Brasilien vierte iteliüenmaelit? Bin nationalsozlallsillsclier IVunselilraum Bis/.ipllnarKtrafreeliA� Tabu sind sie, Tabu ist ihre Rede Dass der jüdische Rechtsanwalt X. keine Praxis gehabt haben würde, wenn er das Tabu nicht verletzt hätte, unterliegt keinem Zweifel. Denn es ist, wenn es auch wieder und wieder in Vergessenheit gerät, be­kannt, dass die im Amt verbliebenen jüdi­schen Advokaten und Aerzte wie Pestkran­ke gemieden werden. Dass der jüdische Rechtsanwalt X., wenn man sich seiner gänzlich entledigen wollte, auch aus jedem beliebigen anderen Grunde ausgestossen worden wäre, ist nicht zu bezweifeln. Aber, wie die Dinge liegen, ist der jüdische Rechtsanwalt X. von der Rechtsanwalt­schaft ausgeschlossen worden, weil er das Tabu verletzt hat. Das Urteil 2. Senat G 101-35 des Ehren­gerichthofes(Band 30 der Entscheidungen des Ehrengerichtshofes der Reichs-Rechts- anwalts-Kammer erschienen Ende 1937 beschreibt das Tabu wie folgt: Wenn er im nationalsozialistischen Staat zur Ausübung des Berufs als Rechtsanwalt zugelassen wurde, so lag ihm dafür die Verpflichtung zu grösster Zurückhaltung, vor allem in politischen Dingen ob. Er musste alle Aeusserungen vermeiden, die als eine Kritik an den bestehenden Verhältnissen aufgefasst werden konnten oder die geeignet wa­ren, die Gefühle deutscher Volksgenossen zu verletzen. Bei der Bewertung der fest­gestellten Aeusserungen des Angeklagten muss auch berücksichtigt werden, dass seiner Rasse die Neigung zu oft in versteckter Form vorgebrachter zer­setzender Kritik eigen ist." Wo'hat er das Tabu verletzt? Im An­waltszimmer des Amts- und Landgerichts in A. Wie oft hat er es verletzt? Dreimal. Wodurch hat er es verletzt? Das erste Gespräch fand zwischen ihm und zwei anderen Anwälten B. und Dr. C. statt, die nun als Zeugen auftreten. B. be­richtete damals, dass er den am 30. 6. 34 er­schossenen SA -Obergruppenführer G. noch Ende Juni 1934 im Speisewagen Berlin Breslau gesehen hätte. Auf die Frage eines der anderen An­wälte, wie G. denn ausgesehen habe, schilderte B. ihn als einen grossen stattlichen Mann mit blauen Augen und Blondem Haar und fasste seine Beschrei- bung dahin zusammen, dass G. eine aus­gesprochen germanische Erscheinung ge­wesen sei. Darauf warf der Angeklagte dem Sinne nach unvermittelt ein:Wie soll denn ein Mann in dieser Stellung heute anders aussehen." Den Zeugen wurde sogleich klar, was ge­schehen war. Denn Dr. C. verliess das Zimmer, um sich in seiner Empörung nicht zu unüberlegten Handlungen hinreissen zu lassen." Tabu Nr. 2 war die Rede, die der Füh­rer am 9. Oktober 1934 zur Eröffnung des Winterhilfswerkes gehalten und in der er davon gesprochen hatte, dass sich jährlich 20 000 Menschen aus bitterster Not das Le­ben nähmen. In die bitterste Not habe sie der Vertrag von Versailles gestürzt.Die unverantwortlichen jüdischen Literaten dieses Zeitalters aber waren niederträchtig genug, dies alsFreitod' zu bezeichnen." 'n einem Prozess, der vor dem Landge­richt A. schwebte, hatten sowohl der Ange­klagte als auch der bekannte Nationalso- zialist Dr. D. in ihren Schriftsätzen das �VortFreitod" verwendet, und der An­geklagte sagte: Ich habe in meinem Schriftsatz von Freitod gesprochen, das soll ja heute garnicht sein, aber ich finde keinen Un­terschied zwischen den WortenSelbst­mord" undFreitod", und ausgerech­net Sie haben ja jetzt auch vonFrei­tod" gesprochen." tn diesem Falle verliess zwar niemand m seiner Erregung das Zimmer, aber Dr. D. nahm auch an, dass der Ange­klagte auf die Rede des Führers anspie­len wollte. Ihm kam die Aeusserung des Angeklagten merkwürdig vor, er erwi­derte ihm aber nichts." Ben dritten Anlass zur Beschwerde gab f'er Angeklagte dadurch, dass er ein Worl Börings zitierte. Dieser hatte am 13. No vember 1934 vor der Akademie für deul- sches Recht eine Rede überdie Rechts- s'cherhcit als Grundlage der Volksgemein- Schaft" gehalten und erklärt, seiner Mci Jnng nach sei ein Rechtsanwalt eigentlich uberflüssig." In einem Teil der Presse.wurde auch über eine Wendung der Rede berichtel In der der Ministerpräsident von der homerischen Gesängen" der Anwälte gesprochen hatte." . Am Tage darauf musste der Angeklagte "J1 Verhandlungssaalo lange warten, weil 0ln anderer Rechtsanwall, Dr. F., in einer '"angehenden Sache übermässig lange llncl ausführlich plädierte. Nach dem Verlassen des Gerichtsge­bäudes traf der Angeklagte Dr. F. an Von Rio de Janeiro , Mitte Dezember. Die nationalsozialistische Presse bringt in der letzten Zeit Brasilien in der schlimmsten Weise ins Gerede, in­dem sie leichtfertig die Erklärungen der führenden brasialianischen Staats­männer über die aussenpolitische Orien­tierung Brasiliens in Zweifel zu ziehen sucht. Sie bemüht sich sogar, die pro­grammatischen Erklärungen der brasi­lianischen Politiker zu verfälschen, um die europäische Oeffentlichkeit Glau­ben zu machen, Brasilien wäre auf dem Wege, sich der Achse Berlin-Rom-Tokio anzuschliessen. Was ist die Veranlassung für diese Gerüchte? Am 10. November wurde das Parlament aufgelöst, die Präsidenten­wahl verschoben und eine Verfassungs­änderung vorgenommen, die Wort für Wort auf nichts anderes als auf eine bestimmte innenpolitische Situation Brasiliens zugeschnitten ist. Die innen­politische Bedeutung dieser staatsrecht­lichen Neuordnung interessiert in die­sem Zusammenhange nicht. Die Natio­nalsozialisten haben aber behauptet, zwischen dieser Verfassungsänderung und den europäischen Ereignissen be­stünde ein enger Zusammenhang und die Brasilianer hätten etwas vom Na­tionalsozialismusgelernt". Dem gegen­über muss Pestgestellt werden, dass der brasialianische Bundespräsi­dent, wie auch der Aussenminister und der Innenminister eine solche Unterstel­lung mit Empörung zurückgewiesen ha­ben. Dabei handelt es sich nicht etwa um ein Verschweigen der Wahrheit, wer von Brasilien auch nur einige Ah­nung besitzt und die brasilianische Po­litik nur mit etwas Verständnis ver­folgt, weiss, dass diese Dementis und Richtigstellungen in jeder Beziehung der Wahrheit entsprechen, Vergleiche zwischen Europa und Südamerika sind von vornherein oberflächlich und falsch. Es ist darum dazu geradezu unsinnig zu behaupten, wie es die nationalsozia­listische Presse getan hat, dass Brasilien sich wie Italien und Deutschland eben­falls vomLiberalismus" befreit habe, und dass dies ein Beweis mehr für die Krise der Weltdemokratie sei. Der brasi­lianische Bundespräsident hat in einem am 23. November durch die halbamtli­cheAgencia Nacional" verbreiteten In­terview rückschauend ausdrücklich er­klärt;Die Demokratie existierte nur in der Theorie aber nicht tatsächlich." Nach einer imJournal do Brasil" vom 14. November veröffentlichten Mittei­lung des Aussenministers Pimentel Brandao hat der Bundespräsident aus­drücklich erklärt, er denke keinesfalls daran, aus Brasilien einen faschisti­schen Staat zu machen. Bereits diese Feststellungen beweisen, dass die nationalsozialistischen Zeitun­gen die Ereignisse in Brasilien , mit vol­ler Absicht verdrehen. Das erkennt man besonders deutlich, wenn man sich die Erklärungen der brasilianischen Regie­rung in aussenpolitischer Beziehung vor Augen hält. Der Präsident Dr. Vargas hat vom ersten Augenblick an keinen der Haltestelle der elektrischen Strassen- bahn und rief diesem, als er einen Stras- senbahn wagen bestieg, die Worte zu: Na, Sie homerischer Sänger." Die erste AeusserungWie soll denn ein Mann in dieser Stellung heute anders aus­sehen" gibt dem Ehrengerichtshof Veran­lassung zu folgendem Empörungsschrei: Der Zusammenhang, in dem die Aeus­serung fiel, sowie ihr Ton lassen viel­mehr erkennen, dass es dem Angeklagten darum zu tun war, den anwesenden Be­rufsgenossen in hämischer Weise vor Augen zu führen, dass selbst ein Träger hoher Aemter von so ausgesprochen ger­manischen Aussehen wie G. sich als mo­ralisch minderwertig erwiesen habe und als Hochverräter habe erschossen wer­den müssen." Die Begriffsanalyse über die Worte .Freitod" undSelbstmord" führt den Ehrengerichtshof zu der Schlussfolgerung: Darin lag der Versuch, dem Führer, unter Entstellung seiner Rede, Unrichtig­keiten nachzuweisen, also eine wenn auch in feiner und versteckter Form vorgebrachte Kritik an seiner Rede." Und was endlich den homerischen Sän­ger anlangt, so ist diese Aeusserung Zweifel darüber gelassen, dass die aus­senpolitische Orientierung Brasiliens unverändert bleibt. Sowohl er wie sein Aussenminister haben im besonderen betont, dass das Grundprinzip der bra­silianischen Aussenpolitik nach wie vor die Freundschaft zu den Vereinigten Staaten von Nordamerika ist. Damit hat es aber Dr. Vargas noch nicht be­wenden lassen: er hat in der nach­drücklichsten Weise seine Zustimmung zu der Rooseveltschen Aussenpolitik kundgetan! Das geschah mit voller Ab­sicht und in voller Kenntnis der Leitge­danken der Rooseveltschen Aussenpo­litik. Diese Erklärung des brasilianischen Bundespräsidenten müsste den letzten Rest von Glauben daran zerstören, dass die Nationalsozialisten mit dem An- schluss Brasiliens an irgendeine Achse rechnen dürften. Man muss es erlebt haben, mit welcher demonstrativen Herzlichkeit bei der Benennung eines der grössten Plätze Rio de Janeiros nach den Vereinigten Staaten von Nordameri­ ka die Freundschaft zwischen den USA . und Brasilien unterstrichen wurde, um zu wissen, wie verlogen die Behauptun­gen über einen Zwiespalt zwischen Bra­ silien und Nordamerika sind. Wenn die brasilianische Regierung versichert, an ihrer aussenpolitischen Linie habe sich nichts geändert, so ist das eine Tatsa­che, an der alle böswilligen Verdre­hungskünste und alle Wunschträume nichts ändern können! Wenn die nationalsozialistische Pro­paganda immer wieder andeutet, das Dritte Reich könne auf Brasilien als Bundesgenossen oder zumindest als Helfershelfer rechnen, so kann sie das nur riskieren, weil in Europa weitge­hende Unkenntnis über Brasilien und die brasilianische Aussenpolitik herrscht. Wichtig für die weltpolitische Situation ist nur, dass Brasilien eindeu­tig zu der Front der friedensliebenden Staaten gehört, weil es in seiner Aus­senpolitik mit Roosevelt absolut einig geht. Eine der wichtigsten brasiliani­schen Zeitungen, dieFolha da Manha", schrieb erst kürzlich, und zwar lange nach der Parlamentsauflösung, also be­reits nach der Neuordnung, über die englisch -nordamerikanischen Handels­vertragsverhandlungen: Der politische Sinn eines solchen englisch -nordamerikanischen Handels­vertrages würde sofort Frankreich an­ziehen, die zweitgrösste Kolonialmacht der Welt. Es ist nicht ausgeschlossen, dass auch Russland eingeschlossen auf der einen Seite von Deutschland , auf der anderen von Japan hier eine Annäherung und eine ökonomische Verständigung sucht. Es ist sicher, dass Lateinamerika nach den Vereinigten Staaten hin gravitieren würde. Brasilien würde sich durch seine Zugehörigkeit zum amerikanischen Kontinent, durch seinen Export nach den Vereinigten Staaten von Nordamerika , durch seine finanziellen Bindungen an Grossbritan­ nien , durch seine ganzen Traditionen geeignet, das Gesamtbild, dass die Be­rufungsverhandlung vom Angeklagten er­geben hat, abzurunden... Die festge­stellten Verfehlungen reichen aus, die vom Ehrengericht ausgesprochene Strafe der Ausschliessung von der Rechlsan- waltschaft zu rechtfertigen." Es ist prinzipiell bedeutsam, aus welchen Gründen" heute in Deutschland jemand um Amt und Brot gebracht wird, auch wenn das Amt nur eine leere Berechtigung und das Brot nur ein scheinbares ist. Karlsbad in Gefahr Aber nicht wegen des Neuen Vorwärts Mit der Behauptung, das Erscheinen des Neuen Vorwärts in Karlsbad gefährde die Interessen des Kurorts haben die Karlsba­der Nazi seit Jahr und Tag ihre Agitation bestritten. Daran erinnert jetzt der Karls­baderVolkswille", und er schreibt dazu: Nun ist aber derNeue Vorwärts" nach Paris verzogen. Er wird nicht mehr in Prag redigiert und nicht mehr in Karls­ bad gedruckt, und die Karlsbader könn­ten demnach jetzt schon in Erwartung eines Glanzbesuches aus Deutschland frohlocken. Doch sie frohlocken nicht, und Interessen einer, solchen Koordina­tion nicht fernhalten, die mit einem eng­ lisch -nordamerikanischen Handelsver­trag eingeleitet werden würde. Es würde sich ganz im Gegenteil sehr beeilen und all das an Bereitwilligkeit anbieten, was notwendig ist. Unsere Landwirtschaft ergänzt die Industriewirtschaft der bei­den Grossmächte, die unsere Käufer und unsere Lieferanten sind." Diese Darlegung zeigt in all ihrer Nüchternheit, warum Brasilien auf sei­len Roosevelts steht: Brasilien ist ein amerikanischer Staat, Brasilien ist ein Staat, der durch seine ganze Tradition und seine gesamten wirtschaftlichen Belange auf die Freundschaft und Zu­sammenarbeit mit den beiden angel­sächsischen Grossmächten den grössten Wert legt und legen muss. Würde Bra­ silien eine andere Politik betreiben, würde es sich zweifelsohne ins eigene Fleisch schneiden! Hier spielen nicht al­lein ökonomische Erwägungen und tra­ditionelle Dinge eine Rolle. Roosevelts ständige Bemühungen um Lateinameri­ ka zielen darauf ab, eine gemeinsame aussenpolitische Linie zu finden, die den USA . und den lateinamerikanischen Staaten gleich gerecht wird. Seine grösste Stütze bei diesen Anstrengungen ist Brasilien , so dass Roosevelt auf sei­ner Fahrt zum amerikanischen Kon- gress in der brasilianischen Hauptstadt Rio de Janeiro Station machte, um mit Dr. Vargas über alle(zum Teil sehr de­likaten und komplizierten) panameri­kanischen Probleme zu konferieren. Durch diese nordamerikanisch-brasilia- nische Zusammenarbeit, die seither nie abgerissen ist, hat sich Brasiliens Posi­tion in Lateinamerika sehr gefestigt. Man hält die Brasilianer, die auf Presti­gedinge grossen Wert legen, unverdien- termassen für sehr töricht, wenn man ihnen zutraut, dass sie diese Zusammen­arbeit mit den USA . aufgeben würden... Die nationalsozialistischen Behaup­tungen über die aussenpolitische Um- orientierung Brasiliens sind also durch die Bank falsch. Niemand von den ver­antwortlichen Staatsmännern Brasiliens denkt an eine abenteuerliche Wendung der Aussenpolitik, an eine Unterstützung oder gar Anschluss an irgendeine Achse". Es besteht nicht die geringste Wahrscheinlichkeit, dass sich die bra­silianischen Aussenpolitiker durch Ver­lockungen, Schmeicheleien und gutes Zureden von irgendjemandera in das Schlepptau nehmen lassen. Brasiliens Aussenpolitik wird nicht in Berlin , son­dern in Rio de Janeiro gemacht! Seine Stellung gegenüber dem Dritten Reich lässt sich in wenigen Worten zusam­menfassen: es wünscht nach Deutsch­ land viel Kaffee und Früchte zu ver­kaufen, aber möglichst nicht in Ver­rechnungsmark, sondern in einer inter­national gehandelten Währung; es wünscht ferner, dass die Nationalsozia­listen nichts unternehmen, was die Deutschbrasilianer verführen könnte, il­loyale Brasilianer zu sein. Im übrigen ist Brasiliens Bundesgenosse nach wie vor Roosevelt und nicht Hitler ! und sie haben auch durchaus keine Ur­sache dazu, auf rosarot gestimmt zu sein; denn inzwischen hat es sich herum­gesprochen, dass Deutschland den ins Ausland reisenden Juden grosse Pass­schwierigkeiten zu machen gedenke, die bis zur Verweigerung der Ausreise, ja bis zur Abnahme des Passes gesteigert wer­den sollen, und so klagen jetzt die Karlsbader und sechzig bis siebzig vom Hundert aller reichsdeutschen Besu­cher Karlsbads sind doch Juden! Wenn die uns wegbleiben, das kann man jetzt in allen Strassen der Stadl hören, und wenn dazu auch noch die rumänischen Juden uns verloren gehen, dann werden wir heuer eine Krisensaison sonderglei- cheri erleben! Also nicht derNeue Vorwärts" hat an dem Rückgang Karlsbads schuld, sondern umgekehrt, sein Todfeind, der Antisemi­tismus. Niveau Jeder, der sich einmal ernstlich mit der grossen germanischen Renaissance unserer Zeil befassl, erlebt es schmerzlich, dass das Wissen von der Wcrtwell der Germanen in weiten Kreisen noch recht ideologisch ist." (Buchkritik ausDie Literatur ", Ja- jnuar 38.)