Nr.<89 SONNTAG, 24. Januar<93? 6o$taltempfraftfcfo0 SPacfrgnfrta# Verlag; Karlsbnd. HausGraphia" Preise und Bezugsbedingungen siehe BeiblnH letzte Seite Aus dem Inhalt: Sozialdemokratische Opfer Die Entbehrungsschlacht Spanische Eindrücke Kranke Diktatur Dos deulsdie Volli hat die MI! Eden zeigt seine Verantwortung für das Schicksal Europas Dem ersten hetzerischen Ausbruch der gleichgeschalteten deutschen Presse gegen Frankreich ist ein zweiter gefolgt. Die Politik der Brandstiftung wird fortgesetzt. Hitler und Mussolini treiben ihr gemein­sames Spiel weiter. Sie haben die Hoff­nung nicht aufgegeben, daß sie Frankreich und England trennen könnten. Sie versu­chen durch neue Materiallieferungen, durch Truppensendungen, die als»Frei- willige< maskiert werden, den erfolgrei­chen Widerstand der rechtmäßigen spani­ schen Regierung zu brechen. Es ist längst nicht mehr der Krieg Francos, der in Spanien geführt wird, es ist der Krieg Hitlers und Mussolinis gegen die spani­sche Demokratie. Die akute Krise, die über der Marokko­frage ausgebrochen ist, wird zu einer Dauerkrise. S'e ist nicht zu Ende, sie wird voraussichtlich nicht rasch zu Ende gehen. Alle Pläne, die Hitler und Mussolini seit 1933 verfolgt haben, um die Machtstellung der faschistischen Länder und der faschi­stischen Gegenrevolution in Buropa zu stärken, tauchen in dieser Krise wieder auf. Hitler und Mussolini rechnen bei die­sen Plänen auf die offene oder geheime Hilfe der reaktionären Kreise in allen Ländern Europas . Es gibt Uberall Freunde Francos, das heißt Freunde der interna­tionalen Gegenrevolution. Es gibt geheime Bundesgenossen Francos, Hitlers und Mus­solinis, auch in England. Auf diese geheimen Bundesgenossen haben Göring und Mussolini gerechnet, als sie in Rom Pläne zur Lösung der Spanien­frage zusammengebraut haben, die an Zy­nismus alles weit hinter sich zurücklassen, was sie öffentlich bisher über ihre Ab­sichten haben laut werden lassen. Der Kern ihrer Pläne ist, daß sie England ein Geschäft vorschlagen wollen, das eine Mi­schung aus dem Polizei- und Interventions­geist der»Heiligen Allianz « und brutalem Imperialismus darstellt. Der Ungeist, der den deutsch -japanischen Pakt gegen den »Bolschewismus« erfüllt, findet hier eine praktische Ausprägung. Ein Interview, das Mussolini am 17. Januar dem»Völkischen Beobachter« gegeben hat, faßt in brutalen Worten das alles zusammen. Es ist ebenso provozierend wie jene Mailänder Rede, die den deutsch -italienischen Abreden über gemeinsames Vorgehen vorwegging. Aber gegen diese Pläne Ist in England bereits die Ent- scheidung der englischen Re­gierung gefallen. Die Rede des Außenministers Eklen im Unterhaus am 19. Januar we:8t in allen wesentlichen Punkten die deutsch -italienischen Pläne ab. Ein grundlegender Unterschied in der Auslegung des sogenannten Gentlemen- Agreements zwischen England und Ita­ lien ist sichtbar geworden. Mussolini hat erklärt, daß die Errichtung eines»Sowjet­staats« in Katalonien selbstverständlich eine Bedrohung des durch das Abkommen garantierten Status quo im Mittelmeer be­deute. Eden hat demgegenüber festge­stellt, daß sich in diesem Abkommen keine einzige Zeile, kein einziges Wort, ja nicht einmal e'n Buchstabe finde, der einer fremden Regierung das Recht geben wür­de, in Spanien einzuschreiten und zu ent­scheiden, we'che Färbung die Regierung in jedem beliebigen Teile Spaniens tragen solle. Mussolini hat weiterhin erklärt, daß d:e Demokratien erledigt seien, daß sie heute nur noch Bazillenherde und Hand­langer des Kommunismus darstellen. Eklen erklärt, daß sich die großen westüchen Demokratien keineswegs als erledigt be­trachten. Er hat der faschistischen Ideo­logie ein starkes Bekenntnis zur Demokra­tie entgegengestellt. Die geheime Hoff­nung der Göring und Mussolini , daß ihnen die englische Regierung bei ihren Plänen die Mauer machen könnte, ist zerstört. Auch Hitler weiß heute, wo­ran er mit England ist Der eng­ lische Außenminister hat eindeutig Stel­lung genommen gegen den militaristischen Nationalismus des braunen Systems, der den Frieden Europas und die Wohlfahrt der Völker bedroht. Er hat der deutschen Regierung erklärt, daß sie auf internatio­nale Zusammenarbeit, auf Eingliederung in die Friedenswirtschaft der Welt nur rechnen kann, wenn sie sich von diesem militaristischen Nationalismus abwendet. Das heißt, daß das deutsche Volk einen Ausweg ans der Blockade, die das brau­ne System über Deutschland verhängt hat, nur dann finden kann, wenn alles das fällt, was das Wesen des Hitler- Systems ausmacht: die wahnwitzige Auf­rüstung, die Unterstellung des ganzen Volkes unter den Kriegszweck, die Auf­opferung der Friedenswirtschaft zugun­sten der Kriegsvorbereitung, Das ist die Alternative, vor der das deutsche Volk steht, so wie sie vom ersten Tage der Existenz des Hitlersystems an von uns aufgezeigt worden ist! . Angesichts dieses Widerstandes, auf den die Pläne Hitlers und Mussolinis sto­ßen, bleibt ihnen nur die Fortsetzung des Versuchs, durch ihre Taten vollendete Tatsachen zu schaffen, vor denen, wie sie glauben, sich die demokratischen Mächte beugen müßten. Darum werfen sie in be­schleunigtem Tempo neue Truppen und neues Material nach Spanien , darum opfert Hitler in verstärktem Maße soge­nannte deutsche »Freiwillige« auf den Schlachtfeldern in Spanien . Aber auch hier stößt er auf Widerstand auf den heldenmütigen Widerstand der spanischen Reg'erung, der die große Offensive der Söldner der Gegenrevolution auf Madrid gebrochen hat. Hitler führt in Spanien Krieg aber jeder freiheitliebende Deutsche weiß, daß die Sache der deutschen Freiheit gegen ihn geführt werden muß, in Spanien wie überall. Die falsdien Peseten von Berlin In einer Berliner Druckerei werden auf Befehl der deutschen Regierung spanische Peseten für den General Franco gedruckt. Der Nominalwert dieses Rebellengeldes, das in Berlin gedruckt wird, beträgt andert­halb Milliarden Peseten. Dieses Geld, das nur einen Phantasiewert darstellt, nimmt einen interessanten Weg. Mit diesem Geld bezahlt Franco Lieferanten Der neue Gott Das SS-Organ zwisdien Heine und Spinoza Das SS -Organ tobt sich gegen die christ­liche Religion in einem Artikel aus, der Uber das in Deutschland herrschende Neuhelden­tum mehr aussagt, als alles, was uns darüber in offiziösen Stimmen bisher zu Gesicht kam. Die Polemik gilt der»Deutschen Berg- werks-Zeitun g«, einem Organ der Grubenindustrie, und spricht von der Maul­wurfsarbeit der Gegner des Nationalsozialis­mus. Von der politischen Ebene hätten sich diese Gegner auf die konfessionelle und pseudowissenschaftliche gefluchtet, um von dort»ihre geschickt getarnten, haß­erfüllten Beleidigungen gegen die national­sozialistische Weltanschauung« loszulassen. Was hat die Bergwerkszeitung geschrie­ben? In einem langen Aufsatz nimmt sie Stellung zur»geistigen Krise in Deutschland «, stützt sich auf Werner Sombarts neues Werk, macht die Abkehr vom Christentum für die Wirren der Gegen­wart verantwortlich, droht mit dem Unter­gang des Abendlandes, wenn Deutschland nicht zu Christus zurückkehre und zitiert Sombart : »Nur als Teufelswerk kann gedeu­tet werden, was wir erlebt haben. Deutlich lassen sich die Wege verfolgen, auf denen Satan die Menschen auf seine Bahn gelenkt hat: er hat in immer weiteren Kreisen den Glauben an eine jenseitige Welt zer­stört und hat damit die Menschen mit aller Wucht in die Verlorenheit der Diesseitigkeit geworfen.« Was hat das»Schwarze Korps« darauf zu antworten? Es schäumt: »Wir wußten es eigentlich noch gar nicht, daß wir in einem»ungeheuren Wirrwarr« leben,»der unser aller Da­sein erschüttert und bedroht«. Wir hatten eigentlich den Eindruck, daß auch uns innerlich noch immer fernstehende Volks­genossen mit uns einig sind in der Ansicht, daß der Nationalsozialismus eben diesen »ungeheuren Wirrwarr« beendet und an seine Stelle eine ebenso ersprießliche wie fruchtbare Ordnung gesetzt habe.« Nachdem mit diesem bescheidenen Satze der deutsche Wirrwarr endgültig erledigt und die Ordnung der Fettkarte stabilisiert ist. kommt die Religion ans Messer. Der {»fadenscheinige Jenseitsglaube« ziehe beim Volk eben n'cht mehr, denn: »Die modernen Menschen lassen s!ch durch geln, und die Verlockungen einer Jen­seitigen Belohnung trösten sie nicht mehr Uber die Widerwärtigkeiten des Diesseits hinweg.« Auch wenn die Bergwerks-Zeitung das Wort Heinrich Heines von den Engeln und Spatzen, denen man den Himmel über­lassen solle, gegen das braune Neuheidentum zitiere, so ändere das nichts an den Tat­sachen.»Wir glauben an die Ewigkeit ebenso wie die Kirchenchristen...«, aber an eine andere Ewigkeit, nämlich an die ewi­gen Kräfte,»die unserem Volk den sittlichen Impuls zur Umkehr auf todbringendem Wege gaben...< In der Diesseitigkeit sei»das Ewige zu sehen und zu erleben...« Und der Gott, der das Gute belohnt und das Böse be­straft, sei eine abstruse Lehre, die sich mit dem»Glauben unserer Väter« nicht verträgt; » der Sündenfall, ja überhaupt der Be­griff der Sünde, wie ihn die kirchliche Vor­stellung siebt, mit Lohn und Strafe im Jen­seits, ist für den Menschen nordi­scher Rasse unerträglich, well es mit der heldischen Weltanschau­ung unseres Blutes nicht vereinbar ist.« Was hier drei Spalten lang von offiziöser Stelle laut und gereizt verkündet wird, ist der Glaube an Erde, Volk und ewiges AU, ist ein Materialismus und Pantheismus, zu dem sich auch Atheisten bekennen. Der Gottesbegriff wird mit Irdischer»Substanz« angefüllt, und die»Deutsche Bergwerks­zeitung« hätte sich mit H. Heine nicht zu be­gnügen brauchen, sondern als Zeugen einen älteren jüdischen Denker zitieren können, nämlich Spinoza , in dessen Philosophie dieser Pantheismus seine abendländischen Wurzeln hat. Die»Gottlosenbewegung«, ge­gen die sich der Nationalsozialismus einst von der Reaktion aller Schattierungen mit Geld stark machen ließ, geht von denselben Grund­gedanken aus; die braune Pseudoreligton repräsentiert nur eine knalldeutsche, gewalttätige Abart dieser pan- tbelstisch-atheistischen Strö­mungen. Der angeblich religionsfeindliche Marxismus vertrat nebenbei noch den toleranten Standpunkt, daß man jedem sein religiöses Bekenntnis freistellen solle und forderte darum die Trennung von angedrohte Höllenstrafen nicht mehr gän-lstaat Kirche, während das braune Neu­heidentum des»Schwarzen Korps« verlangt, die Religion habe»als D i e n e r 1 w des Staates neue geistige Formen zu schaf­fen...« Nämlich den heidnischen Schwerter­glauben der Völkischen,»das heldische Le­bensziel unserer Rasse...« Die anfangs in allen Farben schillernde»deutsche Glaubens­ bewegung « ist damit endgültig und offen bei Hauer und Wotan gelandet und wird Staatslehre. Die Freiheit des konfes­sionellen Bekenntnisses ist im Dritten Reiche erledigt. Denn die SS ist nicht nur Hitlers Schutz­garde, sie gilt als festestes Fundament des Systems und als Elitekorps, dem die Ober­bonzen des Dritten Reiches angehören. Das »Schwarze Korps« ist ihr Organ. Gereizt durch einen Angriff, vergißt dieses Sprach­rohr der braunen Regierung alle bisherige Verschlagenheit und erklärt klipp und klar die neue Situation: An den Christen­gott glauben wir nicht, er ist(wört­lich) eine»volksfremde Irrlehre«; wir machen uns unseren Gott nach unserem Bilde! Und da die Kirche»dem Staate zu die­nen hat«, bleibt dem Christentum in Hitler­deutschland nur die Wahl, freiwillig abzutre­ten oder abgetreten zu werden. Dieselben Leute, die deutsche Soldaten n»ch Spanien zur angeblichen Rettung des Christengottes dirigieren, vernichten diesen Gott daheim. Sie unterscheiden sich von ande­ren Atheisten und Pantheisten lediglich durch völkischen Gewalt- und Schwerterglauben, Verlogenheit und Heuchelei. An der Kirche aber rächt sich, was sie mit dem Verrat aller christlichen Gebote an der deutschen Freiheit sündigte. Weihnaditebüuine Man berichtet über ein Gespräch, daß Hitler beim Neujahrsempfang mit dem rus­sischen Botschafter Suritz geführt hat. Nacn diesem Bericht hat Hitler gefragt:»War es sehr kalt in Moskau ? Was macht der rus­ sische Weihnachtsbaum? Wie verträgt er sich mit den Gottlosen?« Die Antwort von Suritz soll gelautet haben:»So gut wie der Weihnachtsbaum im Lustgarten sich mit Ihrer SS verträgt.«