Täuschende Geldfülle— schwindende Rohstofflager Im Dritten Reich herrscht eine Geldfülle solchen Ausmaßes, daß die»Frankfurter Zeitung « jüngst dafür den Ausdruck»Gcld- schwemme« geprägt hat. Die Unternehmer wissen nicht, wie sie sich der Fülle der ihnen zuströmenden GeJdüberachüsae erwehren, was sie mit diesem Uebermaß an Geld beginnen sollen. Geldfülle pflegt nicht gerade ein Zeichen des Aufschwungs zu sein. In Zeiten guter Konjunktur wird zwar viel verdient, aber die Geldgewinne können vielfach den Kreditansprüchen einer steigenden Produktion nicht nachkommen. Daher ist In solchen Zeiten Kredit nicht im Uebermaß angeboten, sondern knapp. Erst wenn die Konjunktur umgeschlagen, Geschäftsstok- kung eingetreten ist, Warenvorräte wegen Ueberschuldung verschleudert werden müssen, aber die Unternehmungslust gelähmt ist und die Wiederauffüllung der Lager nicht riskiert wird, tritt Geldüberflufl ein, der alsdann nur die Kehrseite des tatsächlichen Mangels an rentablen Anlagemöglichkeiten ist. Wie kommt es nun, daß im Dritten Reich Produktionszunahme und GeldfüUe einander nicht ausschließen, sondern sich miteinander vertragen? Nicht weU die Unternehmer ihre Lager nicht auffüllen wollen, sondern weil sie es wegen Rohstoffmangel nicht können. Früher hatten Textilien gefehlt, jetzt mangelt es an Eisen, dem wichtigsten Grundstock der industriellen Produktion und, noch entscheidender für das Hitlerregime, der Kriegsproduktion. Die Bauunternehmer werden angewiesen, an Stelle von Eisenträgem die veraltete Methode der Kellerbogen aus Steinen zu verwenden. Im»Deutschen Volkswirt« vom 7. Mal 1937 werden Vorschläge zur Ersparung von Eisen beim Bauen gemacht und dazu geschrieben: »Die Durchführung vieler Vorschläge hängt allerdings davon ab, daß die baupolizeilichen Behörden ihre bisherigen Vorschriften lok- k e m und daß die Ansprüche der Bauherren, die zum Teil durch Gütebedingun- geo gesichert sind, auf ein zeitgemäßes Maß herabgesetzt werden.« Die Einhaltung der baupolizeilichen Sicherheitsvorschriften sollen also zugunsten der Streckung des Eisenvorrates vernachlässigt werden. Die»Geldschwemme« ist also nur ein trügerischer Schein, der täuschende Geldausdruck eines wirklichen Schwundes der Kapitalsubstanz. Daß es so ist, geht schon daraus hervor, daß das Institut für Konjunkturforschung sich bemüßigt fühlt, diese in Deutschland und im Auslände sehr verbreitete Auffassung zu widerlegen und dieser Widerlegung eine ganze Nummer seiner Wochenberichte(Nr. 21 vom 26. Mai 1937) zu widmen. Sie enthält zwei Untersuchungen, eine»Zur Bewegung der Lagervorräte in Deutschland « und eine zweite»Zur Geld- marktflüssigkeit«. Diese beginnt wie folgt: »Die vorstehenden Untersuchungen über die Lagerbewegung sind auch für kredit- wirtschaftliche Analysen von Bedeutung. Sie geben wichtige Aufschlüsse darüber, wie weit die In jüngster Zeit vertretene Auffassung zutreffend ist daß der Lagerabbau der Unternehmungen die anhaltende Flüssigkeit der Kreditmärkte hervorgerufen habe. Nach den vorliegenden statistischen Ergebnissen muß diese These sehr bezweifelt werden: sicher ist daß ein Lagerabbau in der gesamten Volkswirtschaft in größerem Umfange nicht stattgefunden hat.« Es wird behauptet, daß die Ursache der Geldmarktflüssigkeit nicht der Lagerabbau sei, sondern der»Einsatz des Reichsbank- krethts für die Finanzierung der Staatsaufträge«. Aber die Frage ist ja eben, wie es kommt daß trotz steigender Produktion die Kredit beanspruchung der Industrie hinter der Kredit Schöpfung der Reichsbank zurückbleibt, daß also für diese die Arüagemöglichkeiten fehlen. Die Untersuchung über die Bewegung der Lagervorräte ist denn auch sehr wenig beweiskräftig. Denn erstens beziehen sich die Vorrataziffem nur auf den Geldwert der Vorräte, nicht worauf es hier allein ankommt, auf ihre Menge. Zweitens entspricht auch dieser Geldwert nicht dem wirklichen Wert der Vorräte, sondern nur den Wünschen der Aktiengesellschaften nach Einrichtung ihrer Bllanzziffem, denn die Vor- ratazahlen sind lediglich den Bilanzen von Aktiengesellschaften entnommen. Schließlich reicht die Statistik nur bis 1935, für 1936 begnügt man sich mit einigen wenigen Stichproben und Schätzungen. Aber die Rohstoffnot In katastrophalster Gestalt hat erst
Ume der englischen Politik Die Rückwirkungen der Empirepolitik auf die europäische Lage
Ehe Konsolidienmg der englischen Macht, die wir in unserem letzten Artikel geschildert haben, übt ihre Wirkung auch auf den Fernen Osten, Englands Einfluß in China ist bedeutend gestlegen, es unterstützt zielbewußt das Erstarken der chinesischen Zentralregienmg. Unter seinem Einfluß ist eine erfolgreiche Ordnung der chinesischen Währung gelungen, es fördert das Einströmen von Kapital, vor allem für den Bau von Eisenbahnen und Straßen, und zugleich mit der wirtschaftlichen Erschließung die strategische Position der Zentralregierung zu verbessern und die Ausdehnung ihres Verwaltungsbereichs zu fördern. Ist so diese systematische Stärkung Chinas der wirksamste Gegenzug gegen die englischen und ame rikanischen Interessen bedrohende E x- pansion Japans , so kommt andererseits die jüngste japanische Entwicklung gleichfalls England zu Hilfe. Die Folgen der militaristischen Diktatur bleiben auch Japan nicht erspart. Die Finanzen sind heillos zerrüttet, die Währungslagc wird trotz aufeinanderfolgender Devalvationen immer kritischer, die Steuerlast ist erdrückend und die Lage der bäuerlichen Massen verschlechtert sich zusehends. Das Ministerium Hayashi, der Exponent einer Politik, die eine Art faschistischer Miütär- diktatur anstrebte, hat bei den letzten Wahlen eine Niederlage erlitten und wurde durch den Druck der parlamentarischen Parteien zur Demission gezwungen. So stark auch unter der neuen Regierung Kenoje der Einfluß der Generalität bleibt, so erscheint eine gewisse Ab- schwächung der aggressiven auswärtigen Politik nicht mehr außerhalb des Bereichs der Möglichkeit. Da die wirtschaftlichen und finanziellen Schranken sowohl der raschen Expansion über Mandschukuo hinaus nach Nordchina Hemmungen bereiten, erst recht aber einem Kriegsabenteuer gegen Rußland , so steht einer Besserung der japanischen Beziehungen mit England und den Ver einigten Staaten kein unüberwindliches Hindernis entgegen. Es ist kein Zweifel, daß zwischen London und Tokio neuerdings Gespräche aufgenommen werden, die die gefährlichen Spannungen auszugleichen suchen. Ist es auch noch zu früh, um die Erfolgsaussichten beurteilen zu können, so ist doch der Versuch, Japan aus der deutschen und italienischen Einflußsphäre herauszulösen, bedeutsam genug. Der Druck auf Rußland würde sich verringern, und ebenso die Drohung im Pazifistischen Ozean, die sich sowohl gegen die strategischen Positionen Englands im Pa zifik , als auch direkt gegen Teile des Empire, wie Australien , richtet. Die Bewegungsfreiheit Englands würde sich mit einem Schlage außerordentlich steigern die Kraft seines Auftretens in Europa vermehren. Doch wäre nichts verfehlter, als selbst von solchen Ereignissen eine schnelle Entwicklung und womöglich eine besondere Aktivität der englischen Politik zu erwarten. Denn man darf nie vergessen, daß englische Politik heute mehr denn je Empire-Politik ist und sein muß. Das englische Empire erscheint heute als ein bewundernswertes Resultat demokratischer politischer Organisationskunst. Die Dominien sind völlig selbständige souveräne Staaten, ihr Zusammenwirken beruht nur auf freier, stets zu erneuernder Entschließung. Nichts würde aber eine
solche Entschließung auf eine härtere Probe stellen als d e r K r i e g, ein Krieg, der heute noch ganz andere Opfer und eine ungeheuer intensivere Mitwirkung von den Dominien verlangen würde'als der letzte. Ein Krieg, den die Dominien nicht aus eigenem Entschlüsse und aus eigener Einsicht als ihren eigenen von Anfang an begreifen und empfinden, könnte das Ende des Weltreichs bedeuten. Deshalb ist das Empire einerseits zwar eine ungeheure Kraftquelle für England, zugleich aber eine Hemmung für die Führung seiner europäischen Politik. Daher das Zögern Englands, seine Verpflichtungen in Europa auszudehnen, über den Westen hinaus Bindungen für Mittel- oder Südwesteuropa einzugehen. Das Problem �Prag « oder»Wien « oder»Belgrad « ist schon dem Durchschnittsengländer nicht so leicht klar zu machen. Immerhin wächst in England selbst die Einsicht, daß die Aufrichtung einer deutschen Herrschaft über Zentral- und Südosteuropa allein oder in irgend einer Verbindung mit Italien , zunächst Frankreich und dann England selbst den Erpressungen der so ungeheuer erstarkten deutschen Militärmacht wehrlos ausliefern würde. Denn, wie neulich ein englisches Blatt meinte, das Empire kann nicht nur im Westen erobert, es kann auch vom Osten her erschüttert werden. Aber was ist dem Manne in Kanada , Australien oder Südafrika Prag oder Wien ? Daher die Anstrengungen der englischen Politik, jetzt bei der Empire-Konferenz Verständnis für diese Zusammenhänge zu schaffen und zunächst die militärische Zusammenarbeit der Dominien mit England auszubauen. Gerade die Bedrohung des Mittelmeers durch den deutschitalienischen Angriff auf Spanien läßt die stärkere Beteiligung der Dominien an der Sicherung der See- und Flugwege um so dringender erscheinen. Dieser gelten auch in erster Reihe die Besprechungen der Empire-Konferenz, und auf diesem Gebiete erscheint ein erfolgreicher Abschluß wahrscheinlich. Aber auch das bedeutet noch nicht, daß eine aktivere, sich über ganz Europa ausdehnende Politik Englands schon den bedingungslosen Rückhalt an den Dominien fände. Deshalb versucht England nochmals den zweiten Weg: durch das Mittel wirtschaftlicher Verständigung auch mit den Diktaturstaaten, eine neue Friedensbasia für Europa zu gewinnen. Wir werden also damit zu rechnen haben, daß die allernächste Zeit mit neuen politischen und wirtschaftlichen Verständigungsversuchen mit den Diktaturländern ausgefüllt sein wird. Die politischen Verhandlungen beginnen mit neuen Bemühungen— den wievielten?—, den Locarnovertrag zu erneuem. Nach wie vor steht der Standpunkt Deutschlands und Italiens , einen Vertrag außerhalb des Völkerbundes zustande zu bringen, den Völkerbund damit völlig bedeutungslos zu machen und das Prinzip der kollektiven Sicherheit endgültig zu vernichten, schroff dem englisch -französischem gegenüber, die Entscheidung über den Angreifer dem Völkerbund vorzubehalten, und Italien und Deutschland in den Völkerbund zurückzuführen und dadurch zu binden. Eine Verständigung müßte ausgeschlossen erscheinen, würde nicht England die Erwartung hegen, daß die finanzielle und
wirtschaftliche Situation der beiden Diktaturen sie doch schließlich zu einem Nachgeben bestimmen könnten. Daher gleichzeitig das englische Vorgehen auf wirtschaftlichem Gebiet. Van Zeeland, der augenblicklich in Ame rika weilt, soll feststellen, wie weit die Vereinigten Staaten zu einer wirtschaftlichen Mitwirkung, die indirekt ja auch eine politische wäre, in Europa bereit sind. Denn England ist entschlossen, nichts ohne die Vereinigten Staaten zu unternehmen. Es will also versuchen, zunächst die eigenen Wirtschaftsbeziehungen mit den Vereinigten Staaten zu ordnen, aber mit dieser Ordnung, wenn irgend möglich, auch die Wirtschaftsbeziehungen mit Deutachland und Italien auf eine neue Grundlage zu stellen und so zu einer Normalisierung und Stabilisierung der internationalen Wirtschaft zu gelangen. So Ulusionär dieser Plan klingt, England scheint dabei auf gewisse Strömungen in der deutschen Wirtschaft zu rechnen. Jedenfalls hat Schacht in den Besprechungen mit van Zeeland und dessen Abgesandten Frere deutsche Bedingungen für eine Verständigung, wie sie sich die deutsche Diktatur vorstellen mag, genannt. Es sind, wie man über Brüssel erfährt, ökonomische Bedingungen: große langfristige Kredite, Exporterleichterungen für Deutschland und eine internationale Stabilisierung der Währungen, mit der auch eine Herabsetzimg des Markwertes verbunden wäre. Dazu politische Bedingungen: die Zurückgabe wenigstens einer Kolonie, und zwar Kame runs , und die Streichung des Artikels 16 des Völkerbundspaktes, der die kollektive Sicherheit und die gegenseitige Unterstützung im Falle eines Angriffs garantiert. Auch Italien hat trotz des jüngsten Autarkiebekenntnisses Mussolinis, seine Mitwirkung in Aussicht gestellt, im Falle der Gewährung ausgiebiger Anleihen, deren es sowohl für die Sanierung seiner gefährlichen inneren Wirtschaftslage als für die Erschließung Abcssiniens dringend bedarf. Man sieht, es handelt sich, wenn die Diktaturländer von Wirtschaft sprechen, immer wieder um Politik, und es sind bezeichnenderweise dieselben politischen Hindemisse, die sich dem Abschluß des Locamovertrages ebenso entgegentürmen, wie dem Abschluß von Wirtschaftsverträgen. Auf Seite der Demokratien— das gilt ebenso für die Vereinigten Staaten, wie für England und Frankreich — ist aber die wirkliche Friedenssicherung einschließlich einer kontrollierten Rüstungsbegrenzung die unumgängliche Bedingung für die Gewährung wirtschaftü- chen Beistandes, da sie ja sonst das Risiko liefen, daß über" kurz oder lang die Wirtschaftshilfe nur dem Kriegspotential der Diktaturen zugute käme, besonders wenn noch die letzten Reste kollektiver Friedenssicherung dahinfielen. Aber es scheint, daß dieser Umweg, die Unvereinbarkeit der Existenz der Diktaturen mit Friedenssicherung und wirtschaftlicher Zusammenarbeit festzustellen, uns angesichts der Bindungen Englands an das Empire nicht erspart bleiben wird. Erst nach seinem Scheitern wird sich die vergrößerte Macht Englands auf das europäische Schicksal zur Geltung bringen. Dr. Richard Kern.
eigentlich 1937 eingesetzt. Das Institut gibt selbst zu, daß bereits 1935 von vorhandenen Lagern gezehrt worden- ist. Es heißt darüber: »Die Rohstoffvorräte hatten sich besonders im Jahre 1934 kräftig erhöht; damals fanden umfangreiche Voreindeckun- gen vor allem an ausländischen Rohstoffen statt. Seit 1934 ist aber die Zunahme nur noch gering: sie drückt wohl die inzwischen eingetretene Erhöhung der Roh- stoffpreise am Weltmarkt aus.« Dabei ist zu berücksichtigen, daß diese Statistik sich nicht auf alle Unternehmungen, sondern nur auf Aktiengesellschaften bezieht, und von diesen auch nur auf einen geringen Teil, also wohl nur auf die größten, die über ein überdurchschnittliches Maß an Devisen verfügen, also bei der Rohstoffbeschaffung bevorzugt sind. Schließlich wird noch festgestellt, daß in der Zeit von 1932
bis 1935 der Wert der Rohstoffvorräte nur um 13 Prozent, die Vorräte von Halbstoffen um 64 Prozent zugenommen haben. Die Rohstoffvorräte waren also der Menge nach noch hinter denen des schlechten Konjunkturjahres 1932 zurückgeblieben, die Stelgerung der Produktion ging auf Kosten der Vorräte. Bei den wenigen Industriegesellschaften, die bisher ihre Bilanzen für 1936 veröffentlicht haben, waren Im abgelaufenen Jahre die Werte der bei'ihnen lagernden Rohstoffe nur um 4 Prozent, der Halbstoffe um 17 Prozent gestiegen.»Die Rohstoffvorräte einschließlich der Halbstoffbestände in den verarbeitenden Industrien werden«, meint das Institut,»um 4 v. H. größer auagewiesen als 1935, doch ist die inzwischen eingetretene Verteuerung vor allem der aus
ländischen Materialien zu berücksichtigen«. Mit anderen Worten: die Zunahme um 4 Prozent ist nur eine der Preise, nicht der Mengen. Daß diese nicht zu-, sondern abgenommen haben, sagt das Institut selbst: »Im übrigen sind die Bestände der Grundstoffindustrien an Rohstoffen voriges Jahr wertmäßig kaum noch gestiegen und mengenmäßig zurückgegangen.« 1937 hat sich das Tempo des Lagerschwundes zweifellos verschärft. Das Institut beweist also etwas ganz anderes, als es hat beweisen sollen und wollen. Es bleibt dabei,»daß der Lagerabbau der Unternehmungen die anhaltende Flüssigkeit der Kreditmärkte hervorgerufen hat«, daß also die scheinbare Vermehrung des Kapitals ein Zehren an der Kapitalsubstanz ausdrückt. G. A. F.