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Neuer Vorwärts

Sozialdemokratisches Wochenblatt

EN AVANT! licbdomadaire en langue allemande Redaktion und Verlag: 30, Rue des Écoles, Paris- 5. Télépho e: Odéon 42 58

Nr. 289 SONNTAG,

1. Januar 19: 9

Aus dem Inhalt:

Deutschland 1938

Weltwirtschaft und Kriegs­gefahr

Die Hinrichtung von Weimar

Prix: Fr. 1,50

Im Sturm der Geschichte

Zwischen zwei Krisen

choslovakei

-

Die Lage der Demokratie in Europa

-

Die Jahreswende 1938/1939 fällt in ei- ohne dass wir gehört worden wären. ben auseinandergesetzt, dass das System haben, auf immer im Dunkel der Ge­he kurze Pause zwischen zwei un- Man schätzt heute in den noch demokra- aus innerer Notwendigkeit zum Erobe- schichte verschwunden? heilschwangeren Krisen. Das alte Jahr: tischen Ländern die Stimme von Emi- rungskrieg treibt und ihn vorbereitet Wir haben keinen falschen Stolz dar­Krieg in Spanien , Krieg in China , Zer- granten nicht hoch ein, und man hält und wir haben recht behalten. Wir ha- auf, dass diese unheilvolle Ent­trümmerung Oesterreichs und der Tsche- nicht viel von den unterirdischen demo- ben die Angriffsrichtungen gezeigt,-wicklung seit langem haben kommen se­das neue Jahr: neue kratischen Kräften, die trotz allem in und wir haben recht behalten. Im Jahr hen. Wir haben unsere eigenen Erfah­Weltkriegsgefahr. Das alte Jahr: wel- den Ländern der Diktatur lebendig sind. 1938 ist das System auf der ganzen Li- rungen gemacht. Wir kennen das Sy­Wandlungen und der Geschichte, welche Es gibt einen Hochmut der Legalität, der nie zum Angriff übergegangen. Was vier stem intimer als irgendjemand sonst aus­Zusammenbrüche, den Sinn für die Dynamik der Ge- Jahre lang systematisch vorbereitet wor- serhalb Deutschlands , wir haben nicht welch ein Wechsel der Bilder im drama- schichte verkümmern lässt, und der auch den ist, ist in diesem Jahre losgelassen umsonst jahrzehntelang dagegen ge­lischen Ablauf! Selten ist in ein Jahr heute noch wirksam ist, heute noch worden. Das Zurückschrecken vor dem kämpft- denn der Kampf, den wir heu­der Geschichte so viel Entscheidendes stärker denn je zuvor, obgleich die Aussprechen dessen was ist hat sich in te führen, ist nur die Fortsetzung unse­dad Verderbliches hineingepresst wor- Ereignisse von 1938 die kritische Lage al- den demokratischen Ländern gerächt: res ununterbrochenen Kampfes um die sen! Es war ein Jahr der grossen Leiden- ler demokratischen und besonders aller die Völker, die in falscher Sicherheit ge- Freiheit gegen die Mächte der Gegenre­Empörung, Hass, Erbitte sozialistischen Parteien in Europa auf- wiegt worden sind, sind in Verwirrung. volution und des Krieges in Deutschland . Die europäische Konstellation be- Man hält nicht viel von den Ratschlä­stimmt den Gang nicht nur der äusseren gen illegaler Parteien? Man will aus un­die Beschränkung jeder demokrati- Ereignisse, sondern auch der inneren An- seren Erfahrungen nicht lernen? Aber

schaften

-

rung, Zorn haben die Ereignisse beglei. gezeigt haben. Dieser Hochmut der Le­tet. In so wahrhaft

ziemt niemanden die kalt abwägende Ruhe der unbeteiligten Betrachtung. Ge- schen Partei auf die Angelegenheiten gelegenheiten der Völker. Diese Kon- die Probleme, vor denen die legalen Par­

Rechtsbrecher,

walttal und Verrat haben alles Recht mit ihres eigenen Landes Füssen getreten. Sollten wir unseren noch die Angelegenheiten eines Landes 1938 gewandelt, und sie wandelt sich sind nichts anderes als unsere Probleme

Hass gegen die Schänder der Freiheit und Menschlich- gelegenheiten auseinanderzuhalten wä- Krieg. Das Jahr 1938 war ein Kriegsjahr. sind die Probleme, die sich aus der eu­keit verbergen, sollten wir schweigen ren! und den ungeheuerlichen Verrat decken, Wie könnten wir, wenn wir über das nicht gekämpft, aber der Krieg ist der Ubermacht des deutschen Nationalis­men ist, statt unseren Zorn und unsere das System führen, darüber schweigen, der Ueberfall auf die Tschechoslovakei griff ergeben. Vor diesen Problemen Empörung hinauszuschreien? Wir haben wie es auf die übrigen Länder wirkt, und anders als Krieg, und an diesem Beispiel gibt es kein Ausweichen. Der Versuch, die zitternde Furcht der Völker vor dem wie das Verhalten der demokratischen zeigt sich am klarsten, wie schlecht es auszuweichen, würde in völlige politische Kriege gesehen, in Frankreich wie in Länder Europas auf unseren eigenen um die Sache der Freiheit in Europa Ohnmacht führen. England wie in Deutschland , wir haben Kampf zurückwirkt! Es gibte heute nur steht. Es gibt noch einen tschechoslova­

die und die allgemeinen europäischen An- weiter. Ihre Wandlung erfolgt durch den aus Vergangenheit und Gegenwart. Es Die demokratischen Westmächte haben ropäischen Konstellation von heute, aus

lebt, mit deren Hilfe der zum Kriege ge- tik steht unter dem Gesetz des kriegeri- Freiheit sind daraus entschwunden. Die nen europäischen Problematik isolieren die Raserei der zweckbewussten Lüge er- eine europäische Politik, und diese Poli- kischen Staat, aber Demokratie und fragen mehr, die man von der allgemei­hörende besinnungslose Völkerhass er- schen deutschen Nationalismus. Wir ha- demokratischen Parteien, die den Staat könnte, so wenig wie man

Es gibt heute keine reinen Arbeiter­

von reinen

zeugt werden sollte, die Illusionen der ben seit dem Anbruch des Dritten Rei- wahrhaft gegründet und erhalten haben, Arbeiterfragen ausgehend die europäi­Staatsmänner, das Versagen der Par- ches auf diese Perspektive hingewiesen sind nicht mehr. Aber sind darum die sche Konstellation von heute entschei­teien, die Ratlosigkeit der Völker. Wir und wir haben recht behalten. Wir ha- Ideen und die Männer, die sie getragen dend verändern oder das Herrschafts­haben alles mit Leidenschaft erlebt, denn

wir sind Partei in diesem Geschehen, und wird kämpfen mit aller Leidenschaft gegen den Feind der Freiheit, des Rechts und der Menschlichkeit, gegen das herr­schende System im Dritten Reich . Kommt im neuen Jahre der Krieg, so kommt eine neue Katastrophe über die

Welt

-

aber schlimmer noch ist es,

Das Denunziantenbüro

Hitler fordert Süddänemark

,, Dreissigster Januar"!

-

Flüsterjarele: 30. Januar

das ist die der Barbaro- Tyrannei. Hinter dem kleinen

wenn die europäische Zivilisation zu- Flüsterparole, die zurzeit in Süd- Dänemark wehrlosen Kulturstaat Dänemark dagegen? grunde geht unter den Schlägen der vom imgeht, in Sönderjylland, jenem Grenzge- Steht England hinter Dänemark ? Dritten Reich geführten Gegenrevolution, piet, in dem neben dänischer Bevölkerung wenn die Kirchhofsruhe der Sklaverei ine deutsche Minderheit lebt. Die Metho­sich über Europa ausbreitet und die len der dortigen deutschen Nazi- Filialpar­Menschen wie die Völker den Sinn des

Lebens verlieren!

Am Ende des Jahres 1938 steht wie ein

ei scheinen mehr und mehr

Aktion gegen den Norden? Vielleicht irren sich die teutodänischen nach Su- Nazis im Datum. Vielleicht werden am 30. letenvorbild terroristischen Charakter Januar ihre Hoffnungen zu Wasser. Das nnehmen zu wollen. Der Tierarzt Möller kann sein. In der Sache selbst dürften sie der ,, dänische Henlein" und seine kaum irren. Umsoweniger, als ihre ganze von Berlin bezahlte Kämpfergilde Taktik von Berlin her kommandiert wird.

-

der europäischen Demokratie und die ordern unverhohlen die Abtretung Süd- Dä- Dort weiss man, was man will. Der Vor­Ereignisse, bei denen der Angrifswille lem Tierarzt Möller ein gewisses Hitler- ordnung. des Dritten Reiches Europa das Gesetz vort entgegenhält, wonach der ,, Führer"

des Handelns auferlegt hat. Diese Jahres. un in Europa keine Territorien mehr for- klaren darüber. Dänemark mit seinem wende ist voll dramatischer Spannungen.

weiter gehen im gleichen Sinne wie im

In London ist man sich wohl auch im bedeutet viel, sehr

' ern werde, dann bricht der Dänenhenlein Lebensmittelexport

-

-

In wenigen Wochen schon werden die lamit. Er ist ein Realist und weiss, dass Downing Street Völker wieder erzittern vor der Drohung lie Versicherungen des Führers immer nur Aber solange man nur Unruhe zeigt und des Krieges. Wird die Machtwandlung ins verheissen: das absolute Gegenteil.

n lautes Gelächter aus. Und er hat recht viel für England. Darum ist man in der

Vergangenen Jahre oder wird die deut­

sicher

Parole: 30. Januar.

,, ernstlich beunruhigt".

nicht die ruhig feste Entschlossenheit der braunen Raubexpansion mit aller Kraft Ein­halt zu gebieten, solange hat wiederum ..Dreissigster Januar" das ist also jetzt Hitler keinen Grund, ernstlich beunru­

-

Alles in Europa ist in diesem Jahre un- die von Möller und den Seinen in Umlauf higt zu sein.

mehr, keinen Status quo, keine

geworden. Es gibt keine Stabilität gesetzte Flüsterparole. Flüsterparole? Der

dingt sicheren Grenzen-

der

napoleonischen

-

die Gesamtla­

-

Das Denunzianten- Büro

He is so unsicher geworden wie zur Zeim 30. Januar in einer Reichstagsrede eine sierte Denunziation. Er will, dass sich die

der

Kriege.

**

*

-

Aufruf!

Eine Flut von Lüge und Verleumdung hat sich von dänischer Seite... über un­sern Führer, unser deutsches Volk und unsere Volksgruppe ergossen. Ich habe in diesen Tagen eine Unzahl von münd­lichen und schriftlichen Berichten über solche Haltung der Dänen erhalten und selber in dieser Beziehung Unglaubliches erlebt...

In Anbetracht dieser Tatsachen for­dere ich alle Volks- und Parteigenossen auf, Berichte über solche Haltung der letzten Zeit an das Organisationsamt der Partei, Apenrade , Schiffbrückstrasse 7, zu senden. Die Berichte müssen einwandfrei sein, eventuell von Zeugen belegt und mit Unterschrift des Einsenders versehen. Anonyme Zuschriften werden nicht be­rücksichtigt. Ich gedenke ein Memoran­dum über diese Beispiele der Verhetzung an zuständiger Stelle abzugeben.

Ohnmacht

Heil Hitler ! Dr. Möller.

oder Gegenwehr? Blitzhaft wird durch dieses Geschehnis

Mit einem Wort: Hitler lässt im Ausland öffentlich die daselbst vollzogene Errich­tung eines Denunziations- Büros, also einer Zu den Hauptwaffen, die der Hitler - offiziellen Zweigstelle der Gestapo , ankün­Ausdruck ist nicht ganz zutreffend. Man unbe lüstert nicht, sondern man spricht sehr scherge Möller zurzeit gegen die Dänen ein- digen!... ' aut und unbekümmert davon, dass Hitler setzt, gehören Rachedrohung und organi­für Hitlers Raubpläne obendrein neue aussenpolitische Aktion" einleiten Dänen für werde. Durch diese Aktion soll unter an- auch noch begeistern, und jedem, der die ganze tief unwahrscheinliche und doch lerem Sönderjylland zum Reich ,, heimge- diesem Gebot nicht gehorcht, wird für den höchst tatsächliche Situation beleuchtet, in stischer Macht und antifaschistischer Ohn­macht befindet. Wann wird dem Erdteil der bitteren Er- nach zu einem Vasallenstaat des braunen der Gangsters angekündigt. Mit einem Man sollte es, trotz allem was in Europa Wort: ein neues München stehe bevor. Die geschah, nicht für möglich halten, und es Rettung aus dieser Schmach? Die Entschei­dänische Staats- ist dennoch wahr: der folgende Aufruf ist dung liegt bei den nichtfaschistischen dänischen Staatsbürger Möller bürger! sagen das jedem, der es hören von Wird Dänemark bei England den Schutz es heute durchaus zweifeln muss?...

Für uns war das Jahr 1938 ein Jahr holt" und Dänemark im übrigen nach und Tag der ,, Abrechnung" die besondere Rache der Europa sich nach fünf Jahren faschi­

Deutungen des Wesens des Dritten Rei- Nazis in Sönderjylland ches und unsere Voraussagen über seine Handlungen richtig gewesen sind. Diese will und niemand vermag sie als Landes- öffentlich in der in Dänemark erscheinen­

dem

Grossmächten.

Erkenntnis ist bitter, weil wir fünf Jahre verräter beim Kragen zu packen. Denn hin- den deutschsprachigen Nazipresse erlassen finden, den es früher erhoffte und an dem lang erklärt, gewarnt, beschworen haben, ter ihnen stehen die Kanonen und Tanks worden: