1

1

1

B

t

Neuer Vorwärts

Gozialdemokratisches Wochenblatt

Verlag: Karlsbad  , Haus„ Graphia* Preise und Bezugsbedingungen siehe Beiblatt letzte Seite

Nr. 131

SONNTAG, 15. Dez. 1935

Aus dem Inhalt:

Hitler gegen Olympiade Zerrüttete Agrarwirtschaft

Illegale Kirche?

Schweinemord und Menschenmord

,, Der Wehr- Etat ist der Vater vons Ganze"

„ Der

Reichsminister Seldte   nimmt von allen Seiten: Odol   und Hapag

Die Verbindungen der Kreuz- Zeitung  | Frühstick bei Habel Unter den Linden, wo-| daß sie ihren Mann brieflich zur Rückkehr

des Reichsministers Seldte zu den kor­rupten Cliquen im Reichswehrministerium begannen im Januar 1933. Damals war die Reichswehr   mit der Berliner   Börsenzei­tung unzufrieden, und Major Foertsch nahm die Bittgesuche der>> Kreuz- Zeitung  < gnädig entgegen.

bei er erklärte:

nach Deutschland   aufforderte, damit sie frei Sie wurde ferner gezwungen, dem >> Nun sind wir alle zufrieden. Lingner käme. ist seinen Luftschiffetat los, Ihr habt die Manne mit der Ehescheidung zu drohen, wenn Insertion, wir bilden Luftschiffahrer aus, er sich nicht in Deutschland   stelle. ich habe die Provision und der Wehretat ist der Vater vons Ganze.<

Acht Tage später rief Major Wulkow bei Eines der ersten Geschäfte, die die der Firma Lingner an und fragte, ob denn Kreuz- Zeitungsleute machen wollten, bezog die 1000 täglichen Exemplare auch wirklich sich auf die Lingner- Werke in Dres- gebraucht würden, wenn nicht, könnte man sie den( Odol  ). Sie wußten, daß die Reichs- als Altpapier verkaufen und Lingner den Er­wehr in ihren. Kantinen Lingner- Erzeugnis- läs sowie die Frachtkosten gutschreiben. Das se führten, und wollten nun eine Empfeh­lung der Reichswehr  , damit Lingner in der >> Kreuz- Zeitung   inseriere. Dieser Fall ist besonders interessant, weil er zeigt, wie die in diesen Schiebungen unbeholfenen Kreuz­Zeitungsleute richtig zur Korruption Auch die Hapag muß bluten

angelernt wurden.

Der Unternehmer

*

dieses Geschäfts war wieder der Hauptmann Johst. Er sagte zu den Kreuz- Zeitungsleuten:

leuchtete den Dresdnern ein, sie verlangten zehn Stück täglich. Darauf setzte die» Kreuz Zeitung   einfach 1000 Stück von der Druck­auflage ab und das Geschäft war noch besser.

Im Laufe dieser elf Monate sind die vier Kinder im Alter von 6 bis 12 Jahren von Be­kannten, die zum Teil selber arbeitslos sind, durchgeschleppt worden. Diese opferwilligen Leute sind nun auch am Ende nicht weiter helfen können, was wird dann aus den Kindern?

- wenn sie

Die Polizei behält die Frau als Geisel in

Haft. Sie benutzt die Sorge der Mutter um ihre Kinder zu einer hundsgemeinen Erpres sung. Wie lange soll diese Geiselhaft im Chemnitzer   Polizeipräsidium: noch andauern?

Wenn es schief geht...

Goldene

Göringworte

nebst einigen Randbemerkungen

Vor einigen Tagen sprach Göring  in Hamburg  . Seine fast zweistündige Rede wurde auf alle deutschen   Sender übertragen. Einige Kernworte daraus, die die Situation blitzartig beleuchten, seien wiedergegeben. Kommentar nicht überflüssig.

>> Wie will eine Nation ohne Freiheit leben? Das ist schlechterdings unmög­lich!<<

Die Wiedereroberung der deutschen  Freiheit durch Adolf Hitler   gehört zum

eisernen Bestand des nationalsozialistischen

Phrasenarsenals.>> Freiheit ist das Recht auf

Kasernenhof, Kommiß, Drill, Gewehre, Bajo­nette, Kanonen, Kriegsschiffe, U- Boote, Gift­Major Schäfer brachte die Kreuz­gase, Flugzeuge und Tanks. Daß die Freiheit Zeitungsleute mit dem Kapitän zur See Ga- Bei den obersten Spitzen der Nazibewe- der Person, der Meinung, der Rede und dow. aus dem Marine- Archiv zusammen. Der gung gehen Ahnungen um. Ley hat neulich Schrift, des Glaubens, der politischen Ueber­riet ihnen, sich an die Hapag heranzumachen. in einem zufällig nicht benebelten, sondern zeugung, der Vereinigung zu ideellen und Die Hapag hatte an einer Insertion in der lichten Augenblick über die» Launen des wirtschaftlichen Zwecken die wirkliche Frei­>> Ihr Gedanke ist zu primitiv, die Sache» Kreuz- Zeitung   absolut kein Interesse, weil Schicksals<< georakelt. Hitler allerhöchstselbst heit einer Nation ausmacht, dürfen sie nicht muß anders angefaßt werden. Sie schicken die> Kreuz- Zeitung  « infolge ihrer kleinen Auf- hat bei der Eröffnung der Deutschlandhalle sehen; sie müßten sonst zugeben, daß sich einen Mann zu Lingner, der dort sagt, daß es ihm durch seine Beziehungen zur Reichs. lage natürlich die Schiffahrtsinteressen der die Frage seiner Nachfolgerschaft erörtert die deutsche Nation, um leben zu können, von wehr möglich ist, die Reichswehr   für das Hapag nicht propagieren konnte. Nun hatte und sich mit der schwachen Zuversicht ge- Hitler befreien muß. Odol  - Reklameiuftschiff zu inter  - die Hapag in den letzten zehn Jahren außer tröstet, daß die Opposition noch zu uneinig essieren, und zwar in der Form, daß die ordentlich viel Neubauten auf Kiel   liegen. Sei, um ihn stürzen zu können. Beklemmen­Reichswehr eventuell bereit sei, den Be­Diese Neubauten sind auf Veranlassung und der aber hat Göbbels   geseufzt, und zwar ge­trieb des Luftschiffs in eigene Regie zu des Reiches entstanden, rade in Saarbrücken  , wo doch noch vor 4 Jah­nehmen, und die dazu eigene Fahr- und unter Subvention Lande- Mannschaft stellt. Ein entsprechen- wobei das Reichsmarineamt führend war, um ren 90 v. H. der Bevölkerung wundervoll des Angebot von Lingner wäre an uns, d. h. für den Fall des Krieges erstens eine Trans­von drei Tagen. Wie Ihr Mann dies Ge- portflotte zu haben und zweitens das vor schäft mit Euren Interessen koppelt, ist handene Schiffsmaterial eventuell im Augen­

an mich zu machen, und zwar innerhalb

mir wurscht. Jedenfalls will ich zehn Mille blick in Hilfskreuzer umzubauen. haben.<

Major Wulkow   fuhr nun augenblicklich in erster Garnitur nach Dresden  , griff sich den Direktor von Lingner und sagte:> Die > Kreuz- Zeitung< ist ab jetzt das offizielle Organ des Reichswehrministeriums. Sie be­liefern alle Kantinen mit Ihren Produkten, es

ist nicht mehr als recht und billig, daß Sie bei uns inserieren. Aber weil wir noch sehr schwach sind, bringe ich Ihnen eine Sache aus Zucker mit: Es ist uns durch unsere Be­ziehungen zur Reichswehr   möglich, daß diese den Betrieb Ihres Reklame- Luftschiffes in eigene Regie nimmt, um Luftschiffpersonal auszubilden. Das bedeutet für Sie:

und zwei Steuerleute.

1. Lohnersparnis für einen Luftschiff- Führer 2. Lohnersparnis für zwanzig Mann Lan­dungs- und fünf Mann Wachpersonal. 3. Einsparung der hohen Versicherungssum­

men.

4. Steuerersparnis, Krankenkasse, Sozialaus­gaben und dergleichen.

5. Einsparung der Fahrkosten( Luftschiff­Füllung, Oel, Reparaturen usw.). Wir verlangen dagegen:

1. Einen Jahresauftrag 52 1/ 1- Seiten Inser­tion.

2. Jahresabonnement für 1000 Stück. 3. 10.000 Mark in bar.

Die Lingner- Leute akzeptierten unter der Voraussetzung, daß die Sache mit der Reichs­ wehr   wirklich zustande käme und gaben dem Major Wulkow   ein Angebot für die Reichs­ wehr   mit. Dieses wurde sofort akzeptiert, wobei nur so nebenher gefragt wurde, ob man auch mit der> Kreuz- Zeitung   im reinen sei. Für die>> Kreuz- Zeitung  « stellte sich das Ge­schäft folgendermaßen:

1000 Abonnements verbilligt zu 36 Reichsmark

pro Jahr, gleich

51 1/ 1- Seiten Insertion à 1256 Reichsmark, gleich

Summa

Hauptmann Johst

erhielt

Mark. Er feierte das Geschäft

Nun wurde folgendes ausgemacht:

darauf an, wie­darauf, darauf, wieviel

» Es kommt nicht viel Butter, sondern Kanonen wir haben.<< Diese Worte, in einem Exkurs gegen den

Wer für Butter stimmt, ist ein Genußmensch und ein

staatstreu zu sein Schienen. Ausgerechnet bei> Materialismus gesprochen, beweisen, daß der Einweihung des neuen Reichssenders dicht für den Redner, die Butter die Materie ,, die an der französischen   Grenze rief Herr Dr. Kanone aber das Ideal darstellt. Göbbels   aus:>> Wenn es schief geht, müssen wir mit unseren Köpfen Weichling, und nur, wer für die Kanone ist, für unsere Politik haften. wir scheuen auch die Verantwor­

Die> Kreuz- Zeitung   propagierte plötzlich im Handelsteil außerordentlich stark Schiff­fahrtsinteressen, und zwar begann das An- tung nicht.<< fang 1933. Diese Aufsätze schickte Gadow

Aber

Von Göbbels   stammt das Wort:» Gehängt an die>> Kreuz- Zeitung und machte daraus wird doch!« Er scheint sich allmählich Sorge eine kleine Arbeit, wie sehr sich die Kreuz- zu machen, wie es im Falle eines Falles einem Zeitung der Schiffahrtsinteressen annehme. so entschiedenen Verfechter der Todesstrafe Diese Arbeit hat er mit seinem vollen Namen an politischen Gegnern ergehen könne. Uebrigens müssen wir einen Irrtum des gezeichnet und der Direktion der Hapag ge­sandt. Major Wulkow hatte das zweite Herrn Göbbels   richtigstellen. Er und seines­Exemplar bekommen. Wulkow   setzte sich nun gleichen haben nicht nur für ihre Politik zu mit dem maßgebenden Reklamemann der Ha- haften, sondern für die zahllosen rein krimi­pag aus Hamburg   in Verbindung, der nachnellen Verbrechen, die sie selbst verübt oder Berlin   kam. Das Ergebnis war, daß die zu denen sie angestiftet haben.. Kreuz- Zeitung für alle Dampfer der Hapag

-

ins Abonnement kam außerdem nahm die Hapag 25 Seiten für ein halbes Jahr ab. Das Geschäft mit der Hapag belief sich auf ca. 50 Mille. An Provision wurden ausbezahlt: 1000 Mark an Wulkow  , 3500 Mark an Gadow, später nochmals 3000 Mark an Gadow. Fer­ner erschien auch Herr Schäfer und» borgte sich 5000 Mark aus, wobei er sagte:» Ver­rechnung bleibt später vorbehalten.<<

Eine Frau als Geisel

-

Elf Monate in Haft vier Kinder ohne Eltern.

Seit März 1933 lebt in der Tschechoslowa­ kei   der Genosse Franz Müller. Seine Rückkehr nach Deutschland   würde einem Selbstmord gleichkommen. Er hat in seiner Heimat Chemnitz   eine Frau und vier Kinder hinterlassen.

Schwerer Verstoß

hat das Herz auf dem rechten Fleck. Man nennt das auch das Mittagsmahl durch stramme Haltung ersetzen<, eine Kunst, die während des Weltkrieges mit dem bekannten Erfolg geübt wurde.( Die Generale freilich hatten die stramme Haltung nicht mehr nötig und ersetzten sie durch ein reichliche­res Mittagessen.) Wenn der nächste Krieg nach Görings Maximen geführt wird, können die Feinde ruhig schlafen.

» Butter und Schmalz machen fett, Erze machen stark.<<

Siehe Göring  ! Eisenfresser ist er doch nur in Versammlungen. Zu Hause zieht er Butter

vor.

» Diese Hamsterer gleichen dem Tier, das mit geblähten Backen in sei­nen Bau kriecht... Was die Hamsterin in der geblähten Markttasche nach Hause trägt, ist dem ganzen deutschen  Volke genommen... Verachtung für die, die das Volk schädigen!<<

Das Landgericht Köslin   hat die Ehe eines Bauern geschieden und die Frau für den schuldigen Teil erklärt, weil sie es abgelehnt hatte, Kinder zu gebä­rem. Das Gericht erklärte, daß die Frau in Wehe dem, der mehr als ein Achtelpfund schwerstem Maße gegen die heutigen An­Butter verbraucht! Mit» brutaler Strenge< schauungen über die Ehe verstoßen habe. soll die Polizei gegen alle Mißbräuche vor­Gerade der Bauer als Blutsquelle des Volkes gehen. Wird sie auch in den Speisekammern habe die Pflicht, diesen Blutstrom nicht zum der Göring  , Göbbels   und der anderen brau­Versiegen zu bringen, und die Frau müsse nen Bonzen Haussuchung halten? Sie predi­ihren Teil dazu beitragen. gen dem Volke Verzicht und schlagen sich Wenn endlich trägt der Führer dazu selber den Bauch voll.

bei?

» Der deutsche Arbeiter verlangt die Wahrheit zu wissen!<<

Schacht gegen Göbbels   Jawohl, darum werden diejenigen, die sie ihm sagen, erschlagen, in die Konzentrations­Zorn über gescheiterte Anleihepläne. lager gesteckt oder lebendigen Leibes in den Im Januar 1935 besuchte ihn seine Frau Der Reichsbankpräsident Schacht hat vor Zuchthäusern begraben. Ein Betrüger wie auf einen Tag, um mit ihm über ihre und einiger Zeit dem Reichspropagandaministe- Göring kann ihnen darum vorlügen, daß im ihrer Kinder Zukunft zu sprechen. Unmittel- rium einen Bescheid geschickt, daß für die Dritten Reich   keine Rüstungsgewinne ge­bar nach ihrer Rückkehr nach Chemnitz   wur- Reichsbank die Auslandspropaganda in Eng  - macht werden, nur freilich sind sie nicht de sie verhaftet. Als Vergehen kann nur land nicht mehr in dem gleichen Ausmaße dumm genug, ihm das zu glauben. Sie ahnen Grenzüberschreitung ohne Paß in Frage kom- wie bisher Devisen zur Verfügung stellen auch, wenn sie es auch nicht genau wissen men. Ein Verfahren gegen die Frau ist könne. Der Bescheid enthielt wieso Göring  , der noch vor weni­91.300 RM. nicht eingeleitet worden. Die Frau Ihre Erfolge rechtfertigen nicht gen Jahren bis über die Ohren in Schulden seine 10.000 sitzt seit elf Monaten in Haft. Es den Umfang der Devisenanford e- steckte, heute ein steinreicher Mann ist. Will mit einem wurde mit allen Mitteln auf sie eingewirkt, rungen.< er den Arbeitern die Wahrheit sagen, so soll

36.000 RM.

55.312 RM.

-

den Satz: können

--