Deuisdie Streifliditer Die fmemsmeu iiete HtUeqtoiHik Wie sie zur deutsdien Jugend spredien Der»Temps« vom 21. Juni veröffentlicht einen Vortrag, den der Oberstleutnant von Arnim, einer der Vertrauensleute Hitlers , am 1. Juni in der Technischen Hochschule in Berlin im Laufe eines politischen Schulungskurses gehalten hat. Danach hat v. Arnim ausgeführt: »Unser Hauptziel ist, England von Frank reich zu trennen, mit einem Wort; Frank reich zu isolieren. Auf dem Beistandspakt, den es soeben mit der Sowjetregierung abgeschlossen hat, müssen wir mit einer deutsch -englischen Zusammenarbeit antworten. Wir verhandeln augenblicklich in London über ein Flottenabkommen. Unsere Forderungen sind bescheiden: 35 Prozent der englischen Flotte und nicht mehr. Das genügt, um zu beweisen, daß wir keinen Krieg mit England wollen. Wenn das Reich einen solchen Krieg wollte, so würde es heute nicht in London verhandeln. Es handelt sich um nicht weniger als um die künftige Zusammenarbeit der deutschen und der englischen Flotte vorzubereiten, die vereinigt eine unbesiegbare Kraft darstellen werden.« von Arnim wandte sich dann an eine Wandkarte der baltischen Staaten und sprach: »Nahe bei diesen Küsten wird die große Schlacht der Zukunft geschlagen werden. Für diese Schlacht brauchen wir eine mächtige Flotte. Die Sowjetregierung hat in der Ostsee mächtige Kräfte. Um sie zu besiegen, müssen wir die Streitkräfte verdreifachen, die wir gegenwärtig zur See besitzen. Wenn Polen neutral bleibt, so wird eine deutsche Division genügen, um Litauen zu beweisen, daß das Memel - gebiet deutsch ist. Ein Feldzug in Li tauen würde für unser Heer nur ein Spaziergang sein. Und ich kann mir erlauben, Ihnen zu sagen, daß, wenn Li tauen seine Provokationen fortsetzt, die Regelung nicht versäumt werden wird. Die Worte, die Hitler im Reichstag über Litauen gesprochen hat, müssen als eine schwerwiegende Ankündigung angesehen werden.« von Arnim griff dann Frankreich an: »Unter dem Vorwand, seine Sicherheit zu schützen, bereitet Frankreich gemeinsam mit der Sowjetregierung den Krieg gegen Deutschland vor. Wir kennen die fanzösischen Pläne sehr genau und wir werden uns nicht überraschen lassen. Frankreich ist unser gefährlichster Feind, und Deutschland wird erst an dem Tage Zukunftspläne machen können, an dem dies Frankreich geschlagen und vernichtet sein wird.« So reden sie, wenn sie sich unter sich glauben. Mit solchen kriegslüsternen Gedanken erziehen sie die deutsche Jugend! Wicht Flucht, sondern Mord Ein letzter Brief von Husemann Keine Eroberungen In Brüssel Ist eine Weltausstellung. Allerlei arische und nichtarische Völker haben ausgestellt, sogar die Juden aus Palästina. Als Deutscher sucht man natürlich zuerst nach dem deutschen Pavillon. Man will doch sehen, wie das»Dritte Reich « sich der Welt präsentiert. Aber man sucht vergebens. Deutschland ist nicht vertreten. Devisenschwierigkeiten? Die wurden seinerzeit vorgeschützt, aber der Hauptgrund ist der, daß die Ausstellungsleitung nicht zulassen konnte, wie das geplante deutsche Haus zu einer Parteifiliale des Reichspropagandaministeriums werden sollte. Und dennoch ist die Ausstellung nicht ganz ohne deutsches Wesen. Dort, wo der Vergnügungspark beginnt, erhebt sich ein durchaus sehenswerter Bau, der uns heimatliche Düfte von Sauerkraut, Bratwürsten und gefüllten Maßkrügen entgegensendet: Oberbayern ! Gerade als wir den Raum betreten, schmettert die Musik»Ein Prosit, ein Prosit der Gemütlichkeit...< Niemand singt mit. Die Belgier scheinen den Text nicht zu kennen. Mehr oder minder staunend sehen sie zu der Musikkapelle in gamsledemer Wichs hinauf, die bayerisches Brauchtum markiert, aber ganz ohne deutschen Gruß und ohne Horst Wessel -Lied. Von der Fassade des Hauses wehen viele Fahnen. Die belgische, die englische, die französische und auch die bayrische, die wir lange nicht gesehen hatten. Nur die beiden Reichsflaggen fehlen. Weder die scharz-weiß-rote noch die hakenkreuzlerische Fahne ist zu entdecken. Der Wirt des oberbayrischen Hauses macht der antihitlerischen Stimmung die weitesten Konzessionen. Er weiß, daß die schönste Schrammelmusik und die saftigsten Bratwürste nichts helfen, wenn die Embleme des neuen Reichs den Ausländern den Appetit verderben und sie daher der oberbayrischen Gaudi weit aus dem Wege gehen. Trotz aller Zurückhaltung gegenüber der Hakenkreuzlerei wird der Wirt keine Geschäfte machen. Die Zurückhaltung des fremden Publikums ist noch größer. Das Luxemburger Radio hat unter seinen Zuhörern abstimmen lassen, welche Melodie es als Pausezeichen verwenden solle. 92 v. H. der Abstimmenden haben sich für das antideutsche Luxemburger Volks- und Trutzlied entschieden:»Mir welle bleiwe, wat mir sin.. ,< Westwärts machen" die Hakenkreuzler noch immer keine Eroberungen. Das neue Offizierkorps Das Einjährigenprivileg ist im neuen deutschen Heere abgeschafft. Jeder Deutsche muß ein halbes Jahr in den Arbeitsdienst und dann ein Jahr In das Redchsheer, soweit er nicht als Ersatzreservist zunächst nur acht Wochen zu dienen braucht. So regelt es einstweilen das Wehr- geaetz. Wir haben schon neulich den Verdacht geäußert, daß es nicht lange so bleiben wird, denn es deutet manches darauf hin, daß»Besitz und Bildung« auch im neuen Heere wieder bevorzugt werden, zunächst beim Avancement und im Reserve- offlzierkorps. Unsere Vermutung ist rasch bestätigt worden. Der Reichsbildungsminister Rust erläßt einen Aufruf zur bevorzugten Einstellung in das Relchsheer. An wen? An die SA und die SS, Hitlers »Sieger und Garanten der nationalen Revolution?« An die NSBO und die Nazi-Vertrauensmänner In der Deutschen Arbeitsfront ? An die Amtswalter und die Polltischen Leiter der NSDAP ? Keine Spur! Der Ruf ergeht an die deutschen Studenten, und der Zweck Ist klar: Wohl erhalten die Studenten keine Elnjäh- rigenschnüre, aber sie sind Avantageure für das Leutnantspatent. Das gewaltige neue Heer erfordert ein großes Offizierkorps, und das wird nicht aus der proletarisch durchsetzten SA, sondern aus der Studentenschaft ergänzt, die noch immer zu fast hundert Prozent den mittleren und oberen Schichten der Bevölkerung entstammt. Man kann übrigens nicht sagen, daß dadurch die Herren Offiziere des aktiven«Dienstes und des Beurlaubtenstandes zu treuen Stützen der Parteidiktatur würden, denn die Abneigung gegen die Hltlerbonzen Ist seit einiger Zeit in Deutschland besonders stark in den Hörsälen der Universitäten. Ausbürgerung da und dort Die Sowjets sind seinerzeit mit der Ausbürgerung mißliebiger Opponenten vorgegangen. Die in Deutschland regierenden Todfeinde des Bolschewismus haben das bolschewistische Beispiel nachgeahmt. Auch Belgien kennt jetzt leider Ausbürgerungen. In E u p e n-M a 1 m e d y sollen einige Neubel- fier, die sich in der»heimattreuen« Bewegung betätigten, also wohl für die Rückkehr Eupen-Malmedy nach Deutschland warben, Am 15. April ist Fritz Husemann , der frühere Reichstagsabgeordnete und Vorsitzende des Deutschen Bergarbeiterverbandes»auf der Flucht« erschossen worden. Läßt der Gebrauch dieser Formel durch amtliche Organe des Dritten Reiches bereits im Normalfall erkennen, daß es sich um nichts anderes als um Mord handelt, so ist diesmal sogar ein indirekter Nachweis dafür möglich. Am 11. April schrieb Husemann, wie sein in Amerika lebender Sohn mitteilte, aus dem Gefängnis in Bochum folgenden Brief an seine Familie: Bochum , 11. April 1935. Liebe Mathilde, Ich danke Dir, daß Du meinem Wunsch, nicht mehr nach hier zu kommen, entsprochen hast. Es ist so besser, denn wir haben beide so schwer genug zu tragen. Morgen werde ich nun mit dem gewohnten Gleichmut nach Esterwege gehen bezw. dahin gebracht werden. Werde mich auch bemühen, mich in die dort herrschende Ordnung einzufügen. Da ich Soldat war und auch sonst Ordnung gewöhnt bin, so dürfte mir dieses schon gelingen. Ich denke, daß man nichts Unmenschliches von mir verlangt und Rücksicht auf mein Alter nimmt. Betrachte bitte die Dinge mit der größten Ruhe. Wir wollen beide das tragen, was uns das Schicksal auferlegt hat. Viel Schweres haben wir in den bald 37 Jahren unseres Zusammenlebens getragen. Warum sollte uns dies auch nicht jetzt gelingen. Gehe Deiner Arbeit nach, denn es wird Dir daran, bei meiner Abwesenheit, nicht fehlen. Beschäftige Dich welter mit unseren Enkelkindern, die Dir ja immer mit großer Liebe entgegenkommen, dadurch wird Deine Zeit ja genügend ausgefüllt werden. Hoffentlich sehen wir uns in nicht all zu ferner Zelt wieder. Ich grüße Dich, die Kinder und die Enkelkinder herzlichst Dein Fritz.« ausgebürgert werden. Darob große Entrüstung in derselben Nazipresse, die sonst mit Be- friedigung die deutschen Proskriptionslisten ausgebürgerter Marxisten und Juden abdruckt. Verschwiegen wird aber, daß sich das belgische Auabürgerungsverfahren von der deutschen Expatriierung dadurch unterscheidet, daß es eben ein Verfahren und kein behördlicher Willkürakt ist. Es findet ein regelrechter Ausbürgerungsprozeß mit eingehender Untersuchung und Prüfung des Prozeßmaterials, mit Zeugenvernehmung, mit Anklage- und Verteidigungsreden, mit einer gewissenhaften Urteilsfindung statt. Wo gibt es so etwas in Deutschland ? Zudem befinden sich in Belgien die Angeklagten auf freiem Fuß, nicht etwa im Konzentrationslager, und erst recht brauchen sie nicht aus der Heimat zu fliehen. Es umgibt sie einstweilen die Rechtsgarantie eines Kulturstaates, und ob sie ausgebürgert werden, steht noch lange nicht fest. Alles Getue in der deutschen Presse ändert nichts an der Tatsache, daß die deutsche Grenze von den Alpen bis zur Nordseee einen Abgrund bedeutet zwischen barbarischer Parteijustiz und zivilisierter Rechtssprechung. Hannes Wink. Dieses erschütternde Dokument ist in jeder Silbe echt und wahr. So schreibt niemand, der die Absicht hat, sich schwerbewaffneten und zu jeder Tat fähigen Menschen durch die Flucht zu entziehen. Vor allen Dingen nicht, wenn er 61 Jahre alt ist und trotz aller Enttäuschungen an die Menschlichkeit des Gegners und seine baldige Freiheit glaubt. Ebenso eindeutig sind die inzwischen festgestellten Tatsachen über die näheren Um stände des Mordes. Am 12. April wurde Husemann aus dem Gefängnis in Bo chum nach Esterwege abtransportiert. Aber schon am 13. morgens wurde er in das Kreiskrankenhaus Soergel in Oldenburg eingeliefert. Die amtliche Nachricht sagt:»Bei der Flucht während der Arbeit im Moor erschossen«. Husemann ist aber nie in das Lager eingeliefert, sondern bereits auf dem Transport dorthin ermordet worden. Es liegt keine Bescheinigung von ihm vor, daß er überhaupt Lagerkleidung in Empfang genommen hat. Da auch seine eigene Kleidung keine Schußlöcher oder Blutflecke aufweist, so ist anzunehmen, daß man ihn schon in der ersten Nacht überfallen und erschlagen hat. Trotzdem er an den erlittenen Mißhandlungen erst am 15. April morgens gegen 2 Uhr gestorben ist, also fast 48 Stunden nach seiner Ein- lieferung in das Krankenhaus, wurde die Familie erst nach dem Tode unterrichtet. Die Leiche bekam sie nicht zu sehen. Auch Versuche, vom Krankenhaus etwas Näheres über die letzten Stunden Huscmanns zu erfahren, blieben ohne Erfolg. Der in Amerika lebende Sohn Husemanns, dem der Sozialdemokratische Parteivorstand, die vorstehenden Mitteilungen verdankt, bekam auf seine Strafanzeige an die Staatsanwaltschaft in Bochum lediglich die Antwort, daß sie zuständigkeitshalber dem Staatsanwalt in Osnabrück überwiesen worden wäre. ftTatfonalsozialistlsdie WirfsdiaStsphilosophie Wir lesen in der gleichgeschalteten Presse: »Der Gauwirtschaftsberater des Gaues Koblenz-Trier erläßt einen Aufruf, in dem es heißt, der Weinbau in der Westmark sei In eine große Notlage geraten. Deshalb werde der Weinausschuß des Gauwirtschaftsberaters bei dem deutschen Arbeiter, daß er sich von der immer noch nachwirkenden marxistischen Auffassung, Wein sei ein Bonzengetränk, abkehre: bei den Beamten und Festangestellten mittleren und höheren Einkommens, daß sie wieder an die Errichtung eines kleinen Privatkellers dächten.« Es wäre ungerecht, diesen Pg-Wirt- schaftsberater für einen besonderen Blödling zu halten. Er plappert nur nach, was seinerzeit bei Eröffnung der Automobilausstellung dem Munde Hitlers entströmte. Damals entdeckte Hitler , daß der Marxismus die Senkung des Lebensniveau propagiere, für die Bedürfnislosigkeit agitiere und deshalb an dem geringen Autoraobilabsatz die Schuld trage. Die Bonzen, sie hörten es gerne und der Ankauf von Automobilen für die Pgs. aus öffentlichen Mitteln hat seitdem große Fortschritte gemacht. Auch die»Werbung« für den erhöhten Weinkonsum dürfte denselben Erfolg haben und wenn in Zukunft die Pgs. ihren Weinrausch ausschlafen, dann wird sie das Bewußtsein, eine antimarxistische Leistung vollbracht zu haben, über jeden Katzenjammer hinwegtrösten, Weniger sicher als bei den Bonzen ist der Erfolg der Werbung bei den Arbeitern. In der gleichen Zeitung, der wir die obige Notiz entnahmen, fanden wir die andere: »Das Bezirksamt Aichach (Bayern ) bat fünf Dienstknechte, die ihre Stelle böswillig verlassen hatten, in Schutzhaft genommen und will auch künftig mit den schärfsten Mitteln gegen den Unfug des Dienstentlaufes einschreiten.« Die kleine Notiz enthüllt die nationalsozialistische W i r k 1 i ch k e i t. Kein Wunder, daß das Bedürfnis so groß ist. diese wedn- seelige Philosophie zur Ablenkung von dieser Wirklichkeit zu propagieren. Braune Erpressung In Buenos Aires gibt es eine deutsche Schule unter dem abgekürzten Namen Can- galloschule, die vor 35 Jahren gegründet, nicht nur in der Deutschen Kolonie, sondern auch in argentinischen Kreisen sich größten Ansehens erfreut. Tausenden von argentinischen Kindern wurde hier deutsches Wissen vermittelt und dadurch eine ungeheuer wertvolle Kulturtat geleistet. Die Schule ist bis heute vollständig unpolitisch geblieben und wird es bleiben. Der Deutsche Gesandte ließ es an nichts fehlen, um die Schule gleichzuschalten. So wurden der Schule die Reichssubvention entzogen, was natürlich bei einer Privatschule ziemlich ins Gewicht fiel. Der Gesandte erklärte dem Vorstand des Schulverelnes, daß an dem Tage, an dem die Schule die Hakenkreuzfahne hißt, die Reichsunterstüzung sofort gezahlt würde. Die Schule hat die Hakenkreuzfahne nicht gehißt und hat dafür dieses Schuljahr 100 Schüler mehr! Nun erklären die Nationalsozialisten, die Anstalt wäre eine Judenschule. obzwar von mehr als 500 Schülern nur 30 jüdischer Abstammung sind... Das Beispiel der Cangalloschule hat auch andere Schulvereine tapfer gemacht, und so erlebt der Gesandte peinliche Enttäuschungen. Hitler weiht ein' Aus Frankfurt am Main wird uns berichtet: Hier wurde kürzlich das erste Teilstück der Reichsautobahn eröffnet. Es gab dabei allerlei Betriebsunfälle; Einige Lautsprecher und eine Anzahl Kabel der Lautsprecher wurden zerstört. Quer über die Fahrbahn hatte man mit ätzender Farbe geschrieben;»Nieder mit Hitler «, »Glaubt nicht, daß die SPD tot i s t«,»Hoch Sowjetdeutschland«. Diese Inschriften mußten schnell weggemeißelt werden. Außerdem soll die Rednertribüne angesägt gewesen sein. Das geschah, obwohl die Strecke von SA bewacht war. Interessant war, daß die Strecke von SA und SS abgesperrt war. Die direkte Bewachung Hitlers wurde von Leuten, die eigens von Ber lin kommandiert waren, übernommen. Die Absperrung fand so statt, daß ein Teil der Bewachungsmannschaften das Gesicht zu Hitler , der andere Teil das Gesicht zum Publikum wenden mußten. Die letzteren waren alle bewaffnet. Es fiel bei der Einweihung im allgemeinen auf, daß»unser Führer« eine recht finstere Miene zur Schau trug.
Ausgabe
3 (30.6.1935) 107
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