licht, ist eines der wenigen Dinge, die in der Tat jedes Opfer wert sind, und jeder Versuch, ohne eine solche Ein­richtung zur Abänderung der sozialen Verhältnisse den Frieden zu erhalten, wird unvermeidlicherweise vergeblich Ideiben. Der Geist und die Tyrannei Die literarische Strecke von fünf«Jahren 1918-1938 Man ist schnell mit einer Kritik bei der Hand, wenn einmal nicht genügend Butter zur Verfügung steht. Die sächsische Bevöl­kerung isst zu viel Weissbrot und Butter. Das.sind Tatsachen.(Dresdner Anzei-I ger" Nr. 349) Die Forderung der Ernährung des deut­ schen Volkes aus eigener Erzeugung ver­langt natürlich willige Mitwirkung und da­mit auch gewisse Einschränkung eines jeden. Das für den Körperaufbau nötige Fett stellt sich dieser bis zu einem gewissen Grade selbst her, und zwar mit Hilfe der Leber. Aus den in der Nahrung eingenom­menen Kohlehydraten, namentlich aus Zuk- ker, wird genügend Fett für die Depots im Körper erzeugt. Wer also sparsam wirt­schaften will, verbrauche die ihm zuge­dachten Fettmengen zum Kochen und Bak- ken. Als Brotaufstrich wähle man zwecks Umsetzung zu Fett im Körper zuckerhaltige Fruchtmarmeladen, Bienen- und Kunstho nig."(Der Westen", Berlin , Nr. 8.) Die Rachitis wird in deutscher Sprache die englische Krankheit genannt. Sie ist ei­ne Stoffwechsel- und Wachstumskrankheit. Heringe sollen übrigens die englische Krankheit verhindern.(Preussische Zei­ tung " Nr. 8) Eintopfschiessen Der Standort Marienburg veranstaltet am Sonntag sein zweites öffentliches Eintopf­essen. Dabei wird der Bevölkerung Gelegen­heit gegeben werden, gegen geringes Ent­gelt für das WHW eine Kaserne zu besich­tigen und ivomöglich mit einem Leichtma­schinengewehr und richtigen Platzpatronen zu schietsen.(Meldung in der ostpreussi- schcn Presse) Überstunden In derPreussischen Zeitung" Nr. 7 le­sen wir: Bei der Ziegelei Lenzen im Kreise El- bing ist es dem Ortsgruppenleiter, der gleichzeitig der Nebenstellenleiter des Elbinger Arbeitsamtes ist, gelungen nach und zwischen Betriebsführer und Gefolgschaft ein so vertrauens­volles Verhältnis herbeizuführen, dass die Jahreserzeugung von Ziegelstei­nen von früher drei auf jetzt fünf Millionen Stück gestiegen ist. Und zwar ohne eine Erweiterung der techni­schen Anlagen, sondern nur, weil sich die Arbeitsfreudigkeit der Gefolgschaft auf Grund dieses guten Verhältnisses so sehr steigerte. Blumenreicher ist unbezahlte Mehrarbeit selten besungen worden. Die Schmöcke des Dritten Reiches stimmen die Leier, um die Leistungen der verflossenen fünf Jahre zu besingen. Da die innere Politik höchstens mit ge­füllten Kerkern statt mit gefüllten Schüsseln aufwarten kann, stürzt man sich auf die arme geschändete Kultur und bekleidet sie mit gefärbter Holzwol­le, um sie dem Volke als neuerstandene Göttin Deutschlands vorzuführen. Noch kein Regime hat soviel von Rettung der Kultur, Erneuerung der Kultur und Rei- i nigung der Musen braune. geredet wie das Die Lyrik Bleiben wir bei den Musen der schö­nen Literatur, ziehen wir ein Fazit. Was diese Literatur in den Sumpf drückt, was ihr das Kainsmal aufbrennt, ist der Mangel an Freiheit, die ständig drohende Knute des Zwangsstaates und seine Forderung, eine Weltanschauung zu gestalten, die aus allen möglichen Rudimenten zu einem ungeniessbaren Brei zusammengebraut wurde. Daran musste schon die Lyrik scheitern. Sie ist, wie alle Kunst in Deutschland , im Formalen epigonisch, herkömmlich durch und durch. Sofern sie neue Inhalte aus der nationalsoiialistischen Phrase­ologie bezog, entstand eine läppische Fahnendichtung und Führervergötzung, gegen die sich sehr bald selbst einige Naziblätter kehrten, weil der Rummel die braunen Symbole zu rasch banali­sierte. Diese Fahnen-, Spaten- und Marschlyrik reimender brauner Chargen musste von der Presse als neue Dich­tung ausgegeben werden, weil sonst nie­mand die Preise begriffen hätte, die die Annackcr, Böhme, Schumann, Baidur von Schirach usw. einheimsten. Der braune Böries von Münchhausen, ein un­verdächtiger Kronzeuge, wandte sich im Februar 1936 in FechtersDeutsche Zukunft" gegen die Rekordziffer der neudeutschen Dichterkrönung, die er auf siebzig(70) bezifferte,aber ge­rade die besten Namen fehlten..." Im März 1937 stellte derselbe braune Barde betrübt fest, wie gering die Ausbeute auf lyrischem Gebiet sei. Von vierzig, die in Echtermeyers Anthologie aufge­nommen wurden, habe er vorher nicht einmal die Namen gehört. Die Nazipres­se gab schliesslich zu,dass unsere heu­tige deutsche Lyrik gesungen und mar­schiert sein will, um ins Blut und ins Gedächtnis zu gehen..." Kurz, eine Ly­rik, die primitiv ist, wie der Soldaten­stiefel, dessen Gesetzen sie entspricht. Der reimende Sturmführer sitzt in der Jury und bstimmt, was Dichtung ist. Jene Poesie, die im Tiefsten anrührt und aus der Stille geboren wird, gilt für die neue Jugend nicht. Feineres kam nur aus der Feder von Dichtern, die als Opposition gelten können, oder die ihr Bestes vor dem Dritten Reich schufen und deren Schaffen jenseits von Barba­rismus verläuft. Zu ihnen gehören Wiechert, Bröger, Ina Seidel , Agnes Miegel . Talente gar, die neue Inhalte in neue Formen gössen, wie die Stürmer wilhelminischer Zeit(Liliencron , Deh- mel, Arno Holz , Erich Mühsam ) sind im Dritten Reich undenkbar. Selbst Hit­ler und Göbbels mussten auf denKul­turtagungen" von 1937 die Pleite einge­stehen und auf die Zukunft vertrösten. Nach 18 Jahren nationalsozialistischer Bewegung und fünf Jahren Hitlerdik­tatur. Der Roman Mit dem deutschen Roman steht es noch schlechter. Die Lyrik kommt zur Not ohne soziale Bildhaftigkeit aus, der Roman nicht. Seine Merkmale sind Mi­lieuzeichnung, Charakterentwicklung, Auseinandersetzung mit der Umwelt. Seine vornehmste Aufgabe, seine Hoch­leistung bleibt der Querschnitt durch die Gesellschaft. Seit 1933 gibt es diesen Gesellschaftsroman drüben nicht mehr; denn jede realistische Schilderung Des- potiens müsste, sofern dem Autor nichts Schlimmeres passierte, ein Opfer der Zensur werden. Daher flüchtet der deut­sche Romen seit fünf Jahren in auslän­disches Milieu, in die Vergangen­heit, in die Vorzeit, oder begnügt sich mit kleinen ungefährlichen Ausschnitten. Sofern er nach neuen In­halten trachtet, dreht, er sich um eine nebelhafte Volksgemeinschaft, um Blut und Boden und Rassebewusstsein mit Blick gen Norden. Aber der Bluboroman hängt dem deutschen Leser ebenso zum Halse heraus wie die antibolschewisti­sche Tendenzschreiberei. Und die Volks­gemeinschaftsgeschichte, in der Vor­der- und Hinterhaus einander schliess­lich in die Arme sinken, ist ein Rück­fall in jene kitschige Gartenlauben-Li­teratur, die ehemals höchstens in konser­vativen Provinzblättern möglich war. Die Armut und Monotonie der neu­deutschen Belletristik ist so erschrek- kend, dass Gleichgeschaltete gelegentlich ihrem Herzen Luft machten. Zwei sol­cher Aufschreie zitierte die DAZ vom 21. Oktober 1936. Aehnlich klagte die ZeitschriftDie Neue Linie" im März­heft 1937 über die jämmerlichen Ergeb­nisse eines Preisausschreibens für Er­zählungen. Das Blatt konstatierte vor al­lem Erlebnisschwäche, mangelnde Sprachzucht, fortschreitende Einschrän­kung der Erlebnisbreite auch bei begab­ten jungen Autoren undeine heroische Ethik, abgetrennt von allen Gesetzen wahrhaften Lebens...".... Die gleiche Verzweiflung sprach aus einer Zuschrift, die der Lektor eines grossen Berliner Verlags an die DAZ richtete(abgedruckt am 13. 4. 37). Er beklagte an der neudeutschen Belletri­stik dieUniformität in der Erfindung" und die völlige Ignorierung des Milieus von Grossstadt, Handel und Industrie. DerMangel an Verständnis für die Realität führt heute oft zu einer er­schreckenden Verwilderung in der for­malen Durchgestaltung der Romane..." Das Wort sei entwertet und zur* tönen­den Phrase entartet. Keiner dieser Be­trachter durfte die Gründe dieses Ver­falls angeben. Keiner auch konnte wä­gen, mit Namen und Werken aufzu­warten. Weiss er, ob der von ihm kriti­sierte Mist nicht schon zur selben Stun­de von der Zensur mit dem Vermerk staatspolitisch wertvoll" gekrönt wird? Und so stürzt sich der deutsche Quali­tätsleser auf ausländische Uebersetzun- gen und Bücher von ehedem, in denen der Autor noch sagen durfte, wie er die Welt sieht. Buchhändler und Presse kon­statierten drüben mehrfach, dass alte Li­teratur ständig wachsenden Absatz fin­de, ebenso jene Erinnerungsliteratur, in denen der Autor von seiner Jugend, von früheren Zeiten erzählt. Hier atmet der Leser die Luft jüngster Vergangenheit, hier wird er vom Atem der Wahrheit und Freiheit gestreift. Hier ist er Mensch, hier darf er es sein. Demokrati­sche Vergangenheit wird zur romanti­schen, lockenden Vergangenheit. Das Deutschland von heute aber, das gekne­belte Deutschland es lebt nur in den Büchern der Emigration. Das Drama Abkehr von der Wirklichkeit ist das Signum der deutschen Dichtung im Ro­man, im Film, wie im Drama. So leer und zeitschwach ist die dramatische Produktion, dass seit 1933 nicht ein Stück den Weg ins fremdsprachige Aus­land gefunden hat. Dafür protzen die Festredner der Reichskulturkammer gern mit den Besucherziffern der Thea­ter. Wenn die Angaben wahr wären, was würden sie beweisen? Es gibt zwei brau­ne Besucherorganisationen, die ihre Mit­glieder mit Zwang in bestimmte Vor­stellungen dirigieren. Die Karten müs­sen von den Theatern an diese Organi - Die Stimme der Verlockung Maurice Bedel : Monsieur Hitler Ich kenne Franzosen , die nach Deutsch­ land kommen, um dort Gründe zu finden, Frankreich weniger zu lieben. Sie sind Verräter, und sie wissen es nicht. Sie ver­schlingen mit den Augen die Männer, die in Reih und Glied vorüber marschieren, sie erbleichen vor Erregung angesichts je­ner Wälder von Standarten, die auf den Festwiesen gen Himmel wachsen.Mein Gott ", sagen sie,sollte man das für mög­lich halten!" Sie schreiben, dass mit den Truppen dieses Herrn Hitler Gottes Wir­ken auf Erden erneut beginnt. Und im Ge­sicht Hitlers messen sie die Entfernung vom Nasenloch bis zum Ohr, um zu ent­decken, wie löwenähnlich dieses Antlitz ist, sie finden an den Schläfen das Kennzei­chen eines hochgesinnten Idealismus und in der Gegend der Nase eine sehr bemer­kenswerte Intensität der Intuition. Was mich betrifft, der ich sehr auf­merksam das Ohr, die Nase, die Schläfe und das Kinn des Herren Hitler betrachtet habe, ich habe da nichts entdeckt als Mit- telmässigkeit und Banalität in einem Grade, der selten erreicht wird." m Wir lesen diese Sätze in einer Broschü­re von Maurice Bedel :Monsieur Hitler." Soweit die Stimme der Vernunft. An ande­rer Stelle, in der gleichen Schrift, finden wir: Heimgekehrt(nach dem Besuch des Nürnberger Parteitags) in meinen Garten in Poitou, zurückgegeben den Reizen der alten Erde, die mein Fuss berührt, fühlte ich mich beunruhigt durch den Ausdruck von Missvergnügen und Unbehagen, den ich an meinen Feldnachbarn beobachtete, an den Freunden in der nahen Stadt, ob­wohl diese doch einem Volk angehören, das seit langem Herr seines Geschickes ist, und obwohl jeder von ihnen in sich selbst das Gesetz seines Handelns suchen darf. Ich besuchte die Winzer bei der Wein­lese, ich setzte mich im Gasthaus zu den Trinkern, in deren Gläsern ein Wein glänz­te, dessen Güte Rabelais gepriesen hat, ich begrüssle den Pfarrer in seiner Pfarrei, den Lehrer in seiner Schule, die leer war zur Zeit der Ferien, ich unterhielt mich mit dem Briefträger, dem Bahnwärter, dem Milcheinkäufer, das waren alles freie Männer, anständig ernährt mit Fleisch von guter Qualität, bekleidet mit Tuch aus reiner Wolle, alle durchdrungen von dem menschlichen Wert, den ihnen das Wahl­recht gibt, das Recht auf Kritik, auf Dis kussion, ja selbst das Recht zu zerstören. Sie schienen mir nicht froh. Wie, musste ich mir sagen, sie besitzen, sie allein in Europa , mit den Engländern und einigen wenigen kleinen Völkern, das Gut, das man für das grösste unter allen halten kann, die Freiheit, und sie machen ein missmutiges Gesicht, sie sind ohne Munterkeit, ohne Verve, ohne Schwung. Und ich erinnerte mich an das begei­sterte Deutschland , das sich in Nürnberg zusammengefunden hatte. Diese Pommern , diese Sachsen , diese Württemberger, diese Bayern , diese Badenscr und diese Hannove­raner, sie schienen mir ausserordentlich froh. Das waren entspannte Gesichter, ro­sige Wangen, Stirnen ohne Falten. Ich habe in Frankreich nicht während eines Jahres so lachen hören wie in diesen acht Tagen in Nürnberg ." Das freilich, solche Sätze, die ebenfalls bei Maurice Bedel zu lesen sind, das ist nun nicht mehr die Stimme der Vernunft, das ist die Stimme der Verlockung. Der Autor, der Hitler letzten Endes ab­lehnt, hilft für ihn werben, im gleichen Atemzug, in derselben Broschüre, ein wun­derliches Phänomen. Ein Mann, der von den jungen Söhnen des eigenen Landes rühmt, wie sie in Freiheit unter Verant­wortung zu handeln wüssten im Kriege etwa freut sich in Nürnberg mit heiterer Gelassenheit an den malerischen Gebärden der Unfreiheit. Da haben wir den Natio­nalisten.Für diese Deutschen mag das ganz gut sein..." wie oft hört man so et­was aus fremdem Munde. Für Zeiten der Kriegsgefahr wird der al­te Aberglauben mobil gemacht, dass jenseits der Grenzen Menschen wohnen, die völlig anders ausschauen, völlig andere Bedürf­nisse haben. Sie essen zwar nicht alle und nicht jeden Tag Sauerkraut, das glaubt heu­te niemand mehr, aber es ist ihnen eine Lust, wie Automaten zu gehorchen, und die Zwangsarbeit unter bewaffneter Aufsicht halten sie für ein Tanzfest. Für uns aller­dings ist es fast unerträglich zu denken, wie durch das schweigende und tragische Leiden von 60 Millionen Menschen diesem Irrglauben in der Welt Vorschub geleistet wird. Wir möchten Männer wie Maurice Bedel bitten, ein weniger anmutiges Bild von jenem Nachbarlande zu entwerfen, in dem das Leben, wie wir ihm versichern können, nicht heiter ist, und wir möchten ihn das um so mehr bitten, als wir seiner ironischen Darstellung dort, wo sie Hohl­heit entlarvt und mit Grazie Anmassung nennt, nicht ohne Interesse folgen. M. F. « Schulze, du lebst!» Oder der Umbruch im Wöchnerinnenheim Ein SA-Mann hat ein Stück geschrieben,< SA -Männer spielen es, und die SA-Presse rühmt es. Es heisstRabauken". Im besten SA -Stil geben dieBremer Nachrichten" seinen Inhalt wieder: Die fesselnde, bisweilen erschütternde Handlung führt uns zunächst hinaus in eine Laubenkolonie. Dort erleben wir das erste gegnerische Zusammentref­fen zweier alter Frontkameraden, des von den Roten verhetzten Thormann und des SA.-Sturmführers Leithöfer. Die ganze Bitternis und die ganze Kraft des Kampfes ersteht vor uns auf, zeigt zu­gleich aber auch den unerbittlichen Glauben der SA-Kameraden an den Sieg. Wie der Strassenmusikant Schulze und schliesslich nach langem Ringen und Suchen auch Thormann für die Be­wegung Adolf Hillers eintreten, wie nach Korruption und Schändlichkeit marxistischer und der Schwäche bür­gerlicher Parteigänger der im Schützen- graben des Grossen Krieges, wie im Kampf der SA. festgelegte und erwachte Glaube den Sieg erringt, darf in groben Umrissen als derrote Faden",, des ver- 1 arbeiteten Stoffes angesprochen wer­den. Um dem Leser von dem angesprochenen roten Faden wenigstens eine schwache Vorstellung zu verschaffen, sei folgender Dialog zwischen dem edlen Sturmführer Leithöfer und dem bekehrten, weil glück­licherweise noch nicht ganz verdorbenen, Kommunisten Thormann wiedergegeben: Leithöfer:(Zu Thormann) Also Fritz: Meine Sache hast du wunderbar in Ordnung gebracht. Die schäbigen Ver-