Friedeiuvertrfise zur KrieisvoHtung Der Angriff auf die kollektive Sidierheit

Zk-l bewußt die deutsche Politik an die wirtschaftliche Durch­dringung des mittel- und ost­europäischen Raums. Dazu bewe­gen sie einmal ökonomische Gründe. Darrcs Agrarpolitik stößt trotz des unerhörten Aufwand an Kosten, Organisationsarbeit und Versklavung der Landarbeiter auf schwer zu überwindende Schranken. Die Ausdehnung der Emte- flächen und die Intensivierung des Anbaus haben bisher trotz aller Ernteschlachten zu keinen Erfolgen geführt und immer aufs neue ergeben sich Versorgungsschwie­rigkeiten. Dazu kommt, daß mit der Hoch­konjunktur in der Rüstungsindustrie auch die Schwierigkeiten wachsen, die verelen­deten Landarbeiter auf der Scholle festzu­halten. Die Aufrufe gegen die Landflucht mehren sich und drohend wir sie jüngst in Hessen , den Arbeitern, die natürlich grundlos ihren Arbeitsplatz verlassen, angekündigt, daß»die gegebenen gesetz­lichen Vorschriften unnachsichtlich gegen sie zur Anwendung gebracht« werden. Die bayrische Regierung und der bayrische Bauernführer sind noch weiter gegangen. Landwirtschaftliche Arbeitskräfte, die das Verbrechen begehen, ihre Stellung zu ver­lassen, weil ihnen anderwärts höhere Löhne geboten werden, gegen die werde mit Schutzhaft und Konzentrationslager vorgegangen werden! Die Maßnahmen sind nicht nur bezeichnend für den natio­nalsozialistischen Geist, sie zeigen zu­gleich, daß die Darresche Politik an die Schranke der Arbeitsversorgungsmöglich- keit stößt. Auf alle Fälle geht der Autar- kisierungsprozeß nicht so rasch voran wie es das Bedürfnis der Kriegsbereitschaft erfordert und deshalb muß der deutsche Wirschaftsraum durch agrarische und Rohstoffgebiete ergänzt werden, deren Produktion auf das deutsche kriegswirt­schaftliche Bedürfnis allmählich umge­stellt wird und die zugleich in der militä­rischen Reichweite der deutschen Diktatur liegen. Zu dem wirtschaftlichen kommt der politische Zweck. In dem Verhält­nis zu dem großen Deutschen Reich sind die kleinen Staaten die weitaus Schwächeren. Ihre wirtschaftliche Angewiesenheit führt nur zu leicht zu dem, was Schacht nach seiner Balkanreise politische Freundschaft genannt hat, und was in Wirklichkeit p o- litische Abhängigkeit bedeutet. Die nationalsozialistische Propaganda hat es verstanden, sich fast in allen Kleinstaa­ten nicht nur in den deutschen Minoritä­ten, sondern auch in den reaktionären, mi­litaristischen und faschistischen Kreisen starke Stützpunkte zu schaffen. Mit dem Ausbau der Wirtschaftsbeziehungen kom­men jetzt in den agrarischen und Roh­stoffproduzenten und Lieferanten wich­tige Interessenten hinzu, die»Freund- schafts«beziehungen zur deutschen Dikta­tur fordern. Und dazu gesellt sich noch der nicht gering zu schätzende Vorteil, daß der Abschluß solcher Wirtschaftsver­träge als Beweis von Friedenspolitik, von Ausräumung wirtschaftlicher Konflikts­möglichkeiten ausgegeben werden kann, also als das gerade Gegenteil dessen, um was es sich in Wirklichkeit handelt; der Verstärkung der Kriegsrüstung... Das deutsdi-lliauisdie Abkommen Ein Musterbeispiel dieser Politik stellt das neue deutsch -litauische Wirtschaftsabkommen dar, das am 5. August in Berlin unterzeichnet wor­den ist. Der gesamte Warenverkehr zwi­schen beiden Ländern wird auf der Grund­lage der Gegenseitigkeit neu geordnet. Die Zahlungen werden auf den Verrechnungs­weg abgewickelt. Das Abkommen schließt auch eine umfassende Neuregelung des Grenzverkehrs ein, der seit geraumer Zeit unterbrochen war. Ehe deutsche Diktatur hatte in den letz­ten Jahren den früher recht regen Wirt­schaftsverkehr mit Litauen fast völlig zum Stillstand gebracht, um von einem Druck zu einer ihr genehmen Regelung der Me- melfrage auszuüben. Umfaßte der deut­sche Außenhandel mit Litauen in den Jah­ren 1926 30 in Ein- und Ausfuhr etwa je 60 Millionen jährlich, so ging die deutsche Ausfuhr von 60,1 Mill. RM im Jahre 1930 auf 6,7 Mill. im Jahre 1935 zurück. Die Einfuhr aus Litauen , die 1930 noch 67,9 Mill. RM betragen hatte, betrug im ersten

Halbjahr 1936 nur noch 2,6 Mill. RM. Nicht nur die Litauer, sondern auch die Deut­ schen Memels litten außerordentlich unter dem Hitler-Boykott. Nur allmählich bes­serte sich die Lage durch Umstellung des litauischen Außenhandels auf Rußland und hauptsächlich auf England, das gegenwär­tig fast die Hälfte des litauischen Exports aufnimmt. Diese Besserung in der Wirt­schaftslage des kleinen Landes ist es auch, die zur Aenderung der deutschen Taktik beigetragen hat. Der neue Vertrag setzt Kontin­gente fest, durch die Litauen seine Ein­fuhr zunächst auf etwa 12,6 Mill. RM er­höht und Deutschland sich zur Abnahme bestimmter landwirtschaftücher Produkte verpflichtet. Der Schweine-Import wird in der Höhe von 3,36 Mill. RM zugelassen, was für Memel von besonderer Bedeutung ist, während der nächstgrößte Posten But­ter mit 2,5 Mill. RM vor allem für Litauen selbst ins Gewicht fällt. Für Memel ist auch die neue Absatzmöglichkeit von Zucht- und Schlachtvieh wichtig, um so mehr, da nach den veterinärpolizeilichen Abmachungen alles Vieh, auch das von Litauen gelieferte, in Memel von deutschen Stellen aufgekauft und geschlachtet wird. Nimmt man hinzu, daß der kleine Grenz­verkehr, für den besondere Erleichterun­gen vorgesehen sind, eine Zone von 10 Kilometern umfaßt, die mehr als die Hälfte des Memelgebiets einschließt, so kann man schon von einer gewissen Eingliederung des Memelgebiets In das deutsche Wirtschafts­gebiet sprechen. Seine politische Bedeutung Aber noch wichtiger als die ökonomi­sche Bedeutung des Vertrages, die in einer recht nützüchen Ergänzimg der deutschen Ernährungsgrundlage besteht ist seine politische Tragweite. Mit kei­nem Lande außer Sowjetrußland hatte die deutsche Diktatur so schlechte Beziehun­gen wie mit Litauen . Ausdrücklich hatte Hitler zunächst Litauen von seinen An­geboten zweiseitiger Nichtangriffspakte ausgenommen, die gleichgeschaltete Presse mußte immer wieder von Entrü­stung über die Vergewaltigung Memels beben und die»Feindstaaten« wurden als Garanten des Memelstatuts mit deutschen Protesten bombardiert, denen namentlich England auch Genüge zu tun trachtete. Memel galt als Krisenherd erster Ordnung und viele Leute wußten bestimmt, daß es nach der Olympiade dort losgehen werde. Noch im berüchtigten Fragebogen

erkundigte sich Englands Regierung be­sorgt nach den Absichten Deutschlands gegenüber Litauen . Hitler hat einen anderen Weg gewählt. Es heißt das Zielbewußtsein der deutschen Gewaltpolitik unterschätzen, wenn man ihr zumutet, sie gäbe sich mit kleinen Din­gen zufrieden. Auch in der Außenpolitik ist sie totalitär und sie sammelt alle Kraft für die große Auseinandersetzimg, die eine Auseinandersetzung mit den Westmächten oder mit Rußland sein muß. Der Vertrag ist in Berlin als neuer Friedensvertrag pro­klamiert wordeh und feierlich wurde er vom Außenminister Neurath selbst und vom litauischen Gesandten Saulys unter­zeichnet. Ein offizielles Berliner Kom­munique gibt den Verträgen ausdrücklich die Auslegung, sie seien beiderseitig be­wußt in der Absicht abgeschlossen, zu einer Entspannung der Beziehungen beizu­tragen. Die offiziöse Berliner »Börsen­zeitung« sieht voraus, daß Litauen in seiner Politik im Memelgebiet den deutschen Wünschen mehr als bisher Rechnung tragen werde. Litauen werde von nun an sicherlich die Voraussetzungen für eine ersprießliche Weiterentwicklung auf der Grundlage und im Geiste des Abkommen schaffen. Daß diese Politik wohl über­legt ist, zeigt die Tatsache, daß Hitler die ersten Schritte schon am Tage der Rhein­landbesetzung gemacht hat, als er in sei­ner Reichstagsrede seine Bereitschaft er­klärte auch mit Litauen einen Nichtan­griffspakt abzuschließen. Deutschland und nicht Litauen ergriff dann die Initiative zu den Wirtschaftsverhandlungen. Indem Deutschland diesen Vertrag, von dem es auf die Dauer immer stärkeren Ein­fluß in dem kleinen Lande erwartet, das mit Polen bisher wegen des Raubs von Wilna schwer verfeindet ist und sich vor dem mächtigen Sowjetstaat fürchtet, mm abschließt, will es den Westmächten, vor allem England beweisen, daß es selbstän­dig, ohne sie und ohne Völkerbund, aber auch ohne Gewalt mit den Schwierigkeiten in Osteuropa fertig werden kann. Hat es das nicht schon mit seinem polnischen Ver­trag von Januar 1934 und erst recht neuer­dings mit dem österreichischen Abkom­men vom 11. Juli bewiesen? Deutschland schafft jetzt an einer Stelle, wo nament­lich die öffentliche Meinung Englands un­mittelbare Kriegsgefahr befürchtet hat, zunächst eine Entspannung. Ist das nicht

eine schlagende Widerlegung der franzö­ sischen Politik der kollektiven Sicherheit, der Notwendigkeit der von Frankreich und England zu garantierenden Regionalpakte, des ganzen Völkerbundssystem über­haupt? Und ist es deshalb nicht ein aus­gezeichnetes Mittel einen neuen Keil zwischen die englische und französische Politik zu treiben, die öffentliche Meinung Englands zu be­ruhigen, sie von den Friedensabsichten Hitlers endlich zu überzeugen und so auf der künftigen Locamokonferenz Frank­ reich zu isolieren und England auf die italienisch-deutsche Seite zu ziehen? Und ist diese Spekulation so abwegig, wo doch in England Regierung und Opposition so gern überzeugt sein möchten? Hitlers Friedensverträge haben es in sich. Der Vertrag mit Polen , dem»Alliier­ten« Frankreichs , hat Deutschlands Ost­grenze entlastet und zugleich Rußlands Isolierung von Europa herbeizuführen ver­sucht. Deutschlands Vertrag mit Musso- Uni über Oesterreich hat die deutsch - ita­lienische Kooperation gegen die West­mächte befestigt, ihre Räubersoüdarität gegen England und Frankreich gestärkt und trägt heute in Spanien schon seine Früchte. Der Vertrag mit Litauen , dem Ländchen zwischen Deutschland und Ruß­ land , verspricht das strategisch wichtige Gebiet allmählich in die deutsche In­teressensphäre einzubeziehen. Ist die Hoffnung so unberechtigt, im Memelgebiet einmal einen Stützpunkt zu gewinnen, der im Ostseeraum Deutschlands Stellung gegen Rußland bedeutend verstärken könnte? Hitlers Friedensverträge sind ein wichtiges Glied in der deutschen Kriegs- vorbereitnng, die wirtschaftliche und po­litische Ergänzung seiner Kriegsrüstung. Dr. Richard Kern.

Ihre innere Kolonisation Nach»Wirtschaft und Statistik«(1. Juli- heft) Ist die landwirtschaftliche Anbaufläche die Deutschland von 1933 bis 1936 um 616.000 Hektar, also 6X60 Quadratkilometer zurückgegangen. Das sind, um es bildhaft zu machen, etwa zwei Fünftel der Gesamtfläche des Landes Sachsen . Das sind wie das Neue Tage­buch erläutert fünf Prozent der gesamten Anbaufläche; es ist mehr, als die Republik In zehn Jahren intensivster LandwirtschaftsfUr- sorge hatte zubauen können. Die heutigen An­bauflächen sind geringer, als sie in den schlechtesten Inflationsjahren waren. In drei Jahren Danäpolltik hat der Ackerbau eine Provinz verloren. Das ist ihre innere Kolonisation! Ilm so lauter schreien sie nach überseeischen Kolonien.

Brüdiige Freundsdiaft Der Kampf um die Minderheiten zwischen Warschau und Berlin

Die wachsende Spannung zwischen den Berliner und Warschauer Machthabern kommt in den letzten Wochen in der polni­schen Presse immer deutlicher zum' Aus­druck. Die Danziger Ereignisse haben nicht wenig dazu beigetragen. Nachdem der pol­nischen Minderheit in der Freien Stadt Dan- zig jede politische und kulturelle Tätigkeit unterbunden wird und einige Versammlun­gen der Polen In Danzig polizeilich unter­bunden wurden, schlägt die Regierungspresse Lärm und man notiert jetzt eifrig jede De­monstration, die in Polen im Zusammenhang mit den Danziger Ereignissen als Protest gegen den Senatspräsidenten Greiser und für den Völkerbundskommissar abgehalten wer­den. Die Warschauer Demonstra­tion, an der sich neben den Sozialisten auch die Klassenkampfgewerkschaften be- telUgt haben, nahm offen Stellung gegen die Außenpolitik des Obersten Beck und forderte den Bruch mit Deutschland , zugleich auch eine Erweiterung der Rechte Polens im Frei­staat Danzig . Wir übergehen den nationa­listischen Eifer, der bei der Warschauer Pro­testkundgebung gegen Danzig zum Ausdruck kam, unterstreichen aber, daß an den Pro­testaktionen in Ostoberschlesien gegen Danzig auch offizielle Persönlichkeiten beteiligt wa­ren, darunter in Chorzow als Redner gegen Danzig der schlesische Sejmmar­schall Grzesik, der sich in Warschau einer besonderen Unterstützung erfreut. Aber die Danziger Proteste in Polen sind nur Teilerscheinungen der wachsenden Ge­gensätze, die sich besonders in der Minder­heitenbehandlung auswirken und neuerdings in Ostoberschlesien zum Verbot einer

Ortsgruppe des Verbandes Deutsoher Katho­liken in Radzionkau bei Tamowitz führten, weil dessen Jugend angeblich einer Nazige- heimorganisation angehört haben soll, die inzwischen von den polnischen Behörden, als »Oberschiesischer Wanderbund«, aufgelöst worden ist. Wie die polnischen Sicherheits­behörden mitteilen, handelt es sich beim Oberschlesischen Wanderbund um eine Teil­organisation der geheimen Na­ tionalsozialistischen Arbeiter­bewegung, deren Mitglieder vor kurzem erst zu feist 300 Jahren Gefängnis wegen Ge­heimbündelei und Putschvorbereitungen gegen den polnischen Staat verurteilt worden sind. Eine weitere Geheimorganisation, die die Femegruppe der NSDAP bilden sollte, Ist jetzt in Chorzow von den polni­schen Behörden entdeckt und gleichfalls liquidiert worden, die sich unter dem Namen »Schwarze Hand « tarnte und von denen etwa 40 Mitglieder Im Verlauf der letzten Wochen verhaftet wurden. Die Sicherheitabehörden behaupten, daß diese Organisation, wie die frühere NSDAP , zu reichsdeutschen Stellen Beziehungen habe, weil ein Teil der Mitglie­der wieder nach Deutschland entkommen konnte und so die restlose Liquidierung dieser Geheimorganisationen verhindert. In Pommerellen hat der Reservisten­verband in Gegenwart eines aktiven Ober-, sten auf einer Generalversammlung offen größere Wachsamkeit gegenüber den deut-i sehen Organisationen gefordert und deren Verbot als eine Notwendigkeit hervorge­hoben, es genüge nicht, wenn nur hier und da eine Ortsgruppe der Hitlerorganisation verboten werde, man müsse sie alle beseiti­

gen, da nur so der Bestand der polnischen Republik gesichert sei. Dies sind nur einige der Vorfälle, wie sie hier den Gegensatz zwi­schen Deutschland und Polen kennzeichnen, während die Stimmung der Bevölkerung auf beiden Seiten der Grenze gegen den»Freund« und den Freundschaftspakt eingestellt ist. Es sei bei dieser Gelegenheit auch daran erinnert, daß eine Massendemonstra­tion polnischer Bauern In Gegen­wart des Armeeinspektors Rydz-Smigly , ne­ben politischen Forderungen über die innere Gestaltung Polens , auch eine Aenderung der polnischen Außenpolitik fordert und zwar offen den Bruch mit Hitlerdeutsch­land, die als eine der größten Gefahren für Polen bezeichnet worden ist. Dies ver­dient um so mehr hervorgehoben zu werden, als diese Protestresolution nach einem Vor­beimarsch von etwa 150.000 Bauern dem Armeeinspektor Rydz-Smigly persönlich überreicht worden ist. Kommt heute den Spannungen zwischen Deutschland und Polen noch keine unmittel­bare Bedeutung zu, so lassen sie doch er­kennen, wie brüchig die cieutsch-polnlsche Freundschaft Ist.

Der Steuerheber. Hitlerdeutschland rühmt sich,»den stärksten Mann der Welt« zu ha­ben, nämlich den Olympiasieger im Schwer­gewichtheben, Josef Manger, Angestell­ten im Finanzamt Freising . Der Reichs­finanzminister hat Mang er in Würdigung seiner körperlichen Leistung zum Steuersekre­tär, also uim Beamten ernannt. Die Qualifi­kation zum Steuerheber im braunen Reich wird durch die Tätigkeit zum Heben schwe­rer Lasten nachgewiesen.