D,e Krf.�?.�uropa Um die österreiclii�chen Arlieltcp Eine Lektion in 4clisense«srraphte Nehmen Sie die Karle von Europa und folgen sie mir. Beginnen Sie damit, dass Sie Deutsch land und Italien schwarz ausmalen, Sie werden damit die einzigen Kriegsgefahren bezeichnet haben, die uns bedrohen. Malen Sie dann auch das Gebiet von Danzig schwarz aus, in dem man die Nazis sich als Herren hat einnisten lassen. Schwärzen Sie noch Oesterreich, das man, wie Sie wissen, von Deutschland unter empörenden Bedingungen hat an nektieren lassen, und Sie werden sehen, dass der schwarze Fleck jetzt von der Ostsee bis zum Mittelmeer geht und Eu ropa mitten durch schneidet. Schwärzen Sie noch das ganze Gebiet von Franco-Spanien, die Balearen, und am Nordrand von Afrika , den Ihre Karte noch zeigt, die Kanarischen Inseln , Spa- nisch-Marokko und das italienische Ly- bien. Sie werden dann ganz exakt nach Gebiet, Bevölkerungszahl, militärischen Reserven und Produktivkräften die Kriegskräfte bestimmt haben, die die Achse Berlin— Rom in die Wagschale werfen kann. Bevor wir diese schwarzen Flecken verlassen, notieren Sie auf Ihrer Karte auf irgend eine Weise die militärischen Forteile, welche die faschistischen Mächte sich in den letzen beiden Jahren ge sichert haben. An Rohstoffen, die für die Kriegswirtschaft unentbehrlich sind: in Oesterreich das Eisenerz von Steiermark , in Spanien das Kupfer von Rio Tinto, das Manganerz von Badajoz , das Eisen von Bilbao , die Kohle von Oviedo . Ich führe nur die wesentlichsten an. An strategischen Positionen: die Wiederbesetzung des Rheinlands, die Schaffung einer Maginotlinie gegenüber von Klsass-Lothringen, die Verstärkung der Stellungen an der Schweizer Grenze, an der tschechoslovakischen Grenze, an der französisch-italienischen Grenze, die Anwesenheit faschistischer Truppen auf einer Hälfte der Pyrenäen , die Schaffung von Seebasen, mit deren Hilfe Frank reich und England von ihren Kolonien abgeschnitten werden können, die Ka narischen Inseln auf der ostafrikanischen Route, Tanger und Malaga gegenüber von Gibraltar , die Balearen auf der Route nach Nordafrika , die Insel Pan- 'elleria gegenüber von Malta . Fügen Sie noch hinzu, dass italienische Truppen in Lybien, an der Grenze von Tunis "nd Aegypten massiert sind. Fügen f loch die faschistische Propaganda in ganz Nordafrika hinzu. Sie werden dann klar erkennen, dass die miteinander verbundenen Aspirationen von Hit- 'er und Mussolini— der eine träumt von der Bildung eines weiten deutschen Reiches in Mitteleuropa , der andere will aus dem Mittelmeer ein italienisches Meer machen—• von nun an auf greifbaren Grundlagen ruhen und schon auf dem �Fegc der Verwirklichung sind. Nehmen Sie nun wieder Ihre Karle vor und tragen Sie an den Grenzen der schwarzen Flecke Pfeile ein, die die möglichen oder wahrscheinlichen Richtungen der nächsten faschistischen Unternehmungen darstellen Ein Pfeil in der Richtung der Tsche«- cboslovakei? Sicherlich, aber seien Sie überzeugt, dass die nächste Etappe nicht e'n üeberfall nach dem Muster Oesler •eich noch ein brutaler Üeberfall auf das kleine, aber tapfere Land sein wird. �ort hängen die Trauben noch zu hoch. Gs ist im Augenblick noch zu gefährlich, es anzugreifen. Aber zeichnen sie andere Pfeile in den Dichtungen, die Deutschland und Italien Erfolgen können, ohne einen allgemeinen Krieg zu riskieren, und um sich zusätzliche Vorteile zu verschaffen, ehe sie sich in das grosse Abenteuer stürzen: Dfeile in der Richtung der Getreideflä- nben Ungarns , in der Richtung des rumänischen Petroleums, in der Richtung der Weiden und der gewaltigen Herden fugoslaviens, und vor allen Dingen: Dfeile von der Front von Aragon in der Dichtung der katalanischen Pyrenäen , Jim das republikanische Spanien von Frankreich abzuschneiden. Und dann, für später, zeichnen Sir 'mch andere Pfeile, die anzeigen, was d'e Theorie vom Schutz der deutscher Knderheiten konkret bedeutet als Vorspiel einer politischen Durchdringung J Von der Austrowerks�emeinscliafl zur Vaiibetriebs�enieinscbaft Am Abend des II. März waren die Betriebsvertrauensleute Wiens noch bis zum letzten Mann versammelt, um# die Bedingungen zu beraten, unter denen eine Zusammenarbeit mit dem Regime Schuschnigg zur Verteidigung der Unabhängigkeit Oesterreichs ermöglicht werden sollte. Von dem zur Stunde des Versammlungsbeginns erfolgten Rücktritt des Bundeskanzlers war ihnen noch nichts bekannt, als die Staatspolizei mit eben angelegten Hakenkreuzarmbinden in den Saal stürmte, um die Arbeiter auseinander zu treiben. Wenige Stunden später zwischen 3 und 5 Uhr morgens wurde eine Anzahl Vertrauensleute in ihren Wohnungen verhaftet und verschleppt. In Begleitung der Polizei befanden sich frisch gebackene SA-Leute, die noch am Tage vorher als Vertreter der„Vaterländischen Front " eifrig um die sozialdemokratischen Arbeiter geworben hatten. Die zunächst in Aktion tretenden Strohmänner der Nazis waren zwar keine Oesterreicher, aber erprobte Sudetendeutsche. Vor allem benötigte der„Befreier des österreichischen Volkes" Vertrauensmänner des Kapitals. Vom Reichsstatthaller Seiss-Inquart, der vorher als Rechtsanwalt tätig war, weiss das„Berliner Tageblatt" zu berichten, dass seine Anwaltskanzlei„von den wichtigsten Industriefirmen bevorzugt war". Die Industrie hatte ihren Statthalter, damit begann das erneuerte und erweiterte Reich. Soweit es sich um die Arbeiter handelte, hatte Adolf Hitler von dem gemeuchelten Dollfuss -Regime nur die Verhaftungslisten übernommen aus den Februarkämpfen 1934. Aber noch während die Nazi-Prügelgarden am Werke waren, um den österreichischen Arbeitern die Liebe zum Hakenkreuz einzubläuen und während die ersten Gefangenen-Transporte bereits nach dem Dritten Reich und seinen Konzentra- tionshöllcn rollten, begann auch schon die gross angelegte Lügenpropaganda für die Welt: „Wir grüssen die österreichischen Arbeitskameraden". „Oesterreich , auch Du sollst wieder lachen lernen". „Der Führer hat unsere Herzen erobert". „Wiener Arbeiter wollen Einheit des Betriebs verwirklichen". Mit diesen und ähnlichen knalligen Schlagzeilen wird vom Einzug des Führers in Wien berichtet. Hitler wollte, wie es so schön heisst, in der Stunde, in der er die grösste Vollzugsmeldung seines Lebens machte, bei seinen deutsch -österreichischen Arbeitern sein". Obgleich die Wiener Arbeiter dem ganzen Einzugsrummel fern geblieben waren, faseln die käuflichen Schreiberseelen von den Jubelstürmen in den Arbei- tervororten. Die Arbeitsfront weiss von den Schwierigkeilen der österreichischen Sozialversicherung zu erzählen und verschweigt den skandalösen Sozialabbau im Dritten Reich . Sie feiert die glänzende Lage der Jugendlichen im Hitler - Land und stellt die körperliche und sittliche Verwahrlosung in Oesterreich gegenüber. Sogar die Konsumentwicklung an Lebensmitteln und Bedarfsartikeln im Zeichen der Vierjahresplan- Misswirtschaft wird mit den„Elendssymptomen Oesterreichs" in Vergleich gebracht. Wir haben die Zahlen schon einmal in der Führerrede vom 20. Februar zu hören bekommen. Der Reklameverein„Kraft durch Freude " hatte schon gleich vier Eisenbahnzüge mit 2000 Wiener Arbeitern ins grössere Vaterland abgelassen. Spaltenlang ist vom Leuchten ihrer Augen, ihrer ehrlichen Begeisterung beim Einzug in Berlin zu lesen. An den Zurufen dieser vorgestern noch roten Untermenschen „merkt man es an, dass sie alles Alte und Schlechte abgetan, abgestreift haben, wie einen schmutzigen Rock." Es bleibt unerwähnt, dass„im Zug der Freude von Wien nach Berlin " zwangsweise ausgesuchte zur Fahrt abkommandierte Menschen sassen. Das ganze Theater soll verdecken, dass die Nazis im überwiegenden Teil der österreichischen Arbeiterschaft nicht die mindeste Basis haben. In den vier Jahren austrofaschistisch�r Reaktion hat diese Arbeiterklasse in schweren, opferreichen Kämpfen bewiesen, dass sich die österreichischen Arbeiter und Angestellten ihre sozialistische und freigewerkschaftliche Gesinnung nicht aus den Herzen und Hirnen reissen lassen. Das wissen die Ley, Büchel und Konsorten, darum jetzt der gross angelegte Seelenfang. Vorläufig— bis zur Volksabstimmung — ist in den Sprüchen und Reden der Nazis über die soziale Knechtung der „ärmsten und treuesten Söhne Oester reichs " noch nichts zu vernehmen. Ihre Unterordnung unter das Gesetz zur Ord nung der nationalen Arbeit und die Deutsche Arbeitsfront steht noch bevor. Der Austrofaschismus halte mit seiner berufsständischen Ordnung die Auslil- gung der Roten nicht zu schaffen vermocht. Seine Einheitsgewerkschaft hatte die Zwangsorganisierung der Arbeiter und Angestellten noch nicht geschafft. Die sogenannten Wahlen waren auch nur Komödie, denn wählen konnten nur Vertreter der vaterländischen Front und gewählt konnte nur werden, wer zum Stand, zum Vaterland und Zur Regierung hielt. Im entscheidenden Augenblick wurde dann die Wahl durch die Ernennung ersetzt, so z. B. bei der Wahl des Obmanns der Metallarbeiter Ende 1937. Aber das Verlangen der Arbeitermassen nach wirklichen geheimen Wahlen wurde immer stärker. Die ganze Betriebsverfassung vom August 1934 klappte nicht. Die alten Betriebsräte sollten durch die„Werksgemeinschaft" abgelöst werden. Aber mit der Verbundenheit zwischen Kapital und Arbeit war es Essig. Von der Werksgemeinschaft als der kleinsten Wirtschaftseinheit aus sollten die paritätischen Interessenvertretungen des weiteren ständischen Aufbaues entwickelt werden. Zur Wahrnehmung der Arbeiterinleressen im besonderen bestand die Einrichtung der Vertrauensmänner, deren Bestellung zwar der Einheitsgewerkschaft übertragen war. Aber es bestand abweichend vom Dritten Reich immer noch ein Wahlverfahren. Die sozialistische Arbeiterschaft hat trotz der Zerschlagung ihrer Gewerkschaften als geschlossene Schicksalsgemeinschaft bis zum Schluss eine so umfassende Reichweite zu erhalten gewusst, dass die Vertrauensmänner in den Betrieben nicht auf Wunsch des Regimes, sondern nach dem Willen der Belegschaften gewählt werden mussten. Es war dem Austrofa schismus auch noch nicht gelungen, die Kollektivverträge so restlos zu zerschlagen, wie es nationalsozialistischen Grundsätzen entsprochen hätte. Die Eroberer vom 13. März 1938 konnten Heer, Verwaltung und Exekutive schlagartig übernehmen, sie haben auch keinen Augenblick gezögert, mit Eil- Transporten alle Reserven an Gold, Devisen, Rohstoffen und Lebensmitteln aus der österreichischen Wirtschaft in Sicherheit zu bringen. Die Annexion der Arbeitsmenschen ist weniger einfach. Mit„Kraft durch Freude " irt der österreichischen Arbeiterklasse weder Freude zu geben, noch Kraft zu nehmen. Der derzeitige Vertrauensmännerapparat in Oesterreich ist bei seiner Zusammensetzung nicht gleichzuschalten, es bleibt nur der Ausweg, die ganzen Werksgemeinschaften und Vertrauensmänner, Einigungsämter usw. zu liquidieren, was bei der Einheitsgewerkschaft bereits geschehen ist. Die Nazi-Betriebsgemeinschaften lassen sich diktieren, auch ohne dass die Gefolgschaften innerlich dabei sind. Was aber wird aus den Vertrauensräten? Sie mtissten jetzt nach „deutschem Recht" gewählt werden. Im Dritten Reich haben diese Betriebswahlen für 1936, 1937 und 1938 nicht mehr stattgefunden. Das österreichische Volk ist zum 10. April zu Reichstagswahlen aufgerufen. Mit dem entsprechenden Terror wird das verlangte Resultat erzielt werden. Eine allgemeine Vertrauensratswahl in der Ostmark Grossdeutschlands müsste bei aller nationalen Begeisterung und aller Gewalt mit der katastrophalen Niederlage der neuen Herren enden. Die Vertrauensratswahl würde der Welt beweisen, wie„glücklich" das österreichische Arbeitsvolk über seine„Befreiung" ist. Josef Goebbels hat soeben in einer Sportpalastversammlung erklärt, dass durch die Abstimmung am 10. April der Welt bewiesen werden wird: Oesterreich gehört zu uns. Nur ein ganz verbogener und minderwertiger Charakter könnte sich dem Ja für den Führer entziehen. Die Welt möchte aber gern erfahren, wie die österreichische Arbeiterklasse zur Nazi-Diktatur steht. Die Deutsche Arbeits-Korrespondenz lässt einen Wie ner Arbeiter bei seinem Berliner Besuch sagen, dass Wien solange als das„Rote Meer " verschrieen war. Eine Verlrauens- ratswahl allein könnte erweisen, ob das Rote Meer seit dem 13. März zur braunen Pfütze ausgetrocknet ist. S. A. die bestimmt ist, anderwärts den' schlechten Streich von Wien zu wieder holen; ein Pfeil nach der deutschen Schweiz , ein Pfeil nach Eupen-Malmedy , vielleicht ein Pfeil nach EIsass-Loth ringen. Und dann noch andere Pfeile, die die möglichen Richtungen anzeigen, über die man uns am Ende den deutschen und römischen Frieden auferlegen wird: über Belgien , über Holland und Belgien , über die Schweiz , über die Alpen , über das Meer und Spanisch-Marokko in der Richtung von Algerien und Tunis . Ausser dieser Karte des faschistischen Europas habe ich Ihnen gleichzeitig zeigen wollen, wie sich die Karte derjenigen europäischen Länder darstellt, die dem Frieden anhängen. Der Platz fehlt mir dazu. Aber vie-lleicht werden wir der Wahrheit sehr nahe kommen, wenn wir uns darauf beschränken, auf jedes dieser Länder ein grosses Fragezeichen zu machen... Max Busct in„Le Peuple", Brüssel , Strc�iflichfpr Hinler den rauschenden Ereignissen werden die Alltagssorgen der deutschen Wirtschaft leicht übersehen. Aber sie sind darum nicht minder bedeutsam. Die zuneh mende Bohstoffnot zwingt zu immer weiteren Einschränkungen und zur Erfindung neuer Ersatzstoffe. In seiner Rubrik„Streiflichter" berichtet der„Dresdner Anzeiger' am 15. März 1938 wieder über zwei derartige Notbehelfe. Der eine ist das Gebiss aus Kunstharz. das ein Berliner Dentist erfunden hat:„Der Goldzahn ist ja schon seit längerer Zeit aas Devisengründen nicht nur ein untragbarer Luxus, sondern wird auch von einer neuen natürlichen Geschmacksrichtung abgelehnt. In langwierigen Versuchen ist nun Kunstharz— der durch seine Vielseitigkeil immer mehr verblüffende einheimische Rohstoff-— so gehärtet worden, dass er die bisher als Zahnersatz verwendeten Werkstoffe in vielen Beziehungen übertrifft. Auf einer Sondertagung der Fachwisscnschaft- lichen Arbeitsgemeinschaft des Reichsverbandes deutscher Dentisten erwies sich der Kunstharzzahn in Festigkeit, Beständigkeit und Färbung als von einejn Naturzahn kaum unterscheidbar. Er zeigte bei den Prüfungsversuchen in Laboratorien und im Munde von Patienten keinerlei Beeinflussung durch lange Einwirkung von Säuren oder anderen mit dem Gebiss in Berührung kommenden Stoffen oder Farben. Aber erst, wenn eine vom Reichsdentislenführer angeordnete Sonderausbildnng aller deut schen Dentisten im Reiche durchgeführt ist, wird der neue Kunstharzzahn allgemein praktisch angewendet werden." Eine andere Erfindung ist,.Seifenloses Rasieren", über das der„Dresdner Anzeiger" berichtet:„Der Bezirks! nnungsmeister der Friseure für Wcsflalen und den Nieder rhein hat die Methode entdeckt, statt Seife fettlose Creme hauchdünn aufzutragen und im Gesicht mit der Hand zart zu verreiben, ohne dass ein Pinsel benötigt würde. Auch die empfindlichste Haut soll dann kein Kratzen, kein Nachrölen und kein Brennen fühlen, vielmehr das Gesicht„glatt wie Seide" sein. Es heisst, dass der Reichsinnungsverband dem neuen Verfahren, dass ja eine erhebliche Fettersparnis bringen würde, freundlich gegenübersteht. Daher wird vielleicht bald der deutsche Friseur seifenlos rasieren."
Ausgabe
6 (10.4.1938) 251
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