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165 BEILAGE

Heuer Vorwärts

9. August 1936

Die Halben und die Totalen

macht

Hitlers Offensive an der Kulturfront

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Die Rolle der katholischen Kirche

ver­

Die Halbheit der Gesinnung, mit der früher nicht mochte: das allein ist die rates«, das ihm mit seinem engeren Kol-, zesanblatt<< hat veröffentlichen lassen, so die an der bisherigen internationalen wahre Situation. legen, dem Prälaten Jugendpräses Wolker, rundet sich das Bild vollkommener Zer­Macht- und Rechtsordnung festhaltenden Unterdessen treiben nicht nur in angehängt worden ist, niedergeschlagen fahrenheit und Direktionslosigkeit der ku­An diesem Brenn­» Großmächte«, England voran, der Tota- Deutschland die innerpolitischen Dinge ge- wäre... Das sind, nur so ganz beiläufig, rialen Politik. lität und der Geschlossenheit der chaoti- radezu einer Großoffensive gegen die Kriegsbulletins allein aus den letzten punkt der über Europa schen Hitlerschen Dynamik bisher ent- den Katholizismus aus dem bis- acht oder vierzehn Tagen. hängten geistlich- sittlichen gegengetreten sind, hat dem deutschen herigen Zustand bloßen Gue- Gradezu grotesk aber wird das Ge- Auseinandersetzung! ent- samtbild kirchlicher Minus- Strategie, wenn Und das Dritte Reich? Es freut sich Usurpator sein Spiel ungeheuer erleichtert rillakrieges stimmungsmäßig mehr erleichtert, als je die bloße mili- gegen. Die» Reichsbürger «, schon durch man zur Zeit den Blick nach Oester- mordsmäßig über die allgemeine Verwir­tärische Stärke des von ihm repräsentier- die Devisenprozesse und ihre Art der Auf- reich richtet. Hier hat die Kirche durch rung, die es auch auf diesem Gebiet zu sei­ten Systems, das Kriegspotential des re- machung in der Nazipresse genügsam auf- den Hitler- Schuschniggschen Vertrag einen nem höheren Interesse hat anstiften kön­militarisierten Deutschlands allein den geputscht, sind durch die Sexualprozesse, ihrer Haupttrümpfe aus der Hand gege- nen! Da ist es Herr Göbbels anscheinend kontinentzerstörenden Zweck der Diktatur die ihnen ganz systematisch und und plan- ben, ohne auch nur den leisesten Versuch selbst, der in seinem» Angriff«( vom 28. fördern konnte. Ja, grade auch das mäßig folgten schmierigste Dinge, bei zu machen, ihn auf den Spieltisch zu le- Juli), einen Artikel der» Reichspost<< für Psychologische Ge denen die Aussagen von Schwachsinnigen gen. Und so mutet es wie ein ironisches sich ausschlachtend auf den Massenüber­schichte... Es ist kein Zufall, daß und schmetternde Fanfarenstöße der brau- Urteil des Weltgerichts an, wenn zum Bei- tritt österreichischer Katholiken zum Pro­genau dasselbe Chaos, das unberechenbar nen Staatsanwälte gegen das ultramontane spiel unter den jetzt von Deutschland frei- testantismus hinweist und es mit zu ge­die Gift den Hauptteil der Regie bestritten antagonistisch Gewordene, das heute gegebenen österreichischen Zeitungen ein höriger Grimasse gleich dem Partner und » deutschen Staat« ins Gesicht sagt: sogenannte Weltpolitik beherrscht, zeit­lich durchaus zusammenfällt mit einem genau gleichen seelischen Status im kleine­ren Rahmen des sogenannten innerdeut­schen Kulturkampfes. Wer schlägt sich zu wem? Wer bricht mit wem? Wann kommt das? Wie wird jenes verhütet oder doch wenigstens virtagt? Der Strom quä­lerischer Fragen, der über die Botschaften, Außenministerien und Parlamente heute hinwegfegt, rinnt in weniger mächtigem Bett, aber mit genau demselben Wasser im Trennungsgraben zwischen Kirche und System in Deutschland . Die Schuld­frage ist hier wie dort bei den » Halben« zu suchen, denen die » Ganzen« vom Schlage Hitlers immer überlegen sind.

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eine

die

Neuer Katechismus

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Du sollst nicht stehlen du sollst es nur dann, wenn du einwandfrei patriotisch bist

und wenn der von dir zu bestehlende Mann ein Demokrat ist, ein Jud', ein Marxist, dann darfst du stehlen.

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Du sollst nicht morden du sollst es nur tun, wenn der, den du morden willst, schutzlos ist, du selber hingegen parteiamts immun und ein braver, ein treuer Regierungsgardist dann darfst du morden.

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Du sollst nicht liefern, nicht Waffen noch Geld, so in anderen Staaten ein Aufstand geschieht. Du wehrst dich ja auch mit Geschrei, wenn die Welt deinem Land nur fern durch den Stacheldraht sieht.

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Du sollst nicht liefern.

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Du sollst nicht liefern du sollst aber doch, sofern die Rebellen von blutigen Geist. Schick Flugzeuge, Bomben und Geld noch und noch! Beteuerst du, daß du von garnichts was weißt, dann darfst du liefern.

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Du sollst nicht das gilt nur der niederen Brut, du selbst bist ein Herrenmensch, tu was du magst. Die Hauptsache: schrei, wenn ein Andrer es tut, und tu stets das Gegenteil des, was du sagst. Dann darfst du:

stehlen,

morden,

lügen,

Blut saufen bei dir zu Hause und im Ausland.

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» So nun weiß es die römische Kirche, welche Früchte für sie auf den Bäumen der deutschen Zwietracht wachsen!<<

auch

Daß der Verbrecher noch frech werden darf, das allerdings ist die Leistung des leider nur>> halben< Europa , gleichgültig, ob es sich in der Person von Mr. Baldwin oder des Herrn Innit­Sr. Emeninz, zer oder Schulte manifestiert! Dunkel ist die Zukunft dieses Kontinents in der nächsten Zeit. Noch dunkler das selbstverschuldete Schicksal der katholi­schen Kirche dort, wo auf diesem Konti­nent die große Entscheidung im Morali­schen fallen wird. H. E.

Die Situation im

evangelischen Lager

Ein Protestschritt der evange­lischen Bekenntniskirche bei Hit­ler selbst hat dieser Tage größeres Aufsehen in der Welt erregt. In der Tat verdient die Eingabe, die vor allem der Pfarrer Niemöller wohl auch ihr Verfasser dem» Führer< überreichen ließ, schon deshalb eine beson­sich dere Beachtung, als zum ersten Mal

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die evangelische» Opposition«( die zugleich die überwiegende Mehrheit der protestanti­schen Kirchentreuen darstellt) nicht nur mit den rein kirchlich- verwaltungs- oder bekennt­nismäßigen Streitpunkten gegen die Hitlerei beschäftigt, sondern sich erweitert zum all­gemeinem politischen und moralischen Pro­test in der Gesinnung; denn ausdrücklich wird in der Protesteingabe auch gegen das Wüten der Gestapo und die Existenz der Konzentrations­

umsonst

auch erahnen, was

Die

hier

in

der

Es heißt wieder einmal, daß demnächst, in der ersten Hälfte des August, neue Deutsche Bischofskonfe­renz in Fulda zusammentreten wird, um einer erneut» zugespitzten Situation<< im deutschen Kirchenkampf Rechnung zu tragen. Dürfen wir fragen, wie oft in den dreieinhalb Jahren schon solche Situatio­nen zugespitzt waren, ohne daß der Titel der» ecclesia militans« etwas anderes als eine blasse Erinnerung an längst ver­schollene Zeiten blieb? Man steht aller­dings vor der zugespitzten Situation<<, daß nun endlich das Dritte Reich das Kon­kordat auch formal kündigungsmäßig über Bord werfen will einfach deshalb, weil es mit in erster Linie durch wohlwollende und pflegliche Behandlung, die ihm die kuriale Politik in seinen An­fängen zuteil werden ließ, sich so in allen entscheidenden Machtpositionen in aller Ruhe festsetzen konnte, daß es gar keine » Brückenbauer« mehr gebraucht. Welches fast schnurrige Analogon etwa zur Rhein - in eine gradezu ekstatische Pfaffenfresse- Blatt vom» Haut Gout« des» Neuen Wie- lager Stellung genommen. landbesetzung und ihrer Geschichte! Die- reistimmung versetzt. Daß Polizei die Fron- ner Journals<< befindet, bei dem man sich Art, wie Hitler diese Eingabe selbst behan­ser ungeheuerliche problematische Zu- leichnamsprozessionen ähnlich wie Gefange- am besten vorerst den Ueberzieher an- delt hat( er hat sie nämlich gar nicht be­stand unseres Kontinents ist da, weil die nentransporte eskortiert mit entsicher- zieht, ehe man es liest, daß aber die handelt und sie einfach an seinen Kerrl wei-. >> Halben gegen die» Ganzen« standen und tem Gewehr, daß der Bischof( es ist dem» Reichspost«<, das kirchliche Hauptorgan tergeleitet) läßt letztere natürlich nicht halb, son- Grafen von Galem jetzt in Münster pas- trotz allen Verständnisses, das sie politisch nach der Olympiade kommen wird. Man hat dern ganz versagten. siert) mit der Brachialgewalt der Gen- dem Dritten Reich immer entgegenge- nicht den Machtapparat Wie ist die Lage der Kirche nach den darmerie und Gestapo verhindert wird, bracht hat, trotz all ihrer böotischen Hand... In der Tat heißt es schon jetzt, dreieinhalb Jahren ihrer>> Tolerierungs- unter seinen Gläubigen nach seinem Gut- Scharfmacherei gegen den» Marxismus « daß unter direkter Anführung des>> Reibi<<, politik«<? Kläglicher kann die Fragwürdig- dünken zu verweilen, daß Beamte diszipli- in aller Welt nicht auf der Liste der gnä- den man zu diesem Zweck, zu dem er aller­keit ihrer diplomatischen Position gar niert werden, die sich überhaupt an einer digst Gestatteten steht. Im österreichi- dings auch allein verwendbar erscheint, aus nicht gekennzeichnet werden, als durch gottesdienstlichen Zeremonie noch beteili- schen Klerikalismus geht es fast drunter seiner politischen Gruft wieder hervorzerren den einen Satz eines deutschgeschriebenen gen daß alles ist im letzten Vierteljahr und drüber, wenn man auf die Dinge hin- wird, ein Ausrottungskrieg gegen katholischen Blattes außerhalb des Drit- im Dritten Reich gang und gäbe gewor- ter den Kulissen und den Grad seiner den» Kirchen marxismus«( das ist ten Reiches(» Der Deutsche in Polen «), den. Schon wird ganz offen ausgerechnet, Einigkeit, wie er sich bei der von der jetzt der offizielle Partei- und Gestapo - Aus­das zum Teil fast einzige authentische was die Kirche verliert an moralischer Kirche selbst herbeigeführten Sachlage im druck) inszeniert werden wird. Quelle für deutsch - kirchliche Intentionen Stärke, wenn den Klöstern endlich, wie allerintimsten Zusammenhang mit ihrer kann sich ja jetzt Hitler manches erlauben, geworden ist und dem wir auch die Infor- schon lange erwartet wird, jede Erzie- Lage im Dritten Reich entwickeln mußte, was noch vor zwei Jahren schlechterdings mation über die Einberufung der neuen hungstätigkeit genommen wird, obschon auch nur oberflächlich blickt. Seit einigen unmöglich gewesen wäre. Fuldaer Konferenz entnommen haben. Der das die allerschnödeste Konkordatsverlet- Tagen ist es Mode geworden, daß hohe liegen die Gründe für diesen bedauernswerten Satz besagt: zung wäre; und man erfährt auf diese Kirchengestalten gegeneinander offen pole- Zustand weniger in der Stärke der Hitlerei, » Obwohl die wiederholten diplomatischen Weise, daß die katholischen deutschen misieren: Wiener Kardinal contra als in der so oft früher bewiesenen Schwäche Vorstellungen des Vatikans in Berlin ohne Orden allein 188 von 792 höheren Mäd- Salzburger Fürstbischof, der und Halbheit der anderen. den geringsten Erfolg geblieben sind, ist es chenschulen unterhalten, die jetzt sämt- eine, weil er die nationalsozialistische Ge­sicher, daß der Heilige Stuhl das Reichskon- lich mit Schließung bedroht sind, daß in fahr für überwunden hält und das tenden- Der Protest der kordat nicht kündigen wird, und zwar aus Preußen 26.522 katholische Mädchen ziöse Ammenmärchen vom angeblichen grundsätzlichen Erwägungen heraus; diese private, also meist kirchlich- klösterliche Sieg des» Ordnungsflügels« innerhalb der Initiative muß man schon der nationalsozia- Lehranstalten besuchen und 14.968 Hitlerei über die» Radikalen« aufgetischt listischen Reichsregierung überlassen....< öffentliche, daß es in Bayern sogar 10.332 hat welche ganz dumme Verkennung kenntniskirche«( unterschrieben von den Muß man schon wirklich? Ja gewiß, gegen 3128 sind. Man nimmt auch und des wahren Sachverhaltes und des We- geistlichen Mitgliedern der vorläufigen Lei­des Nazitums! dem Dieb sympathisiert bei solcher Allgemeinlage gar nicht mehr sens wenn man mit dem Dieb und der andere, tung der Deutschen Evangelischen Kirche < hat, kann man ihn nachher nicht beim mit besonderer Empörung zur Kenntnis, weil er ganz mit Recht die Gefahr jetzt sowie von dem» Rat der Deutschen Evangeli­Gendarmen angeben! Was soll da» grund- daß der Generalsekretär der katholischen erst kommen sieht, wo man das Verbrechen schen Kirche«) heißt es an der entscheiden­sätzlich<< sein, wenn ein Vertrag nach sei- Jungmänner- Vereine, also eine der distin- aus der bisherigen Quarantäne befreit hat. den Stelle, mit der zum ersten Mal die» Op­der Linzer position« ihre auch von Leuten wie Karl nem juristischen Wesen schon dazu da guiertesten Respektspersonen der Kirche, Fügen wir noch hinzu, daß ist, gehalten und bei Nichteinhaltung ge- in der Haft so mißhandelt worden ist, daß Bischof gerade jetzt die beiden sehr schar- Barth beklagte Gleichgültigkeit und Gesin­kündigt zu werden? Mit bloßen und seine Gesundheit vollständig gebrochen ist fen Kundgebungen des holländischen Epis- nungsarmut in den jenseits des rein kirchlichen nichtssagenden Worten ist da doch gewiß und er jetzt einem Sanatorium zugeführt kopates über die Unvereinbarkeit der Ka- Fragen, die nicht die Wirklichkeit einer Situation weg- werden mußte, ohne daß deshalb das hoch- tholizismus mit der Zugehörigkeit zum Na- Streitkomplexes liegen, preisgibt und durch zufegen! Die Kirche kann nicht, weil sie notpeinliche Verfahren wegen» Volksver- tionalsozialismus in seinem amtlichen» Diö- die sie ihre Kundgebung, auch zum ersten

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nur

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Auch hier

Und auch hier

Bekenntniskirche

In der Protestschrift

der» Be­

entscheidend- sittlichen