gungen von Stresa ist die Lage unsicherer als je zuvor. Es war ein sonderbarer Plan, Oesterreich, Ungarn und Bulgarien gleichzeitig mit einem Stabilisierungsversuch im Donauraum aufzurüsten— und die Folgen zeigen sich jetzt. Wenn es nma aufrüsten geht, ist das Hitlersystem sicher dabei. Göring ist in Ungarn und Bulga rien in einer neuen Rolle aufgetreten. Er sucht nicht nur Bundesgenossen, sondern auch Kunden. Er hat in Budapest und Sofia Offerten in Waffen abgegeben, wie versichert wird mit großzügigen Kreditversprechungen für die geschätzten Herren Abnehmer. Für Waffenlieferungen wie für Quertreibereien gegen den Frieden ist dort augenblicklich Konjunktur dank der freundlichen Nachhilfe der Mussolinidiktatur. Man ist dort etwas aus dem Gesichtskreis der westeuropäischen Politik und legt sich deshalb weniger Hemmungen auf in der Beachtung des Prinzips der kollektiven Sicherheit. Es wird sogar mit aller Bestimmtheit behauptet, daß Göring vermocht habe, eine bulgarische Erklärung zu erhalten, daß Bul garien sich der Balkan-Entente fernhalten werde, die der Sicherung des Friedens auf dem Balkan dienen soll. Das sind die nächsten Folgen der Hitlerrede vom 21. Mai. Während die Hitlerpolitik nach Westen hin ein friedliches Gesicht zeigt, während sie zu Verhandlungen über einen Luftpakt im Westen bereit ist, treibt sie im Osten die offenste und brutalste Machtpolitik. Wir sind davon nicht überrascht, denn die Störung des Friedens im Osten Europas ist das A und O der hitlerschen Politik. Sie leugnet die These vom unteilbaren Frieden, ihr Prinzip ist: Ruhe im Westen, aber Bewegung im Osten. Wir haben unmittelbar nach der Hitlerede vom 21. Mai ihren wahren Sinn enthüllt. Der Gang der Entwicklung zeigt, wie richtig unser Urteü gewesen ist Die Diktatoren brauchen Bewegung, Unruhe, sie brauchen die Kriegsfurcht der Völker; denn würde sie endgültig gebannt, so würden die unter der Diktatur seufzenden Völker sich im eigenen Hause umsehen, und sie würden finden, daß ihre wahre Freiheit im Innern erkämpft werden muß.
Deutsche Jugend Die folgenden reichsdeutschen Pressemeldungen sind die Ausbeute eines einzigen Tages: Mobrungeo. Streit beim Maikäferfangen. In Hagenau gingen abends ein Kutscher, ein Landhelfer und zwei Jungen im Alter v o n 1 4 und 16 Jahren auf den Maikäferfang. Plötzlich begann sich der Vierzehnjährige mit dem Landhclfer zu necken. Als der Landhelfer dabei auf ihn zuging, zog der 16jährige Bruder ein Messer und brachte dem Landhelfer einen Stich in die Herzgegend bei. Dem Landhelfer mußte sofort ein Notverband angelegt werden, worauf er in das Moh runger Krankenhaus gebracht wurde, wo er in bedenklichem Zustande darnieder liegt. Lötzen . Die beiden Jungen des Bauern Friedrich Jecho aus Junien im Kreise Bötzen kamen auf den Gedanken, die Pistole des Vaters zu suchen, um einige Probeschüsse abzugeben. Der 13jährige Hellmut traf den 14jährigen Erich in den Unterleib. Der Junge, dem das Geschoß mehrmals den Dickdarm* durchschlagen hatte, mußte sofort ins Krankenhaus nach Lötzen gebracht werden, wo er jedoch inzwischen seinen schweren Verletzungen erlegen ist. Königsberg . Gestern wurde der etwa 46 Jahre alte Hofgänger Emst Balke aus Ottilienhof von einem Schüler, der mit einer kleinen Schußwaffe hantierte, durch Unvorsichtigkeit erschossen. Der Erschossene wurde mit dem Unfallwagen In die Chirurgische Klinik gebracht, um den Tod festzustellen, und dann dem Leichenschauhaus überwiesen. Limburg . In der Nacht zum Donnerstag wurde aus bisher unbekannten Gründen ein junges Mädchen von zwei älteren Burschen die Felsen am Steinbruch auf dem Schafsberg hinuntergeworfen, wo es besinnungslos liegen blieb. Mit schweren inneren und äußeren Verletzungen wurde es in das Krankenhaus eingeliefert. Die beiden Täter konnten am Donnerstag vormittag verhaftet werden. Dessau . Das Anhaltische Schwurgericht verurteilte den 23jährigen Ewald Hebert aus Rieder am Harz zu 15 Jahren Zuchthaus. Hebert hatte im vorigen Jahr geheiratet und ein außereheliches Kind im Alter von drei Jahren in seinen Hausstand aufgenommen. Da ihm das Kind lästig war, hatte er es fortgesetzt in geradezu fürchterlicher Weise mißhandelt und in der Absicht, es zu töten, mit großer Gewalt auf die Erde geworfen, so daß das Kind an einer völligen Zertrümmerung des Schädels starb.
Hie Madit der CremeFale
Am L Mai ist das neue Wehrgesetz in Kraft getreten. Damit sind auch einige sehr bedeutsame Aenderungen in den Oberst en Kommandogewalten vor sich gegangen. Der Führer und Reichskanzler ist in Zukunft»der Oberste Befehlshaber der Wehrmacht«, und der Reichswehrminister ist von nun an»der R ei c h s k ri egs m i n i s t e r und Oberbefehlshaber der Wehrmacht «. Das ist eine klare Schwächung der Stellung des Staatsoberhauptes gegenüber dem Heer und eine bedeutende Stärkung und Heraushebung des Reichswehrministers General von Blomberg. Laut der formal noch in Kraft befindlichen Verfassung von Weimar (Art. 47) hat der Reichspräsident den Befehl über die gesamte Wehrmacht. Der Reichswehrminister war sein parlamentarischer Vertreter. Als Wehrminister hatte er nicht einmal militärischen Rang. Das tatsächliche Kommando lag bei dem Chef der Obersten Heeresleitung. Nun ist der Reichswehrminister, dem keine parlamentarische Kontrolle mehr entgegensteht, zugleich»Oberbefehlshaber der Wehrmacht «, und dem Staatsoberhaupt ist nur der dekorative Superlativ zugestanden. Damit ist die militärische Stellung des»Reichskriegsministers« auch weit über die seiner Kollegen im monarchischen Deutschland hinausgehoben, wo die Kriegsminister der Bundesstaaten mehr verwaltungsmäßige Aufgaben hatten und die Kommandogewalt bei der Generalität und dem Generalstab und über ihnen bei der Krone lag. Herr von Blomberg ist seit der Diktatur Ludendorffs, die unter dem Namen Hin- denburg ausgeübt wurde, der erste deutsche General, der den Oberbefehl über die gesamte Wehrmacht inne hat. Unmittelbar unter ihm gibt es noch einen»Oberbefehlshaber des Heeres«, also der Landtruppen, einen»Oberbefehlshaber der Kriegsmarine «, und neu tritt hinzu ein»Oberbefehlshaber der Luftwaffe«.
Wer beiielili wem? Wir haben also von jetzt an einen Obersten Befehlshaber, einen allgemeinen Oberbefehlshaber und drei spezielle Oberbefehlshaber. Etwas viel»Ober« auf einmal. Soviel ist aber klar, daß die Staatswaffe in der Hand einiger Generale liegt, unter denen sich auch Hermann Göring befindet. Der von seinen ehemals mächtigen und bewaffneten Milizen getrennte Hitler thront einsam über allen, und alle haben ihm Treue geschworen. Sicher werden sie den Eid halten, so lange sie es für gut finden, und so lange Hitler der Repräsentant des Staates ist, den sie brauchen. Wenn die Sache aber einmal mulmig werden sollte? Dann wird das Wort Gröners wieder wahr, daß in gewissen Situationen der Fahneneid nur eine Fiktion ist, und ein General oder ein paar Generale werden mächtiger sein als jemals in der deutschen Geschichte. Die alten Kämpfer der Staatsburokratlc Das Problem Staat und NSDAP bleibt ungelöst. Sicher ist nur, daß die Macht des Staatsapparates, zumal des Heeres, zunimmt und die Macht der NSDAP sich verringert. Seit einigen Wochen klingt diese Sorge, die monatelang zurückgetreten war, in den Reden nationalsozialistischer Führer wieder an. Der Gauleiter und Staatsrat G r o h ö hat lang und breit über Staat und Partei philosophiert und kam zu dem Ergebnis, daß der Staat selbständig zu verwalten und die NSDAP ihn nur zu kontrollieren habe. Jeder Nationalsozialist, der sich, sei es selbst im Kampfe gegen die Juden, gegen die Staatsgewalt auflehne, müsse bestraft werden. Der Staatssekretär im Reichsjustizministerium, Dr. Freisler, hielt Ende Mai in der deutschen Hochschule für Politik einen Vortrag, der in der Forderung gipfelte, daß gegen den jetzigen Staat eine
Notwehrhandlung vom nationalsozialistischen Standpunkt nicht mehr in Betracht kommen könne. Der Reichspropagandaminister D r. G ö b b e 1 s hat ausgerechnet die Seefahrtswoche in Hamburg , die doch anderen Sorgen galt, zum Anlaß genommen, um die Notwendigkeit zu erläutern, daß die Nationalsozialistische Partei weiter aufrechterhalten werden müsse als ein Grundpfeiler des nationalsozialistischen Stentes, woraus doch wohl zu schließen ist, daß ihr recht einflußreiche Kreise die Daseinsberechtigung bestreiten, richtiger; schon wagen dürfen, den Tod der NSDAP zu fordern. Auf derselben Seefahrtswoche hielt es Rudolf Heß für notwendig, die Rekruten des Reichsheeres zu ermahnen; »Ich weiß, daß Ihr in jeder Uniform bleiben werdet, was Ihr wart: Soldaten Adolf Hit lers !« Atif dem Gauparteiteg in Sachsen wurde aber der Reichsjustizführer, Reichsjustizminister Dr. Frank, noch deutlicher. Er forderte das Bündnis zwischen dem Verwaltungsapparat und der Partei, das doch wohl längst bestehen sollte, und fügte hinzu: »Und wem als Vertreter alter staatlich- bürokratischer Formen dieser Zustand nicht mehr tauglich erscheint, der wird demnach auch im Laufe der Zeit aus der Bürokratie zu verschwinden haben.« »Im Laufe der Zeit.« Das klingt gar nicht sehr diktatorisch! Die alten Kämpfer der Bürokratie scheinen den alten Kämpfern Adolf Hitlers schwer zu schaffen zu machen, und es grenzt schon an Kopflosigkeit, wenn der Reichsjustizminister proklamiert:»Der autoritäre Staat hat das Volk nicht mundtot gemacht, hat es nicht entrechtet.« Das klingt fast, als ob die alten Kämpfer der Bürokratie drauf und dran sind, die alten Kämpfer mit den gesetzlichen Mitteln zu kujonieren, die Pg. Frank und seine Spießgesellen nur für die Opponenten aller Art verordnet haben. H. W.
das System �ß& Sitsiks Ein lehrreitfaes Geheimrundsdirelben
Wir erhalten das folgende streng- vertrauliche Rundschreiben an die Dienststellen der Arbeitsfront: Sozialamt Sondemindschreiben Nr. 6/35. BerUn, W. 9, den 23. IL 1935. An die Bedchsbetriebsgemednechafteleiter und Gauwalter der Deutschen Arbeitsfront . Nachstehend gebe ich Ihnen Kenntnis von einem Schreiben des Herrn Reichsarbeitsministers vom 11. n. 1935. Ich bitte, daß bei allen Veröffentlichungen und auch bei Berichten, die in die Oeffent- lichkeit gelangen könnten, folgendes beachtet wird; Nach den Erklärungen der Reichsregierung soll der gegenwärtige Lohnstend einstweilen imbedingt beibehalten werden. So verfehlt es deshalb wäre, eine einzelne Lohnsenkung für irgendein Teilgebiet oder einen Einzelbetrieb in die Oeffentlich- kedt zu bringen, ebenso ist es nicht angebracht, einzelne Lohnerhöhungen der Oeffentlichkelt mitzuteilen. Berichte über stäche Vorgänge sind in gleicher Weise geeignet, Unruhe in die Wirtschaft zu bringen oder Unzufriedenheit zu schaffen. Das muß aber auf alle Fälle vermieden werden, um die Aufbauarbeit nicht unnütz zu stören oder zu erschweren. Das Schreiben des Reichsarbeitsrainisters selbst sagt folgendes; »In der Anlage sende Ich Ihnen die Abschrift eines Zedtungsausschnittes über die Tätigkeit der Deutschen Arbeitsfront ... Der Zeitungsausschnitt besagt, daß in drei Fällen eine Lohnerhöhung um 8 Prozent von der Deutschen Arbeitsfront durchgesetzt worden sei. Meine Anfrage bei dem betreffenden Treuhänder der Arbeit des betreffenden Wirtschaftsgebietes hat ergeben, daß es sich nicht um Lohnerhöhungen gehandelt hat, sondern nur darum, unter Tarif zahlende Betriebe zur Zahlung des Tariflohnes zu veranlassen. Im ganzen wurden 25 Arbeiter betroffen. Der Zeitungsbericht, der den Reich s- kommissar für Preisüberwachung zu einer Rückfrage bei mir veranlaßt hat, ist also unrichtig, zum mindestens irreführend. Es ist auch nicht zu verkennen, daß durch eine solche Berichterstat
tung Unruhe in die Wirtschaft getragen wird. Zudem wird in weiten Kreisen der Anschein erweckt, als ob der Grundsatz der Reichsregic- rung, auf eine Erhaltung des gegenwärtigen Lohnstandes bedacht zu sein, außer acht gelassen wurde. Ich wäre Ihnen dankbar, wenn Sie Ihre Dienststellen anweisen würden, sich gerade bei der Berichterstattung über lohnpolitische Angelegenheiten die größtmöglichste Zurückhaltung, aufzuerlegen.« Heil Hitler! Gez. Peppler, Leiter des Sozialamts. Die Arbeiterschaft würde unruhig werden, wenn sie erfahren würde, daß 25 Arbeiter Tariflohn erhalten haben! Dieses Rundschreiben ist ein Beweis dafür, welche höllische Furcht das System vor einer Streikbewegung hat!
»Gesinnungsterror« So lautet die U ober schrift eines deut schen Zeitungsberichtes, in dem es heißt: »Von der politischen Polizei ist gegen nicht Hundertprozentige neuerdings ein Feldzug eröffnet worden. Schon jetzt Ist, soweit man aus privaten Quellen entnehmen kann, die Tausendgrenze überschritten. Genaue Zahlen sind vorläufig unmöglich zu erfahren, denn die Eisengitter halten unheimlich dicht. Ja, amtlich wird bis auf den heutigen Tag die neue Aktion überhaupt bestritten, so offensichtlich auch ihre Auswirkungen beredte zutage liegen. Wie wenig dazu gehört, dem Zugriff zu verfallen, zeigt deutlich das Schicksal einer in Journalistenkreisen bekannten Persönlichkeit, die durch regelmäßige Lieferung von Wirtschaftsmeldungen mit einer ausländischen Zeitung in Verbindung stand. Seit zehn Tagen ist dieser Mann wie hundert andere spurlos verschwunden. Niemand weiß um sein augenblickliches Schicksal. Still und verstohlen dringen die Agenten der politischen Polizei in die Wohnung der Verdächtigen ein, und zwar meist erst nach Mitte macht. Oft in vielstündiger Arbeit wird alles bis ins letzte Behältnis nach»Dokumenten« durchsucht. Der Begriff»Dokument« hat weite Grenzen, und es ist deshalb nicht nur ein sehr kleiner Schritt bis zur Verhaftung. Aus Nichtigkeiten werden Wichtigkeiten. Gerade aber die überhitzte und nervöse
Art der Aktion beweist, wie weit sich die politische Polizei von der klaren und ruhigen Ueberlegung entfernt hat. Wenn allein schon die persönliche Bekanntschaft mit einem Diplomaten ausreicht, um hinter den Eisenstäben interniert zu werden, dann sind das Maßnahmen, die nicht Stärke verraten, sondern kindische Aengstllchkeit. Bei so viel Nervosität ist, algesehen von den»Hundertprozentigen«, noch kaum jemand vor der Verhaftung sicher.« Was ist los? Wollen die Zeitungen, die solche Wahrheiten drucken— und der Artikel ging durch einen großen Teil der deutschen Presse— durchaus verboten werden? Nein. Wir haben den Text zwar wörtlich wiedergegeben, aber die Ortsbezeichnungen weggelassen. Es handelt sich um— Sowjetrußland.
Wahnsinniger Vor gesehen Die Arbeitedienstführer zählen bekanntlich— genau wie die SS -, SA- und HJ -Füh- rer— zur neuen Elite der Nation. Deshalb nimmt auch die folgende Meldung des deut schen Nachrichtenbüros in keiner Weise wunder: In einem plötzlichen Anfall geistiger Umnachtung erschoß am Sonnabendnachmittag in Bernau der Führer der dortigen Arbeitsdienst.gruppe Bernatek den praktischen Arzt Dr. Möller, als dieser ihn einer Anstalt zuführen wollte. Bernatek erschoß sich darauf selbst. Wenn übrigens schon die Arbeitedienst- f ü h r e r in Raserei geraten,(he durchschnittlich nicht verrückter zu sein pflegen als andere braune Chargierte, kann man sich den Nervenzustand der Gefolgschaft, die kaum entlohnt, schlechter verköstigt und in schlechteren Quartieren untergebracht wird, ungefähr vorstellen.
Ausgelieferi! Josef Lampersberger in Freiheit. Genosse Josef Lampersberger ist von den Hitlerbehörden freigelassen nnd den tschechoslowakischen Behörden übergeben worden. Er befindet sich in Freiheit in der Tschechoslo wakei . Die energische Haltung der tschechoslowakischen Regierung hat den widerrechtlich auf deutsches Gebiet verschleppten G®" nossen vor einem furchtbaren Geschick b®" wahrt. Um so energischer muß nun die Kraft0 gestellt werden: Was ist mit Berthold Jacob ? Auch dieses Opfer eines cklatan' ten internationalen Rechtsbruchs muß den Henkern entrissen werden!