Np. 216 SOMVTAG, i. 4ugusi 103?
ü>i>d>cnblatt
Aus dem Inhalt: Die Hitlerkanonen Ein braunes Lakeienmärchen Der Retter ohne Kredit Die Kunst-Kaserne
Deutsche Eisennot— weggetreten! Erzdiktator Göring Der General Göring , Diktator des Vierjahresplanes, hat sich kühn entschlossen, der deutschen Rohstoffnot»Weggetreten« zu befehlen. Die Rohstoffwirtschaft im allgemeinen und die Bewältigung der Eisennot im besonderen sollen auf eine neue Grundlage gestellt werden. Es ist in der Tat der Eisenmangel, der dem Regime mit Recht die schwerste Sorge bereitet. Ohne diesen Grundstoff der modernen Industrie würde das Ende der»Staatskonjunktur« nahe herbeigekommen sein. Mit der Verwirklichung von Görings Plan wird aber, meint der»Völkische Beobachter«, die deutsche Volkswirtschaft das Eisen haben, das sie braucht.»Wir werden so viel Eisen aus dem Boden gewinnen, daß das Ausland uns nicht mehr diktieren kann. Durch die Neugründung wird der Maschinen- und Apparatebau und die Autoerzeugung, welche bisher durch Eisenmangel gebremst waren, einen neuen Aufschwung nehmen.« Kraft welchen Wunders soll der deutsche Eisenhunger gestillt werden? Göring hat es vor Vertretern der eisenschaffenden und-verbrauchenden Industrie, des Eisenhandels und der Bauwirt- j Schaft verkündet. Es ist eine Gesellschaft| mit dem Namen Reichswerke Aktiengesell-• Schaft für Erzbergbau und Eisenhütten »Hermann Göring « gegründet worden. Ihre erste Aufgabe soll die Errichtung von Werken im Bereich der Erzvorkommen im Salzgittergebiet, in Baden und in Franken sein. Außerdem hat Göring eine Anordnung erlassen, wonach Bergbauberechtigte zum Zwecke des Aufschlusses und Abbaues von Mineralien zusammengeschlossen werden können. Vom Reuterbüro wird mitgeteilt, die Errichtung der neuen Gesellschaft werde als faktische Nationalisierung der Eisenproduktion in Deutschland angesehen. Der Schein t i*ü g t. Allerdings scheint das Argument, mit dem der»Völkische Beobachter« der englischen Auffassung recht zu geben. Der Staat, heißt es dort, greife selber in die Eisenproduktion ein, weil die Privatindustrie die Erze im deut schen Boden habe liegen lassen, obwohl jeder wußte, daß das Eisen knapp war. Daß die Schwerindustrie darauf verzichtet hat, zur Bewältigung der Eisennot Gemeinnutz vor Eigennutz gehen zu lassen, hat seine guten liberalis tischen Gründe. In einem dem Enqueteausschuß des Reichsteges 1926 eingereichten Gutachten der Sachverständigen Dr. Buchmann, Geh. Rat Prof. Dr. Mathesius, Dr. Petersen und Dr. Reichert zur deutschen Eisenerzversorgung heißt es: »Der gewinn bare Eisenerzvorrat Deutsch lands in den heutigen Reichsgrenzen hat sich im Jahre 1917 nach der Schätzung der führenden Geologen Beyachlag und Krusch nur auf rund 530 Millionen Tonnen belaufen. Das ist noch nicht der dritte Teil des auf 1777 Millionen Tonnen geschätzten Erzvor- rates des verlorenen lothringisch-luxemburgischen Hinettegebiets.« Allein die Erzvorkommen des abgetrennten Reichsgebietes waren also 3% mal so groß als die des jetzigen ganzen Reichsgebiets. Trotzdem wurde der deutsche Eisenerzbedarf 1913 nur zu 60 Prozent aus dem heimischen Boden gedeckt. Der Anteil der inländischen Erzförderung war 1927, auf den Eisengehalt berechnet, auf 11.8 Prozent gesunken, heute ist er kaum höher als 18 Prozent. Weshalb läßt die deutsche Schwerindustrie das Eäsen, das Gott im deutschen Boden wachsen ließ, in so hohem Maße ungenützt, und zwar ganz besonders in den Gebieten, die Göring als Nothelfer des deutschen Elisenmangels ins Auge faßt? Darüber unterrichtet uns ein Gutachten des Sachverständigen Wen zel, gleichfalls vom Jahre 1926, worin es
Die Krise der Nichtinterventionspolitik nähert sich ihrem Höhepunkt. Es geht nicht um den Sieg oder die Niederlage F ran cos, es geht nicht um die Gestaltung der spanischen Innenpolitik, sondern es handelt sich um die harte und unerbittliche Machtauseinandersetzung zwischen dem italienischen und deutschen Angriff und der englisch -französischen Verteidigung. Mit»fast allen Mitteln«, um ein Wort Eidens zu gebrauchen, wollen England und Frankreich den Frieden und damit ihren Besitzstand und ihre nationale Unabhängigkeit sichem. Indem sie es gegen die Diktaturen tun, werden sie zugleich Schützer der europäischen Freiheit und der menschlichen Kulturentwicklung, aber nicht wegen abstrakter Preiheitsziele, sondern weil ihre Existenz in Gefahr geraten ist. In der bedeutsamen Debatte des englischen Unterhauses über die auswärtige Politik, die am 20. Juli stattfand, hat der Außenminister mit größerer Deutlichkeit als zuvor die Grenzen bezeichnet, über die hinaus England ein Vordringen Italiens und Deutschlands nicht gestatten könne. Nochmals hat er das Mittelmeer den wichtigsten Lebensweg des britischen Weltreichs genannt und damit klargemacht, daß England die Beherrschung der Ein- und Ausgänge dieses Seewegs durch andere Großmächte nicht zulassen werde. Deshalb sei Englands Interesse an der Unversehrtheit des spanischen äußerst real. An den Land- und Seegrenzen Spaniens , an den Handelsstraßen, die an Spanien vorbeiführen, überall da werden wichtige britische Interessen berührt und England sei entschlossen, diese zu verteidigen. Und was für den westlichen, das gelte für den östlichen Teil des. Verbindungsweges des Zentrums mit dem Empire. Englands Interesse sei es stets gewesen und bleibe es, daß sich keine Großmacht an der Ostküste des Roten Meeres festsetzen dürfe. Aber nicht minder wichtig als die Regierungserklärung waren Enthüllungen, die die Debatte brachte. D a 1 1 o n, der Außenpolitiker der Arbeiterpartei, der
einflußreiche Konservative W i n s t o n Churchill und schließlich Lloyd George brachten mit steigendem Nachdruck die freilich nicht ganz neue, aber bisher von der englischen Oeffentlichkeit wenig beachtete Tatsache zur Sprache, daß Gibraltar jetzt unter dem Feuer gewaltiger Küstenbatterien liege, die sowohl die Festung auf schwerste bedrohen, wie die Meerenge beherrschten. Die Aufstellung dieser Batterien, sagte Churchill , sei sicherlich nicht durch den Bürgerkrieg veranlaßt worden, der in diesen Gebieten keine Rolle spiele, es handele sich um 30.5-cm-Haubitzen, die es bisher in Spa nien nicht gegeben habe; sie wären imstande, die Befestigungen und Docks von Gibraltar zu zerstören und die Bucht für England unhaltbar zu machen. Churchill verlangte zu wissen, ob die Geschütze deutscher oder italienischer Herkunft seien, und welche Informationen die Regierung besäße. Aber der Regierungsvertreter, Lord Cranborne, verweigerte jede nähere Auskunft und begnügte sich mit der Versicherung, die Geschütze Gibraltars wären den spanischen überlegen und es bestände gegenwärtig keine Gefahr für die Festung. Das Haus war nicht beruhigt, und die Besorgnis in der englischen Oeffentlichkeit steigert sich von Tag _zu Tag, um so mehr, da eine Reuterdepesche aus Gibraltar vom 23. Juli neue Einzelheiten bringt, nicht nur über die Aufstellung der Batterien, die gegen die Meerenge und gegen Malaga gerichtet sind, sondern auch über die Anlage von zementierten Befestigungen und Stützpunkten für Flugabwehrkanonen. Neben dieser Einkreisung Gibraltars und den Versuchen, den Durchgang durch die Meerenge durch Kanonenfeuer zu sperren, macht die Befestigung der Balearen offenbar rasche Fortschritte. Nach zuverlässigen Informationen der englischen Presse haben 600 italienische Offi- nere und Soldaten, hauptsächlich Angehörige der Flugwaffc, die vollständige militärische Kontrolle von Mallorca übernommen und bilden eine spanische Armee
von 20.000 Mann aus. In Mallorca und Ibiza sind Küstenbatterien und Flugabwehrgeschütze installiert. Noch in letzter Zeit wurden Flugzeuge, Abwehrgeschütze imd Bomben in Palma ausgeladen. Aber auch damit nicht genug. Es ist kein Zweifel, daß sich deutsche und italienische Militärs und Kriegsge- winnlerauch auf den Kanarischen Inseln eingenistet haben. Von da aus wären italienische und deutsche Kräfte imstande, den britischen Seeweg nach Osten durch den Atlantischen Ozean zum Kap zu bedrohen, während der Weg durch die Meerenge von Gibraltar durch die Geschütze an der spanischen und nordafrikanischen Küste gesperrt und die Verbindungswege Frankreichs mit seinen nordafrikanischen Besitzungen von den Balearen aus unterbunden werden könnten. So stehen die Dinge jetzt schon und die Machtumwälzung wäre mit dem Siege Francos vollendet. Denn der Sieger wäre auf die Hilfe der deutschen und italienischen Militärs auch später angewiesen und bliebe jedenfalls in der entscheidenden Zeit völlig in ihrer Abhängigkeit. Es ist nicht zu viel gesagt, daß mit dem Siege Francos in der Machtauseinandersetzung zwischen Italien und Deutschland mit den Westmächten der erste schwere und sehr bedeutungsvolle Kriegsabschnitt für die Diktaturen fast unblutig gewonnen wäre. Ein erheblicher Teil dieses Weges ist mit dem Inkrafttreten der Balearen, der Kanarischen Inseln und der nordafrikanjschen Küste bereits zurückgelegt. Die gegenwärtige Krise der Nichtinterventionspolitik besteht nun in dem Zwang für England und Frank reich , einen letzten Versuch zu unternehmen, diese ihre Existenz bedrohende Entwicklung wieder rückgängig zu machen, nachdem sie es haben so weit kommen lassen. Der Kern des letzten englischen Kompromißvorschlages ist und bleibt die Zurückziehung der Freiwilligen«, das heißt der deutschen und italienischen Militärs und Techniker und die Aufgabe der von ihnen geschaffenen strategi-
heißt, es müsse festgestellt werden,»daß die als Hoffnung und Zukunft einer größeren inländischen Eisenerzversorgung in Frage kommenden großen Lagerstätten im Vorland des Harzes, in der Oberpfalz , im bayrischen und württembergischen Jura Erze enthalten, die jedenfalls im Rohzustände, technisch minderwertig und wirtschaftlich konkurrenzunfähig sind«. Die schwedischen Erze enthalten 60 bis 70 Prozent Elisen, die von Salzgitter (Harz ) etwa 30 Prozent. Um sie trotzdem verwendbar zu machen, müssen kostspielige Auf bereitungsverf ahren angewendet, d. h. die Erze von ungeeigneten Bestandteilen gereinigt werden. Abgesehen davon, daß kapitalverzehrende Investitionen erst gemacht werden müßten, die in ausländischen Erzrevieren bereits gemacht worden sind. Selbst angenommen, daß das bisher Unmögliche möglich werden, die deutschen Erzvorräte zur Deckung des deutschen Eisenbedarfs an sich ausreichen sollten, so würde die deutsche Eisenindustrie, allein oder vornehmlich auf die heimische Erzbasis gestellt, auf dem Weltmarkt ausgeschaltet werden. Die deutsche Erzförderung ist niemals rentabel gewesen und nicht erst im Dritten Reich wesentlich mit Hilfe von Staatszuschüssen aufrechterhalfen worden. Zwar nicht für General Göring , dessen höchstes Ziel die Wehrfreiheit ist, aber für Krupp und Thyssen ist der Gesichtspunkt der
Rentabilität entscheidend. Sie scheuen die riesenhaften Kapitelaufwendungen für eine riesenhafte Fehlanlage, obwohl sie mehr Geld an der Aufrüstung verdienen, als sie mit Profit anlegen können. Von solchem Risiko soll die Schwerindustrie verschont bleiben. Daher will Göring sie von ihren Erzsorgen befreien, aber gleichzeitig auch von den damit verbundenen Kosten. Hat das Reich Milliarden für die Ersatzstofferzeugung aufgewendet, warum soll es nicht die wahrscheinlich noch weit höheren Kosten der deutschen Erzfreiheit bezahlen? Es wird denn auch ausdrücklich betont, daß der privaten Industrie die Beteiligung an der neuen Gesellschaft, in der das Reich die»F'ührung« haben soll, freigestellt wird. Damit schon ist gesagt, daß die Finanzierung wesentlich vom Reich besorgt wird. Weit entfernt eine Nationalisierung zu sein, ist Görings Plan vielmehr eine riesenhafte Subvention für die Schwerindustrie. Aber Göring will ja nicht nur Erz fördern, sondern, schon wegen der Fracht- erspamis nach der Ruhr, neue Elisenwerke an Ort und Stelle errichten. Ist das nicht eine Konkurrenz für die Ruhr? Solange nicht, wie die Aufrüstungskonjunktur dauert, die- der Schwerindustrie ohnehin hundertprozentige Beschäftigimg sichert. Die Herren Thyssen und Krupp fürchten aber, daß zunehmende Verschärfung des
Eisenmangels das Ende der Aufrüstungskonjunktur bedeuten und zugleich, daß die auf so zweifelhafter Erzbasis ruhenden neuen Eisenhütten als noch katastrophalere Fehlanlagen sich erweisen könnten als die Umstellung auf das heimische Erz selbst. Görings Plan soll ihnen die Sorge um die Erhaltung der Aufrüstungskonjunktur, aber gleichzeitig auch die Aufbringung ihrer Kosten abnehmen. Es handelt sich also auch hier weniger um die Nationalisierung der Eisenproduktion als um di e E r h a 1 1 u n g d e r p r i v a t e n Rentabilität auf Reichskosten. Abgesehen davon, daß die neue Gesellschaft nicht ohne Absicht als Aktiengesellschaft aufgezogen sein dürfte. Wenn erst das Reich die notwendigen Investitionen bezahlt hat, kann die Reichsbeteiligung an Görings Freunde von der Schwerindustrie verramscht werden. Man weiß, daß das Dritte Reich in dieser Hinsicht nicht gerade überbedenklich ist. Bei alledem ist es mehr als zweifelhaft, ob Görings Erzfreiheit nicht ebenso ein Wunschtraum bleibt wie Darres Nährfreiheit. Gar nicht zweifelhaft ist aber, daß Görings Plan einer Kriegserklärung gleichkommt, denn er zeigt deutlich, daß das Dritte Reich sich lieber wirtschaftlich von der übrigen Welt löst, als daß es auf seine waffenstarrende Kriegsdrohung verzichtet.
I