Nr 273 BEILAGE
NEUER VORWÄRTS
11. September 1938
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Ein ManHe�i des Geistes
Thomas Mann über den künftigen 8ie� der Demokratie Uas Verhältnis zwischen Literatur| gen die Barbarei des Dritten Reichs
Und Politik ist in Deutschland nicht immer das beste gewesen; wie gewöhnlich in solchen Fällen war die Schuld geteilt. Gab es auf der einen Seite ein ungeistiges Politikertum, das "u Bewusstsein der eigenen Unzu- 'änglichkeit mit gekünsteltem Hoch- mut auf das Schreibervolk herabsah, 80 machte sich auf der anderen Seite ein politisch dilettierender Literatur- Mrieb breit, der zu einer gering- Schätzigen Beurteilung in der Tat Hänchen Anlass bot. So gab es einen c'w,igen Froschmäusekrieg zwischen 'lern Literatencafe und der politischen nierslube. Allerdings liegen die Gründe der Ge- §6&satze nicht nur im Banausentum
der lett; lief,
einen und dem betriebsamen Di- mitismus der anderen. Sie liegen er. Die Politik ist, so wie sie aus
dem Reich der Idee in das der Wirk- khkeit und der Verwirklichung ein- jr'B' zum Kompromiss gezwungen, die 'leratur aber, die Kunst überhaupt, � in ihrem Weben kompromisslos. Hier fordert der Künstler auch von eine Kompromisslosigkeit, die sie �rklichkeitsfremd macht— der Poli- 1 er hinwiederum möchte die Kunst 41 einem Kompromiss zwingen, das zum Tendenzhandwerk erniedrigt. 0 che innere Gegensätzlichkeit macht a8 � erstehen schwer. jedoch, was für gewöhnliche Zeiten gilt für ungewöhnliche nicht ehr. pjjr(jen jeuischen Politiker J"1 heute kann es nur eine kompro- �'�lose Politik geben und keine an- ete- Zwischen zwei einander wider- he � llt�en Prinzipien geht es um Le-
8ilt,
gesagt worden ist. Für Thomas Mann ist die Demokratie zeitlos-menschlich, Faschismus eine blosse Zeiterscheinung. Mit einer begrifflichen Bestimmung der Demokratie, die sich an das bloss Technisch- Politische hält, will er sich nicht begnügen: „Es ist ungenügend, das demokratische Prinzip als Prinzip der Majorität zu bestimmen und Demokratie wörtlich, allzu wörtlich, mit„Volksherrschaft" zu übersetzen, einem zweideutigen Wort, das auch Pöbelherrschaft bedeuten kann— und das ist vielmehr die Definition des Faschismus. Es ist selbst unzulänglich— so richtig es sei—, die demokratische Idee auf die Friedensidee zurückzuführen und zu erklären, das Recht des freien Volkes, über sein Schicksal seihst zu entscheiden, schliesse auch die Achtung vor den Rechten fremder Völker ein und sei die beste Gewähr für die Entstehung einer Völkergemeinschaft und für den Frieden. Man muss höher greifen und aufs Ganze gehen. Man muss die Demokratie als diejenige Staats- und Gesellschaftsform bestimmen, welche vor jeder andern inspiriert ist von dem Gefühl und Bewusstsein der Würde des Menschen." Der Faschismus kennt den Begriff der Menschenwürde nicht, er huldigt einer bodenlosen Menschenverachtung. Die Faschisten, die„aus der Nation ein gedankenloses Kriegsdynamo machen wollen", sind selbstverständlich Menschenverächter. Frei-
„In Wirklichkeit praktizieren sie eine wahrhaft groteske Menschenverachtung — grotesk durch ihr Subjekt, grotesk durch den Gedanken, wer hier verachtet: es sind die Verächtlichsten. Ich lasse mir die Verachtung gefallen, die aus Höhe kommt, die grosse, dem Menschenmass entw'achsene Persönlichkeit, welche verachtet. Aber vergebens fragt man sich, wie die totale Erbärmlichkeit, die moralische und geistige Misere eigentlich dazu kommt, zu verachten. Es ist denn auch eine Sorte von Verachtung, die den Menschen erst aus allen Kräften erniedrigen und verderben muss, damit er recht zu ihrem Objekt tauge." Demokratie steht nicht im Gegensatz zur wahren Aristokratie, der Aristokratie des Geistes, sondern beide gehören zusammen.„Der Demokrat Benesch, der Demokrat Roosevelt , der Demokrat Leon Blum sind als persönlich-menschliche wie als staatsmännische Typen bestimmt aristokratischer als der Typus Hitler oder Mussolini ." Zwei Forderungen stellt Thomas Mann an die Demokratie: sie muss wehrhaft, und sie muss sozial werden. „Nicht eine Humanität der Schwäche und der selbsbezweifelnden Duldsam
decken, sie muss lernen, im Hainisch zu gehen und sich gegen ihre Todfeinde zu wehren, muss endlich, nach bittersten Erfahrungen, begreifen, dass sie mit einem Pazifismus, der eingesteht, den Krieg um keinen Preis zu wollen. den Krieg herbeiführt, statt ihn zu bannen." Mit nicht geringerer Beredsamkeit fordert Thomas Mann — nach, einer fürchterlichen Abrechnung mit dem „verhunzten Sozialismus" Hitlers die soziale Demokratie: „Das Neue in der Welt ist das, was die politische Jugend Frankreichs den „ökonomischen Humanismus" nennt. „Das Neue in der Welt", so hat der Belgier Vandervelde dem Herrn des Pa- lazzo Venezia kürzlich geantwortet, als er wieder einmal prophezeit hatte, Eu ropa werde morgen faschistisch sein, „das eigentlich und wirklich Neue in der Welt ist die soziale Demokratie". Thomas Mann sagt nichts, was uns Sozialdemokraten fremd und neu wäre. Aber er sagt das zeitlos Wahre in neuer glänzender Form und mit einer Kraft, die aus der tiefsten Ueber- zeugung geboren ist. Wir freuen uns, dass die Not der Zeit uns zum grossen Dichter Thomas Mann auch den politischen Denker geschenkt hat, den Kämpfer für eine wahrhaft neue demokratische und sozialistische Staats-
lich gebärden sie sich als Wiederher-'der kämpferischen Ent- , ,,, T,t,| schlossenheit zur Selbsterhallung. Die steller der Ehre, aber 1 Freiheit muss ihre Männlichkeit ent-
keit ist es, die heute der Freiheit not tut— damit nimmt sie sich crbärmlichj umj Gesellschaftsordnung. und gottverlassen aus angesichts eines Dafür dass seine Stimme auch in Gewaltfflaubens, der von keines Gedan-,,,,, kens Blässe im mindesten angekränkelt!Deutschlaud gehorl wird' werden wir ist. Was not tut, ist eine Humanität des1"!'!('en Mitteln, die uns zur Verfügung stehen, sorgen. Wir verhehlen
ARMES VOLK!
l,nd Tod: die Seite, die der an- 8ibt• aUC� nur das ßeidn8ste nach-
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°"1' ist schon verloren. Es geht um e. 11 �tiirz eines Systems und den Sieg Idee. Die Zeit nähert sich einem revolutionärer 8. der eingealterte---- �, t.[�"winden lässt. Kunst und Politik, ■lteratur
Hochspan- Gegensätze
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und Politik verschmelzen . Zu �iner einzigen Masse von Glut a Ucht. Ak• s0j 1 eirie Erscheinung, die aus einem gfj. le" Prozess hell hervortritt, be- C- den Dichter Thomas 0.) � Soeben veröffentlicht er bei (ler �'I'Zürich als Sonderdruck aus lejj�"HHchrift„Mass und Wert" den tra„ Crweiterten Text eines Vor- Ns S<'t!n er im Frühjahr dieses Jah- 1" an;ierikanischen Städten gehal- tiUf 1a'- Dieser Vortrag ist nicht mehr �er/.'terar'scdle Leistung, er ist das tV e'neS P0�sc�ien Führers. �0HjOlllaS �ann IiaI nach solchen iHgn e.eren nicht gestrebt. Eher könnte 1 ,m eine allzustarke Distanzie- , Von der Politik vorwerfen als
\V0 betriebsames Heranmachen. Widere laut und aufgeregt rede- «chü�eg er' weun er nbec dann Ni(eS8licH doch sprach, war es eine Hphe Tat.«
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Ht Allerkennung seines Ehren- � j'�t'tels den gelehrten Zöpfen an 'S lm.Her Universität zuteil werden Vi� Pede„Vom künftigen Sieg '()(, ni()kratie" greift noch weiter Tipte
nicht, dass sie im Verhältnis zur Grösse der Aufgabe gering sind. Diese Rede müsste von grossen Sendestationen nach Deutschland gesendet und gedruckt in Massen verbreitet werden. Auch dies gehört zum Thema„Wehr- haftmachung der Demokratie"., Da bleibt noch viel zu tun übrig. Thomas Mann hat das Seine getan. Er hat sein Bestes gegeben. Das deut sche Volk wird ihm einmal noch dafür Dank wissen. F. St.
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das bisher im Kampf ge-
Pner Bis an Die. zahnr, Mg NICHTS ZU ßtlSSZN*ABfcN.
Das Torbild Hess inslruierl seine Anslandsagenten In England, in der Schweiz , in Ungarn , irr Rumänien , in Holland und Skandinavien , in den östlichen Randstaaten, in Süd- und Nordamerika , in fremden Kolonien— überall sind Naziorganisationen aufgedeckt worden, die nachgewiesenermasscn faschistische, antidemokratische Unlerhöhlungs- und Zersetzungsarbeit zu leisten haben. Entrüstet hat des Führers Stellvertreter diese Tatsachen auf der Stuttgarter Tagung der Ausländsdeutschen ins Reich der Fabel verwiesen: „Euer Deutschtum und euer Nationalsozialismus das ist euere eigenste Ange- legenheit. Ihr betreibt keine„Pendtration paeifique", ihr denkt gar nicht daran, die Gastvölker mit dem Nationalsozialismus„friedlich zu durchdringen". Wir und unsere Ausländsdeutschen drängen uns nicht in die Verhältnisse anderer Länder. Wir müssen freilich aber auch erwarten, dass sich andere Länder nicht in unsere Angelegenheiten zu mischen suchen..." Das Dritte Reich will Frieden, aber die böse Auslandspresse bringt falsche Berichte über das Dritte Reich, nennt es eine Diktatur, während es die„demokratischsten Taten" vollbringt. Zum Beispiel die Befreiung der Oesterreicher per Volksabstimmung: „Nicht die Demokratien, nicht die Länder mit den feierlichen Versprechungen des Selbstbestifnnumgsrechts; wir, die„Diktatur", wir, das Land mit dem„autoritären Regime", wir habe»; eines freien Volkes Willen zum Gesetz erhoben, wir haben damit die- demokra, tischste Tat vollbracht.". j Niederschlagung der Presse, Konzentra-.,, tionslager für die leiseste kritische Re-, gung, masslose Verleumdung eines GegneTs, der sich nicht rühren darf, Terror bis in