Neuer Vorwärts

Sozialdemokratisches Wochenblatt

Verlag: Karlsbad  , Haus Graphia" Preise und Bezugsbedingungen siehe Beiblatt letzte Seite

Nr. 158 SONNTAG, 21. Juni 1936

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Aus dem Inhalt:

Eigentumsrecht und Sozialismus Neue Woge der Unzufriedenheit Die neue russische   Verfassung Deutsche   Wirtschaft in Zitaten

Der braune Imperialismus stößt vor

Schachts Handelsfeldzug auf dem Balkan  

vor

an

der deutschen   Praxis der

> Jugoslawien  , so glaubt man hier, kommt endgültig nun unter die wirt.

Der neudeutsche Imperialismus hat| Mittel, den politischen Einfluß| Ungarn   und Jugoslawien je 25 sache hervor, daß während des Besuches einen mächtigen Vorstoß in der Richtung auf die Länder zu steigern, die man wirt- Millionen RM; Rumänien   hat erheb- Schachts in Belgrad   der jugoslawische der wilheminischen Außenpolitik unter- schaftlich stärker durchdrungen hat. Wenn liche Forderungen für Petroleumlieferun- Finanzminister eine Verordnung veröffent­Griechenlands Anspruch be- licht hat, die Importe aus Großbritannien  , nommen. Die deutsche   Balkan  - und Vorder- die deutsche   Handelspolitik sich bemüht, gen; wieder asienpolitik hat begonnen, und z. B. die ungarische Wirtschaft dazu trägt über 40 Millionen RM. In völlige den Vereinigten Staaten  , Holland   und an­Schacht selbst hat sich bemüht, den wirt- zu bewegen, einen Teil der Weizenfläche wirtschaftliche Abhängigkeit droht Bul  - deren Nicht- Clearingländern drosselt, wäh­schaftlichen und politischen Einfluß künftig mit Oelfrüchten und anderen garien zu geraten; 1932 nahm Deutsch- rend der Handel mit Deutschland   ermutigt Diese Tatsache hat zusammen mit Deutschlands   im Südosten zu verankern Deutschland   fehlenden Pflanzen zu bestel- land 26 Prozent des gesamten bulgari  - wird. daß der Handels­und Hitlerdeutschland in den Donau  - und len, deren Absatz es garantiert, so ist das schen Exports auf, 1935 aber bereits 48 den Reden Schachts, Balkanländern eine starke handelspoliti- nicht nur eine willkommene Ergänzung der Prozent, und in diesem Jahre dürfte der freundschaft die politische Freundschaft sche Situation zu verschaffen. Er hat da- deutschen   Autarkiebestrebungen, son- deutsche   Anteil 60 Prozent betragen. Die nachfolgen werde, sehr alarmierend ge­die ungarische deutschen   Zahlungsschwierigkeiten, die wirkt. bei relative Erfolge erzielt, die sowohl in dern bringt Die» Times« läßt sich aus Wien  Italien   als auch in England alarmierend Wirtschaft auch in wachsende Schacht diesmal, da sie seinen politischen berichten: der deut- Absichten zuwiderlaufen, ausnahmsweise gewirkt haben. Es ist ihm gelungen, sich Abhängigkeit die Schwächung des italienischen Einflus- schen Wirtschaftspolitik recht unangenehm sind, die er aber bei der ses durch die Sanktionspolitik zunutze zu überhaupt. Zugleich eröffnet sie die immer schwieriger werdenden Devisenlage schaftlichen Fittiche von machen, so daß Hitlerdeutschland heute Aussicht, diese für Deutschland   notwen- offenbar nicht überwinden kann, haben Deutschland  , und die wichtigste Stelle als übermächtiger Konkurrent Italien   auf dige Agrareinfuhr mit deutschen Fertig- nun in Zentral- und Südosteuropa   heftige in der Erklärung Schachts ist jene, in der er dem Balkan   entgegentritt und den italie- waren zu bezahlen, die die Ungarn  , da sie Kritiken andeutet, daß diese Entwicklung zu politi­nischen Expansionsplänen einen Querrie- eine andere Zahlung nicht erhalten kön-» ökonomischen Expropriation scher Freundschaft führen werde. Dies ist gel vorschiebt. nen, zu den erhöhten deutschen   zu politischen Zwecken« ausge- ohne Frage das Motiv des deutschen   Han­Obwohl dieser Vorstoß Schachts nicht Preisen sich anrechnen lassen müssen. löst. Die Kleine Entente   und der Balkan­delsfeldzuges in Mittel- und Südosteuropa  : zum wenigsten aus der Not der deutschen   Es ist nun bezeichnend und für die bund suchen auf ihren Konferenzen engere diese kleinen Länder in eine wirtschaftliche Ernährungswirtschaft geboren ist, die ein Ziele der deutschen   Außenpolitik überaus wirtschaftliche Beziehungen unter ihren Abhängigkeit von Deutschland   zu bringen, beträchtliches Defizit aufweist, so verfolgt aufschlußreich, daß Schacht sein Außen- Teilnehmern herzustellen, um namentlich die schließlich den Weg zu poli­er dennoch viel weitergehende Ziele als monopol im letzten Jahre gerade in der die wirtschaftliche Durchdrin­tischer Abhängigkeit öffnen nur die Lösung einer Verlegenheit. Er ist Richtung der wirtschaftlichen Durchdrin- gung Jugoslawiens   durch wird.<< die Konsequenz aus der Methode der gung der Staaten Zentral- und Süd- Deutschland zu hemmen. Außenhandelspolitik des Dritten Reiches osteuropas   mit besonderer Wucht ein­Die deutsche   Balkan  - und Vorderasien­überhaupt, deren politische Gefährlichkeit gesetzt und in der Tat die Einfuhr von kleineren Staaten gestatten ihnen nicht, politik ist wieder eröffnet, wichtige impe­jetzt offen zutage tritt. Agrarprodukten und Rohmaterialien aus die von Hitlerdeutschland geschuldeten Be- rialistische Gegensätze zu Italien   und Eng­das ist die land werden sichtbar. Für die Bilanz der Im deutschen   Außenhandelsmonopol diesen Ländern unverhältnismäßig gestei-| träge abzuschreiben, und Die freiwillige Auf- Waffe, von der Schacht Gebrauch gemacht deutschen   Volkswirtschaft und speziell für sind wie in der nationalsozialistischen gert Wirtschaftspolitik überhaupt finanzielle, na hmefähigkeit dieser armen Län- hat. Es sind ihm, trotz des Widerstan- die deutsche   Devisenbilanz bedeuten die und trotz aller Ergebnisse des Schachtschen Handelsfeld­wirtschaftliche und politische Zwecke un- der für deutsche industrielle Produkte hat des der Außenminister auflöslich ineinander verflochten. Das sich als weit geringer erwiesen als Schacht politischen Bedenken in den betreffenden zuges keine Erleichterung, die unmittelbar sehr erhebliche Vorbereitun- ins Gewicht fiele. Unter diesem Gesichts­Monopol ist nach Erschöpfung des deut- erwartet hatte. Schacht konnte einen er- Ländern schen Goldbestandes nötig geworden, um heblichen Teil der Einfuhr angesichts der gen zur wirtschaftlichen Durchdringung punkt sind sie lediglich die Ueberbrückung die Einfuhr auf jenes Maß zu beschrän- deutschen Devisenlage einfach nicht bezah- Jugoslawiens   geglückt. Jugoslawien   hat einer örtlichen und zeitlichen Verlegen­an die deutsche   heit, die an den Dimensionen des großen ken, das der Erlös für die Ausfuhr gestat- len, die Guthaben sind eingefroren und Aufträge vor allem tet. Zugleich aber hat es eine Neuver- diese Länder sind sehr gegen ihren Wil  - Schwerindustrie gegeben, die die Clearing- Defizits nichts Wesentliches ändert. Unter teilung der Einfuhr im doppelten Sinn her- len zu Gläubigern Deutschlands   geworden. spitze beseitigen, Hitlerdeutschland hat für allgemein- politischem Gesichtspunkt aber beizuführen gestattet. Einmal wurde die Wollen sie diese Guthaben realisieren, so die Zukunft angeboten, einen sehr erheb- zeigen sie, auf welche Weise Hitlerdeutsch­Einfuhr aller anderen Waren zugunsten müssen sie eben deutsche   In- lichen Teil des exportfähigen Ueberschus- land sich die Wiedereingliederung in die der jugoslawischen Agrarproduktion Weltwirtschaft wieder zu erobern gedenkt der von Kriegsrohstoffen radikal umge- dustrieprodukte nehmen, die ses staltet. Zugleich fand eine Aenderung in 30-40 Prozent mehr kosten als zu übernehmen und dafür in deutschen   In- und wie es systematisch neue große briti- dustriewaren und Waffen zu zahlen. imperialistische Konflikte vor entsprechenden der territorialen Verteilung statt; die Ein- die französischen   oder Was eine derartige Neugestaltung der bereitet, bei denen die kleineren Staaten fuhr aus bestimmten Ländern wurde syste- schen, deutsch- jugoslawischen Handelsbeziehun- nach seinem Willen bloße Ausbeutungs­matisch eingeschränkt, die anderer Länder tschechischen Waren. Deutschland   schuldet augenblicklich gen politisch bedeutet, geht aus der Tat- objekte sein sollen. gefördert. Der finanzielle Sinn war der, den Einfuhrüberschuß der Gläubigerlän­der zu vermindern oder womöglich ganz zum Verschwinden zu bringen, um so die Länder des Mittels zu berauben, einen Teil der Zahlungen, die sie für die aus Deutsch­ land   eingeführten Waren zu leisten hatten,

Aber die

wirtschaftlichen Nöte der

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Neue Woge der Unzufriedenheit

Dr. Robert Ley  , Präsident der Deutschen  , einen großen Theatercoup veranstalten, wenn, freudig, sondern eher in einer Stimmung, die für die Befriedigung der Gläubiger zu ver- Arbeitsfront, schickt sich zu einer großen er die Volksmassen ablenken wolle. Viele man in die Worte kleiden kann:> Was wird wenden. Dieses Ziel wurde auch im gro- sechswöchigen Deutschlandfahrt an. In Mas- halten diese periodisch wiederkehrenden Rie- uns noch bevorstehen?< Die Kirchen­Ben Umfang erreicht, und das hat Schacht senkundgebungen innerhalb und außerhalb senbluffs für eine so wohlberechnete Regie- besuche nehmen immer noch zu, da immer die Durchführung seines Zwangsmorato- der Betriebe soll das sinkende Vertrauen der rungsmethode des Systems, daß sie sich Hit- mehr Leute in die Kirche gehen, denen das völlig nebensächlich war. Bei den riums, der fortschreitenden Einstellung der Arbeiter belebt werden, denn die nationale ler und seine Bandenführer ohne eine außen- sonst Zinszahlungen, erheblich erleichtert. Eben Begeisterung ist wieder einmal dahin. Der oder innenpolitische Raserei nach einer stil- Gläubigen kommt darin zum Ausdruck, daß hat Schacht ohne neue Verhandlungen das Rausch des 7. März hat, schon wegen der leren Zeit von einigen Monaten gar nicht man sich um den Pfarrer, um den» Geistli­Transfermoratorium, das am 30. Juni ab- dann folgenden außenpolitischen Spannung, mehr vorstellen können. Man fragt sich da- chen Herrn< auffallend sammeln müssen, bei läuft, auf ein halbes Jahr verlängert, wäh- etwas länger angehalten als etwa der Saar- bei, wie lange noch die Effekte gehäuft und den weniger Gläubigen die Neugierde, ob der rend früher die Regelung für ein Jahr ge- sieg, und auch die ungeheure Wahlpropagan- gesteigert werden, bis die ungeheure Volks- Pfarrer nicht etwas in der Predigt sage, was troffen war. Aber Schacht hofft dann so da hat ja noch wochenlang nachgeholfen, aber mehrheit erkennt, was jetzt schon viele wis- man als versteckten Tadel des Systems be­sen und noch mehr ahnen: daß diese Dikta trachten könnte. Kommen aber in einen Ort weit zu sein, um den Gläubigern neue Be- dieses ganze Feuerwerk ist nun längst ver­dingungen, insbesondere eine weitere Her- raucht. Geblieben ist eine sehr geringe Mei- tur, die größte Begaunerung eines Volkes Missions pater, dann ist sozusagen al­les auf den Beinen, weil man erwartet, daß absetzung der Zinsen, diktieren zu können. nung von gewissen außenpolitischen Metho- ist, die es je in der Geschichte gab. diese deutlicher sagen werden, was das Volk Schon bisher hatte Schacht die Zahlungen den europäischer Demokratien von den vertraglich vorgesehenen 600 Mil- Verachtung grenzende Beurteilung nur- una bedrückt, als es der Ortsgeistliche tut. Eine solche Volksmission hat in den Ober­Bekehrungsversuche an lionen RM auf 300 Millionen im Vorjahr überpazifistischer pfälzer Städtchen Parsberg   vor etwa und auf 250 Millionen im laufenden Jahr Hitler, aber gesprochen wird längst wieder Man schreibt uns aus Bayern  : drei Wochen die Form einer Volksdemon­die Zustände über vermindern können eine Ersparnis, die vorwiegend Neben die mehr und mehr Ar­der allgemeinen Unzufriedenheit stration angenommen. Denn nicht das allein er im vollen Maß zur Steigerung der Deutschland  , Kriegsstoffeinfuhr verwenden konnte, die beiterschichten in tiefe Not stoßen. Die der Bevölkerung über die Nazipolitik, das war das Charakteristische, daß aus Parsberg  eben in diesem Umfange die ausländi- Illusionen, auch die auf Hilfe von draußen, immerwährende Sammeln, das Auftreten der und der näheren Umgebung rund 1800 Per­schen Gläubiger bezahlen müssen. verfliegen, und das Denken nimmt zu. Bonzen, macht sich im katholischen Landes- sonen zur Beichte kamen, daß am Schluß­Die territoriale Verlagerung dient aber Daran werden die Predigten Leys auch nichts teil immer mehr die Auffassung breit, daß tage der Mission die Kirche erdrückend auch einem anderen Ziel. Die Herstellung ändern können. Es sind nicht die schlechte- den Katholiken die schwersten Auseinander überfüllt und draußen vor der Kirche noch uns sagen, setzungen mit dem System nicht erspart mehr Leute als drinnen standen, daß an der und Ausdehnung wirtschaftlicher Bezie- sten Beobachter, die sich und ein wichtiges Hitler müsse unbedingt bald wieder irgend bleiben. Man ist aber nicht etwa kampfes- Schlußprozession sich mehr als 3000 Personen hungen ist zugleich auch

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und eine an

in

Unterdrückter

Katholizismus