn   Pengö 0.35 ( 4.20), USA  . 0.08( 1.-).

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