ö>j>chcnbla� Verlag; Karlsbad , Haus„Graphia"— Preise und Bezugsbedingungen siehe Beiblatt letzte Seite Kr. 231 SOKKTAG, 14. Kov. 1937 Aus dem Inhalt: Das braune Net? in Dänemark Die Tragödie Danzig England set?t auf Franco Zum Berner Prozeß Die Affen des Bolschewismus Was wollen sie mit ihrer Antikomintern? Hitier, Führer und Held der lichtblonden Germanen, verbündet sich mit den Italienern und—>Völker Euro- pas, wahrt eure heiligsten Güter!«— den gelben Japanern. Gegen wen? Gegen den Bolschewismus! Wer sagt da nicht Bravo! In der ganzen Welt gibt es keine Regierung, die bolschewistisch ist, außer der russischen(und selbst bei der ist es nicht ganz sicher, ob sie es noch ist). Zwischen ihr und der Komintern weiß man wohlweislich zu unterscheiden. Mit völkerrechtlicher Korrektheit hat Graf Ciano dem protestierenden Sowjetbotschafter versichert, daß sich die Spitze des n?uen Dreiecks nicht gegen die Moskauer Regierung richte. Gegen wen sonst? Nun, gegen eine Weltanschauung, eine Gesinnung, eben die bolschewistische! Es entsteht die Frage: Was ist Bol- sch ismus? Zu welchem Zweck be- kämpft man ihn? Auch wir, die von dem antibolschewistischen Dreieck um Siriusweite entfernt sind, sind Gegner des Bolschewismus. Warum sind wir es? Und warum sind es die anderen? Wir sind Gegner des Bolschewismus, weil wir Fanatiker der Humanität sind. Wir sind Gegner des Bolschewismus, weil wir Gesinnungen mit Argumenten und nicht mit Exekutionspelotons bekämpfen wollen. Wir sind Gegner ci:a Bolschewismus, weü wir für die Menschenrechte eintreten, für die Freiheit der Persönlichkeit, der Meinung, des Wahlrechts, der Wissenschaft, der Kunst, der Religionsausübung. Wir sind Gegner des Bolschewismus, weil wir Feinde jeder Diktatur und überzeugte Demokraten sind! Weil wir das alles sind, fühlen wir uns zur Frage berechtigt, was denn die Herren von der Antikomintern, insonderheit die deutschen Nazi, dem Bolschewismus eigentlich vorzuwerfen haben? Stalin ist ein Diktator, gewiß, aber ist Hitler nicht auch einer? Kein anständiger Mensch kann die Speichelleckereien der Moskauer Zeitungen lesen, ohne das Brechen zu bekommen — aber wirken die Berliner Gazetten nicht ebenso kräftig? Stalin hat seine alten Kampfgenossen vor Gericht gestellt und erschießen lassen. Hitler hielt solche Zeremonien für überflüssig und etablierte sich selber als Gerichtsherr. Stalin war zuerst, dann kam Hitler . Hitler hat von Stalin sehr viel gelernt. Beide verachten die Demokratie und bekämpfen sie, beide versichern zugleich, ihre Staaten seien die vollendetsten Demokratien der Welt. Vom Bolschewismus lernte der Nazismus den Aufbau des Parteistaates, die Verwandlung einer freien Gesinnungsgemeinschaft, wie die Partei in der Demokratie sie darstellt, zu. einem allbeherrschenden, jeden Widerstand Verbrechenden Instrument der Machtpolitik. Vom Bolschewismus lernte der Nazismus die kunstreiche Verbindung von Terror und Propaganda, das Verbergen aUer Mängel und Greuel hinter Fahnen, Fackeln, Uniformen und Massenlärm. Den Fall d s Henkerbeils, den Knall der Salven, den Schrei der Opfer übertönen hier wie dort Marschmusik und Jubelgeschrei. Vom Bolschewismus lernte der Nazismus noch unendlich viel andere Dinge. Gab es dort Fünfjahrespläne, so gibt es Vierjahrespläne hier. Organisierte man dort den Mangel in einem vom Krieg kahlgefressenen Lande, so schuf man hier den Mangel erst, um ihn dann organisieren zu können. Von den Sowjetrussen lernte Schacht, wie man Währungen manipuliert— nur mit dem Unterschied, daß hinter dem Rubel die ungeheuren nationalen Reichtümer eines riesigen Landes stehen, hinter der Mark aber nur die sich erschöpfende Arbeitskraft eines maßlos ausgebeuteten Volkes. Der Bolschewismus rottete grausam die Bourgeoisie aus. Der Nazismus bemüht sich, ihn bei der Ausrottimg der Juden an Grausamkeit zu übertreffen. Der Bolschewismus hat mit harten Mitteln die Religionsgesellschaften bekämpft. Stellt aber nicht das Raffinement der antikatholischen Schauprozesse alles von ihm Geleistete in den Schatten? Aber das Eigentum! Das heilige Eigentum! Hat sich der Bolschewismus nicht schändlich an ihm vergriffen? Nun, es wäre wirküch zum Lachen, wenn ausgerechnet die Nazi sich auf die Heiligkeit des Eigentums berufen wollten, sie, die die größten Diebe aller Zeiten sind. Der Bolschewismus hat Privateigentum in Staatseigentum verwandelt, aber es ist nicht bekannt geworden, daß führende Bolschewiken Staatseigentum willkürlich in ihr Privateigentum umgewandelt hätten in der Weise, wie das bei den Nazi gang und gäbe ist! Was also, was um alles in der Welt haben die Nazi den Bolschewiken vorzuwerfen? Wo ist der Unterschied zwischen den beiden? Nun, der Unterschied zwischen den beiden ist der, daß sich in Rußland eine Revolution mit grauenhaften Begleiterscheinungen vollzieht, in Deutschland aber eine Gegen revolution. In Rußland hat eine Partei, die aus der Arbeiterklasse hervorgegangen war — unter grauenhaften Mißgriffen, die wir stets kritisiert, bekämpft und verurteilt haben— die Wirtschaft eines Weltreichs ohne Bourgeoisie und ohne Privatkapitalismus neu organisiert. In Deutschland hat eine Partei, die von dem reaktionärsten Teü der Schwerindustrie und des Großgrundbesitzes auggehalten war, die Gegner des Kapitalismus niedergeschlagen. Das ist der Unterschied! Was bedeutet also das antibolschewistische Kampfgeschrei des neuen Dreiecks? Es bedeutet keine Abwendung von Despotismus, Terror und Bestialität, sondern er bedeutet das Gelöbnis, Despotismus, Terror und Bestialität wirken zu lassen für die Erhaltung der Kapitalsherrschaft. Das nazistische Gangstertum empfiehlt sich mit seinen schwarzhaarigen und gelbhäutigen Hilfsvölkern den Kapitalisten aller Länder zur Niederknüp- pelung und Versklavung der eigenen Volksgenossen: Zertrümmerung der Gewerkschaften, Abbau der Sozialreform, der Sozialversicherung, Raub aller politischen Rechte, Vernichtung der Demokratie! Das ist der Sinn seines Kampfes»gegen den Bolschewismus«. Gegen den Bolschewismus— jawohl! Das Schlimmste, was w i r dem Bolschewismus vorzuwerfen haben, ist, daß er diese Sorte von» Antibol- schewismus« heraufbeschworen, ermöglicht, ja sogar gefördert hat. Der Weg zur Befreiung der Welt vom bolschewistischen Irrtum geht über die Vernichtung des Nazismus und seiner Antikomintern. England seljt anl Franco Der neue Dreibund der Angreifer Im raschen Tempo folgen die Ereignisse in der auswärtigen Politik aufeinander. Im englischen Unterhaus hat der Außenminister Eden eine Rede gehalten, die größere Klarheit über die englische Politik schafft. Diese Politik ist aber für Europa die schlechthin entscheidende, seitdem nach der Besetzung des Rheinlandes Frankreich gezwungen ist, sich England anzuschließen, um eine Isolierung zu vermeiden. Es war eine Rede — stark in der Form, aber schwach in der Sache. Mit großer Energie hat Eden unter dem einstimmigen Beifall des Unterhauses die Anmaßung Mussolinis zurückgewiesen, der sich zum rücksichtslosen Vertreter der deutschen Kolonialforderungen gemacht hat, und ihn daran erinnert, daß der Annexionist des deut schen Südtirol und der kroatischen Küstengebiete in Europa nicht das moralische Recht hat, England und Frankreich die Mandatsausübung über die ehemaligen deutschen Kolonien vorzuwerfen. Mit starkem Nachdruck hat er die Bereitwilligkeit Englands erklärt, mit den Ver einigten Staaten auf Grund der Rede Roosevelts zum Schutz des Friedens zusammenzuarbeiten. In dem wesentlichen Punkt aber, in dem Verhalten Englands im spanischen Konflikt, wurde der Ton und Inhalt anders. In fast freundlichen Worten suchte Eklen dem General Franco klarzumachen, daß die Zurückziehung der»Freiwilligen« in seinem eigenen Interesse läge. Denn nach dieser Zurückziehung erhalte er die Rechte «nes Kriegführenden, die ihm die Blok- kade der spanischen Küste und damit die Unterbindung der Zuführung von Lebensmitteln und Kriegsmaterial sichere. Dies sei für ihn noch wichtiger als die Hilfe, die ihm die»Freiwilligen« geleistet hätten. Ist schon diese Besorgnis um die richtige Politik Francos verwunderlich, könnte man sie aber immerhin noch als den Versuch auslegen, für die Annahme des englischen Vorschlags den Boden vorzubereiten, so schaffen die folgenden Ausführungen restlose Klarheit. Sie sind wichtig genug, um sie etwas genauer wiederzugeben. Eden erklärt über die zukünftigen Beziehungen zwischen England und Spanien : »Es gibt Leute, die überzeugt sind, daß im Falle eines Sieges der aufständischen Streitkräfte Spanien in ein aktives Bündnis in einer gegen England gerichteten Politik verwickelt wird. Diese Ansicht teile ich nicht. Wir sind uns der Gefahren genau so bewußt wie die Opposition, aber es gibt starke Kräfte, die in einer andern Richtung wirken, Kräfte wirtschaftlicher und geographischer Art. England ist immer noch die stärkste Seemacht In Europa , und ich vertraue darauf, daß es das auch bleibt. Dieser Umstand ist nicht wirkungslos, wenn man weiß, daß wir in bezug auf die territoriale Integrität und die politische Unabhängigkeit Spaniens keinerlei Hintergedanken hegen, weder direkt noch indirekt. Die Spanler wissen das sehr gut. Sie wissen auch, daß kein britisches Kriegsmaterial den Tod eines Spaniers herbeigeführt, bei keiner der beiden Partelen. Ich bin überzeugt, daß diese Dinge in Zukunft ihre Bedeutung haben werden. Ich bin durchaus nicht einverstanden, wenn man behauptet, es sei unvermeidlich, daß nach einem Siege der spanischen Aufständischen eine cnglandfeindllche Regierung in Spanien kommen müsse. Wir wünschen durchaus in Freundschaft mit Spanien zu leben, ganz unabhängig vom Ausgang des gegenwärtigen Konfliktes. Ich bin überzeugt, daß Spanien unter diesen Umständen diesen Wunsch teilen wird.« Man sieht, die englische konservative Regierung ist bereit, sich mit dem Sieg Francos abzufinden. Sie will nur vorerst die Zurückziehung der italienischen und deutschen Truppen durchsetzen, damit der General Franco seine künftige Politik in größter Unabhängigkeit wählen kann. Der Rede Eidens ist ein bedeutsamer Schritt unmittelbar auf dem Fuße gefolgt. Die englische Regierung hat sich mit Franco über die gegenseitige Entsendung von Vertretern verständigt. Zwar versichert die englische Regierung, es handele sich weder um eine Anerkennung de jure, noch um eine solche de facto, sondern nur um die Möglichkeit besserer Verhandlungs- möglichkedten über wichtige wirtschaftliche Interessen. Aber das sind leere Worte. In Wirklichkeit ist kein Zweifel, daß diese Vertreter auch sehr wichtige diplomatische Beziehungen herstellen werden. Zugleich ist es klar, daß die englische Regierung diesen Weg nicht beschritten hätte, wenn sie nicht einen Sieg Francos für wahrscheinlich hielte. Frankreich verfolgt diese Politik mit großer Sorge. In der Tat ist das fran zösische Risiko noch unmittelbarer und größer als das englische. England hat keine Landgrenze, aber die französi sche Pyrenäengrenze muß geschützt werden, und das bedeutet eine Schwächung der Grenze gegen Deutsch land . England hat bei einer Sperrung des Mittelmeers zunächst zur Not noch den Weg über den atlantischen Ozean; für Frankreich bedeutet die Sperrung die Abschnürung von seinen nordafrikanischen Kolonien und die Störung seiner Mobilisierung. Kein Wunder, daß man besorgt fragt, ob denn England Zusicherungen von Franco erhalten habe, was solche Versicherungen heutzutage wert seien, ja, ob Franco selbst, wenn er wollte, solche Versicherungen halten könnte, nachdem Ita-
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