Nichtbeantwortung des berühmten Frage- 1 bogcns. Sie erblickten darin einen Verstoß gegen die diplomatischen Gebräuche und gegen die internationale Höflichkeit. Sic.eriialten nun endlich einen neuen Botschafter, und was für einen! Sie keimen ihn schon, sie kennen ihn zur Genüge. Dieser Botschafter ist ein Programm. Zu den erhabensten und scharfsinnigsten Geistern gehört Ribbentrop bestimmt nicht— um so erfahrener ist er in den Künsten der Intrige und der Geschmeidigkeit, mit einem Worte, in der Politik der Hintertreppe. Auch die Macht des Räsonnements ist bei ihm nicht weit her— sie beschränkt sich im wesentlichen auf die These, daß der Nationalsozialismus nur ein Ziel kenne, die Welt vor dem Bolschewismus zu bewahren. Die Geistigkeit dieses Mannes und der von ihm vertretenen Politik läßt sich auf die Formel bringen: Feine Leute aller Länder, vereinigt euch gegen die Volksmassen! Das ist der Köder, den die Hitlerpolitik auswirft, und zeigt sich nicht bei den feinen Leuten aller Länder eine instinktive Geneigtheit darauf hereinzufallen? Auch in den demokratischen Ländern gibt es große Gruppen der Besitzenden, die insgeheim sagen: lieber die faschistische Diktatur als den Sozialismus. Daß dies zugleich bedeutet: lieber die internationale Anarchie, als die kollektive Sicherheit, lieber den imperialistischen Krieg als den Frieden und das internationale Recht, stört diese Kreise nicht, die immer viel mehr Sinn für Klassenmachtpoaitio- nen als für Kulturwerte gehabt haben. Die Ernennung Ribbentrops zum Lon doner Botschafter zeigt, welcher Art die Verständigung zwischen Deutschland und England sein soll, die das Hitlersystem anstrebt. Es soll eine Verständigung nicht der Volksmassen, sondern der Imperialisten beider Länder sein. Darin liegt eingeschlossen, daß diese Verständigung auf Kosten dritter gehen soll— sei es Frankreich , sei es Sowjetrußland, sei es Mitteleuropa . Diese Verständigung soll dem deutschen Imperialismus freie Hand geben zu Raubzügen, die er als Kreuzzug gegen den Bolschewismus tarnen will. In dieser Richtung lag bereits das berüchtigte Flottenabkommen vom Jahre 1935. Wenn diese Politik Zum Ziele führen sollte, so müßten sich allerdings entscheidende Wendungen in England selbst vollziehen. Dann müßte an die Stelle einer parlamentarischen demokratischen Politik eine brutale Machtpolitik des Großbesitzes und der Imperialisten treten. Die Zäele der Hibben troperei sind mit der gegenwärtigen Fassade der englischen Politik jedenfalls unvereinbar, und es läßt voraussehen, daß die Aera Ribbentrop in London aus fortgesetzten Versuchen bestehen wird, eine bösartige Politik der Hintertreppe und der Täuschung der Oeffentlichkeit durchzuführen. Der Mann, der in Deutsch land eifrig geholfen hat, Hitler über die H ntortreppe in die Macht zu schieben, wird intrigieren, um rden germanophilen Imper ialisten in London das Ruder in die Hand zu geben. Die englische offizielle Auöenpofitik befindet sich in einer schweren geistigen Krise. Sachkundige Beobachter wie Wick- ham Steed stellen besorgt fest, daß die englische Regierung das Steuer losgelassen hatte und ihre Richtungspunkte verloren habe. Das ist eine günstige Gelegenheit für intrigente Machtpolitiker. Ribben trop hat sich in England bereits als internationaler Intrigenspinner eingeführt, als er unter dem Vorwand privater Besuche hochpolitische Besprechungen mit dem früheren Luftfahrtminister Lord London- derry in Anwesenheit führender Militärs und Fliegeroffizieren führte. Das ist jene Richtung, die auf ein imperialistisches Bündnis mit Deutschland hinarbeitet, die mit dem Gedanken eines neuen englischjapanischen Bündnisses liebäugelt, die einer Vertiefung der englisch -sowjetrussischen Beziehungen entgegenarbeitet, und die innerlich durchaus willens ist, die faschistische These von der bolschewistischen Gefahr anzunehmen— weü sie ihren Klasseninstinkten entspricht, Diesen Tendenzen stehen in England mächtige Strömungen entgegen, und je mehr sich das wahre Gesicht der braunen Außenpolitik enthüllt, um so unwahrscheinlicher wird es, daß die Hitlerpolitik ihre Ziele mit englischer Hilfe wird durchführen können. Die diplomatischen Besprechungen zur Vorbereitung der sogenannten Fünferkonferenz, die nun in Lon don besonders eifrig geführt werden dürften, werden die demokratischen Lander Die Internationale Verschwörung Die Hand des Nationalsozialismus in Griechenland und Bulgarien Der Faschismus macht in zwei Balkan - 1 ändern Fortschritte, in Griechen land und in Bulgarien . Beides sind Länder, um deren Einbeziehung in den faschistischen Block das Dritte Reich sich sehr bemüht. Beide Länder haben in der letzten Zeit den Wünschen Hitlerdeutschlands Entgegenkommen gezeigt— in wirtschaftlicher wie in politischer Hinsicht In Griechenland hat der Ministerpräsident M e t a x a s mit Zustimmung des Königs einen Staatsstreich unternommen. Er hat das Parlament aufgelöst ohne Neuwahlen anzuordnen, er will die Parteien abschaffen und eine regelrechte Diktatur nach faschistischem Muster errichten. Als Vorwand für den Staatsstreich hat ein vierundzwanzigstündiger Proteststreik der Arbeiterschaft gedient. Dieser Streik sollte eine Demonstration für die Ziele der Arbeiterschaft gegen die Absichten von Metaxas sein. Die Arbeiterschaft verlangt das Koalitionsrecht und das Streikrecht, Metaxas dagegen wollte eine Zwangsorganisation nach italienischem und deutschem Muster, die keinen Raum für das Streikrecht läßt. Die parlamentarische Position von Metaxas war erschüttert, seine Parlamentsmehrheit im Begriff, von ihn abzufallen. Also wurde eine kommunistische Gefahr« erfunden — eben die elementaren Forderungen der Arbeiter— um damit den Staatsstreich zu rechtfertigen. Das neue Regime ist eine reine Militärdiktatur reaktionären Charakters. Eis wird von der Presse des Dritten Reich gelobt, die, wie die»Frank furter Zeitung « in echt faschistischem Geiste versichert, daß»immer weitere Kreise der Bevölkerung das alte Parteiensystem als ein störendes Ueberbleibsel der Vergangenheit« empfunden hätten, das »den Bemühungen des Königs um die Herstellung einer nationalen Solidarität hindernd im Wege stand.« Das klingt verdächtig. Die Sowjetpresse jedenfalls beschuldigt offen Metaxas und den griechischen König, das sie sich in den Hitler - schen Block einfügen wollten und spricht von geheimen Abmachungen. In Bulgarien ist der nationalsozialistische Einfluß ganz offenkundig. Das bulgarische Diktaturkabinett verwandelt sich immer mehr in ein Kabinett Z a n k o w. Zankow hat im Jahre 1923 in Bulgarien ein Regime des Terrors und der politischen Morde errichtet. Er ist ein notorischer Parteigänger des deutschen Imperialismus. Während alle Parteien verboten sind, dürfte er eine»bulgarisch nationalsozialistische Bewegung« organisieren. Er hat sich zum»Führer von Bulgarien « wählen lassen, zwei gegenwärtige Minister zu seinen Gehilfen und Stellvertretern. Er hat sogar»Sturmabteilungen « gebildet. Die profaschistische Politik des Zaren Boris und die prohitlersche Politik Zankowssind nach dem deutsch -italienischen Akkord unter einen Hut gebracht worden. Der kriegslüsterne Revisionismus bereitet sich auf neue Kriegsabenteuer vor. Es ist allerdings fragüch, ob die Diktatoren statt ihre Länder zu bündnisfähigen Kriegsmächten zu machen, sie nicht in vollkommene innere Zerrüttung stürzen; denn die Widerstände sind in beiden Ländern groß und die Opposition macht Anstrengungen, sich zu formieren. Vasallen und Bundesgenossen Hitler hat am 6. August aus Anlaß der Olympiade einen Fürstenempfang veranstaltet. An diesem Empfang nehmen teil (außer dem Erbprinzen von Schweden , der als Wandschirm vor dem wahren Charakter des Empfanges diente): Italien : der Kronprinz von Italien und Prinzessin Marie von Savoyen, Prinz und Prinzessin Philipp von Hessen , der italieni sche Propagandaminister und Gattin, die beiden Söhne Mussolinis, der italienische Botschafter. Griechenland : der Kronprinz von Griechenland , der griechische Gesandte mit Damen. Bulgarien ; der König von Bulgarien . Diese Zusammensetzung kennzeichnet den Charakter des Empfangs, sie ist eine kleine Illustration Air faschistischen Blockbildung. vor wichtige Entscheidungen stellen. Wollten sie vor der Ribbentroperei kapitulieren, so würden sie durch eine solche Kapitulation sich jedenfalls nicht nur in die europäische Anarchie, sondern auch in erhebliche innerpolitische Kämpfe stürzen. Aber das ist ja gerade das Ziel der Hitlerpolitik! Sie ist eine Politik der Anarchie und der allgemeinen Brandstiftung, und mit diesem Programm geht Ribben trop nach London . Wllhelmslraße— befestigt Wir die kommunistische»Deutsche Volkszeitung« mitteilt, sind in Görings Reichaluft- mlnlsterium Maschinengewehrtürme eingebaut worden. Von diesen Maschinengewehrnestern aus läßt sich die Wilhelmstraße vollständig beherrschen. Da nicht gut behauptet werden kann, daß das Dritte Reich in der Wilhelmstraße eine Schlacht mit dem äußeren Feind befürchte, müssen diese Maschinengewehre gegen den inneren Feind bestimmt sein. Die Leute, die angeblich das Volle hundertprozentig hinter stich haben und die tausend Jahre regieren wollen, müssen also schwere Träume haben— von zornigen Volksmassen, die kommen, um sie zur Verantwortung zu ziehen. Kube abgeseift Ende eines treuen Würdenträgers Der Gauleiter des Gaues Kurmark der NSDAP Jakob Kube ist von seinem Schicksal ereilt worden. In drei kurzen Zeilen an unauffälliger Stelle gibt der»Völkische Beobachter« bekannt: »Auf Grund eines schwebenden Parteigerich taverfahrens hat der bisherige Gauleiter der Kurmark, Kube, seine sämtlichen Aemter niedergelegt.« Sein Nachfolger ist bereits ernannt, mit Jakob Kube ist es endgültig aus. Er ist eine der widerlichsten Gestalten in der natlonal- sozialis tieeben Parteihierarchie gewesen. Er war kein alter Kämpfer, sondern ein Deutschnationaler, der einst nach dem Schutze der republikanischen Polizei vor dem Terror der Nazis gerufen hatte, als sie seine Versammlungen sprengten. Um so gehässiger und gemeiner ist er später im preußischen Landtag gegen die republikanische Preußenregierung aufgetreten, der er einst die Nazis als Verbrecher und Gesindel denunziert hatte. Dieser charakterlose Bursche hat in seiner Despotie einen einzigen großen Saustall von Korruption, Unterschlagung, Aemterschacher angerichtet. Wir haben im»Neuen Vorwärts« seinerzeit einige besonders krasse Fälle von nationalsozialistischer Unsauberkeit und von moralischer Zerfressenheit in der national- sozdalistischen Verwaltung aus seinem Gau niedriger gehängt. In den höchsten Spitzen der ihm unterstellten Amtswalter der NSDAP folgte eine Schweinerei der anderen. Einer seiner Untergebenen hat sich erschossen, nachdem riesige Unterschlagungen ans Tageslicht gekommen waren, andere wurden abgesetzt. Er selbst hat sich bisher gehalten. Die lakonische Mitteilung des»Völkischen Beobachters« läßt jedoch nicht erkennen, aus welchem Grunde er den Tritt erhalten hat. Korruption ist in allen nationalsozialistischen Gauen das Gewöhnliche Wegen Bereichemng und Paschawirtschaft ist noch kein nationalsozialistischer Würdenträger geflogen. Naheliegender ist, daß sich Kube bei einer Richtung engagiert hat, die augenblicklich mißliebig ist. In welchem Gefängnis oder Speziallager er verschwinden wird, oder ob er den obligaten»Selbstmord« begeht, interessiert uns nicht weiter. Er hat das schlimmste Schicksal tausendfach verdient. Saubere und+unsaabere Luft Der ständige Sekretär des engiischen Luftfahrtministeriums, Sir Christopher Bullock, ist auf dem Disziplinarwege unter Verlust des Pensionsanspruchs aus dem öffentlichen Dienst entlassen worden. Der Beamte— sein Rang entspricht dem eines Staatssekretärs in Deutschland — hatte mit der privaten staatlich unterstützten Gesellschaft Impe rial Airways über seine Uebernahme in den Vorstand dieser Gesellschaft verhandelt. Diese in seinem Privatinteresse geführten Verhandlungen gelten als Verstoß gegen das englische Beamtengesetz, den Civil Service Code. Von dieser strengen Sauberkeit hat die deutsche Großindustrie, und namentlich die Schwerindustrie nie etwas gehalten. Sie hat jederzeit Beamte, die ihr nützlich gewesen waren. In führenden Vorstands- und Auf- aichtsratsstellungen untergebracht, sie hat jederzeit darauf hingearbeitet, daß gewissermaßen eine Fluktuation zwischen Industrie und Verwaltung stattfand. Mit dem Anbruch des braunen Systems ist die Trennung von Verwaltung und Industrie auch vom Staate her verwischt worden. 13er Prozeß der»Gleichschaltung«, in dem private Bereicherungsinteressen sich als politische Interessen ausgeben, hat ein tolles Durcheinander geschaffen— nicht nur auf dem Gebiete der Industrieverwaltung, sondern auch auf dem Gebiete des Industriebesitzes. Es wäre sehr Interessant zu erfahren, wie nach englischen Sauberkeitsbegriffen die Tatsache bewertet wird, daß der deutsche Luftfahrtminister seit seinem Eintritt als preußischer Ministerpräsident in die Regierung in den Besitz eines großen Aktienpaketes der Bayrischen Motorenwerke gekommen ist, so daß er direkten Vorteil von der Politik der deutschen Luftaufrüstung zieht, die von ihm eingeleitet worden ist und in gigantischem Ausmaß vorwärtsgetrieben wird. Erinnerung an einen Neineid Am 3. August fand Im Sterneckerbräu in München eine nationalsozialistische Gedenkfeier statt. Sie galt, wie der»Völkische Beobachter« mitteilt, der»Geburtsstunde der Sturmabteilung vor 15 Jahren.« Der»Völkische Beobachter« berichtet: »Das stille Leiberzimmer im Sterneckerbräu Ist nicht nur die Wiege der Bewegung, in seinen waffengeschmückten Wänden schlug auch die Geburtsstunde der»Tum- und Sportabteilung«, die wenige Monate später den Namen»Sturm« abteilung« erhielt.« Hitler hat in dem bekannten Reichsgerichtsprozeß gegen hochverräterische Offiziere, In dem er seine Legalität beschwor, bestritten, daß SA Sturmabteilung heiße. Noch im Jahre 1932 hat der damalige Chef der SA , von Pfeffer, vor Gericht feierlich beschworen, daß SA Sportabteilung heiße und nie Sturmabteilung bedeutet habe. Heute feiern sie, was sie damals abgeschworen haben. Diese Erinnerung an einen bewußten, straffälligen Meineid ist zugleich eine Erinnerung an die Begünstigung, die die meineidigen Hochverräter von einer nicht mnrtwr meineidigen Justiz erfahren haben. rm'A'Mi*»«»yj Olympia-Pleite in Polen Aus Polen wird uns geschrieben: Die gleichgeschalteten Zeitungen der deut schen Minderheit in Lodz , Bromberg und Posen haben seit Monaten großzügige Propaganda für den Besuch der Olympiade gemacht, Sie haben Sonderzüge zur Olympiade bestellt und Massenbesuch angekündigt. Diese Aktion hat mit einer großen Blamage geendet. Eine Zeitung, die sich gerühmt hat, daß sie bereits 2000 Teilnehmer geworben habe, brachte, bei der Abfahrt des Zuges nur 120 Teilnehmer zusammen. Und ähnlich erging es allen anderen. Große Inserate, lockende Versprechungen, der ganze Propagandarummel, der einen Begeisterungsrausch erzeugen sollte— alles ist nun dahin. Woher dieser Zusammenbruch? Die Wogen der Begeisterung gingen anfänglich hoch, aber sie ebbten ab, als die Begeisterten erfuhren, daß Hitlerdeutschland Ihnen nichts schenken wollte, sondern vielmehr auf ihr Geld wartete. Denn opfern— opfern für das braune Vaterland, das wollten sie denn doch nicht. Handelspolltisffae Brandstiftung Gegenwirkung gegen Schacht. Während des Besuches Schachts in Jugo slawien hat Jugoslawien eine Art von Einfuhrsperre gegen britische Waren auf dem Wege der Devisenzuteilung eingeführt, um Raum für deutsche Einfuhr zu schaffen, die als Bezahlung für die aufgelaufenen deutschen Schulden dienen sollten. In diesem Falle hat die Schachtsche Taktik den jugoslawischen Gläubiger in eine böse Lage gebracht. Die englischen Exporteure haben laut Beschwerde erhoben und die englische Regierung ist in Jugoslawien vorstellig geworden, da diese Sperre einen Bruch des englisch -jugoslawischen Handelsvertrags darstelle. Verhandlungen über tflese Beschwerde sind augenblicklich in Gang. Die Schachtsche Taktik läuft nicht nur auf einen Betrug und eine Erpressung an den Gläubigern hinaus, sie schafft darüber hinaus noch handelspolitische Konflikte zwischen Ländern, die bisher friedlich miteinander verkehrten. Sie fügt zu der allgemeinen polltischen Brandstiftung des Systems noch die handelspolitische Brandstiftung.
Ausgabe
4 (16.8.1936) 166
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