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Nr. 254. 17. Unm. 2. Atllllgt Mcineidsprozetz Maßlos in Könitz . In die Eintönigkeit der Verhandlung vom Montag kam am Abend durch die Aussage einer alten Frau mit einem Male Leben. Es ist dies die schwerhörige Frau Helvig. Sie sei eines Tags mit ihreni Sohn in dem Matthäus Meyerschen Laden gewesen. Da sei ein Jude gekommen, der hatte eine Liste mit Aktendeckel in der Hand. Er ging niit dem alten Meher ins Hinterziinmer. Ich fragte Frau Meyer, der Mann will wohl Steuern. Nein, sagte Frau Meyer, Steuern will er nicht, aber er wird schon so viel bekommen, dab er genug hat; wir ziehen ja doch nach Berlin . Dann fragte uuS Frau Meyer, ob wir Er» st Winter kennen. Wir antworteten: Nein. Da fragte uns Frau Meher, ob wir katholisch oder evangelisch sind. Wir sagten katholisch. Frau Meyer sagte: Ernst Winter ist evangelisch. Es wäre Zeit, wenn Ernst Winter s i ch i n A ch t u e h m e. Ich fragte: Um was handelt es sich denn? Frau Meyer sagte: Es handelt sich um eine Verschwörung gegen einen jungen Herrn. Ich sagte: Sie wollen den jungen Herrn doch nicht etwa umbringen? Das nicht, aber etwas AehulichcS sagte Frau Meher. Präs.: Was sagte Frau Meher weiter? Zeugin: Frau Meher sagte: Man sagt immer, wir brauchen das Blur zu den Mazzes und zum Händewafchen, wir brauchen es aber nur zum Glück. Weiter sagte Frau Meher: Sie werden uns doch nicht verraten. Präs.: Was dachten Sie sich dabei? Zeugin: Ich habe mir gar keine Gedanken gemacht. Wörtlich dieselbe Aussage macht darauf der Sohn der Vorzeugin, Besitzer H e l b i g aus Danierau. Er fügt hinzu, dasj das Gespräch am 29. November v. I. geführt worden sei. Nachdem er die angeblichen Worte der Frau Meyer:»wir brauchen das Blut blotz zum Glück" erwähnt hatte, gab er an. dah Frau Meyer weiter gesagt habe: Ich warne Sie vor dem Fleischer Lewy, wenn Sie bei diesem Geld holen, gehen Sie nicht hinten herein. Präs.: Das ist ja aber ganz neu, davon haben Sie ja bis jetzt noch nicht ein Wort gesagt?' Zeuge: Ich habe es bei dem Herrn Untersuchungsrichter gesagt, dieser hat jedoch bemerkt: Das haben mir bloß Leute eingeredet. Präs.: Hatten Sie denn von Lewys Geld zu holen? Z e u g e: Nein. Präs.: War bei dieser Unterredung außer Ihrer Mutter noch eme andre Person in dem Meyerschen Laden? Z e u g e: Ich habe niemand gesehen. Präs.: Sagen Sie einmal, Zeuge, ist das nicht Ihre Erfindung? Zeuge: Das ist volle Wahr - hcit. Präs.: Halten Sie es für denkbar, daß, wenn jemand eine solche Verschwörung plant, diese fremden Leuten erzählen wird? Zeuge: Ich kann doch nicht anders sagen, als was ich gehört habe. Präs.: Wie mag Frau Meyer wohl darauf ge- kommen sein, Sie vor Lewy zu warnen? Zeuge: Das weiß ich nicht. Oberstaatsanwalt: In welchem Zusammenhange warnte Sie Frau Meyer vor Lewy? Zeuge: Das weiß ich nicht. Oberstaatsanwalt: Das ist doch aber das Wichtigste. Was haben Sie sich dabei gedacht, als Sie Frau Meyer vor Lewy warnte? Zeuge: Ich habe mir gar keine Gedanken gemacht. Oberstaatsanwalt: Hatten Sie denn von Lewy Geld zu bekommen? Zeuge: Nein. Oberstaatsanwalt: Kannten Sie überhaupt den Fleischer Lewy? Zeuge: Nein. Oberstaatsanwalt: Und trotz- dem fiel es Ihnen nicht auf, daß Frau Meher Sie vor Lewy warnte? Zeuge: Nein, erst a l s Wiuter ermordet war, dachte ich daran. Oberstaatsanwalt: ES ist sehr merkwürdig, Zeuge, daß Sie Ihre Aussage in genau dem» selben Tonfall und ebenso fließend und zwar genau übereinstimmend mit Ihrer Mutter machen? Zeuge: Dazu kann ich nichts sagen. Präs.: Was machten Sie sich denn überhaupt für Gedanken über die ganze Unterredung mit Frau Meyer? Zeuge: Ich machte mir gar keine Gedanken, bis Ernst Winter ermordet war. Präs.: Da haben Sie die Sache erzählt? Zeuge: Nein. Präs.: Wie mag wohl die Sache in die Presse gekommen sein? Zeuge: Das weiß ich nicht. P r ä s.: Haben Sie eS nicht im Wirtshaus erzählt? Zeuge: Ja. ich wurde ein paarmal von fremden Herren ins Wirtshaus gerufen. Präs.: Nun, was wissen Sie von.Cami n e r? Zeuge: Ich mache mit dem Getreidehäubler Caminer Geschäfte. Eines Tags sagt Caminer: Sie sehen'ja so rot aus, Sie scheinen viel Blut zu haben, Sie sind wohl gesund? Ich antwortete: Gewiß, ich bin ja Soldat gewesen. Caminer sagte: Sie sind gut dazu. Als ich von dem Morde hörte, sagte ich, da wäre ich also auch gut dazu gewesen. Cammer sagte noch: Das Blut ist dies Jahr sehr teuer, es kostct eine halbe Million.(Heiterkeit.) Der Pferdehändler Gumpert sagte: Caminer macht blas Scherz. Erster Staatsanwalt: Haben Sie es nun für ernst aufgefaßt? Zeuge: Jawohl. O b e r st a a t s a n w a l t: Ich bin der Meinung, der Zeuge ist überhaupt nicht ernst zu nehmen. Verteidiger Rechtsanwalt Dr. Vogel: Ick nehme den Zeugen für sehr e r n st und beantrage: den Amtsvorsteher und Pfarrer seines Orts zu laden, daß die Familie Hellwig sich des besten Leumunds erfreut. Verteidiger Rechtsanwalt Hunrath: Ich beantrage den Pfarrer Lehrend, Caminer und Gumpert zu laden. Oberstaats» a n w a l t: Dann beantrage ich, auch die Familie Meyer zu laden, was dem einen recht ist, ist dem andern billig. Die Sache muß klar gestellt werden und wenn wir noch vierzehn Tage ver- handeln sollen. Der Gerichtshof giebt den gestellten Anträgen statt. Danach wird die Verhandlung auf Dienstagvormittag 0 Uhr vertagt. In der Sitzung am Dienstag erklärte der Vorsitzende, daß der Gerichtshof beschlossen habe, die auf Antrag der Verteidigung geladenen Entlastungszeugen am Freitag und Sonnabend zu vernehmen. Der Verteidiger Rechtsanwalt Dr. Vogel beantragt, sämtliche Zeugen des Prozesses I s r a e l S k i zu laden. Jsraelski fei wohl freigesprochen. Nachdeni aber die Zeugin Stübing bekundet hat, sie habe am Tage der Auffindung des Arms auf dem evangelischen Kirchhofe I s ra e l s k i in verdächtiger Weise mit einem Sack gesehen, erhält die Sache doch eine ganz andre Wendung. Insbesondere wird Botenmeister Fiedler bekunden, daß er seine Wahrnehmungen nach der Gericktsuhr gemacht Hot. Erster Staats­anwalt: Ich halte den Antrag für überflüssig, nachdem Jsraelski freigesprochen worden ist. Es_ kann höchstens das Urteil verlesen werden. Der Gerichtshof beschließt nach dem Antrage des Ver» teidigerS. Moritz Lewy aus der UnterstichungShaft als Zeuge vorgeführt. Er wird uneidlich vernommen und vom Präsidenten eingehend verwarnt. Der Präsident macht ihn ferner darauf aufmerksam, daß er seine Aussage verweigern könne, wenn er befürchte, sich dadurch strafrechtlicher Verfolgung aus- zusetzen. Moritz Lewy bekundet: Am 11. März bin ich morgens um 7 Uhr aufgestanden. Dann habe ich Gelder ein- kassiert und darauf zu Mittag gegessen. Nackmittags bin ich nach Dunkershagen gefahren, um ein Kalb zu kaufen. In dieser An- gelegcicheit war ich zuerst bei Frau O s s o w s k i und dann bei Me d ochs. Ich war vor 4 Uhr in Dunkershagen und habe mick dort lange aufgehalten. Ich ging hierauf bestimmt mit Kraus nach .Wilhelminenhöhe". Gegen 7 Uhr kam ich nach Hause, wo ich nur meine Eltern antraf. Ich hatte einer jungen Dame ver- sprachen, mit ihr spazieren gehen zu wollen. Ich ent- fchuldigte mich aber damit, daß' ich meinen Bruder erwarten müsse. Um TV« Uhr kam mein Bruder Hugo nach Hause. Dann Habe ich mit meinen Eltern und dem Bruder zusammen Abendbrot desvmmls" gegessen. Präs.: Haben Ihre Mern erzählt, daß sie Besuch gehabt hätten? Z e u g e: Nein. Nach dem Abendbrot ging ich kurz nach 8 Uhr zu Frl. F r e y t a g. Da es zum Spazierengehen zu spät war, blieb ich bis 19 Uhr bei ihr und kam kurz nach 19 Uhr zu Hause an. Nachdem ich das Pferd gefüttert, habe ich mich schlasen gelegt. Präsident: Haben Sie die Hinterthiir zugemacht? Zeuge: Ich pflege des Abends immer nachzusehen, ob die Hinterthür ge- schlössen ist. Ob ich das auch am 11. März gemacht habe, weiß ich nicht. Präs.: Hing Fleisch an jenem Abend im Hofe? Zeuge: DaS bezweifle ich. Präs.: Waren Sie an dem Abend im Keller? Zeuge: Nein. Es ist aber möglich, daß ich nach- gesehen habe, od der Keller verschlossen war. Präs.: Sie waren aber nicht im Keller? Zeuge: Ich glaube nicht. Präs.: Wie können Sie sich so bestimmt auf den 11. März erinnern? Zeuge: Nachdem die Leichenteile gefunden worden waren, sagte mein Vater: Es ist auf alle Fälle gut. genau zu wissen, wo man am 11. März gewesen ist. Präsident: Wurde dainals schon gesagt, daß die Juden den Mord begangen hätten? Zeuge: Jawohl. Präs.: Es ist Ihnen bekannt, daß Ihnen beim Prozeß Speisinger eine Anzahl Zeugen gegenübergestellt wurden, die bekundeten, daß Sie mit Winter verkehrt haben. Ich frage Sie wtedernm, haben Sie Winter gekannt? Z e u g e Meines Wissens nicht. Präs.: Wie erklären Sie sich, daß so viele Leute aussagen, Sie mit Winter zusammen gesehen zu haben? Zeuge: Vor Verleumdungen kann man sich nicht schützen. Es ist niöglich, daß ich mit Winter gesprochen habe oder gegangen bin, aber ich wußte nicht, daß es Winter war. Sodann wird das Dienstmädchen Franziska Hoppe ver» nommen. Dieselbe bekundet, daß sie beim Fleischer H offmann gedient und Winter gekannt habe. Der Präsident zeigt der Zeugin eine Photographie und fragt sie: Ist das da auf der Photographie Winter? Zeugin: Nein.(Bewegung.) Präs.: Bauunternehmer Winter, treten Sie einmal vor. Ist das das Bild Ihres Sohnes? Winter: Jawohl. Erster Staatsanwalt: Ist das eine gute Photographie? Winter: Jawohl. Präs.: Nun, Zeugin Hoppe. Sie kennen Winter nicht wieder? Zeugin: Das ist er doch. Alsdann wird die 17jährige, jetzt in Berlin lebende Zeugin Rosa Siemanowski vernommen. Sie erklärt auf Befragen, daß sie jetzt als Stütze der Hausfrau engagiert sei, aber unter sittenpolizeilicher Kontrolle gestanden habe. Präs.: Sie haben Winter und Moritz Lewy gekannt? Zeugin: Ich war Verkäuferin bei D u p o n t, Ivo sich Wiuter seine Karten drucken ließ. Dort habe ich ihn kennen gelernt. Eines Abends sah ich Winter und Moritz Lewy vor dem Lewy scheu Hause stehen. Moritz Lewy sagte zu Winter: Bleiben Sie doch noch hier. Winter sagte: Ich muß erst meine Schularbeiten machen, dann komme ich ivieder. Präs.: Haben Sie das genau gehört? Zeugin: Ja. Präs.: Nun, Moritz, was sagen Sie dazu? Moritz Lewy: Das bestreite ich ganz entschieden. Wenn das geschehen wäre, müßte ich das doch wissen! Erster Staatsanwalt: Zeugin, ist Ihnen nicht von Juden Geld geboten worden? Zeugin Siemanowski: Jawohl. Präs.: Erzählen Sie uns den Vorgang'inal ausführlich. Zeugin: Als ich im April durch die Bahnhofstraße nach dem Bahnhofe ging, standen drei Juden dort, die an mich herantraten und sagten, sie würden mir Geld geben, ivenn ich aus- sagen würde, daß ich Moritz nickt mit Winter gesehen hätte. Präsident: Kannten Sie die 3 Juden? Zeugin: Nein. Präs.: Sie sind doch geborene Konitzerin? Zeugin: Es ivaren fremde Juden. Präs.: Diese kannten Sie? Zeugin: Ja. E r st e r S t a a t s a n w a l t: Ist Ihnen nicht ein zweites Mal von Juden Geld geboten worden? Zeugin: Im September im Laden von Friedländer durch den Bruder des Inhabers. Der Kommis Heinrich Friedländer sagte zu mir:Die Juden m ü s s e n B l u t h a b e n." Ich fragte ihn, ob auch Winter von den Juden geschlachtet worden sei. Friedländer sagte:Davon weiß ich nichts; aber die Juden müssen Blut haben!" Präsident: Ist das wahr, was Sie soeben ausgesagt haben? Z e u g in: Jawohl. Präs.: Es ist doch sehr' auffallend, daß ein Jude zu einem christlichen Mädchen sagt:Die Juden müssen Blut haben?" Zeugin: Das ist aber wahr. Präs.: Können Sie das vor dem Richterstuhle des allwissenden Gottes verantworten? Zeugin: Jawohl. Präs.: Zeugin Siemanowski, befürchteten Sie. daß die Juden es auch auf Ihr Blut abgesehen hätten? Zeugin: Ja- ivohl. Oberstaatsanwalt: Ich beantrage, Heinrich Friedländer sofort zu laden und die Aussage der Zeugin zu protokollieren, da der Herr Präsident selbst die Aussagen für un- glaubwürdig erklärt hat. Präs.: Ich frage Sie nochmals, Zeugin, ob Sic hier die Wahrheit gesagt haben? Fried» l ä n d e r wird Ihnen gegenüber gestellt werden. Zeugin; Ja, das ist wahr. Oberstaatsanwalt: Ist Ihnen nicht ein zweites Mal von Friedländer Geld ge- boten worden? Zeugin: Nein. Staatsanwalt: Dann beantrage ich, tofort den Kriminalinspektor Braun auS Berlin zu vernehmen, da die Zeugin bei diesem ausgesagt hat, Fried- länder habe ihr noch ein zweites Mal Geld angeboten, wenn sie nichts gegen die Juden aussage. Auf weiteres Befragen erflärt die Zeugin Rosa Siema- n o w s k i: Bei einer andren Angelegenheit hat mir Friedländer einmal 6 M. geschenkt. Verteidiger Rechtsanwalt Hunrath: Ich beantrage bei Erörterung dieser Angelegenheit den Ausschluß der Oeffeutlichkeit. Erster Staatsanwalt: Haben Sie nicht auch gesagt. Sie gingen nach Berlin , weil Sie von den Judenverfolgt" wurden? Zeugin: Ja. Präs.: In welcher Weise wurden Sie verfolgt? Haben Sie etwa einen Drohbrief erhalten? Zeugin: Nein, aber mir wurde erzählt, daß mich die Juden ver- folgen. Präs.: Wer sagte das, Inden oder Christen? Zeugin: Christen. ES wurde mir nach Berlin geschrieben, die Juden wollten mich fangen und in einen Keller sperren. Präs.: Wissen Sie genau, wann Sie die drei Juden auf der Bahn- Hofstraße getroffen haben? Zeugin: Ich glaube im September. Präs.: Vorhin sagten Sie im April? Zeugin(nach langem Zögern): Es war am 28. April. Präs.: Wie wissen Sie auf einmal, daß es am 28. April war? Zeugin: Ich erinnere mich jetzt. Präs.: Wodurch wußten Sie, daß Lewy den Verkehr mit Winter leugnete? Zeugin: Ein Polizeibeamter hat von Haus zu Haus gefragt, wo Winter wohl zuletzt gesehen worden sei. Und dabei habe ich das gehört. Präs.: Wann haben Sie Winter zuletzt gesehen? Zeugin: Am 11. März, nach­mittags 4 Uhr, in der Nähe des SckützciihauseS. Präs.: War er allein? Zeugin: Nein, er war mit einer jungen Dame, ich glaube mit Fräulein K l a w o n n, zusammen. P r'ä s.: Zeugin Siemanowski. wann sind Sie nach Berlin ge- gangen? Zeugin: Im September. Präs.: Haben Sie in Berlin bei Ihrer Vernehmung gesagt. daß Sie ans Könitz fort- gezogen seien, weil Sie von den Juden verfolgt würden? Zeugin: Ja. Präs.: Weshalb haben Sie das hier nicht gleich gesagt? Zeugin schweigt. Der Präsident läßt hierauf die protokollarische Aussage der Zeugin verlesen. Alsdann wird der Kriminal-Jnspektor Braun» Berlin als Zeuge aufgerufen. Derselbe erklärt: die Zeugin habe bei ihm ausgesagt: drei fremde Juden hätten ihr Geld angeboten, wenn sie nichts gegen Lewy aussage. Ferner habe der Kaufmann Friedländer sie aus die Straße bestellt und ihr Geld ver» Mtwch. 31. MM 1900. sprachen, wenn sie nichts gegen Lewy aussage. Die Zetigm habe ihm dann iveiter gesagt: Moritz Lewy habe den Arm Winters auf das Dach H o f f m a n n s geworfen. der dort vom Schornsteinfeger gefunden worden sei. ES müffe sich nun ja herausstellen, ob Lewy oder H o f f m a n n der Mörder sei. P r ä s.: Wann hat sie das gesagt? Kriminal­inspektor Braun: Vor einigen Wochen in Berlin. Präs.: Von wem will sie das gehört haben? Zeuge: Sie sagte, es sei ihr erzählt worden. Präs.: Nun, Zeugin Siemanowskt, Ste haben doch gesagt, daß Ihnen bei F r i e d l ä n d e r im Laden Geld versprochen worden sei? Zeugin: Jaivohl. P r ä s.: Dem KriminalinspektorB raun haben Sie abergesagt, Friedländ er habe Ihnen auf der Straße Geld versprochen. Was istnunrichtig? Zeugin: Auf der Straße hat er vom Jndenmord nicht gesprochen. Der Gerichtshof beschließt hierauf, den inzwischen herbeigeholten Kauf- mann Heinrich Friedländer zu vernehmen und während der Dauer seiner Vernehmung die Oeffeutlichkeit auszu» schließen, auch für die Jottritalisten. Nach einer Stunde wird die Oeffeutlichkeit wieder her» gestellt und der Präsident verkündet, daß um 3 Uhr wieder öffentlich verhandelt wird. Darauf tritt die Mittagspause bis 3 Uhr ein. Die NachmittagSsitzung brachte die Vernehmung von drei Gyinnasiasten, die mit Winter täglich umgegangen ivaren. Keiner von ihnen lveiß davon, daß Moritz Leivy mit dem Ermordeten verkehrt hat. Der Erste Staats- anwalt weist darauf hin, Winter habe seinen Mitschülern erzählt, daß er mit andren jungen Leuten und Mädchen verkehrt habe, aber niemals von Lewy gesprochen. Obersekundaner M i k u l s k i: Ich habe Moritz Lewy mit Winter zusammen in der Danzigerstraße spazieren gehen sehen und mich ge- wundert, daß Moritz mit einem Gymnasiasten spazieren ging. Präs.: Wir Richter erleben es ja täglich, daß Leute, aus Sorge, sich verdächtig zu machen, ganz gleichgültige Dinge bestreiten. Wollen Sie zugeben, Moritz Lewy, daß Sie deshalb den Verkehr mit Winter geleugnet haben? Moritz Lewy: Wenn das bei mir so wäre, würde ich das zugeben. Klempnergeselle Schlickt: Ich habe Moritz Lewy mit Winter spazieren gehen und sich unterhalten sehen. Auf Befragen des Präsidenten wiederholt Moritz Lewy: Es ist ja möglich, daß ich mit Winter zusammen- gegangen bin, zusammengestanden und gesprochen habe, aber meines Wissens habe ick ihn nicht gekanut. Bademeister N a j o r r a: Ich habe Moritz Letvh mehrfach mit Winter getroffen. Moritz Lewy: Das bestreite ich. Najorra hat mich, als er noch Polizei- sergeant war, fälschlich denunziert. Najorra: Ich habe Lewy wegen Straßenlärmens angezeigt. Eristallerdings freigesprochen worden. Mauerpolier L i p k e: Ich habe Wiuter nicht gekannt; aber als ich nachträglich dessen Photographie gesehen habe, erinnerte ich mich, daß ich diesen oftmals mit Moritz Lewy zusammen gesehen hatte. Der Zeuge erzählt dann mehrere Einzelheiten. P r ä s.: Das sind doch alles Dinge, die, wenn man über die Straße spazieren geht, sich nicht so merkt, zumal wenn man die junge» Leute nicht keimt? Zeuge: DaS ist mir aber genau erinnerlich. E r st e r Staatsanwalt: Dem Zeugen soll bekannt sein, daß unter der Synagoge sich ein geheimer Gang befinde, in dem Leichenteile lägen? Zeuge: Das hat mir Maurerpolier M o r a ch, der in der Synagoge gearbeitet hat, erzählt und eine Zeichnung gegeben, die ich dem Staatsanwalt eingereicht habe. Erster Staats­anwalt: Sie haben gesagt, daß Sie Winter am 11. März mit Fräulein C a s p a r y gesehen hätten? Zeuge: Das habe ich nicht gesagt. Er st er Staatsanwalt: Sie haben aber ge- sagt, daß Sie Fräulein Hoffmann mit Winter und Moritz Lewy gesehen hätten. Nachdem Fräulein Martha Hoff mann Ihnen vorgestellt wurde, haben Sie diese mit Bestimmtheit be- zeichnet, obwohl dieselbe seit Jahren nicht in Könitz war. Hierauf wird Bürgenneister Deditius- Könitz über die unter- irdischen Gänge in der Synagoge vernommen. Derselbe erklärt, daß von Maurermeister Böttcher und Maurerpolier Riedel die Sache für falsch erklärt worden sei. Der Zeuge L i p k e sei ein Renommist, der gern erzähle. Der hierauf als Zeuge vernommene KriminalkommiffariuS Wehn- Berlin bemerkt, ihm' habe L i p k e keine Anzeige gemacht, daß in der Synagoge unterirdische Gänge seien. Ein Maurer, der bei Fleischer Zieba'rth gearbeitet hatte, habe dies dem Kriminalschutzmann Beyer(Berlin ) erzählt und gesagt, er habe das von L i p k e er- fahren. Kriminalschntzmann Beyer II(Berlin ) bekundet: Es war ein Gerücht von unterirdischen Gängen in der Synagoge verbreitet. Die Untersuchung hat aber nichts derartiges zu Tage gefördert. Zeuge Maurerpolier M u r ach teilt mit: Ich habe im Badchause der Synagoge einmal gearbeitet und den Fußboden aufgerissen, weil der Schwamm da herrschte. Präs.: Haben Sie da unterirdische Gänge entdeckt? Zeuge: Nein, nur einen unterirdischen Brunnen. Präs.: Wissen Sie, was L i p k e erzählt? Er sagt, Sie hätten ihm eine Zeichnung gegeben? Zeuge: Nein, ich habe nur die Zeichnung von der Lage der kleinen Abflußröhren gemacht. Präs.: Wozu denn da«?'Z e u g e: Um zu wissen, wie ich dort arbeiten kann. Und als die Leichenteile im Mönchsee gefunden wurden und gesagt wurde, die Juden hätten den Mord begangen, wollte ich die Lage der Ausflußstellen feststellen. Ich habe L i p k e aber nicht ge- sagt, daß unter der Synagoge unterirdische Gänge seien. Präs.: L i p k e, wie kamen Sie zu dieser Aussage? Lipke: M urach hat nur gesagt, Leitungsröhre und jetzt sagt er anders. Bürgernteister Deditius: Ich habe selbst mit einer Reihe von Beamten und Fachleuten die Synagoge untersucht. Das durch Teppiche verhangene Allerheiligste, den Boden, das Badehaus auf das genaueste untersucht und ganz besonders nachgeforscht, ob unter- irdische Gänge vorhanden sind, wit haben aber nichts entdeckt. Die Untersuchung hat sehr lange gedauert, da behauptet ivurde, der Mord sei in der Synagoge geschehen. Wir haben dafür aber nicht den geringsten Anhalt gefunden. Heute nacht sollte nochmals Lokaltermin wegen des Lichtschimmers zc. stattfinden. Wegen des heftigen RegcnS ivurde derselbe aber abbestellt und die Verhandlung auf morgen, Mittwochvormittag, vertagt._ NonrmunAles. Auf der Tagesordnung für die am DonnerStagnachmittag 5 Uhr stattfindenden Sitzung der Stadtverordneten-Ver- sammlung stehen unter anderm folgende Gegenstände: Bericht- erstattung des Ausschusses für Rechnungssachen über 25 Rechnungen, über die Jahresabschlüsse für das Etatsjahr 1899, betreffend die städtischen Wasserwerke, die städtischen Markthallen, die Hauptkasse der städtischen Werke über die Kasscnverwaltung und den Gesamt-Jahrcs» abschluß dieser Kasse, die Verwaltung der städtischen Abladeplätze und den Verwaltnngsfonds ec. der Sparkasse, sowie über die Notatcn- beantwortung zum Jahresabschluß der Haupt-Stifwngskaffe für das Etatsjahr 1893.-/ Berichterstattung des Ausschusses zur Vorberatung der Vorlage, betr. die Errichtung der ö. städtischen Volks-Bade- A n st a I t im Stadtteil W e d d i n g. Vorlage, betr. den Anschluß eines Gebietsteils von Charlottenburg an die Kanalisaliou von Berlin und die Entlassung eines andren Gebietsteils aus dem Ver- trage vom 14./29. November 1885. Antrag von Mitgliedern der Versammlung, betr. die Wohnungsnot und die auf dem Gebiete des Wohnungswesens bestehenden Miß st än de. Vorlagen, betreffend die Verlegung des Friedrich-Werderschen G y m» n a s i u m S nach Moabit. den Jahresabschluß der Gaswerke für daS EtatSjahr 1899. den Umbau der Feuerwache in der Mauerstraße, die Gewährung von Ehrenpreisen ec. flir die bevor» stehende I. Brandenburgische Provinzial-Ausstelltmg für Geflügel» zucht, sowie für die von dem deutschen Tierschutzverein beabsichtigte