raus und marxistischer Orthodoxie spielten Elementarfragen des konstruktiven Sozialismus und der Ausweitung ökonomisch-historischer Geschichtsforschung hinein. Bebel hat in diese theoretische Diskussionen nie direkt eingegriffen. Aber die orthodoxe Formel, wonach die Methoden der Machtergreifung und das Tempo der gesamtpolitischen Umwälzung von den„jeweiligen ökonomisch-historischen Voraussetzungen" bestimmt werden und dass es utopistische Spielerei, unwissenschaftlich und unmarxistisch sei, sich über all das vorher den Kopf zu zerbrechen— diese mechanistische Anwendung des historischen Materialismus beherrschte auch ihn. Neben manchen seiner Reden bezeugt dies sein Buch über Fourier(1907). Aus dem Vorwort und Nachwort dieses Werkes spricht Ueberschätzung des proletarischen Masseninstinktes und Klassenbewusst- seins, und der jeweilige Gang der Geschichte erscheint als jenes eherne Muss, das gesetzmässig von den jeweiligen ökonomisch-historischen Tatsachen bestimmt wird. Die herrschende Auffassung der„Partei August Bebels" lehnte mit dem naiven ütopismus der Frühsozialisten um Owen und Fourier auch die Erörterung konstruktiver, nach grossen Gesichtspunkten planender Technik ab. Es ist nicht schwer, diese Entwicklung zu erklären. Die prophetischen Gedankengänge des kommunistischen Manifestes spielten im wissenschaftlichen Sozialismus der jungen Sozialdemokratie eine bibeihafte Rolle. Diese starre Auffassung siegte auch nach der Verschmelzung der Eisenacher mit den willens- mässiger, konstruktiver gerichteten Lassalleanern. Zu dieser orthodoxen Verengerung der historisch-materialistischen Geschichtsauffassung trugen die verwirrenden Wirkungen des Pütschismus und utopischen Sozialisums bei, die sich in Frankreich von 1830 bis zur Kommune stark geltend machten und in die deutsche Arbeiterbewegung herein reichten. Und der unbewegliche sture Charakter des preussisch-deutschen Klassenstaates gab der deutschen Sozialdemokratie wenig Anlass, sich, mit Fragen der Staatsmechanik vertraut zu machen. Dies heute festzustellen ist jenen linksradikalen Regierern gegenüber nötig, die da posaunen, Werk und Geist August Bebels sei 1918 von sozialdemokratischen Führern„verraten" worden. Die Partei, der 1918 die Macht unerwartet zufiel und die mit der Massendemokratie jene Grundlage erreicht zu haben glaubte, aus der sich Sozialismus und sozialistische Machtentfaltung ökonomisch- historischen Gesetzen entsprechend entfalten müsse, war die logische Fortsetzung der Partei August Bebels. Sie litt auch damals noch an der Ueberschätzung des proletarischen Massen- und Klasseninstinktes. Dem vorhandenen staatsschöpferischen Trieb fehlte der staatsschöpferische Traum, die grosse klare Vorstellung, die durchdachte Konzeption. Mit diesen Folgerungen wird nichts gemindert an der menschlichen Grösse und Wucht einer Erscheinung, wie sie dieser Heros der internationalen Arbeiterbewegung gedeutet. Er steht in der Reihe jener politisch Grossen, in denen ewiges Sittengesetz, Weltgewissen und Menschheilsinter- esseu zur dämoniscEen Kraft geworden sind. In Rede und Schrift hat Bebel die Völker vorm Kriege gewarnt; „Ein Krieg der Grosstaafen von heute würde den Untergang der Kultur bedeuten und müsste die Menschheit in den Morast der Barbarei stossen..." Das prophetische Wort hat sich entsetzlich erfüllt, aber jenes ünmass von Bestialität, Lüge und Heuchelei, das im Lande Goethes und Kants mit dem offiziösen Reichstagsbrand etabliert wurde, hat er ebensowenig voraus ahnen können, wie den Versuch der braunen Gewerkschaftsvertreter, Bebels Andenken für ihre Lügenfirma umzufälschen, um grosse gefährliche Erinnerungen zu bannen. Sein Name darf drüben genannt werden, aber seine Werke sind verboten, seine Anhänger verfemt. Doch Bebels Vermächtnis lebt in den besten, kühnsten Schichten der deutschen Arbeiterschaft unzerstörbar weiter. Des vierten Standes kämpferischer Aufstieg, der mit seinem Namen glorreich verknüpft ist. dieser Kampf für demokratische Freiheit Humanität, Kriegsächtung und intef' nationalen Sozialismus— er leuchte weit in unser Jahrhundert und in®l'e faschistischen Dschungel hinein. D61 Widerschein dieser nahen, gewaltigen Vergangenheit färbt den Himfflf' moderner Despotien rot. Das faschistische Babylon weiss, dass ihm<he unvergängliche, lebendige, mahnend« Flammenschrift dieses Freiheitskampfes in absehbarer Zeit zum Verhängnis werden wird. R. G- Was will Konrad Henlein ? Der((deutsche Sozialismus» im SdP-lIemorondnm Der englische Vermittler Lord Runci- man hat es übernommen, die Annäherung zwischen dem Nationalitätenstatut der Regierung Hodzas und Henleins Memorandum zu finden. Das Memorandum ist nach der wirtschaftlichen Seite zu ergänzen durch die Richtlinien des „sudetendeutschen Sozialismus", die auf einem Wirtschaftskongress der SdP am 20. Februar in Teplitz verkündet worden sind. In beiden Kundgebungen wird reichlich viel von einer„Weltanschauung" gesprochen, doch sind in dem Programm weder verstandesmäs- sige Erkenntnisse zu finden, noch kann überhaupt von einem System gesprochen werden. Die SdP-Macher können einerseits von ihrem ursprünglichen Inspirator Othmar Spann nicht loskommen, andererseits sind sie in unw-andel- barer Treue zu Hitler entbrannt. Sie vermischen ausserdem das einstige Agitationsprogramm der Nazis in Deutsch - 'and mit der Organisation im Dritten Reich . Sie sind revolutionär und konservativ und sie begründen ihren Volksso- lidarismus mit schöngefärbten, nichtssagenden Ausdrücken, wie„ein gutes", ein„richtiges Verhältnis",„gerechter Lohn" usw. Da es sich um ein Wirtschaftsprogramm handelt, kann der immer wiederkehrende Dynamismus und die Nazi-Religion das Denken nichl ersetzen. Klar und eindeutig bleibt nur der Wille, den Staat und die Wirtschaft durch zwingende Parteigewalt zu beherrschen. Im politischen Teil weicht die für britische Augen und Ohren bestimmte Terminologie von der Schreibweise der reichsdeutschen Auftraggeber insofern heute noch ab, als alle Gleichschaltung und Parteitotalität im Namen der„Demokratie" geschieht. Selbstverwaltung. Volkssouveränität und ähnliche Wortspiele sind noch den Spann'schen Ständetheorien entnommen. Die Verfas sungsvorschläge selbst entsprechen dagegen in Form der Alleinherrschaft der sudetendeutschen Volksgruppe voll und ganz dem autoritären Regime im Drit ten Reich . Aber Henleins Memorandum enthält in Punkt 12 auch eine neue Wirtschaftsverfassung. die privatkapitalistische Individualität und kollektive Planwirtschaft. Autarkie und Weltwirtschaft, Sozialismus und Arbeiterknechtschaft auf einen Nenner bringt. Konrad Henlein verlangt für sein autonomes Gebiet „das Recht zur Errichtung von Pflichtverbänden zwecks Förderung des Wirtschaftslebens einschliesslich Aufsicht über das freiwillig wirtschaftliche Assoziationswesen, weiters das Recht zur Errichtung sozialer und berufsständischer Pflichtverbände". Hier tritt wiederum die Kombination der Spannschen Thesen mit der im Drit ten Reich eingeführten Organisation der Wirtschaft hervor. Die Ständekorporationen, in denen die Arbeiter auch zur Erörterung der Wirtschaftsfragen mitvertreten wären, sollen im Sudetengebiet nicht realisiert werden. Die Unternehmer würden vielmehr nach reichsdeutschem Muster ihre Arbeitgeberverbände in eine volkliche Gemeinschaftsorganisation überführen, die, wie es bereits heute geschieht, im Sinne der kapitalistischen Besitzer und im Einvernehmen mit dem Wirtschaftsreferat der Partei tätig wäre. Von einer antikapitalistischen Tendenz ist keine Rede, denn der„sozial gebundene Kapitalismus" entscheidet selbst über seine„Bindungen". Die staatliche Autonomie würde vor allem das sudeten- dentsche Unternehmertum von allen gesetzlichen Verpflichtungen der tsche- choslovakischen Sozialgesetzgebung befreien. Sie würde ersetzt durch die aus dem Dritten Reich bekannte Betriebssozialpolitik, d. h. der sozialen Wohltaten. Das Programm betont ausdrücklich die Beibehaltung der privatkapitalistischen Betriebsform. Das System des Unternehmertums soll gekräftigt werden, das gehört Zum„Deutschen Sozialismus"; „In den Sozialismus können sich grundsätzlich sämtliche Wirtschaftsformen und-Verfassungen einordnen." (Punkt 20.) Die Aufsicht über das frei- willig wirtschaftliche Assoziationswesen ist nichts anderes, als die Anerkennung des individualistisch-kapitalistischen Syndikatswesens. Bisher gab es in der Tschechoslovakei eine wenn auch ungenügende staatliche Kontrolle der privaten Syndikate, sie würde.alsdann auf den Unternehmer-„Pflichtverband" übergehen. Der Pflichtverband wird, soweit es sich um das Unternehmertum handelt, zum Ueberbau der kapitalisti schen Organisation im Sudetengebiet. Diese nationale Autonomie würde nur dann antikapitalistisch wirksam werden, wenn es sich um jüdische oder demokratisch gesinnte Unternehmer handelt. Von entscheidender Bedeutung aber wären die Pflichtverbände der Arbei'«1' und Angestellten. Die Errichtung d«' Sudetendeutschen Arbeitsfront wäre aI1 die Auflösung der Gewerkschaften bunden. Die organisatorische Entwa�' nung der Arbeiter ist denn auch stärkste Anreizmittel für die Untern«'1' mer, sich und ihre Verbände der Sd'1 heute schon gleichzuschalten. Die � samte Sozial- und Lohnpolitik soll d«'1' Prager Sozialministerium entzogen un» auf das.Henlein -Direktorium überfr1' gen werden. Die sudetendeutscb«' Scharfmacher sehen schon im Geist d'{ neue autoritäre Betriebsordnung, d«" Zwangsarbeitsdienst und die Neuofd nung der Löhne, i, Die Verselbständigung der SudetfD' Wirtschaft belässt der Prager Regier«� das Recht, die Exportindustrien wei'fr hin zu subventionieren. Obwohl die'I1' dustrie der Sudetenländer nahezu all;| schliesslich Exportindustrie ist, verh' die SdP einen nationalen Solidarisi""' der einer Autarkie gleichkommt. � schrankenlose Welthandel wird überholt erklärt und es wird auf j1" Entwicklung der regionalen �ir schaftsblöcke hingewiesen, um un� gesprochen die Eingliederung � Tschechoslovakei in die mittele0'' päische Hegemonie der Nazis als .W* weg aufzuzeigen. Der Aufbau der Vo"i! Wirtschaft wird mit einem zv kigen Haus verglichen: im Edrgi wohnt die Landwirtschaft, im eri ;# itf Stock Industrie und Gewerbe, im � ten Stock die Exportwirtschaft. „Die im zweilen Stock tätigen Measc� sind nun im Zeitalter des LiberalismU5 mählich der am Fundamente verank«1, Familien- und Volksdisziplin entglitte11'|., Angeblich steht nun das zweite werk„überdimensioniert" zur Schf Frieden ist, wenn In Japan herrscht Frieden. Kein Krieg ist erklärt. In Spanien herrscht Frieden— nicht intervenieren!— In Oesterreich hat sich der Frieden bewährt. und morgen schon werden sie weiter marschieren. Der Frieden ist, scheints, nicht mehr ganz, was er war. Zwar, die noch nichl tot sind, die dürfen nicht klagen, doch, bitte, der Tatbestand ist nicht recht klar, was heisst denn das; Frieden? Man darf doch noch fragen? Wenn etwa Herr Iiitier ein Ländchen besetzt, wenn etwa Italien mit seinen Armeen die spanischen Städte verbrennt and zerfetzt, dann will das nichts sagen. Man hat nichts gesehen. fv*.• Doch wenn sich der Gegner zu wehren versucht, so tut er dem Frieden wahrhaftig nichts Gutes, und hat ihn der Völkerbund erst mal verflucht, dann schämt er sich selber des frevelen Mutes. Bei nährer Betrachtung ist's gar nicht so schwer, das Wesen des Friedens von heul zu erschliessen; Der Frieden umfängt uns zu Land und zu Meer, solang es nur einem erlaubt ist, zu schiessen. ••• da. Als wenn die Produzenten im erS ■..BL JiRRmiR hü weiter für die ausgeführten indus"� len Fertigwaren landwirtschaftlich« � Zeugnisse eingeführt werden, wie cs; die Tschechoslovakei im Austausch den Donauländern unerlässlich ist, sich auch die übrige Trennung iStockwerke kaum aufrecht erb3', I Aber der„Vergleich" wird für ü'e tionalistische Agitation gebraucht-, Hemmungen des Welthandels � nicht beseitigt werden, sondern sie � sen herhalten, die Volksdeutsche A1'« ikie zu rechtfertigen. Jede Wirtsch1'( gruppe hat sich jenem Gesamtintc1� unterzuordnen, das die Autark1«,, Drittes Reich plus Sudetengebiet �5 langt, auch um den Preis einer rung der sudetendeutschen Expo1"'111�; strie. Die grossdeutsche Raumor1'11� verlangt, dass die Moldaurepublik j,,; mählich auf die industrielle Betät'r-.■ verzichtet und sich auf die Belicf«1�1 des Dritten Reiches mit Rohstoffe1 Lebensmitteln umstellt. Die dam" J' bundene Senkung des LeBenssta»1'-ff insbesondere des Sudetenvolkes � schon im Hinblick auf die absi», j�f Lebenshaltung des eigenen nicht unerwünscht.-j. Wenn die SdP mit ihrem Ai '''11� Programm gleichzeitig den Vbrs'Lft' zur Eingliederung der SudetC1 j schaft in den Welthandel serviC können die britischen Vermittle,);,' internationale Tarnung der A'1 Vj' benso bewerten, wie die volksdec1 ij- tische Tarnung der Henleinsche» j/ lität. Der Wahrheitsgehalt des ran dura s ist politisch und wirt1,1 � lieh von gleicher Stärke.
Ausgabe
6 (14.8.1938) 269
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