F Wtsdireldende W Irtsdiaftszer rüttung Dem Sdiadit gelingt nldits mehr � Das deutsdie Militärbudget Herrn Schacht gelingt nichts mehr. Aus D a n z i g ist er unverrichteter Dinge zurückgekehrt und überläßt die Bevölkerung der deutschen Stadt ihrer schrecklichen Verelendung. Seine Pläne, die riesig anschwellenden schwebenden Schulden durch fundierte Anleihen wenigstens zum Teil zu konsolidieren, ergeben immer magere Resultate. Von der Anleihe, die die Versicherungsgesellschaften übernehmen sollten, sind zwar die Bedingungen bekannt gegeben worden, nicht aber die Hauptsache: die Höhe des Anleihebetrages und die Termine ihrer Einzahlung. Jedenfalls wird die Summe den ursprünglichen Betrag von einer halben Jylilliarde gar nicht erreichen und auch dieser wäre eine Bagatelle gegenüber den riesigen schwebenden Verpflichtungen, die gegenwärtig, nach den von uns bereits zitierten Angaben des»Economist « sich auf 15 bis 17 Milliarden belaufen. Aber auch mit der Durchführung der Exportabgabe, durch die bereits vom 1. Juli ab die Subvention für die Ausfuhr ins Werk gesetzt werden sollte, scheint es große Schwierigkeiten zu geben. Die deutsche Presse verhält sich merkwürdig schweigsam. Dagegen meldet der »Temps«: »Alle deutschen Firmen, deren Jahresumsatz 20.000 Rm. übersteigt, haben von der Leitung ihrer Wirtschaftorganisation ein Schreiben erhalten, wonach sie auf Grund der Verordnung des Wirtschaftsministers Schacht eine Abgabe in Höhe von 2— 15 Prozent ihres Umsatzes in die Exportkasse zu zahlen haben. Für einzelne große Unternehmungen sind Pauschalsummen festgesetzt. So soll die IG-Farben , der Chemietrust, dessen Umsatz 1934 Rm. 565 Millionen betrug, 50 Millionen zahlen. Das Schreiben ist vertraulich. Die Abgabe, heißt es darin, sei zwar für viele Unternehmen ein schweres Opfer, aber die»zwingenden Notwendigkeiten der Sicherung der Rohstoffeinfuhr erzwingen dieses Opfer im Interesse der deutschen Volkswirtschaft.« Es ist sehr eigenartig, mit welcher Diskretion eine so einschneidende Maßnahme behandelt wird. Welchen Ertrag diese außerordentlich hohe neue Umsatzsteuer bringen wird, darüber wird bisher offiziell nichts verlautbart. Vor einiger Zeit wurde die Summe, die man für das Dumping für notwendig hielt, auf 1 Milliarde angegeben. Es scheint aber, daß davon die Konversionskasse 250 Millionen beisteuern soll— aus den Gewinnen, die sie aus der»Behandlung der Anleihetilgungen« erzielt, d. h. aus den Beträgen, die den ausländischen Gläubigern vorenthalten werden. Der groteske Zustand dauert also an, daß die ausländischen Gläubiger selbst die verschärfte Dumpingkonkurrenz finanzieren, die den Industriellen ihrer Länder von der von ihnen mit subventionierten deutschen Industrie bereitet wird. Vielleicht hat aber die Geheimnistuerei vor allem darin ihren Grund, daß Schacht vermeiden will, die Aufmerksamkeit des Auslandes mehr als nötig auf diese x Vorgänge zu richten. Denn das deutsche Vorgehen ist für geordnete Handelsbeziehungen umso bedenklicher als die Verwendung der in der Exportkasse angesammelten Beträge in letzter Instanz allein in der Hand Schachts liegt. Die Richtung der Ausfuhr und die Preisgestaltung der auszuführenden Produkte kann jetzt in hohem Maße von einer Stelle aus, zentral, bestimmt werden. Dadurch werden unter Umständen sehr wirksame Eingriffe in den Wirtschaftsablauf fremder Staaten möglich. Ist ein staatlich subventioniertes Dumping schon in einer, sonst»freien« Wirtschaft ein für alle anderen Staaten bedenkliches Störungsmoment, so wird die Gefahr in der zentralisierten»deutschen Zwangswirtschaft«, die vielfach einem Außenhandelsmonopol ähnelt, erst recht groß. Zugleich verstärkt die Verfügung über die Exportkasse unmittelbar die W i r t- schaftsmacht derDiktatur über die Privaten in außerordentlichem Maße. Die Gewährung der Subvention und die Festsetzung ihrer Höhe wird jetzt von großer Wichtigkeit für den Umfang der Produktion und die Gewinnhöhe vieler Unternehmungen. Und darüber entscheidet direkt oder indirekt das Wirtschaftsministerium, die diktatorische Staatsmacht. Daß bei diesen Entscheidungen die politischen, persönlichen und gesellschaftlichen Beziehungen der betreffenden Unternehmer zu den Behörden eine Rolle spielen werden, daß dadurch eine neue Quelle von Korruption eröffnet wird, braucht nur nebenbei angemerkt zu werden. Ob und wie das Ausland auf die neue Störung der internationalen Handelsbeziehungen reagieren wird, wird man abwarten müssen, um so eher, da das deutsche Beispiel leicht ansteckend wirken kann. Das faschistische Italien , dessen Finanz- und Wirtschaftspolitik mit der nationalsozialistischen viele Analogien aufweist und ähnliche Resultate erzielt, hat soeben auf seine gesamte Einfuhr die Erhebung eines Ueberzolls von 3 Prozent des Wertes dekretiert. Bis zur Höhe des Auf kommens aus diesem neuen Zoll können Beträge zur»Regelung des Austausches mit dem Auslande« bereitgestellt werden, also ebenfalls zur Subventionierung der Ausfuhr. Da 1934 die Einfuhr 7667 Mill. Lire betrug, so steht ein Betrag von über 200 Millionen Lire zunächst zur Verfügung — immerhin bescheiden in Vergleich zur deutschen Milliarde. Auch Rumänien hat soeben in etwas anderen Formen eine Subventionierung seiner Ausfuhr eingeführt. Es ist wirklich was Herrliches um diese Art»dirigierter Wirtschaft«. Zuerst erhöht man die Zölle und drosselt den Import. Hat man auf diese Weise das Preisniveau im Innern hinaufgetrieben, die Kunden, die mit den eingeführten Waren ihrerseits ihre Käufe bezahlten, kaufunfähig gemacht und den Export ruiniert, so entdeckt man, daß die viel gepriesene Autarkie doch ihre Schattenseiten hat, daß die Rohstoffe mangeln und man um jeden Preis exportieren muß, um die Devisen zur Bezahlung der Rohstoffe zu kriegen, ohne die man doch nicht produzieren kann. Und man besteuert die Produktion, die man durch die Zölle und die sonstigen Absperrungen vom Weltmarkt schützen wollte, auf das unbarmherzigste, um durch Schmutzkonkurrenz den Export, den man selbst zerstört hat, wieder zu erringen... Die Schrumpfung des Außenhandels Aber was bleibt Schacht anderes übrig, wenn er nicht den völligen Bankerott seiner Wirtschaftspolitik selbst proklamieren sollte, was ihm die Nationalsozialisten ja doch nicht erlauben. Der deutsche Außenhandel schrumpft immer weiter. Die Einfuhr im Mai betrug 332.6 Millionen Rm. gegen 359.4 im April und gegen 380 Millionen im Mai 1934. Die Ausfuhr betrug 337 Millionen gegen 340.3 Milüonen des Vormonats und 338 Millionen im Mai 1934. Da die Einfuhr diesmal viel stärker gesunken ist als die Ausfuhr, so ergibt sich eine leichte Aktivierung. Der Ausfuhrüberschuß beträgt 4.4 Millionen gegenüber einem Passivum im April von 19 Millionen. Der amtliche Bericht weist selbst daraufhin, daß auch in früheren Jahren der Außenhandel sich vom April zum Mai regelmäßig aktivierte. Für die bisher abgelaufenen 5 Monate des Jahres 1935 beträgt das Passivum 164 Millionen gegenüber 179 Millionen im Vorjahr— ein sehr mageres Resultat des»Neuen Plans« des Schacht. Das Wichtige ist aber, daß der Gesamtumfang, Ein- und Ausfuhr zusammengenommen, zurückgeht und der Export auf seinem niedrigen Niveau verharrt. Charakteristisch ist auch, daß die Verminderung der Einfuhr zum größten Teil auf die starke Abnahme der Lebensmittelbezüge zurückgeht, die auf einen außerordentlichen Tiefstand gesunken sind. Durch die gewaltsame Drosselung der Lebensmitteleinfuhr erkauft sich eben Schacht die Möglichkeit, die Einfuhr der wichtigsten Kriegsrohstoffe nach Möglichkeit aufrechtzuerhalten. Trotzdem genügt der Export nicht mehr, um dem deutschen Rüstungsbedarf Genüge zu tun und daher die Notwendigkeit, die deutsche Wirtschaft mit 1 Müliarde zu belasten, die an das Ausland in Form künstlich verbilligter Waren verschenkt wird! Innerhalb des Systems steht eben ein anderes Mittel nicht zu Gebote. Ist es auch Wahnsinn, hat es doch Methode! Die Märdien des Reldisfinanzministers Methode ohne jeden Sinn ist aber das Gehaben des Reichsfinanzministers. Als braver Buchhalter fährt er fort, die Rechnungsabschlüsse seines Budgets zu veröffentlichen, als ob dieses Budget überhaupt noch etwas über die Finanzgebarung des Reiches besagte. Da wird mitgeteilt, daß die Ist-Einnahmen des Rechnungsjahres 1934 7806.5 Millionen, die Ist- Ausgaben genau 8220 Millionen betragen haben. Es ist also ein neues Defizit von 414.4 Millionen zu verzeichnen. Die Restverpflichtungen aber haben sich um 60.4 Millionen ermäßigt, so daß die Rechnung mit einem Fehlbetrag von 354 Millionen abschließt. Dazu kommt der Fehlbetrag aus den früheren Jahren mit 2110 Millionen Rm., so daß sich ein Gesamtfehlbetrag von 2464 Millionen Rm. ergibt — wieder haargenau! Und ebenso genau wird uns erzählt, daß die schwebende Reichsschuld 2900 MUlionen beträgt, wozu noch 958 Millionen umlaufende und 547 bei der Reichsbank hinterlegte Steuergutscheine kommen, was Im»Weimarer System« bestimmt als ein sehr schlimmes Symptom einer unsoliden Finanzgebarung von Schacht denunziert worden wäre. In Wirklichkeit handelt es sich bei diesen Krosigk-Erzählungen um einen aufreizenden Schwindel, der längst auch in Deutschland selbst durchschaut ist. Die schwebende Schuld beträgt nicht, wie Krosigk ausweist, 4.4 Milliarden, was schon hoch genug wäre, sondern 15— 17 Milliarden, und sie vermehrt sich in unheimlichem Tempo. Warum findet die Diktatur nicht den Mut, ein wirkliches Budget zu veröffentlichen, das die Ausgaben, und vor allem die Ausgaben für die Rüstungen, richtig und vollständig angibt? Deutschland hat heute das höchste Militärbudget der Welt. Der»Economist « schätzt die laufenden Ausgaben auf mindestens 100 Millionen Pfund jährlich, was bestimmt zu niedrig ist, da ja das Reichswehrbudget schon 900 MUlionen Rm. jährüch erforderte und die außerordentlichen auf 300 MUlionen Pfund oder noch darüber. Aber ob diese Ausgaben näher bei 5 MUliarden, wie der»Economist « meint, oder bei 6— 7 MUliarden Rm. liegen, wie wir als Mindestschätzung annehmen, sie haben keine Dek- kung im Budget des Vorjahres gefunden und werden keine Deckung in dem Geheimbudget des laufenden Jahres finden. Die ordentliche Buchführung, die Krosigk»auftragsgemäß« vorschwindelt, kann über die fortschreitende Zerrüttung der deutschen Finanzen und der deutschen Wirtschaft niemanden mehr hinwegtäuschen. Dr. Richard Kern. Umgelagerte Industrie Ea ist jetzt zwei Jahre her, seit der Nazigauleiter und Oberpräsident von Ostpreußen Herr Koch, sich also vernehmen ließ: »Es hat der historische Vorgang begonnen, das Gesicht des deutschen Volkes vom kapitalistischen Westen zum sozialistischen Osten zu wenden«. Es sollte der Standort der deutschen In dustrie verlagert, Menschen aus dem allzu volkreichen Westen nach dem menschenleeren Osten verpflanzt und das reine Ackerland Ostpreußen in ein mit Industriebetrieben durchsetztes, gemischtwirtschaftliches Gebiet umgewandelt werden. Die Durchführung des Planes würde zwar Ostpreußen nicht sozialistischer und Rheinland-Westfalen nicht weniger kapitalistisch gemacht haben. Der Zweck war vielmehr, daß den Junkern nächst der Befreiung von unfruchtbaren Böden. höhere Bodenpreise beschert würden. Den Landhunger der Bauern hätte man mit dem Landersatz der Fabrikarbeit stillen und so die Besiedelung grundherrlichen Eigentums mit Bauernhöfen ersparen können. Der Plan war fünf bis acht Jahre berechnet, bis jetzt ist aber der Westen so volkreich und der Osten nicht viel weniger menschenleer geblieben als ehedem, wenn man nicht die zur Sklavenarbeit auf ostpreußischen Gütern verurteilten jugendlichen Landhelfer aus dem industriellen Westen in Ansatz bringen will. Von dem Plan der Industrievcrlagerung ist recht wenig verwirklicht, statt dessen eine»Arbeitsgemeinschaft für Indus t ri e v e rl ag e r u ng und Indu- striesiedelung« gegründet worden. Seit Herrn Kochs hochtrabender Ankündigung hat sich der Plan der Industrieverlagerung selbst wie seine Begründung erheblich gewandelt. In der Rede, die der für die Industrieverlagerung Sonderbeauftragte, Herr Dr. Ludovici, jüngst auf der Tagung seiner Arbeitsgemeinschaft gehalten hat, wird von Sozialismus nicht mehr gesprochen, sondern nur von»militärischen und politischen Gründen«. Die militärischen Gründe sind klar; man will die Rüstungsbetriebe nach Möglichkeit nicht in der gefährlichen Nähe der Westgrenzc belassen, wo sie feindlichen Fluggcschwadern ein allzu rasch erreichbares Bombenziel bieten könnten. Herr Dr. Ludovici sagte denn auch, heute im Zeitalter des Luftkrieges sei es erforderlich, an Stelle eines regionalen Wirtschaftskreises eine große Zahl möglichst selbständiger Wirtschaftskreise zu setzen. Das soll durch Dezentralisierung der Betriebe erreicht werden. Was sind die politischen Gründe? Auch das wird von Herrn Dr, Ludovici mit einer Deutlichkeit ausgesprochen, die Herr Koch nicht aufgebracht haben würde. Die Umlagerung ist nämlich eine strategische Maßnahme zur Vorbereitung des Krieges nicht nur gegen den äußeren, sondern auch gegen den inneren Feind, den es also trotz Herrn Ley im Dritten Reich immer noch gibt. Die auf einem kleinen Raum zusammengeballten Arbeitermassen seien, meint der Herr Dr. Ludovici»ein dauernder Unruheherd und könnten allmählich zu einer ernsten politischen Gefahr« werden. Ea ist also bisher nicht gelungen, diese ernste politische Gefahr durch»Kraft und Freude « zu bannen. Die Umlagerung ist nach Herrn Dr. Ludovici bereits im Gange, sie scheint aber noch nicht weit gediehen zu sein, denn die Frage, die die wichtigste Ist, nämlich die der Kostenaufbringung, sei jetzt erst geklärt. Die Industrie habe sich bereit erklärt, die Kosten selbst zu tragen. Diese Bereitschaft ist erstaunlich; sollte die rhduatrie, die sich hartnäckig widersetzt, mit einem Teil ihrer Aufrüstungsgewinne zu Schachts Exportförderung beizutragen, jetzt bereit sein, ihr gutes Geld in ein Experiment von so zweifelhaftem Profitwert zu stecken! In Wirklichkeit sollen die Unternehmer nur auslegen, was ihnen das Reich und die Reichsbetriebe später ersetzt. Die Unternehmungen, die ihre Betriebe verlagern, sollen durch Steuererleichterungen, Taxifsen- kung, Sondertarife für Kraftbezug und Bevorzugung bei Vergebung von Staatsaufträgen, ferner dadurch entschädigt werden, daß »in diesen ländlichen Gegenden« niedrigere Löhne gezahlt werden und damit»ein Auftrieb für den Export« zu erhoffen sei. Die Kosten sind nach Herrn Dr. Ludovici»nicht so hoch, wie man annehmen sollte«. Immerhin!»Die Verlagerung eines Werkes mit 400 Arbeitern und Angestellten würde ungefähr 600.000 Mark kosten.« Das sind aber nur die Ausgaben für Maschinen und Grundstücke. Schließlich müssen auch die umgelagerten Menschen irgendwie untergebracht werden. Wenn überhaupt, dann lassen sich nur Riesenbetriebe»dezentralisieren«, d. h. aufteilen. Der militärische und politische Zweck der Uebung würde nur erreicht, wenn die Umlagerung im größtem Maßstabe erfolgt. Nach Herrn Dr. Ludovicis Kalkulation würde allein die Umlagerung, ganz abgesehen von der Umsiedelung, schon bei 800.000 Umgesiedelten bereit 11� Milliarden, also die Gesamtkosten annähernd 2 Milliarden betragen. Um die Schuldenwirtschaft des Dritten Reiches äußerlich zu konsolidieren, d. h. den Notenumlauf durch Zunahme der Wechselschulden bei der Reichsbank nicht ins Ungemessene anwachsen zu lassen, hat Schacht bereits die Spargelder angegriffen und mit dem Abbau des öffentlichen Wohnungsbaues und der Arbeitsbeschaffung überhaupt begonnen. Gerade darum muß ea der Hitlerregierung schwere Sorge bereiten, wie sie neue Arbeitsmöglichkeiten für den Winter beschaffen und die Verschlechterung der Arbeitslosenstatistik vermeiden soll. Der Umlagerungsplan ist zweifellos nicht viel anderes als der Ausdruck dieser Sorge. Er zeigt, daß die Hitlerregierung für-die Dauer nicht den beiden Gefahren zugleich ausweichen kann, von denen sie ständig bedroht ist; Zunahme der Arbeitslosigkeit und Umschlagen der latenten Inflation in die offene. G. A. Frey.
Ausgabe
3 (30.6.1935) 107
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