Nr. 130 BEILAGE

Hitlers nennen..

Neuer Vorwärts

Adolf der Erste

Zum hundertsten Geburtstag Stoeckers

8. Dezember 1935

Man kann Adolf Stoecker   in ge- lung in Berlin   und das Rededuell mit Most besser: Makulatur, auf jeden Fall Papier  ,| Forderung erhob, daß der jüdische Ein­wissem Sinne einen Vorläufer Adolf   im Jahre 1878 erfand Stoecker den so zerrte ihn Stoecker mit leidenschaft- fluß in Staat und Wirtschaft gänzlich aus­Pg. Kube. nationalen Sozialismus, der im lichem Eifer auf die Gasse und in die geschaltet werde: Keine jüdischen Lehrer! Wir erkennen in ihm immer deut- Grunde so wenig national wie Sozialismus Gosse. Erst durch das lebendige Wort die- Möglichst keine jüdischen Richter!, ver­licher einen Wegbereiter des neuen Deutschland   Adolf Hitlers  . war, sondern ein Mischmasch, aus allen ses geborenen Volksredners wurde die dient dann Adolf I.   nicht sein Standbild Dr. Löber. Küchen zusammengestohlen, um die Ar- Judenfeindschaft in die Massen getragen. im Deutschland   Adolfs II.? Am 11. Dezember feiert das» Dritte beiter ins Lager der Reaktion zu locken. Mit Wollust peitschte er in seinen Reden Aber sehr beträchtliche Unterschiede Reich Adolf Stoecker  , der an Denn ob er sein arbeiterfreundliches Herz die niedrigsten Triebe seiner Hörer auf. zwischen dem Vorläufer und den Nach­blieb» Die Juden<«<, hetzte er,» sind und bleiben läufern stecken nicht nur im Persönlichen. Tag vor hundert Jahren zur Welt kam, auf der Zunge trug, im Innersten der finstersten Rückwärtserei ein Volk im Volke, ein Staat im Staate, ein Stoecker war kein Entgleister mit als einen begnadeten Vorläufer. Allerdings Stoecker verschworen; wie entrüstete er sich sitt- Stamm für sich unter nicht auf ganze einer fremden dürftigen und lückenhaften Achtelsbildung. Lautstärke gestellt, denn die Gewalthaber lich, als in evangelisch- sozialen Kreisen Rasse<<; er zeterte:» Das jüdische Geld Das Universitätsstudium hatte ihm nicht Braun- Deutschlands schwanken ewig zwi- das Schlagwort: Aufteilung des Groß- spielt im Kapitalismus  , die jüdische Um- allein den äußeren akademischen Firnis verliehen, sondern wirkliche Bildungs­elemente vermittelt: der sich noch als

werden die Festredner

diesem

schen der Sucht des Emporkömmlings, sich eine Ahnengalerie zu verschaffen, und

einer

dem Drang des Dilettanten, als Original-» Des Führers Schreiten ist Gebet« Pfarrer mit Begeisterung und Wonne<

genie zu erscheinen. Wenn man Adolf I.  zu sehr herausstreicht, verblaßt Adolf II.  einigermaßen. Aber Unehre, wem Unehre gebührt! Der Hofprediger Wilmhelms I. ist wirklich ein sozusagen geistiger Vorfahr der Barbaren  , die heute in Deutschland  mit Erfolg eine alte Kultur kurz und klein schlagen.

be­

Aeußere Aehnlichkeiten fallen nicht zu sehr ins Gewicht, etwa daß auch jener in den bayrischen Alpen einen Landsitz er­warb und zum Haus Wagner in Bayreuth  enge Beziehungen unterhielt, Mehr Be­deutung hat die Herkunft auch Stoeckers aus kleinen Verhältnissen; sein Vater war Schmied, dann Wachtmeister, dann Ge­fängnisinspektor, seine Mutter eine Schneiderstochter. Drei Jahre wirkte der junge Kandidat der Gottesgelahrtheit als Hauslehrer auf einem baltischen Ritter­gut, und hier, wo der patriarchalische Despotismus in voller mittelalterlicher Blüte stand, schien ihm die Welt im Lot. > Niemand«, erzählte er,> außer einem kurischen Edelmann konnte Land sitzen; jeder Edelmann, auch wer keine Furche Acker sein eigen nannte, durfte mit der Meute durch das ganze Land jagen. Der Adel übte ein großes Maß von Selbstverwaltung und besetzte die Landes­posten, selbst die Richterstellen der ersten Instanzen, mit ungeprüften Mitgliedern seines Standes. Aber man würde irren, wenn man glaubte, daß der Bauernstand dies als ein Unrecht oder als Bedrückung empfunden hätte. Und das dünkte Stoecker das Ideal eines Gesellschaftszu­standes. Nie ward er auch den geheimen Respekt vor den hochgeborenen Herren los; für ihn hing das politische Verständ­nis eines Menschen wesentlich davon ab, > ob er den Adel in seinem Standesbewußt­sein und in seiner Lebensweise verstehen und würdigen kann«. Nicht minder er­inneren Charakterzüge an den Nachfolger. In jedem Kreis drängte er sich, immer selber schwätzend und niemandem das Wort lassend, in den Mittelpunkt. Des­gleichen schillerte dieser Gottesmann im Zwielicht der Zweideutigkeit; da sein Ja kein Ja, sein Nein kein Nein war, geriet er oft in peinliche Lagen, und nicht von unge­fähr hieß er bei den Gegnern> der Meineids­pfaffee. Endlich unterlag auch er, der so im Sturm gern die standhafte Eiche spielte, jedem seiner Um­

Zuflüstern

Stoecker hatte die Petition zuerst, d. h.

vor der Publikation, unterschrieben, dann

auf Bitten einiger Freunde die Unterschrift zurückgezogen... dann hatte

in Homer   und Sophokles  , Thucydides  und Demosthenes  , Horaz   und Tacitus  versenkte, hatte schon ein anderes gei­stiges Format als der Verehrer der Karl Mayschen Indianerschwarten. Auch sticht er mit seinem unleugbaren Sinn für Humor, Witz, Ironie und Sar­kasmus von dem langweilig ledernen Ernst der Heutigen ab, und wirkt über­haupt, mochte er politisch wie menschlich eine noch so unerfreuliche Erscheinung sein, neben der fünften» Führer«-Garnitur von 1935 wie ein Rassehund neben Stra­Benkötern, Marke» Promenadenmischung«.

war

Sachlich gibt es gleichfalls zwischen jenem und diesen einen erheblichen Ab­stand. Schon als gläubiger Christ Stoecker nicht der grobzöllige Materialist wie die Nazis, die einen Menschen nicht anders ansehn wie ein Yorkshire- Schwein; auf die Rasse und nur auf die Rasse kommt es ihnen an. Nicht mehr als eine Redensart mochte es sein, wenn Stoecker erklärte, daß er nicht die Juden angreife, sondern nur dies frivole, gottlose, wuche­rische, betrügerische Judentum<, aber er wandte sich auch beschwörend an die Studenten:» Denkt nicht, daß es genug ist, Juden zu hassen und sich antisemitisch zu nennen. Deutschtum und Christentum sind innig miteinander verbunden. Ich gebe auf eine bloẞe antijüdische Bewegung gar nichts, wenn sie nicht durchdrungen ist. von einer herzlichen Liebe zum Evange lium«. Wieder und wieder betonte er: » Die Judenfrage ist für mich keine reli­giöse Frage, keine Rassenfrage<; er ver­wahrte sich dagegen, daß getaufte Juden noch bis ins dritte und vierte Glied als Juden verfolgt würden, und unterstrich: » Der christliche Geist dringt durch die Rasse, und wenn die Israeliten getauft sind, so sind sie unsere Brüdere.

Aber vielleicht war für die Edelblüte am Baum des» Dritten Reichs  «, den Ras­sen- Antisemitismus, die Zeit Stoeckers noch nicht reif? Fehlgeschossen! Was etwa Moritz Busch   in seiner Broschüre» Is­rael und die Gojim  « verkündete, daß die Juden nie eingedeutscht werden könnten und am besten in ihr»> gelobtes Land« zu­rückzuschicken seien, trugen andere, deren Namen rechtens vergessen sind, in die Volksversammlungen. Ihnen war die Judenfrage eine Rassenfrage, und die Taufe änderte nichts an der körperlichen geistigen Minderwertigkeit der

gebung; ohne zu ahnen, wie er seinen grundbesitzes! anklang.» Ich sehe nicht sturzneigung in der Sozialdemokratie, die und | Helden bloẞstellt, schildert sein bewun- ein«<, beteuerte er,> wie ohne das Element jüdische Presse in der allgemeinen Kor- Juden; erst mit der vollkommenen Ent­dernder Biograph Dietrich von Oertzen   des Großgrundbesitzes die Landwirtschaft ruption eine der Hauptrollen«<; er wieder- rechtung und Versklavung der Juden er­diese Eigenschaft in einem besonderen eines großen Teils von Deutschland   und holte,» daß das Judentum auf die zwei schöpfte sich darum das Programm dieser Fall: ohne das Element der Großgrundbesitzer Lebensadern des Volkskörpers, ich möchte lautesten Schreier. Aber da in Oertzens die politische" nd nationale Wohlfahrt des sagen auf die Venen und Arterien, die Stoecker- Biographie das Urbild dieser deutschen   Volkes bestehen soll«, und stets Hände gelegt hat, auf die Geldader und» Rassen- und Radau- Antisemiten«, der sucht. er Anschlu an die reaktionären die Presseader<; er behauptete frischweg, Dr. Böck el dasteht als» ein ganz un­Mächte; wa, 1ür den andern in seinen An-> daß das Judentum unter den christlichen reifer, seichter Schwadroneur, der nur mit er wiederum auf Bitten anderer färgen die bayrische Reichswehr  , das war Völkern eine parasitische Existenz führt, der oberflächlichsten Phrase arbeitete, aber ein An- für Stoecer eine Generalstabsclique unter die nicht auf der eigenen Arbeit beruht, aber diese Waffe mit gefährlicher Ge­zwar nicht die Petition, die Superintendenten   mit dem Gram Waldersee  . schreiben an sondern darauf gerichtet ist, die Völker schicklichkeit in der Volksversammlung unterschrieben. Dieser Sachverhalt war Als ihm e Arbeiter verächtlich den materiell und geistig auszubeuten«, und handhabte«, sind dieser> traurige Hohl­ihm aber entscheidenden Rücken drehten, wandte sich auch dieser er donnerte teutonisch:» Wir müßten in redner mit seiner nichtigen phrasenhaften offenbar im nicht ganz klar, gerissene Demagoge an das Kleinbürger- der Tat eine Nation ohne Ehrgefühl sein, Beredsamkeit< Augenblick selbst und seinesgleichen die namentlich wußte er nicht, ob schon An- tum, an zwischen Großkapital und wenn wir diese Ketten eines fremden Gei- eigentlichen Vorläufer der braunen Garde. schreiben mit seiner Unterschrift ausge- Proletariat zermahlenen Mittelstand, und stes nicht brächen, sondern wirklich ver- Vor dem Jahr 1935 ist Stoecker ihnen er, durch aufgeregte gefiel sich, ihn zu ködern, in zügellosester judeten«. Wie gleicht daneben all das, was gegenüber ins Unrecht gerückt, denn er gangen. So kam Zwischenrufe des jüdischen Abgeordneten Judenhetze. Wie Adolf II.   seine ganze die Lautsprecher des Nationalsozialismus fuhr ihnen scharf in die Parade. Als auf Loewe   verwirrt gemacht, ins Stot- antisemitische Weisheit einigen österrei- ins Land röhren, den aufgetauten Tönen dem ersten» Internationalen Antisemiten­chischen Hetzschriften aus der Schule in Münchhausens Posthorn! Sie brauchten Kongreß« in Dresden   ein Dr. Henrici die Luegers verdankt, so plünderte Stoecker wirklich nur, die braunen Recken, ein paar einer allgemeinen Judenaustreibung das Uebereinstimmung zwischen 1 und 2 im ohne eigenes Nachdenken Wilhelm Marrs Dutzend Schlagworte aus Stoeckers Reden Wort redete, erteilte ihm Stoecker die Ab­sozusagen Politischen  . Da er auszog, den» Der Sieg des Judentums über das Ger- zusammenzuklauben und deckten spielend fuhr, daß, wenn in Deutschland   abgestimmt Drachen des Umsturzes zu erlegen und der manentum und die Artikel Otto Glagaus die geistigen Unkosten ihrer> Erweckung würde, ob Semiten oder Antisemiten aus­Sozialdemokratie die Anhänger abzutrei- in der» Gartenlaube«. Aber blieb der Anti- Deutschlands. Und wenn dieser seltsame zutreiben seien, die Abstimmung sicher Auftakt jene> Eiskeller<-Versamm- semitismus dieser Pamphlete Literatur, Prediger der christlichen Nächstenliebe die zuungunsten der Antisemiten ausfallen

ben

tern. Vor allem aber offenbart sich

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