Neuer Vorwärts

Sozialdemokratisches Wochenblatt

Verlag: Karlsbad , Haus Graphia"

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Preise und Bezugsbedingungen siehe Beiblatt letzte Seite

Nr. 178

SONNTAG, S. Nov. 1936

Aus dem Inhalt:

Sozialdemokratische Todesopfer

Ein Kriegsplan

Hitlers Befehle für Danzig Mussolinis Programm

Lohnbewegung in Deutschland

Seit der Machtergreifung Hitlers sind die Löhne in erschreckender Weise ge­sunken. Zum Teil wurden sie direkt haben Millionen gesenkt, zum Teil erfolgte die Senkung, bracht!<< durch Erhöhung der Preise und Vermin­derung der Kaufkraft.

Für eine Mark gibt es jetzt nur noch so viel wie vor vier Jahren für 75 Pfennige.

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Die Nationalsozialisten sa- Zwangsarbeit nicht gestiegen, sondern ge-| Wie sie in schlechten Zeiten gegen Lohn-| Gewalthaber nichts anderes wären als sinnloser Verzweiflung. Aber gen:»> Die Löhne dürfen nicht erhöht sunken!? Wie aber will man ihn steigern, verschlechterungen kämpften, so kämpf- Akte werden!<< wenn man immer nur Dinge schafft, die ten sie in guten für Lohnverbesserungen. wir fordern sie auf nachzudenken: nach­Als Hitler die Gewerkschaften Die Sozialdemokraten sagen: wirtschaftlich wertlos sind wie Kanonen zer- zudenken über ihre Lage, nachzu­>> Die Löhne müssen erhöht werden!<< oder Fabriken zur Erzeugung von Ersatz schlug, gelobte er feierlich, daß es den denken über einst und jetzt, nachzu­Wer hat recht? für Rohstoffe, die man im Ausland für ein Arbeitern darum nicht schlechter gehen denken über den Unterschied zwischen solle, sondern besser. Hat er dieses Ver- Wirklichkeit und Phrasen, nachzuden­Drittel der Kosten kaufen kann? Die Nationalsozialisten sagen: ken schließlich auch darüber, wie sie ihre » Wir sprechen gehalten? wieder in Arbeit ge­Die Nationalsozialisten haben den Ka- Lage, die mit jedem Tage unerträglicher pitalismus nicht abgeschafft. Aber indem wird, verbessern können. Ja, aber sie haben dabei das Kunst- sie Lohnerhöhungen in einer Zeit des Ar- Die deutschen Arbeiter haben es noch stück fertig gebracht, Milliarden und aber beitermangels verbieten, versuchen sie, das immer verstanden, sich im Kampfe um das und sie kapitalistische Wirtschaftsgesetz von tägliche Brot den gegebenen Kampfsitua­Milliarden Schulden zu machen zahlen trotzdem den früheren Arbeitslosen Nachfrage und Angebot einseitig zu un- tionen anzupassen. Sie müssen auch jetzt für ihre Arbeit nicht viel mehr, als sie in gunsten der Arbeiter aufzuheben. Mittel und Wege finden, um ihren verblen­Ist das» Sozialismus«<? deten Machthabern die Zugeständnisse zu der» Systemzeit« Unterstützung bekamen, und sie zahlen den Arbeitern, die schon Wir Sozialdemokraten sagen: Nein, entreißen, die zur Erhaltung ihrer Exi­damals in Arbeit standen, viel weniger als und abermals Nein! Das ist nicht stenz und Arbeitskraft notwendig sind. Diese Zugeständnisse sind notwendig, so sind dies nicht mehr 40 Mark, sondern sie in der>> Systemzeit<< erhielten. Wie man Sozialismus, das ist die nack­die Arbeitslosigkeit beseitigt, ohne die teste kapitalistische Ausbeu- im Interesse von Weib und Kind, im In­Löhne zu drücken, könnten sie von den tung. Und diese kapitalistische Ausbeu- teresse der deutschen Familie, die den regierenden Sozialdemokraten tung muß auch hier dahin führen, wohin Nationalsozialisten angeblich so heilig ist. Schwedens lernen! sie überall führt: zu Hunger, Not, Ver- Sie sind notwendig im Interesse nicht nur Die Nationalsozialisten sagen mit Stolz, elendung und schließlich zum Zusammen- der Arbeiter, sondern auch der Bauern daß jetzt statt Arbeitslosigkeit Arbeiter- bruch! und des Mittelstandes, die ohne eine kauf­mangel bestehe. Wir Sozialdemokraten sind den Arbei- kräftige Industriearbeiterschaft nicht exi­Solche Zeiten hat es früher auch schon tern immer besonnene und verantwor- stieren können. Sie sind notwendig zur gegeben. Damals aber sorgten die Ge- tungsbewußte Ratgeber gewesen. Wir for- Erhaltung der Volkskraft, also im wahren werkschaften dafür, daß die Gunst dern sie auch jetzt nicht zu Handlungen Interesse der Nation.

Das heißt: Wenn ein Arbeiter vor vier

Jahren 40 Mark Wochenlohn bekam, und er bekommt diesen Lohn auch heute noch,

nur noch 30.

Wenn aber der Lohn obendrein noch seit vier Jahren von 40 auf 30 Mark ge­sunken ist, so sind diese 30 Mark eigent­lich auch keine 30 Mark mehr, sondern

nur noch 22.50.

Davon gehen noch die Abzüge ab, die gesetzlichen sowohl wie die sogenannt frei­willigen, die höher sind als je zuvor.

Wenn also die Nationalsozialisten sa- der Konjunktur den Arbeitern zugute kam. auf, die angesichts der Uebermacht der Darum: Löhne herauf! gen, daß die Arbeiter keine höheren Löhne haben dürfen, so heißt das nicht, daß sie leben sollen wie einst, sondern viel schlech­ter.

Das sind Tatsachen, die niemand be­streiten kann.

Einst gehörte der deutsche Arbeiter zu den bestbezahlten der Welt. Wie ist es jetzt?

Ermordet oder lebend begraben

Hitlers Schreckensjustiz gegen deutsche Sozialdemokraten

einer

Das gleiche Schicksal ereilte den frü­heren Ortssekretär und technischen Lei­den ter des Reichsbanners Hannover , Genossen Alfred Jahn.

durch Erhängen verübt. Die Auch seinen Namen müssen wir in die Brennecke gab von dem Ab- furchtbare Totenliste der hannoverschen Brenneckes in folgender Form Gestapo - Aktion aufnehmen; auch er fiel hannoverschen Tageszeitung als überzeugter Sozialdemokrat im Kampf

für die Freiheit der Bestialität der Gestapo­Knechte zum Opfer. Vier Männer wurden so aus dem Leben gerissen, und hunderte ihrer Kameraden und Gesinnungsgenossen schmachten noch in qualvoller Ungewiß­heit hinter Kerkermauern.

Hitler hat den» Bullen< Göring zum| Aktion bereits zwei Todesopfer ge- nun seine Treue zu unseren Ideen mit dem Diktator für die Durchführung des neuen fordert hat. Die Genossen Otto Bren- Leben büßen. Das Zentralorgan der englischen Ar- Vierjahresplanes ernannt, und Göring hat necke und Willi Hahn sind den Fol­beiterpartei, der>> Daily Herald«<, verglich in seiner Sportpalastrede keinen Zweifel gen der Mißhandlungen erlegen. Die An­unlängst die Maurerlöhne von Lon- darüber gelassen, daß er die Erwartung gehörigen erhielten von der Gestapo die don und Berlin . Es stellte fest, daß seines höchsten Auftraggebers nicht ent- Mitteilung, die beiden Genossen hätten ein Londoner Maurer für den Lohn einer täuschen und mit äußerster Brutalität sein Selbstmord Arbeitsstunde anderthalbmal so viel Fleisch, Amt erfüllen werde. Die Brutalität gegen- Familie zweimal soviel Eier, zweimal soviel Butter über den mächtigen kapitalistischen Krei- leben Otto und dreimal soviel Margarine kaufen kann sen besteht zunächst nur in der Ankündi- in wie sein Berliner Kollege. Aehnlich steht es gung; die Brutalität gegenüber den oppo- Kenntnis: mit den anderen Lebensmitteln. Dabei ist sitionellen und antifaschistischen Kämpfern in England alles in besserer Qualität und in Deutschland ist bereits furchtbare Wirk­zu haben, lichkeit. Es war kein Zufall, daß sich Gö­in jeder gewünschten Menge während es in Deutschland überall an dem ring in seiner Sportpalastrede auch in der schärfsten Weise gegen die Parolen der Nötigsten fehlt. Der deutsche Arbeiter, der früher mit» kommunistischen Zentrale in Prag ge­Diese Drohung gegen Prag dem englischen und dem skandinavischen wendet hat. in bezug auf die Lebenshaltung an der ist keine neue antibolschewistische Floskel, Wie aber auch ihr Schicksal in den Spitze marschierte, ist auf die Stufe des sondern sie ist die offene Sanktionierung der grausamen Blutjustiz gegen nächsten Wochen sich gestalten mag, ihre italienischen hinabgesunken. Zukunft ist fürchterlich. Wenn sie das Muß das sein? Die Nationalsozialisten Sozialdemokraten durch den mäch­des Dritten Reichs neben sagen tigsten Mann nackte Leben retten, dann droht ihnen ein Der Text dieser Todesanzeige wurde Zuchthausurteil, das nichts ande­Hitler. 25 Die Kette der Verhaftungen, der Zucht- von der Gestapo vorgeschrieben; es ist die res bedeutet, als hinter Kerkermauern Die Nationalsozialisten sagen:» Es muß hausurteile, ja der Ermordungen von So- heute in Deutschland amtlich vorgeschrie- lebendig begraben zu werden. Die Schrek­so sein, weil wir rüsten müssen. Kanonen zialdemokraten durch die Gestapo reißt in bene Form der Mitteilung über Gestapo - kensjustiz gegen Sozialdemokraten wird

sagen Ja. Die Sozialdemokraten

Nein.

Wer hat recht?

statt Butter!« D Aber rüstet England nicht auch? Eng­land hat Kanonen und Butter dazu! Die Nationalsozialisten sagen:» Eng­

haben keine.<

Deutschland hatte vor sechs, sieben Jahren englische Löhne und hatte damals einen auch keine Kolonien, dafür aber sozialdemokratischen

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Reichs­

Zuchthaus verhängt wurden. Vier Gestapomorde

in Hannover Während diese Berliner Sozialdemokra­

Hannover- Kleefeld( Spilckerstr.6), den 3. Okt. 1936 Plötzlich und unerwartet starb mein lieber Mann, unser guter Vater

Otto Brennecke

im 54. Lebensjahre.

In tiefer Trauer die Hinterbliebenen Minna Brennecke

nebst Töchtern und Schwiegersohn Die Trauerfeier findet am Mittwoch, d.7.10.36, 16.30 Uhr i. d. kl. Kapelle d. Seelh. Friedhofes statt

morde.

51 Jahre Zuchthaus

in Dresden

den letzten Monaten nicht ab. Wir erin­Mit dem Tode der Genossen Brennecke standen in Berlin 13 Dresdner So­nern an den letzten großen Prozeß Ende September vor dem Volksgerichtshof gegen und Hahn ist aber die hannoversche zialdemokraten und Reichs­die Berliner Sozialdemokraten Schreckensliste noch nicht zu Ende. Inzwi- bannerfunktionäre unter der An­klage des Hochverrats vor Gericht. Sie land kann das, weil es Kolonien hat. Wir Löffler, Markwitz, Oltersdorf schen sind zwei weitere tapfere Sozialde­und andere, in dem nach mehrtägigen Ver- mokraten dem Gestapoterror zum Opfer sollen illegal für die Sozialdemokratie tätig gewesen sein. Das Gesamturteil ist noch handlungen insgesamt mehr als 35 Jahre gefallen. Der frühere Gauleiter des Deutschen nicht bekannt; aber die Strafen gegen Fabrikarbeiter- Verbandes, der Genosse sechs der angeklagten Genossen, sämtlich Willi Scheinhardt, ist Anfang Dresdner Parteigenossen und Reichsban­Oktober den Mißhandlungen durch die nerkameraden, liegen vor; sie sind von bei­Gestapo erlegen und am 14. Oktober spielloser Grausamkeit. Dieses Teilurteil in aller Stille eingeäschert worden. lautet: falls keine Kolonien und doch sind dort haft und nach schweren Mißhandlungen Der Genosse Willi Scheinhardt, der jetzt die Löhne noch gestiegen und nur in für endlose Jahre ins Zuchthaus geschickt im Alter von 44 Jahren einen so grau­wurden, führte die Berliner und die Han- samen Tod erleiden mußte, hat von früher Deutschland sind sie gesunken. Die Nationalsozialisten sagen:» Lohn- nover Gestapo eine große Aktion gegen Jugend an als Sozialdemokrat und Gewerk­führende Sozialdemokraten, Ge- schafter selbstlos der Gesamtbewegung erhöhungen sind nur möglich, wenn der frühere werkschafter und Reichsbannerkameraden und ihren Zielen gedient; er ist auch nach Wert der Produktion steigt.<< Also ist der Wert der Produktion in der durch. In der vorigen Nummer des» Neuen Hitlers Machtantritt seiner sozialistischen und Vorwärts< haben wir mitgeteilt, daß diese Ueberzeugung treu geblieben und mußte Hitlerzeit trotz Antreibersystem

kanzler. Schweden , Dänemark , diese von Sozialdemokraten regierten nor­

disch- germanischen Länder, haben gleich- ten nach vielmonatiger Untersuchungs­

Genosse Patzig 15 Jahre Zuchthaus Genosse Nieter 12 Jahre Zuchthaus Genosse Knappe 10 Jahre Zuchthaus Genosse Koch 6 Jahre Zuchthaus Genosse Langhorst 5 Jahre Zucht­haus

Genosse Schrapps 3 Jahre Zucht­haus.