J V <5o|ia�emolraHfcVg EN AVANT! Hebdomadaire en langue allemande Redaktion und Verlag: 5, Rue Mayran, Paris -9. Telephone: Trudaine 46-52 Nr. 240 SONNTAG, 23. Januar 1938 Aus dem Inhalt: Kanonenhochzeit Berichte aus Deutschland Soziaiismu* und Gewalt Prix: Fr. 1,50 Gefahr für die Freiheit Die braune Verfolgung gegen die freie Presse Das braune System verfolgt uns mit ingrimmigem Hass. Da es deniVeuen Vorwärts" nicht zum Schweigen brin­gen konnte, reizt es die jetzigen und die künftigen Bundesgenossen Hitler- deutschldnds gegen ihn auf. Im Au­genblick, in dem derNeue Vorwärts" zum erstenmal in Paris erschien, er­hielten wir die Mitteilung, dass die Regierung Stojadinowitsch unsere Zei­tung in Jugoslawien verboten hat. Wir wissen genau, woher dieser Pfeil kommt. Es ist wahr, dass wir über die Regierung Stojadinowitsch ungeschminkt unsere Meinung gesagt haben. Wir haben die Auflockerung der Kleinen Entente ebenso kritisch verfolgt wie die innere Diktatur der Regierung Stojadinowitsch und die Machenschaften des Prinzregenten Paul. Wir haben seit langer Zeit die Absicht dieser Regierung gebrand markt, sich an die faschistischen Dik­taturen zu verkaufen, buchstäblich zu verkaufen. Wir haben in die dunklen Abmachungen hineingeleuchtet, die von dieser Regierung mit der Hitler­regierung über die Ausbeutung der ju­goslawischen Erzlager getroffen wor­den sind. Es war deutlich genug sicht­bar, dass die Regierung Stojadino­witsch das Spiel der braunen Despotie in Südosteuropa erleichterte. Dies ist lange genug gegangen, und heute kann niemand mehr sich darüber täu­schen, dass die Zunahme des poli­tisch-wirtschaftlichen Einflusses des Hitlersystems in Südosteuropa eine Abnahme der inneren Freiheit dieser Völker bedeutet, deren Regierungen sich dem Hitlersystem annähern. Der deutsche Imperialismus, der immer noch und immer wieder auf der Linie Berlin Bagdad vorstösst, ist eine Ge­fahr für die Freiheit der Völker Süd­ osteuropas . Mit unserer Kritik an der Regierung Stojadinowitsch haben wir übrigens nicht allein gestanden. Die Brutalitä­ten dieser Regierung gegen das eigene Volk sind von der sozialistischen und demokratischen Presse aller Länder hinreichend gekennzeichnet worden. Für uns war der wichtigste Ansatz­punkt unserer Kritik, dass jede Regie- rung, die sich der Regierung HitlA- annähert, der Freiheit Europas und der Freiheit des deutschen Volkes ei­nen schlechten Dienst erweist. Aber wir sind in Jugoslawien nicht 11 m dieser Kritik willen verboten wor­den, sondern weil die deutsche Re- 8ierung, die* Regierung Hitlers , aller­orten unser Verbot fordert. Das diplo­matische Personal des Dritten Rei- ches ist mit dem hasserfüllten Feldzug des Systems gegen uns überall leb­haft beschäftigt. Die Stimme derj Wahrheit soll erstickt werden. Stoja­dinowitsch, der Mann, der sich jetzt an Hitler und Göring heranwirft, hat bei seinem Besuch in Berlin seinen braunen Gönnern das Verbot des Neuen Vorwärts" in Jugoslawien als Gastgeschenk mitgebracht. Man hat es von ihm gefordert, und er hat gewusst, dass er sich in Berlin damit angenehm machen würde. Dieser Bundesgenosse einer freien liberalen Demokratie tritt bedenkenlos ein Stück der europä­ ischen Demokratie zu Boden, um den Despoten in Europa zu gefallen. Man kann von einem Stojadinowitsch nicht verlangen, dass er Gefühl für die gei­stigen Werte der Demokratie habe. Aber die Staatsmänner der grossen Demokratien sollten aus der Tatsache lernen, dass die deutschen Despoten auch ein kleines Stück europäischer Demokratie, wie es derNeue Vor­wärts" ist, mit ingrimmigem Hass ver­folgen, und dass sie einen sorgfältigen und umfassenden diplomatischen Feldzug gegen ihn führen. Wollen sich die grossen Demokratien am En­de nachsagen lassen, dass die Despo­ten ein besseres Verständnis für den Kampfwert und die geistige Bedeu­tung der Stimmen der Demokratie ha­ben? Das Verhalten der Regierung Stoja­dinowitsch sollte ihnen die Augen darüber öffnen. Wenn die Presse der jugoslawischen Regierung von dem Sieg spricht, den das Dritte Reich heu­te schon errungen habe, muss das ebenso merkwürdig in den Ohren der demokratischen Bundesgenossen Jugoslawiens klingen wie die Behaup­tung, dass die Annäherung an Hitler einen Beitrag Jugoslawiens zum Frie­den darstelle. Deutscher Sieg über wen? Und Frieden um welchen Preis? Jugoslawien ist der Bundesge­nosse Frankreichs aber Stojadino­witsch hat in Berlin Göring mit fol­genden Worten hegrüsst; Sie haben das Herz eines ganzen Volkes erobert. Ihre Natur, eine unerschöpfliche Quelle der deutschen Kraft, hat in meinem Lrmde selbst die einfachsten Menschen be- �ytetert.' Der Nun.,, Her mann Göriugs, des treuesten Mitkämpfers Adolf Hitlers , ist in Jugoslawien ein verehrtes Symbol selbst in den verlorensten Dörfern in den Bergen. Wir wissen, dass in Ihrer Stimme die See­le eines ganzen Volkes spricht." Das deutsche Volk wie das jugo- slawische Volk denken anders über die orientalischen Schmeicheleien des Stojadinowitsch vor der brutalen Des­potie. Hermann Göring die Seele des deutschen Volkes? Wenn dies in den demokratischen Ländern wirk­lich geglaubt werden würde, welches Unglück für das deutsche Volk! Die jugoslawische Bevölkerung aber ist 1 in ihrem Kern demokratisch. Sie hat es gezeigt, als sie einst dem Vertreter der tschechischen Demokratie zuju­belte, während Stojadinowitsch und Prinz Paul bleich daneben standen, sie hat es wieder gezeigt, als sie beim Besuch des Vertreters von Frank­ reich , Delbos, für das französisch-ju­goslawische Bündnis manifestierte während Stojadinowitsch auf die De­monstranten schiessen liess. Das Verbot des Neuen Vorwärts in Jugoslawien ist ein Stück der Tragö­die der Freiheit, die sich in Südosteu­ ropa vollzieht. Unter dem Druck der braunen Eroberer verliert die euro­päische Demokratie Position um Po­sition. Wir reden nicht nur für uns, wenn wir den Finger auf diese Wun­de legen. Es sind nicht nur einzelne : Stimmen der Demokratie, die dort preisgegeben werden es ist die Frei­heit der Völker dieses Teiles von Eu­ ropa , die dort auf dem Spiele steht. Denteclilaiicl»In Vor Im Iii Selmsiiclit eines französisclien Vn lerne Ii mers Der HamburgerWirtschaftsdienst" veröffentlicht einen Aufsatz über das ThemaDas französische Unternehmer­tum unter dem Volksfrontregime", des­sen Verfasser offenbar in den führen­den Kreisen der französischen Unterneh­merorganisation zu suchen ist. Der Auf­satz ist ein einziger Sehnsuchtsschrei nach der Einführung deutscher Zustän­de in Frankreich . Unter beweglichen Klagen über dieaufrührerischen Spe­kulationen" des Marxismus wird da er­klärt: Auf de erstem Blick könnte es müssig er­scheinen, wollte man einem deutschen Le­ser di# Versuche schildern, die vom fran­ zösischen Patronat gemacht wurden, um seine Existenz und seine Tätigkeit zu schützen. Seit der Machtübernahme gibt es ein derartiges Problem in Deutschland nicht mehr, denn jeder einzelne kennt dort seine Pflichten und Fechte genau. Die souveräne Autorität der Reichsregierung weiss jeden vor seine Verantwortlichkeit zu stellen. DasFührerprinzip" steht im klaren Gegen­satz zurMassenherrschaft", die in Frank­ reich regiert. Da die öffentliche Macht in Frankreich unfähig oder nicht gewillt war, der Autorität des Unternehmers Respekt zu oerschaffen, musste sich dieser nach der anfänglichen Uebcrraschung selbst helfen, wenn er nicht verschwinden wollte. DieDAZ", die diese französische Liebeserklärung ausführlich nachdruckt, bemerkt zu ihr; Das französische Unternehmertum erlebt seit dem Volksfrontregime die Zeiten, die der deiitsche Unternehmer zwischen 1919 und 1933 durchmachte. Es sieht sich einer immer stärker anschwellenden Flut des Marxismus gegenüber und seine Organisa­tionskraft reicht nicht aus, diese Flut zu dämmen. Es fühlt sich in steigendem Masse im Volksbewusslsein verkannt und verein­samt, als Ausbeuter und Reaktionär abge­stempelt, und es hat keine Mittel, gegen die­se Isolierung, die eine Folge der planmässi- gen marxistischen Stimmungsmache in den breiten Massen des Volkes ist, wirksam anzukämpfen. Es nimmt daher nicht Wun­der, dass der Verfasser des Artikels mehr­fach der deutschen Staatsautorität und der durch sie verbürgten Arbeitsfreiheit,(!) welche die französische Wirtschaft heute bitter vermisst, hohe Anerkennung zollt. Jetzt weiss man wenigstens genau, wodurch Hitler Deutschlandvor dem Chaos gerettet" hat. Dadurch, dass er den Arbeitern das Koalitionsrecht ge­nommen hat! Ebenso genau weiss man, wem zuliebe dieser Rechtsraub erfolgte. Den Unternehmern zuliebe! Wenn man die Arbeiter gewaltsam hindert, besser bezahlte Posten anzunehmen, wenn man ihre Freizügigkeit beseitigt und sie zu öffentlichen Arbeiten zwangsweise hier­hin und dorthin expediert, heisst das im Jargon der UnternehmerArbeitsfrei­heit"! Die Versklavung der Arbeiter im Dienste des Unternehmertums und des Militarismus war das Werk Hitlers . Da­für hat er in den französischen Scharf­macherkreisen die Bewunderung gefun­den, die er verdient. «Liebe» zum braunen IBiich Man will es nicht Fünf Jahre sind jetzt die nationalsozia­listischen Kulturorganisationen um die Ge­schmacksbildung des deutschen Volkes bemüht. Fünf Jahre lang werden Bibliothe­ken eingerichtet, Kurse abgehalten und geistige Kläranlagen geschaffen, um dio ethische Nahrung der Volksgemeinschaft vom libcralistisch-marxistischen Schlamm zu reinigen. Göbbels und Hosenberg wer­den nicht müde, die gewaltigen Erfolge ih­rer Arbeit zu rühmen. Was ist die deutsche Wirklichkeit? Der ; Reichsstellenleiter Merzdorf veröffentlicht eine Statistik über eineBuchhilfe", die vor einigen Jahren von I. G. Farben in Le­ verkusen bei Köln eingerichtet wurde. Je­dem Werksangehörigen wurden zur An­schaffung eines Buches bis zu zwei Mark aus Mitteln des Werks gegeben. 1936 nah­men 22 Prozent der Belegschaft diese Ein­richtung in Anspruch, und im ganzen wur­den hei einer Gesamtzahl von 21 000 Werks­angehörigen 6 200 Bücher auf diesem We­ge gekauft. An der Spitze der ausgewählten Bücher stehen die Unterhallungsromane des bayri­schen Edel-Courths-Mahlers Ludwig Gang- hofer. Sie wurden 289 mal gekauft. Es folgen die Bücher CorvinsDer Pfaffen­spiegel",' undDie Geisler" sowie Königs Hexenprozesse". Diese Bücher wurden zusammen 541 mal erworben. In ungeheuer weitem Abstände folgen erst Hitlers Mein Kampf " und das parteiamtlich genehmigte Schrifttum der Grimm, Griese, Dlunck, \Steguweit, Menzel, Ponten und so weiter.