%r. 233 SONNTAG, 28. Not. 1937 Aus dem Inhalt: Das weltpolitische Dreieck Die braune Hand in Rumänien Der Weg der Labourfront Napoleon unterm Bett SDocfrgiMa# Verlag: Karlsbad , HausGraphia" Preise und Bezugsbedingungen siehe Beiblatt letzte Seite Deutsche Waffen Elr.e rechtsputschistlsche Verschwörung In Frankreich In Paris sind große Waffenlager entdeckt worden, die im Besitz rechts­radikaler Putschisten waren. Man hat Tankabwehrgeschütze, Maschinenge­wehre, Gewehre, Maschinenpistolen, Handgranaten und Massen von Muni­tion gefunden genügend Material für einen ernsthaften bewaffneten Auf­stand. Der größte Ted dieses Mate­rials stammt aus Deutschland . Der französische Ministerpräsident hat in der Kammer erklärt, daß die Ange­legenheit in Anbetracht der Herkunft der Waffen vielleicht Ueberraschungen von schrecklichem Emst in sich berge. Diese Waffenfunde sind unbequem für den offiziellen Optimismus, der die wahre Lage in Europa immer noch zu beschönigen sucht. Sie erhellen die Methode der Kriegsführung durch Ver- schwörung, die von den faschistischen Mächten virtuos geübt wird. Es gibt für England das Problem Palästina, den Daueraufstand der Araber. Wo kommen die Waffen her? Die englische Regierung hat darüber keinerlei Zwei­fel. Es gibt für Frankreich das Pro­blem Marokko , Algier und Tunis , die lebhafte, stellenweise revolutionäre Formen annehmende Gärung in Nord­ afrika . Auch hier herrscht über die Urheber keinerlei Unklarheit. Schließ­lich sind inzwischen Dokumente veröf­fentlicht worden, aus denen einwand­frei hervorgeht, daß Mussolini die spa­ nischen Putschisten und Verräter lange vor Ausbruch des Aufstandes mit Waf­fen und Geld beliefert hat. Die deutsche Presse hat sich zu­nächst bemüht, die in Paris entdeckten Waffenlager in kommunistische umzu- lügen. Nachdem diese Lügen nicht mehr haltbar sind, redet sie von ge­heimnisvollen und gefährlichen Plänen der Kommunisten und Trotzkisten in Frankreich . Es ist eine alte Methode, faschistische Putschversuche mit an­geblichen kommunistischen Putschver­suchen zu rechtfertigen. Sie wurde in größtem Stile geübt nach dem Reichs­tagsbrand vom Jahre 1933: der braune Terror wurde mit der erlogenen Be­hauptung begründet, daß er in letzter Minute Deutschland vor einer bolsche­wistischen Revolution bewahrt habe. Die Lügen und Verschleierungsver­suche der braunen Presse sind von der­selben Herkunft wie die in Paris gefun­denen Waffen. Als im Jahre 1937 die französische Regierung energisch gegen deutsche Festsetzungsversuche in Marokko auf­trat, erhob sich in der deutschen Presse ein befohlener Hetzfeldzug gegen Frankreich . Er war auf den Ton ge­stimmt: in Frankreich steht eine kom­munistische Revolution bevor! Göbbels ließ eine Nachricht verbreiten, daß in Südfrankreich bereits die Sowjetrepu- blik ausgerufen worden sei. Es erhebt sich die Frage: wollte die braune Pro­paganda schon damals ein Signal zu einem rechtsradikalen Putsch in Frank­ reich geben?, Wiederum Ende Juni 1937 warteten die braunen Machthaber mit zitternder Erregung auf den Ausgang der Krise der Regierung Blum. Ihre gesamte Hal­tung ließ erkennen, daß sie vom Sturze Blums revolutionäre Unruhen in Frank­ reich erhofften. Welche Konsequenzen sie ziehen würden, wenn es in Frank­ reich zu bürgerkriegsähnlichen Zustän­den käme, bedarf keiner Erörterung.] Es erhebt sich die Frage: worauf grün­deten sich ihre Erwartungen? Haben damals schon intensive Beziehungen zu den französischen Rechtsputschisten bestanden? Wußten die braunen Macht­haber um die reichen Bestände deut­ scher Waffen in den Lagern der fran­ zösischen Rechtsputschisten? Die Serie der Hetzfeldzüge der brau­nen Presse gegen Frankreich ist einst­weilen unterbrochen. Der Verrat der Nichtinterventionsmächte an der Sache des republikanischen Spanien ist wohl die augenblickliche Zurückhaltung der gleichgeschalteten deutschen Presse wert. Wenn die französische Republik sich stillschweigend damit abfindet, daß an ihrer Südgrenze, an den Pyre­ näen , eine Front entsteht, der sie im Kriegsfalle große Aufmerksamkeit wird widmen müssen warum soll bei so viel Selbstentäußerung die braune Presse nicht gleichfalls schweigen? Es mag für die französische Regie­rung sehr bitter sein, wenn sie die Zu­sammenhänge zwischen den Lagern deutscher Waffen in der Hand franzö­sischer Rechtsradikaler und ihrer eige­nen Politik überlegt. Die Politik der angeblichen»Nichtintervention« in Spanien mußte ja geradezu ein Anreiz sein, sich über alle Grundsätze des internationalen Rechts hinwegzusetzen und auf das Nichtinterventionsprinzip zu pfeifen. Wir werden natürlich hören, daß es sich nur um ganz private Waffenkäufe und Verkäufe, um illegale Waffen­geschäfte handelt, die mit irgend einem unzulässigen Einmischungsversuch auch nicht das geringste zu tun haben obgleich es eine schöne Illusion ist, daß angesichts der Planmäßigkeit der Rüstungswirtschaft in Deutschland so große Bestände privat und unkontrol­liert geliefert werden könnten. Die Brutalität der Methoden der braunen Verschwörung begegnet immer verle­generem Schweigen und besorgten Be­schönigungen um die faschistischen Terroristen nicht zu reizen. Indessen läßt sich die Brutalität der Tatsachen nicht verbergen. Man stelle sich vor, die Dinge lägen umge­kehrt: im Besitze deutscher Antifaschi­sten würden Dutzende von Maschinen­gewehren französischen Ursprungs, würden Geschütze, Gewehre, Handgra­naten, Munition französischer Herkunft aufgefunden! Man wird uns entgegnen, daß diese Vorstellung unmöglich sei, denn die demokratische französische Regierung habe ja nicht einmal der rechtmäßigen spanischen Regierung vertragsmäßig zustehende Waffen zum Kampfe gegen Verräter und Putschi­sten geliefert. Aber man setze den Fall: welches Geheul würde das braune System erheben, welche Konsequenzen würde es ziehen! Er ist die Schuld der demokrati­schen Länder, daß die Diktaturmächte Europa immer mehr unter das Gesetz des Terrors stellen können! Bttme fHatiiMtUis m ftanktekk Man schreibt uns aus Paris : Seit einigen Wochen hat die Presse des Dritten Reiches eine taktische Wendung in der Außenpolitik vollzogen. Die bis vor kurzem noch so heftigen Angriffe gegen die französische Regierung sind auf An­weisung der Reichspressestelle völlig un­terbunden worden, während der Feldzug gegen England und Amerika mit stachligen Randbemerkungen gegen Eden und Roose- velt fortgeführt wird. Was ist geschehen? Warum auf einmal freundliche Worte für Chautemps, Delbos und selbst für Herriot , der noch vor kurzem wegen seiner Ruß­landreise und einigen Bemerkungen über seine Eindrücke ausgehöhnt wurde? Seit etwa drei Monaten ist eine wohlorganisierte, braun­deutsche Invasion im Gange. Ausgerüstet mit allen Papieren unbeding­ter politischer Zuverlässigkeit begegnet man in den Pariser Straßen und in den politischen Couloirs vor allem jungen Na­tionalsozialisten, die in Wort und Schrift die französische Oeffentlichkeit von der deutschen Verständigungs­bereitschaft zu überzeugen suchen. Auf Ersuchen der deutschen Botschaft war Präsident Lebrun vor einigen Wochen ge­nötigt, auf seinem Landsitze eine ganze Herde deutscher Hitlerjungen zu empfan­gen und Freundlichkeiten mit ihnen auszu­tauschen. Ein Aufsatz des Ministerpräsi­denten Chautemps über eine deutsch -fran­zösische Verständigungsmöglichkeit wieder von der Zeitschrift Schirachs in großer Aufmachung abgedruckt und befehlsgemäß von der ganzen deutschen Presse über­nommen. Eine französische Uebersetzung einer Schrift Schirachs»Wille und Macht« (der Titel deutsch , mit französischen Un­tertiteln, der auf die Lehren und Ideen der neuen deutschen Jugend hinwies) liegt in allen Pariser Buchhandlungen und in den Klosken der großen Boulevards auf und wird nach unseren Beobachtungen viel ge­kauft. In seiner Eigenschaft als Ober­bürgermeister von Lyon empfing Herriot eine Anzahl junger deutscher Akademiker, deren Beteuerungen den leicht entflamm­baren französischen Staatsmann so ent husiasmierten, daß er auf dem Liller Kongreß der Radikalsozialisten voller Zu­versicht über die Aussichten eines deutsch - französischen Brückenschlags sprach. Die deutsch -französische Kulturwoche in Paris wurde von Göbbels mit Hunderttausenden dotiert und wirkt entsprechend. Nur we­nige Zeitungen gestatteten sich die An­frage, wo die Beweise für die geistig­künstlerischen Neuschöpfungen des Drit­ ten Reiches geblieben seien. Sängerinnen und Orchester hatten nichts als Proben jener unvergänglichen deutschen Kunst ge­geben, die lange vor Hitler bestand. Was läßt sich gegen eine deutsch -fran­zösische Verständigung sagen? Vom Stand­punkt des europäischen Friedens her ge­sehen, gewiß nicht das mindeste, und der echte Friedenswille des französischen wie des deutschen Volkes ist unbestreitbar. Die nationalsozialistischen Abgesandten spielen jedoch Frankreich und Welt die Fabel Lafontaines vom Fuchs und dem Raben vor. Sie spekuüeren auf den bon sens des Durchschnittsfranzosen, der in seiner Menschengläubigkeit geneigt ist, die Delegierten des Faschismus für Vertreter echter geistiger und moralischer Werte zu halten, weil sie in die üblichen europäischen Umgangsformen eingehüllt werden. Sie haben so treuherzige Augen, ihr Händedruck ist so warm und so herzlich, sie heben und sie senken ihre Stimme mit allen feinen psychologischen Zwischentönen, so daß sie selbst auf erfahrene französische Politiker Eindruck machen. Sie weisen Dokumente vor, sie beziehen sich auf ihren Führer, der nichts anderes will, als sie, die Vertreter der neuen deutschen Geistigkeit, deren Herz im echten Friedens­takte schlägt. Man kann nicht einmal sagen, daß diese jungen Deutschen , die in Paris ihr Hakenkreuz unter dem Rock­aufschlag verstecken, durchweg bewußt unehrlich sind. Es gibt unter ihnen Idea­listen, die es aufrichtig begrüßten, daß Göbbels das Lied:»Siegreich wollen wir Frankreich schlagen« offiziell verboten hat. Aber wer heute mit dem Palmzweig in der Hand ins Ausland kommt, ist be­wußt und unbewußt ein kleiner Machia- velli. Jeder hat seinen Schulungskursus hin­ter sich und wird erst ins Ausland ge­lassen, wenn er in der nationalsozialisti­schen Herrendogmätik absolut sattelfest ist. Hinter den europäischen Flötentönen dröhnt der Marschtritt d e r K r ie g s kol on- nen und der eiserne Takt der Rüstungsindustrie. Die Franzosen , selbst sehr höfliche Leute, erliegen leicht der Gefahr, die Höf­lichkeit dieser jungen reinrassigen Send­boten für das Gesicht Deutschlands m halten. Das Demokratische sitzt ihnen so tief im Blut, daß sie noch immer nicht be­griffen haben, daß zwischen dem deutschen Volke und den Versöhungsengeln aus dem Clan der braunen Eroberer ein Ab­grund klafft. Selbst kluge und einfluß­reiche Franzosen bis weit nach links über­sehen diesen Unterschied, weil ihnen auf diese Weise das Dritte Reich vortäuscht, was sie sich wün­schen: den friedlichen Nachbarn an der Ostgrenze. Darin liegt die Gefahr. Deshalb ist es nötig, daß sich das friedliebende Frank­ reich klar darüber wird, daß jene jungen Nationalsozialisten, die Herr Göbbels ap­probiert hat, nur die europäische Maske vorgebunden haben. Jeder von ihnen ist ein Grieche im hölzernen Pferde, mit dem Auftrag, den Gegner zu blenden und aus seiner Arglosigkeit politi­schen Nutzen zu ziehen. Mögen sich alle Franzosen bei der Beurteilung der deutschen FriedensUebe endUch nach der These Barthous richten, daß die Außen­politik eines Landes von semer Innen­politik nicht zu trennen ist. H. Offenheit Aus dem»Schwarzen Korps« vom 4. No­vember: »Offen bleibt auch bei geordneten De­visenverhältnissen in Köln die Frage, warum kein arischer Bankmann die Konzession für den von uns erwähnten Laden hat. Denn zum Begaunern von Kunden und zum Betrügen des Staates braucht man wahrlich kein« Juden. Die sollen uns vom Halse bleiben...«