Raubritter der Wirtschaft
Treuepflicht
Die deutsche Arbeiterschaft horcht auf.
In Frankreich hat der politische Kurswechsel volle Gewerkschaftsfreiheit, die gesetzliche Vierzigstundenwoche, das Recht auf Urlaub und eine konstitutionelle Betriebsvertretung gebracht. Eine gewaltige gewerkschaftliche Kraftentfaltung der französischen Arbeiterschaft hat schlagartig das gesamte Lohnniveau wesentlich gehoben, wobei das aktive Eingreifen der Regierung Blum nicht zuletzt zum Erfolg der Massenbewegung beitragen konnte. Der politische Lohn, von dem in Frankreich gesprochen werden kann, ruft in der deutschen Arbeiterschaft Erinnerungen wach. Der Vergleich zwischen den sozialen Ausstrahlungen der demokratischen Republik und dem Sklaventum im Drit ten Reich drängt sich dem Beobachter der französischen Entwicklung auf und es ist verständlich, wenn die» Arbeitsrechtler<< des Hitlerregims wieder einmal nervös zu werden beginnen.
Das Recht der Arbeit« verhöhnt den früheren Arbeitsvertrag als eine Illusion der >> Waffengleichheit«. Der Verfasser, Prof. Sie
Nichtssagende Betriebs- und Tarifordnungen
Betrogene Privatangestellte
von
Die» Deutsche Justiz« befaßt sich mit den bimmelschreienden Zuständen, wie sie für die Geschäftsreisenden und Vertreter im Zeichen der neudeutschen Treuepflicht bestehen. Die Fachgruppe Vermittlergewerbe spricht >> Raubrittern der Wirtschaft«<, die auf gleicher Stufe mit berufsmäßigen Verbrechern ständen. Vor wenigen Wochen hatte diese Fachgruppe verkündet, daß dem Elend der Pro
handelt es sich um Daueranzünder
halten wird. Im Holzhandwerk wurden sogar 33 Prozent der gezählten Betriebe ermittelt, die die Tarifordnungen nicht einhalten und ihre Arbeiter niedriger als vorgeschrieben entlohnen. Die Beschaffenheit der Unterkunftsräume wurde bei 73 Prozent für
loswerden wollte. In einem anderen Falle gut, bei 27 Prozent als ausreichend< und der nicht ausreichend<< festgestellt. In allen Firma N in X. Sie versprach durch Angebot Handwerkszweigen zusammen
von
ergab sich, in der Zeitung einen Monatsverdienst 120 RM. Bei der Uebernahme einer Ver- daß 27 Prozent der gezählten Betriebsstelle mußte ebenfalls ein Barkapital triebe eine Arbeitszeit von mehr zur Verfügung gestellt werden. Eine Sozial- als 48 Stunden in der Woche hatrentnerin im Alter von 66 Jahren wurde ten. Im Nahrungsmittelhandwerk waren es um den gesamten Rechnungsbetrag von 40 Prozent, und im Reinigungs- und Beklei160 RM für die gelieferten 100 Daueranzünder geschädigt. Fast täglich wieder- dungsgewerbe gar 45 Prozent der Betriebe holen sich diese Methoden, die viele mit mehr als 48stündiger Arbeitszeit. tausend Volksgenossen ins Unglück stürzen.
Würden die Besichtigungen nicht nur ein
visionsvertreter durch einen nationalsozialistischen Normaldienstvertrag ein Halt ge- So jammert die Fachgruppe spaltenlang wei- glattes Prozent, sondern nahezu die Gesamtheit der Handwerksbetriebe erfaßt haben, so boten werden soll. Heute muß berichtet wer- ter über die» unklaren Rechtsverhältnisse<< würde die Aufstellung noch viel ungünstigere den: der Provisionsangestellten und spricht die Ergebnisse berichten müssen. Aber auch in >> Da suchte eine Firma E. B. chemisch- kos- Hoffnung aus, es müsse gelingen, dieser ganz unvollständigen Form lehrt sie, metische Erzeugnisse in U. durch InseratVertreter, die eine Sicherheit von 200 bis>> die Ausbeuter der Volksgemeinschaft un- daß die Mehrheit der mehr als 3 Millionen in 300 RM stellen müssen. Als sich u. a. ein ter den Betrieben zu beseitigen<. den Handwerksbetrieben beschäftigten deutMalergeselle aus X gemeldet hatte, erhielt er ein> Heilmittel<< für alle möglichen Es liegt aber im Wesen der Treuepflicht, daß schen Arbeiter und Arbeiterinnen im Zeichen der nationalsozialistischen Volksgemeinschaft Krankheiten und die Anweisung, sich» Mit- die Volksgemeinschaft zur Erhaltung der kaverdiener«, d. h. Verkäufer, zu suchen. Der zu untertariflichen Löhnen und bei überlanpitalistischen Ausbeutung bestehen Malergehilfe wurde um 200 Mark geschäger Arbeitszeit arbeiten muß, daß ihre 90digt, weil die Firma nur ihre Erzeugnisse muß! ziale Lage eben ganz und gar der unter dem kapitalistischen Wirtschaftssystem Ausge
Volksgemeinschaft
schaftliche Ungleichheit im früheren Deutsch land durch die kollektive Schicksalsgemeinschaft der Arbeiter weitgehend ausgeglichen werden konnte, während heute die AtomiDie sogenannte Reichsbetriebsgemeinsierung der Arbeiterklasse alleiniger Zweck schaft Handwerk gibt eine Aufstellung beund Inhalt des» nationalsozialistischen Ar- kannt, die Material über die soziale Lage beitsrechts geworden ist. Siebert sieht im des deutschen Handwerks enthält. kollektiven Arbeitsrecht ein Arbeitskampfrecht und eine Tarifdiktatur, die im Recht auf Streik, Boykott, Aussperrung usw. ihren sichtbarsten Ausdruck gefunden hätten. Diesem» Chaos« von früher stellen die Nazis als
bleiben
nicht einmal 1 Prozent der Handwerksbetriebe beuteten entspricht.
erfaßt.
Und das findet das Regime und seine OrEs ist sicher, daß die Amtswalter bei ihrer gane durchaus in Ordnung. Denn die Frage Besichtigung jene Betriebe bevorzugt haben, nach der Durchsetzung des Gedankens der von denen sie annehmen konnten, daß sie Betriebsgemeinschaft<< wurde trotz dieser ihnen eine günstige Beantwortung der auf ungünstigen sozialen Feststellungen nur in den Fragebogen enthaltenen Fragen ermög- elf Prozent der Fälle als» nicht ausreichend< lichen. Vor allem, soweit diese Fragen sich erklärt. auf die soziale Lage der in den Handwerksbetrieben beschäftigten Arbeiterschaft beziehen.
In
Die Urgestalt
Diese Aufstellung ist das Ergebnis von Betriebsbesichtigungen, die die Reichsbetriebsgemeinschaft vorgenommen hat. Sie beziehen Dennoch sind die Angaben recht aufschlußsich aber nur auf 16.573 Betriebe. Da es nach reich. Wird doch z. B. in der Rubrik> Eineinem Homer gewidmeten Aufsatz der Zählung vom Juni 1933 allein in Industrie haitung der Tarifordnungen« berichtet, daß schreibt ein gewisser Bernhard Knaus in der einziges Aequivalent die Treuepflicht gegen- und Handel 1,731.000 Betriebe mit einer bis nur in 3 Prozent der 16.573 Betriebe ein über- DAZ: fünf beschäftigten Personen gab, so hat die tariflicher Lohn bezahlt, der Tariflohn Besichtigung durch die Amtswalter noch aber in 23 Prozent nicht einge
über. Seicht und leer wird dem großen fran zösischen Arbeitskampf um Freiheit und Recht, um Arbeit und Brot die Phrase von » Gemeinschaft, Persönlichkeit, Ehre und Ar
beit entgegengehalten.
Die Einzelberichte der Deutschen ArbeitsKorrespondenz lassen aber erkennen, daß selbst die getreuen Nazis in den Betrieben beim besten Willen in der Treuepflicht des Arbeitsverhältnisses alles andere, nur keine > Waffengleichheit« oder» Gemeinschaft<< zu
entdecken vermögen.
Redensarten in den
Betriebsordnungen
Der Reichsbetriebsgemeinschaftsleiter für Banken und Versicherungen stimmt ein Klagelied darüber an, daß die Betriebsordnungen lediglich» nichtssagende Redensarten< enthalten. Die Bestimmungen und Verbote hätten> in einer nationalsozialistischen Betriebsordnung nichts zu suchen<<.
> Es kann auf Selbstverständlichkeiten verzichtet werden, wie z. B. das Benehmen im Betriebe, Sauberhaltung des Arbeitsplatzes und ähnliches mehr<.
So beginnen bereits die Reichsbetriebsgemeinschaften den Schwindel von der» Schönheit der Arbeit zu entlarven und die Betriebsführer werden aufgefordert, die bisherigen Betriebsordnungen zu überprüfen. Wer den Ersatz des Arbeitsrechts durch die Treuepflicht feiert, sollte sich freilich über die Folgen dieser höchst einseitigen Treuepflicht
nicht mehr wundern.
Sabotage
der Tarifordnungen
Wir lesen weiter:» Gebt dem Landarbeiter sein Recht« und erfahren, daß die Seẞhaftmachung der Landarbeiter durch gesunde Wohnverhältnisse an der Nichteinhaltung der entsprechenden Bestimmungen in den Tarifordnungen gescheitert ist.
> Trotz der inzwischen getroffenen Maßnahmen( Zuschüsse und Kredite bei der Erstellung
von Landarbeiterwohnungen)
sind die Wohnungsverhältnisse in sehr vielen Fällen außerordentlich beklagenswert... Der Treuhänder mußte auf seinen Besichtigungsreisen leider feststellen, daß die Führer der landwirtschaftlichen Betriebe sehr oft mit den Bestimmungen der Tarifordnungen gar nicht vertraut sind.<
Die Bestimmungen, wonach die Wohnungen den Anforderungen» in sittlicher und gesundheitlicher Beziehung genügen müssen<<, seien unerfüllt geblieben. Der Verfasser glaubt, daß sein Hinweis genügen wird, die Innehaltung der Tarifordnungen zu erreichen. Wir glauben es nicht und wir dürfen die Herren Treuhänder darauf verweisen, daß sie selbst mit dazu beitragen, daß in den letzten Monaten dank ihrer Mithilfe eine Reihe von Tarifordnungen überhaupt aufgehoben worden sind. Da keinerlei Ersatz geschafft wurde, sind diese Arbeitergruppen völlig schutzlos der Willkür ihrer Betriebsführer ausgeliefert.
1511919
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det
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> So gab Homer den Griechen ein Menschenbild, das als Vorbild und Ansporn wirkend blieb durch die Zeiten hin. Aber über seine Zeit und sein Volk hinaus schenkte er uns ein Bild des Menschseins, das immer bewundernswert bleibt, weil es Fülle und Maß, Léidenschaft und Beherrschung in sich vereint, weil es erdennah ist und doch mit dem Auge des Ewigen gesehen ist. Es ist eine Form des Menschseins, die über die Vergänglichkeit alles Gestalteten hinweg an die Urgestalt des Menschen zu rühren scheint und deshalb immer wieder zu einem Prüfstein des Menschlichen zu werden vermag.<
Den Begriff» Mensch< gibt es vor Recht und Gesetz nach Karl Schmidt in der braunen Volksgemeinschaft nicht mehr. Es handelt sich also bei Knaus um einen Rückfall in veraltete humanitäre Sentimentalität. Die Berufung auf den nicht rassenreinen Homer, der zu seiner Zeit den Pege als einzig möglichen Typ der» Urgestalt< nicht vorauszuahnen vermochte, kann keineswegs strafmildernd wirken.
Neuer Vorwärts
Sozialdemokratisches Wochenblatt
Herausgeber: Ernst Sattler; verantwortlicher Redakteur: Wenzel Horn; Druck:> Graphia«; alle in Karlsbad . Zeitungstarif bew. m. P. D. Zl. 159.334/ VII- 1933. Printed in Czechoslovakia .
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