Nr. 109 BEILAGE
Neuer Vorwärts 20h 0m 14. Juli 1935
Hakenkreuz über der Mainlinie!
Das Dritte Reich
Zerstörer der Reichseinheit!
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und
Innerhalb und außerhalb des eisernen land«, die frühen sozialistischen Erwecker| des Westens hielt sich mit einigen Grün- blik mit sichtbarer Widerlegung der alten Vorhangs, hinter dem die braunen Erobe- und Erzieher haben die ersten Barrikaden - den eher zum deutschen Pionier berufen Vorurteile geworden war. rer das deutsche Volk ihren hochnotpein- kämpfe um die deutsche Freiheit mit poli- gegenüber jenen Leuten aus dem Osten Nun ist dem Hitlerheere die Ueberlichen Prozeduren unterziehen, findet man tischen Gedanken und einer Weltanschau- mit oft verdächtig slawischen Namen. Der rumpelung gelungen. Braune häufig Männer, heimliche und offene Geg- ung vorbereitet, deren Herzstück die Reichtum der Landschaft, die durch Kunst schwarze Stiefel haben die ner des Dritten Reiches , die bei aller Kri- Humanitätslehre war, als Sinnerfüllung und Baudenkmäler repräsentierte Ge- politische und psychologische tik dem Nationalsozialismus eine staats- der Gleichheit eines jeglichen Menschen- schichte, die Nuancen der Sprache: immer Problematik des deutschen politische Leistung zuzubilligen geneigt antlitzes. Mit ihrer Vernichtung hat Hit- schwangen diese Imponderabilien bei allen Volkstums und der natürlichen sind. Was Bismarck , was Weimar nicht ge- ler die Idee der deutschen Einheit ge- politischen Auseinandersetzungen mit. Der seelischen Landschaftsgliedelungen sei, die endgültige Liquidierung der schändet und an ihrer wahren Erfüllung Katholizismus gab die religiös- welt- rung überwunden. In den Amtsdeutschen Kleinstaaterei, die Beseitigung verhindert. anschaulichen Untertöne. Er besaß seine stuben, in den Schulen, an den Universider partikularistischen Komplexe des deut- Wie aber fügen sich in Hitlers groß- großen Stützpunkte im Westen mit einer täten haben sich im Süden wie im Westen schen Westens und des deutschen Südens: preußische Reichseinheit die Länder und gewaltigen Macht über Sachen und Seelen, Deutschlands nun überall» Preußen< eindas habe endlich der Führer« geschafft. Jetzt erst habe sich der Traum von der deutschen Reichseinheit verwirklicht, und wenn die besten Kämpfer der deutschen Einheitsidee aus dem Vormärz heute aus himmlischen Gefilden auf die realpolitische Inkarnation ihrer Gedanken durch Hitler herabsehen könnten, so würden sie den Meister loben.
Diese Perspektive gehört heute zu den Elementarsätzen der nationalsozialistischen Geschichtslehre. Ihre Verlogenheit wetteifert mit ihrer Primitivität. Da jedoch in allen Dingen, die das Dritte Reich und die von ihm politisch und psychologisch unaufhörlich>> erzogenen« Menschen betreffen, mit allen Tatsachen und Erkenntnissen wieder ganz von vorn begonnen werden muß, so ist es nötig, die heutige» totale< braune Reichseinheit genauer zu überprüfen.
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Die Märzwahlen. von 1933, deren Ergebnisse Hitler trotz mangelnder Mehrheit den Vorwand zu alleiniger Machtergreifung lieferten, brachten eine interessante Erscheinung. Die Welle des Nationalsozialismus darüber bestand
bei aller Behinderung der freien Wahl, bei allem begründeten Verdacht der Fälschung kein Zweifel hatte die politischen, kulturellen, religiösen und psychologischens Grenzziehungen innerhalb Deutschlands jäh überflutet. Zwar waren für ihn in den protestantischen Gebieten Ostelbiens prozentual erheblich mehr Stimmen abgegeben worden als im katholischen Rhein land ; aber andererseits war z. B. in Bay ern die Bayrische Volkspartei mit ihren bis zuletzt noch heftigen Widerstand proklamierenden Führern von den Nazis überflügelt worden. Sie hatte die bayrische Volksseele nach altem, früher oft bewährtem Rezept gegen» Berlin <, wo bereits Hitler residierte, mobilisiert, nicht ohne erkennen zu geben, daß man sich schließlich gegen gewisse partikularistische Konzessionen mit den Räubern der politischen Freiheit und den Exekutoren des Terrors abgefunden hätte.
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DOMANE MACKENSEN
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NEUDECK
B
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genistet, wenn nicht der Herkunft, so doch nach der Meinung breiter Volkskreise dem Wesen nach, Menschenverächter mit der Reitpeitsche, furchterregende Amtswalter aller Grade, die selber wieder in Furcht um Amt und Leben gehalten werden, Kreaturen, die wieder Kreaturen erzeugen. Es ist, wenigstens nach oben und nach außen hin, alles einheitlich und gleichge- on schaltet, niedergeworfen durch den neupreußischen Krückstock und Gamaschenknopf eines Führers<, dem gegenüber Friedrich Wilhelm I . von Preußen beinahe in die Reihe der bedeutenden Vorkämpfer der Menschenwürde gehört. Westdeutschland und Süddeutschland sind mit allen ihren politischen, sozialen und menschlichen Varianten dick überkrustet von der braunen preußischen Invasion... e
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Nein, diese Reichseinheit war nicht gemeint. Sie entwickelt aus sich selbst Kräfte des Widerspruchs und der Zersetzung, die für jeden genaueren Beobachter längst erkennbar geworden sind. Die wachsende innere Auflehnung fängt an ein Vorgang, der aufs deutlichste verfolgt zu werden verdient sich nach den alten Landschaften und bisherigen staatlichen Bindungen zuordnen. Sie wendet sich an den urwüchsigen geschichtlichen Zusammenhang des süddeutschen und des westdeutschen Volkstums und entzündet aus dem Haß gegen den Unterdrücker die stärksten Impulse zur Ablösung von diesem System. Das vollzieht sich durch einen einfachen, logischen Umbruch, der auch dem letzten im Volke zur lebendigen Anschauung wird. Die einstige Feindseligkeit gegen Preußen verwandelt sich in Feindschaft gegen das Dritte
Reich.
im
Wer mit Hitlergegnern aus dem Süden oder aus dem Westen spricht, stößt immer wieder auf solche Anschauungen, vor allem bei Katholiken. In einer großen Zentrumskundgebung im Juni 1932 in Mit>> Berlin « aber hatte nicht nur Hitler, sondern auch Preußen gesiegt. Der Köln , auf der Brüning, der einige Wochen vorher gestürzte Kanzler, sprach, führte bayrische Ausgangspunkt Hitlers betrifft der Vorsitzende wörtlich aus:» Von den nur den Standort, wofür durch die MünchTürmen des Kölner Doms grüßen wir die ner Rätezeit gewisse geschichtliche UrTürme der Frankfurter Paulskirche , die der sachen vorlagen, aber keineswegs Türme der Münchner Frauenkirche und Geist und die innere Disposition der naden Turm von St. Stephan in Wien «. Jeder tionalsozialistischen Bewegung. Sie entverstand. Schon lag über der Versammstammte der Welt der absoluten Sublung die Vorahnung des uniformierten Anordination, machtpolitisch ausgedrückt im marsches des freiheitsfeindlichen und antiMilitarismus. Die durch das preußikatholischen Preußentums. Es gab minusche Medium zitierte braune Armee drang tenlangen rasenden Beifall. Täuschen wir durch die breite Bresche politischer, wirtschaftlicher und sozialer Volksverwirrung, die Provinzen ein, die nie aufhörten, ihre| die der Berliner protestantischen Bürokra- uns nicht darüber: Solche Gedanken unterirdischen die den Glauben an die Kraft der eigenen politische und psychologische tie immer ein Buch mit sieben Siegeln war. gehen Verantwortlichkeit und damit an die De- Distanz zum Preußentum zu be- Noch bis in die Kriegsjahre hinein wurde Deutschland des Westens und mokratie auf tiefste erschüttert hatte. wahren? Wie lange hat sich das Rhein - den Katholiken in der Verwaltung der Altpreußischer Absolutismus organiserte land der systematischen Borussifizierung westlichen Provinzen ein entsprechender Mund und haben in phantastidie schen Verkleidungen Massen und gestaltete die Front der neudeutschen nach 1815 widersetzt, damals, als man von Einfluß versagt. Noch immer waren die für sich gewonnen. Despotie, die die> Nation< eroberte und nie- Berlin aus Heere ostelbischer Beamter an» Katholen der militärischen und zivilen derwarf. Die Einheit zwischen Volk und die» gefährdete< Westgrenze schickte! Die Oberschicht Preußens verdächtig. Wir brauchen nicht zu sagen, daß sie Staat<< wurde weder durch den Staat noch rheinische liberale Bourgeoisie verharrte ends die Mainlinie! Das süddeutsche die Menschentum bietet durch das Volk geschaffen, sondern durch jahrzehntelang im Widerstand gegen die reichhaltigste nicht die unsrigen sind. Wir bleiben der und zugleich deutschen den Machtspruch des Diktators. Ein Akt zentralisierende preußische Reaktion, und Musterkarte volklicher Differenzierungen, sozialistischen und zugleich soll die» Rheinische Zeitung von 1842, zu mitgeprägt durch eine Ländergeschichte, Tradition treu, dem Kampfe für die dem Forum der Ge- deren Chefredakteur Karl Marx berufen die jahrhundertelang ihren Hauptakzent wahre Einheit aller deutschen endlichen wurde, hatte die Aufgabe, das rheinische im Antipreußischen besaß. Der süddeut- Länder und Stämme auf dem in den der politischen Frei Sieg der Reichseinheit ver- Bewußtsein der politischen Frei- sche Partikularismus, oft im Kleinen und Boden heit, Erbe der französischen Revolution Lächerlichen verfangen, war zum Teil poli- heit und der sozialen Gerech der napoleonischen Gesetzgebung, tische und menschliche Auflehnung gegen tigkeit. Heute mehr als je! Denn das Darin liegt eine tiefe Erniedrigung der gegen die preußische Beamtenhierarchie den anspruchsvolleren und unhöflichen ist erwiesen: unter Hitlers Führung ist Imperativ des Borussentums berlinischer dieser großen Idee deutscher Geschichte Idee. Alle diejenigen, die für sie Blut und wachzuhalten. Eine jahrtausendalte Kultur setzte sich Prägung. Das saß dem Volke jenseits des eine Wunde geschlagen worden, zu deren Leben hingegeben hatten, sahen die VerGenerationen deutwirklichung der Reichseinheit immer nur in der politischen Haltung wie in der ge- Mains so elementar im Blute, daß sie Wiedergutmachung aus» Berlin << auch dann scher Menschen den ganzen Einsatz ihrer in ihrer Verbindung mit der poli- samten Lebensauffassung aufs stärkste gegen Männer tischen Freiheit. Die Jung- Hegelia- von den ostelbischen Regierungs- und noch von tiefstem Mißtrauen erfüllt waren, politischen und moralischen Kräfte bener, die Männer des Jungen Deutsch - Kolonisierungsmethoden ab. Der Deutsche als aus Preußen eine freiheitliche Repu- nötigen werden. Andreas Howald.
der
Volksunterwerfung
nun vor
Schichte
wandelt werden.
und
des Südens wieder von Mund zu
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