Nr. 114 BEILAGE
"Iteloftttörfs
18. August 1955
Die BeäaduM den htmaihn Eine kostbare Informationsquelle
Der große italienische   Emigrant und Historiker veröffentlicht im»Jour­nal des Nations« den folgenden Auf­satz: Vor einiger Zeit habe ich in Paris   einen der zahlreichen russischen Emigranten ge­troffen, die nach Frankreich   geflüchtet sind: einen alten General, der einen be­rühmten Namen trägt. Ich habe ihn ge­fragt, was er von der bolschewistischen Armee hielte. Er hat auf meine Frage eine lange Antwort gegeben. Unter den Auskünften, die er mir ge­geben hat, waren einige, die mir von ge­wisser Wichtigkeit schienen. Einige Tage später war ich mit einem französischen  Diplomaten zusammen, der Rußland   sehr gut kennt, da er dort lange gelebt hat. Ich habe ihm erklärt, was mir der russi­sche General gesagt hatte. Er war damit nicht sehr zufrieden; er hat sich lebhaft gegen diese Aussagen gewandt und endlich hat er mir gesagt: »DasisteinEmigrant. Erver­steht nichts vom heutigen Ruß­ land  .« »Und glauben Sie. daß Fran­ zosen  , Engländer oder Deut­ sche  , das heutige Rußland bes­ser verstehen können?«, habe ich ihn darauf gefragt. Es ist eine landläufige Meinung, daß die Emigranten eines Landes, das sich in das revolutionäre Abenteuer einer Regie­rung der Usurpation und der Mystifi­kation gestürzt hat, nichts mehr von ihrem Lande verstehen, seitdem sie es verlassen haben. Aber diese Meinung ist meiner An­sicht nach vollkommen falsch. Ganz im Gegenteil sind es die Länder oiit legitimen Regierungen, die nichts von dem verstehen, was slchin den revolutionären Län­dern abspielt Aus Trägheit oder aus Egoismus stellen sie sich diese Länder mehr oder weniger nach ihrem eigenen Bilde vor, sie schreiben ihnen großzügig die Eigenschaften der Beharrung und der relativen Weisheit zu, die sie selbst be­sitzen, und sie weigern sich, den Emigran­ten Glauben zu schenken, die als ein­zige von Grund auf die verbor­gensten Schwächen der revolu­tionären Systeme kennen. Die Emigranten sind nicht unfehlbar, auch sie täuschen sich aber viel mehr in ihren Voraussichten als über die Tatsachen. Sie haben recht, wenn sie ankündigen, daß das Regime, unter dem sie leiden, in einer un­vermeidlichen Katastrophe enden wird; aber sie sind oft geneigt, sei es aus Inter­esse, sei es aus ihren Wünschen heraus, das Ende näher zu sehen als es ist Die Katastrophe, so unvermeidlich sie ist, kann auf sich warten lassen über die Prophe­zeiung der Feinde des Regimes hinaus. Alle diese einander widersprechenden Illusionen haben mit Napoleon   begonnen. In den Studien, die ich für meine Vorle­sungen über das Empire getrieben habe, habe ich immer großes Gewicht auf die Ansichten der Emigranten gelegt Sie sa­hen oft die Schwächen des kaiserlichen Re­gimes viel besser als die Diplomaten und die Staatsmänner von Europa  . Bei ihnen war die Illusion viel weniger stark als an den Höfen von Wien  , St Petersburg   oder Berlin  , die immer geneigt waren, zu glau­ben, daß das napoleonische Regime end­gültig wäre und daß es sich normalisieren würde, indem es in einigen Monaten oder Jahren eine Monarchie werden würde, in allem ähnlich den seit Jahrhunderten in Europa   existierenden Monarchien. Die Illusion hat während des Krieges wieder begonnen. Nehmen wir einen Fall, den ich genau kenne; den Italiens  . In jedem Augenblick finde ich Franzosen oder Engländer Journalisten, Professoren, Geschäftsleute, Politiker, Diplomaten die mir über Italien   Vorträge halten. Sie sind fast alle so überzeugt, daß sie gut Unterrichtet sind, daß ihnen der Gedanke uicht einmal in den Kopf kommt, mit einer Person zu sprechen, die in der Lage wäre, ihre Aussagen zu kontrollieren. Die mei­sten von ihnen verstehen nichts von der Lage Italiens  , weder von den Ursachen, die sie hervorgebracht haben, noch von den
Entwicklungen, die dann folgten, und sie urteilen mit unglaublicher Selbstgerechtig­keit. Selbstgerechtigkeit und Unwissenheit: das ist die Hai­tun g d e r f rei e n L än d e r gegen­über den Ländern, die sich im revolutionären Zustand befin­den. Man schafft Romane, die gewissen Lei­denschaften schmeicheln oder gewissen In­teressen dienen; man findet Journalisten, Historiker, Soziologen, Gelehrte, die es sich zur Aufgabe machen, diese Romane in der Oeffentlichkeit zu verbreiten. Man schafft gleichermaßen Meinungsströmungen, die schließlich auf die allgemeine Lage in
Europa   einwirken, und die in der Wirklich­keit keinerlei Grundlage besitzen. Am Ende werden alle diese Illusionen und diese Irr­tümer eines Tages an der Wirklichkeit eines unerwarteten Ereignisses zerschellen. Auf diese Weise kann man die abessini- sche Ueberraschung erklären. Zehn Jahre lang habe ich wiederholt, daß ein Regime, gleich dem, das Italien   beherrscht, in einem Kriege enden muß; daß diese Voraussage eine Gewißheit sei, daß der Augenblick und die Richtung des Aben­teuers Europa  , Asien  , Afrika  ? die einzigen Ungewißheiten seien. Diese Idee hat lange Zeit als der Traum eines Emi­granten gegolten. Dennoch gab es für einen wohlinformierten Beobachter, der die wah­ren Kräfte kennt, die die Staatsstreiche von 1922 und 1925 vorbereitet und durch­geführt haben, der in der Geschichte der
beiden Bonapartes   die Psychologie einer Staatsstreichregierung studiert hat, keine leichtere und sicherere Prophezeiung. Die Psychologie einer Staats­streich r e gi e r u n g ist immer die gleiche. Und sie führt überall zu den gleichen Ergebnissen. Nur die Emigranten kennen die Schwä­chen der revolutionären Systeme, selbst wenn ihre Prophezeiungen mitunter durch Ungeduld sündigen. Deshalb mißtraue ich den vielen Büchern über Rußland   oder über Deutschland  , die von Franzosen, Eng­ländern oder Amerikanern geschrieben sind, von Schriftsteilem, die zu Ländern mit legitimen Regierungen gehören. Es
fällt ihnen sehr schwer, den wahren Wert und die Bedeutung der Tatsachen zu ver­stehen, die sie erzählen, ihre tiefen Ur­sachen, ihre Wirkung und ihre Tragweite für die Zukunft. Die Schwierigkeit wird für die meisten Schriftsteller und Beobach­ter erhöht durch einen geheimen Widerwillen, die Wahrheit zu sehen, der einer moralischen Schwäche entspringt. Angesichts einer großen Ge­fahr zieht der Mensch im allgemeinen es vor, die Augen zu schließen. Die Tatsache, daß von fünf europäischen   Großmächten drei keine legitime Regierung mehr haben, ist eine schreckliche Gefahr und die Ur­sache zahlloser Schwierigkeiten für ganz Europa  . Aber die Länder mit legitimen Re­gierungen ziehen es vor, diese Gefahr und diese Schwierigkeiten nicht zu sehen, in der Illusion, daß die Gefahr sich von selbst
verflüchtigen könnte, und daß die Schwie­rigkeiten nach und nach in Ordnung kom­men würden, ohne daß sie selbst sich an­zustrengen brauchten. Ich dagegen benutze die Gelegenheit, wenn ich einen russischen oder deutschen  Emigranten treffe, um mich zu erkundi­gen. Aus dem Studium der Geschichte und aus meiner eigenen persönlichen Erfahrung weiß ich, welche kostbare Infor­mationsquelle im allgemeinen ein Emigrant ist, wenn er intelligent ist und wenn er unter dem vorhergehen­den Regime eine Rolle in Politik oder Ver­waltung gespielt hat. Man muß das, was die Emigranten erzählen, einer gewissen­haften Kritik unterwerfen, denn die Lei­denschaft ist stark und kann ihre Ge­schichte mehr oder weniger verändern. Aber die Leidenschaft steht als verän­dernde Kraft hinter allen Informations­quellen. Wenn die Geschichte alle Quel­len ablehnen wollte, die durch die Leiden­schaft gestört sind, würde sie überhaupt keine haben. Die Emigranten sind davon nicht ausgenommen, aber sie haben wenig­stens den Vorteil des Wissens. Es ist mir noch niemals vorgekommen, daß der Gesandte einer legitimen Macht bei einer illegitimen Macht mich nach meiner Meinung gefragt hätte. Es ist we­nig wahrscheinlich, daß sich dies jemals ereignen wird. Aber wenn das Unmög­liche Wirklichkeit werden sollte, so würde ich zu diesem außergewöhnlichen Diplo­maten sagen: »Sie gehen in ein Land, in dem Ihre Aufgabe sehr schwierig sein wird. Sie werden dort durch ein System der offi­ziellen und sowohl miteinander kombinier­ten Lügen eingewickelt werden, daß Sie eine Art von divinatorischer Kraft haben müßten, um die Fragmente der Wahrheit zu erfassen. Wenn Sie nicht eine außer­ordentliche Anstrengung machen, werden Sie das Opfer dieser organisierten Täu­schung werden. Sie werden endlich auf­richtig daran glauben und Ihrer Regie­rung wahre Romane schicken als Aus­druck der Wahrheit, nach denen Ihre Re­gierung Ihre Politik regeln soll. Rechnen Sie nicht für Ihre Unterrichtung auf die latente Opposition im Lande. Sie existiert, sie ist stark, sie weiß sehr vieles. Aber es wird Ihnen sehr schwer fallen, in Be­rührung mit ihr zu kommen. Die Polizei ist wachsam und selbst wenn es Ihnen ge­lingen wird, die Verbindung aufzunehmen, würde es Ihnen dennoch sehr schwer fal­len, der Opposition die Zunge zu lösen. Man ist dort sehr klug geworden, und ganz besonders fremden Diplomaten gegenüber. Es bleibt Ihnen eine Hilfe: die Emigran- .ten. Diese wissen sehr vieles, und sie reden. Lesen Sie aufmerksam, was sie unter sich sagen. Wenn Sie ihre Reden und ihre Schriften einer vernünftigen Kritik unterziehen werden, so werden Sie kostbare Informationen sammeln, und Sie werden Ihre Regierung unterrichten kön­nen. Sie werden dann von Ueberraschun- gen geschützt sein, und es wird Ihnen nicht geschehen, daß Ihre Informationen und Ihre Voraussagen von den Ereignissen brutal dementiert werden.«
Sein Tribut Die gleichgeschaltete Presse rühmt, daß »Mein Kampf  « von Hitler   eine Auflage von zwei Millionen erreicht habe. Es ist hinläng­lich bekannt, wie das gemacht worden ist: allein aus Mitteln der Arbeitsfront ist ein sehr erheblicher Teil dieser Auflage gekauft worden. Der Bezug von»Mein Kampf  « ist für Behörden, Schulen, Organisationen zur Zwangsauflage gemacht worden. Verdient hat bei diesem erpresserischen Verlagsge­schäft der Verlag Franz Eher Nach f. Inhaber des Verlags ist Hitler  . Neben dem Verlagagewinn gibt es noch den Anteil des Autors. Er beträgt: rund eine Million Mark. Wenn man den Bezug befehlen kann, ist es leicht, ein im finanziellen Sinn erfolg­reicher Autor zu sein.
Der Popularitäts'Balkon Hitler   läßt sich einen Balkon an die Reichskanzlei bauen.
Kann er Ihn allein halten