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Berlin , den 15. August 1900. Königliches Ministerium der auswärtigen Angelegenheiten. III 29 442 53690 Die neuesten anarchistischen Fredelthatcn haben dem Herrn Minister des Innern Veranlassung gegeben, die Regierung» Präsidenten an die genaueste Befolgung der zur Ueberwachung der anarchistischen Bewegung ergangenen Bestimmungen zu er- innern und sie insbesondere anzuweisen, den in Betracht kommenden Polizeibehörden ihres Bezirks die gewissenhafteste Beobachtung der bestehenden, vielfach noch nicht mit hinreichender Sorgfalt er- füllten Vorschriften auf das Nachdrücklichste einzuschärfen. Bei der Wichtigkeit, die dem Umstand beizumessen ist, daß die� beim Berliner Polizei-Präsidium ein gerichtete Sammelstelle möglichst schnell mit genauen Nachrichten versorgt wird, hat der Herr Minister des Innern es gleichzeitig als erwünscht bezeichnet, wenn auch die auf Grund der Vereinbarung vom Jahre 1898 bezeichneten autzerpreußischen Polizeistellen nochmals über ihre Obliegenheiten unterrichtet würden. Indem ich dieser Anregung folge, darf ich der dortigen Regierung die weitere Veranlassung mit dem Bemerken anheim stellen, daß ich ein gleichlautendes Schreiben an die übrigen BundeSregiemngen und den kaiserlichen Herrn Statthalter in Elsaß-Lothringen gerichtet habe. Der Königlich Preußische Minister der auswärtigen Angelegenheiten Daß der weimarische Minister HanS Lutze v. Wurmb nach(Jiw treffen diesen Schreibens, der Socialdemokratie um so energischer entgegen trat, ist min leicht begreiflich. Die WeihnachtSbescherung für den Grafen vlilow dünkt auch der«Köln . Vo IkSzeitung' selbst für ein so artiges Söhulein etwas reichlich. Sie sagt: .Der Reichskanzler Graf Bülow ist am Sonntagnachmittag mit Orden reich beladen von seiner Reise an die deutschen Höfe nach Berlin zurückgekehrt. Kurz nach seiner Reise erhielt er den Bestich des Kaiser «. Der Kaiser überreichte ihm bei dieser Ge- lcgenheit persönlich den Schwarzen Adlerorden. Erst Verleihung des Grafentitels, dann des Schwarzen Adlerordens was ivird schließlich als Belohnung übrig bleiben, wenn der Reichskanzler einmal etwas leistet, wofür er eine hohe Auszeichnung verdient?" Die Einberufung des preußischen Landtags zum 8. Januar dem Tage des Wiederbeginns der Reichstagsverhandlungen wird vomReichs-Anzeiger" veröffentlicht. Hunnentum im Bilde. Die.R h e i n.- W e st f. Zeitung" teilt mit: .Wie nnsre Kulturträger in China Menschenwürde zur Geltung bringen, lehrt auch recht anschaulich eine Photographie(Gruppenbild), das der in China stehende Sohn eines Gastwirts in einem unsrer Nachbarorte seinem Vater gesandt hat. Dasselbe gewährt folgenden «anmutigen" Anblick: In der Mitte ein Chinese auf den K n i e» n liegend, den Oberkörper mit den Händen stützend d i« n t a l S T i s ch I Um ihn herum sitzen deutsche.Rache"- Männer(darunter auch der Sohn deS Wirts), gemütlich Karten spielend, auf je einem zusammengekauerten Chi- nesen, die also den»Siegern' als Sitzmöbel dienen müssen I Daß die Krieger sich in solcher Situation noch photographieren laffen, ist zugleich ein Beweis ihres Uebcrmuts wie ein Maßstab für die Tiefe menschlicher Gesittung, auf der sie angelangt sind. Der heilige Michael und das BiSmarch-Denkmal. In Godesberg bei Bonn planen die Nationalliberalen die Errichtung eines Bismarck-Denkmals, was den dortigen Ultramontancn großen Verdruß bereitet. Diesem Verdruß gab in der Geineinderats- Sitzung ein zum Centcum gehörendes Mitglied folgendennaßen Ausdruck: .Ich gebe unserm verehrten Bürgermeister zu bedenken, daß wir Katholiken Godesbergs mit uusrem bewährten Schutzpatron da oben, unserm St. Michael, vollends zufrieden sind, daß dieser aber auch einen solchen Rivalen neben sich dort auf der Höhe nicht so ohne weiteres dulden würde. Und da nun St. Michael bekanntlich ein gar streitbarer Held ist, könnte man es gar leicht erleben, daß eines schönen Morgens der herrsch- gewaltige Bismarck zerschmettert unten in der Tiefe gefunden würde. Das wäre dann der zweite Sturz des Mannes von Blut und Eisen. Den blinden Anbetern desselben möchte ich da- her empfehlen, ihren Bismarck oben auf den Wachholder oder die Bictorshöhe hinzustellen. Dort im Hintergrunde würde auch unser St. Michael ihm gern ein bescheidene? Plätzchen gönne» und könnten dann seine Verehrer zu jeder Zeit ganz unbehelligt dorthin wallfahrten und ihrem Götzen opfern." Der Centrumsmann verriet nicht, wer den heiligen Michael spielen und das Bismarck-Denkmal hinunterstürzen will. Gin Rekrutenschinder. Vor dem Militärgericht der 1. Division Nr. LS in Dresden wurde dieser Tage gegen den Unteroffizier K. A. Groß von der 1. Compagnie des Leibgrenadier-Regimcnts Nr. 100 verhandelt, der beschuldigt war, zehn Rekruten ich empörender Weise mißhandelt zu haben. Der Mensch hat die Leute, die aus Furcht keine Meldung erstatteten, vier Wochen lang nur mit«Du" angeredet und täglich mit Ohrfeigen traktiert. Einzelne davon ließ er acht bis zehn Minuten Kniebeuge machen mit vor- ge st reckten Armen. Andre stieß er mit der Gewehr- mündung in den Unterleib, einem Mann warf er einen Patronenrahmen vor die Bnist, daß der Mann erkrankte, tvieder einen andren ließ er so lange am Querbaum hängen, bis der Mann kraftlos herunter fiel, Schläge mit der Faust unters Kinn und Fußtritte beim Exerzieren bildeten weitere Ausdrücke der Roheit diese« Unteroffiziers. Der rohe Patron wurde zu einer einjährigen Gefängnis st rafe verurteilt und außerdem degradiert. Gegen dieses Urteil legte er Berufung ein. Der Bursche scheint also noch gar nicht einzusehen, wie sehr er eine exemplarische Strafe verdient hat. Ostastatische Kultnrverbreitung. Ein russischer Offizier schreibt vom chinesischen Kriegsschauplatz: »Der Krieg mit den Chinesen ist etwa? höchst Sonderbare«. Sie sind gut bewaffnet, aber lieben nicht zu kämpfen, der Militär- stand ist bei ihnen etwa« Verächtliches. Indem sie bei den»Civili- fierten" Waffen kaufen, glauben sie damit vor den Anfällen der .Barbaren" geschützt zu sein. Wenn die Chinesen mit den ver- bündeten Truppen zusammentreffen, schießen sie ein wenig. werfen dann die Waffen fort und verschwinden) die friedlichen Einwohner verbergen sich im Gebüsch. Daher könne man in den Zeitungen lesen, daß die Verbündeten zehn Mann verloren und 1000 getötet haben(und das ist richtig): dabei wird aber selbstverständlich nicht erwähnt, daß nicht nirr erwachsene friedliche Einwohner, sondern auch Greise, Franen «nd Kinder getötet wurden. Dierivilisierien" Truppen(bei der Einnahme eine« Dorfs) rückten vorwärts und töteten die friedlichen Einwohner/ die nur darin schuldig waren. daß sie nicht rechtzeitig ent- fliehen konnten. Ihr könnt«uch nicht vorstellen, was f ü r eine Empörung diese sogenannten eivilisierten Nationen: Deutsche . Engländer u. a.(gemeint sind wohl auch Russen, die aber nicht erwähnt sein dürfen) hervorrufen. Sie fangen friedliche Chinesen und zwingen sie, ihre Lasten zu tragen; und was für Lasten werden ihnen aufgebürdet, und w i e werden sie geschlagen und wie viele werden getötet, weil sie angeblich lässig arbeiten! Man sieht vor sich ein Bild au« der alten Vergangenheit, aus der Zeit der Sklaven- Halter und Negcrhändler. Man sieht Züge von halbnackten Chinesen, von ihren Lasten zusammengebogen, vom Schweiße über- gosien: 2 3 Deutsche oder Franzosen begleiten sie; auf dem Wege steht man auf jedem Schritt und Tritt chinesische Leichen: daS find meistenteils getötete Trüger."... Thron» der MajestätSbeleidignng». Prozesse. Bor der Essener Strafkammer hatte sich am Sonnabend wegen Majestätsbeleidigung der 18jährige Bergmann Thissen au« Gelsenkirchen zu verantworten. AI « Untersuchungsgefangener hat der Angeklagte gelegentlich einer Unterhaltung über den chinesischen Krieg eine Aeußming ausgestoßen, die von einem der Zuhörer, der sich dadurch wahrscheinlich in günstige« Licht setzen wollte, als MajcstätSbeleidigung denunziert wurde. Da« Urteil lautete' auf vier Wochen Gefängnis. Während der Verhandlung waren noch zwei Gefangene im Gerichtssaal, die kurz vorher abgeurteilt waren. Diesen nöttgte die inkriminierte Aeutzerung, als dieselbe verlesen wurde, ein Lächeln ab. weshalb sie wegen Ungebühr zu je drei Tagen Haft verurteilt wurden. Weihnachten deS PrehslinderS. Der.MajestätSbeleidiger" Genofle Levy au« Erfurt , welcher mit Hilfe des äolus eventualis wegen Abdruck eines Witzes au? dem.Süddeutschen Postillon" zu 1 Jahr Gefängnis verurteilt worden ist, ist am letzten Sonnabend früh gegen 7Vz Uhr in B erlin in der Wohnung seiner Angehörigen aus dem Bette heraus verhaftet worden. Genosse Levy befand sich seit etwa 3 Wochen in Berlin , da er eine« schweren Ohrenleidens wegen täglich die Hilfe ejneS hiesigen Specialarztes in Anspruch nehmen mußte. Die Verhaftung erfolgte durch die hiesige Polizei ans Grund eine? Haftbefehls der Erfurter Staatsanwalt- schaft«wegen Fluchtverdachts". Welche Gründe die Erfurter Behörde zu dieser Weihnachtsüberraschung bewogen habe», ist uns vollständig unerklärlich, da Genosse Levy gegen eine KcuUion von 10 000 M, auf freien Fuß gesetzt worden ist und seinerseits keinerlei Veranlassung zu dem Verdacht der Absicht, sich seiner Strafe durch die Flucht zu entziehen, gegeben hat Eine Aufforderung zum Strafantritt hatte L, »och nicht erhalten, dagegen ist ihm erst am 18, d. M. die schriftliche Ausfertigung der Verwerfung semer Revision durch das ReichSgerichr zugegangen, so daß er mit Recht noch ans eine längere Frist bis zum Antritt der Haft rechnen konnte. Seinen Fortzug'aus Erfurt hat L. rechtzeitig bei der Polizei gemeldet. Bedeutet schon diese Art der plötzlichen unvorbereiteien Verhaftung für den Betroffenen eine schwere Härte. so gewinnt das Vorgehen gegen Genossen L. einen noch schlimmeren Charakter durch die Art und Weise, wie man hier gegen denselben verfahren ist. Der Schutz mann fand L. mit verbimdenenl Kopf schwer krank im Bette vor: es wurde ihm erklärt, daß L. seit seinem Besuch beim Arzt am vorhergehenden Tage bettlägerig sei. Der Schutzmann er- widerte darauf, daß er seinen Änftra'g ausführen müsse; L. möge wenigstens bis zum Polizeirevier mitkommen, dort könnte dann das Weitere veranlaßt werden. Er fügte hinzu, daß der Herr Lieutenant, wenn sich die Sache so verhielte, schon das Nötige anordnen werde. Um Weiterungen zu vermeiden, entschloß sich Genosse L.. bi« zum nahe» Revier 66 in der Frankfurter Allee mirzngehen. Dort wurde er nach'/»stündigem Warten vor den Lieutenant geführt und stellte diesem die Sachlage vor. Nachdem L. sein Anliegen vorgebracht und noch besonder« darauf hingewiesen hatte, daß sein Arzt, den er namhaft machte, die Gefährlichkeit seines ZustandS bestätigen würde, wurde er, ohne daß der Beamte eine bestimmte Antwort gab, in« Wachtlokal ab- gefübrt. Er fragte einen Schutzmann, was denn nun weiter Iverden solle, und erhielt zur Antwort, er werde nach dem Polizei- Präsidium am Alcxanderplatz gebracht. Die weitere Frage, ob er dort nochmals vernommen werde, wurde bejaht. Daraufbin gab sich L. vorläufig zufrieden in der Erwartung,«m Polizeipräsidium vor einer höheren Instanz seine Sache vertreten zu können. Er wurde nun durchsucht, nmßte Mantel. Schlips, Hosenträger usw. ablegen und wurde darauf trotz Proteste« in eine kalte, kleine Zelle gesperrt, die Luft und Licht nur durch eine etwa zweihändebreite quadratische Oeffumig in der Thür erhielt. In diesem Loche mußte L. bis zur Mittagsstunde bleiben! Da er glaubte, daß mit der Vorführung' nach dem Polizeipräsidium die Angelegenheit einem befriedigenden Ende entgegen gehen würde, harrte L, trotz heftiger Schmerzen aus, bis er endlich im grünen Wagen zugleich mit allerlei andern Personen weitertransportiert wurde. Aber auch auf dem Polizeipräsidium wurden seine Erwartungen jäh enttäuscht! Ohne von irgend jemand vernommen zu werden, wurde er am Alexanderplatz weiter.verladen' und im überfüllten Wagen nach dem Gerichtsgefängnis Moabit gebracht. Hier war 'eines Aufenthalts etwa 1 Stunde, dann erschien abennals ein Transporteur und wollte ihn wiederum weiterschleppen. L. ftagte. wo er denn noch hingebracht werden sollte, und als er hörte. .nach Plötzensee", erklärte er, daß er verlange, erst zum Arzt gebracht und von diesem untersucht zu werden. Aber es half nicht«, seiner Forderung wurde nicht statt- gegeben und er mußte sich auch noch diesem Transporte unterziehen. Endlich, gegen 4 Uhr nachmittag», wurde er in Plötzensee zur Auf- nähme der Personalien vorgeführt und verlangte nun mit Erfolg. noch an demselben Abend zum Arzt gebracht zu werden. Zu essen hatte er während de« ganzen Tag« bi« in die Abendstunde nicht« erhalten. Am Sonntagmittag wurde Genosse L., nachdem seine Angehörigen. die nur mit großer Mühe seinen Aufenthalt erfahren konnten, ein ausführliches Attest des ihn vor seinerBerhaftung behandelndenSpecial- arztes beigebracht hatten, von dem vorstehenden Anstaltsarzt genauer untersucht. Am Montag verfügte darauf der Erste Staatsanwalt seine vorläufige Entlassung, da der Specialarzt die tägliche Behandlung deS erlrankten OhrS für unbedingt notwendig erNärt hatte. In der ersten Konsultation nach der Freilassung konstatierte der Arzt auf Grund de« am Tage vor der Verhaftung aufgenommenen KrankbeitSbeftinde« eine ganz wesentliche Ber- schlcchternng deS Allgemeinbefindens; wie weit dieselbe auf das Leiden selbst eingewirkt hat. läßt sich erst nach weiterer Beobachtung feststellen. Genosse L. wird wegen de» verfahren« bei seiner Verhaftung Beschwerde beim Polizeipräsidium erheben. Die Polizeibehörde hat wahrlich allen Anlaß, Sorge zu tragen, daß die Vertreter der Presse. auch wenn sie in der Verfechtung politischer Gesinnungen Strafe er- leiden, eine angemessene menschliche Behandlung erfahren. DaS liegt in erster Linie im Interesse der Polizei selbst, welche Anspruch auf die Achtung der öffentlichen Meinung erhebt. Ausland. Oestreich-Ungarn . Eine« sonderbare« Erlaß deS Reich S-KriegSministerlnmS veröffentlicht unser Wiener Bruderorgan. Der Erlaß giebt den Militärbehörden Anweisungen über die Behandlung socialisttscher und anarchistischer Soldaten. DaS Ministerium ordnet an, daß.bei jedem sich ergebenden An- laß mit Vermeidung von Erklärungen über das Wesen des SocialiSmu« und AnarchiSmu« die Mannschaft über die Anzeigepflicht aller unter Bedenken erregenden Umständen ihr von außen zukommenden Druckschriften zu belehren ist". Durch Offiziere sind unange sagte Durchsuchungen des Gepäcks der Mannschaft vorzunehmen und insbesondere bei solchen Personen öfters zu wiederholen, die von den p o l i t i- scheu Behörden den militärischen Befehlshabern als eifrige Anhänger der soeialistischen oder anarchistii'chen Partei bezeichnet worden find. Den östmchischen Rekruten widmen also die östreichischen Be- Hörden dieselbe Aufmerksamkeit wie die unsrigen. Darin steht aller- dingS Oestreich Deutschland nach, daß e« nicht auch den Offizieren die'w iss en sch aft li ch e Vernichtung de« Soeialismiis überträgt, der bei uns Lieutenants und Offiziere so erfolgreich obliegen. Frankreich . der Allianz drohende ber.Rowoje Wremja", Paris aus lanciert Obwohl die«St. W." ohne Paris , 26. Dezember.(Eig. Ber.) Die nationalistisch- reaktionäre Opposition greift in ihrer Verzweiflung zur Hilfe der ru ssis ch e n Allian z als eine« Kampfmittel« gegen da« Ministerium. Die.desorganisatorische" Thäti gleit des Kriegsministers Andrö(lieS: seine Versuche, die Armee zu demokrati- sieren, sie der Herrschaft des klerikalen Klüngels zu entreißen) soll die Allianz höchlich gefährden. Beweis: ein Artikel der offiziösen Petersburger»Nowoje Wremja", der aufs Haar den Hetzartikeln der nationalistischen Presse gegen General Andrö ähnlich sieht. Las gegenwärtige Ministerium, so heißt eS darin. sei im Begriff, die französische Armee und ihre eventuelle Aktton vollständig' umzuändern. General Andre sei eigentlich ein .Anti Militarist" im Kriegsministerium.... Die DiSciplin, diese Lebensbedingung jeder Armee, werde offiziell untergraben.... Von min an scheine das französische Heer einepolitische Armee" zu werden,«schwach gegen die äußeren Feinde, tyrannisch und vexatorisch zugleich nach innen...." Dieser verlogene Artikel, der den Kampf des Generals Andre gegen die nattönalistisch-prätorianischen Umtriebe innerhalb der Armee für eine Untergrabung der DiSciplin ausgiebt, macht die Runde durch die nationalistische Presse, die daran natürlich hoch- patriotische Betrachtungen über die Gefahr knüpft. Daß der Arttkel wie es bestimmt verlautet, von worden ist, macht die Sache nicht besser. .vorbeugende" Censur erscbemt, ist e« klar, daß das offiziöse Blatt den skandalösen Artikel nicht veröffentlicht hätte, wenn es nicht der Zustimmung der»maßgebenden" Kreise sicher wäre. Diejenigen ministerfreundlichen Blätter, die die politische Bedeutung de« Artikels durch den Hinweis auf dessen Pariser Ursprung abzuschwächen suche», treiben Bogelstraußpolitik. Es handelt sich um einen neuen Ver- such der zarischen Regierung, sich in die innere Politik der Basallen- Republik einzumischen, wie sie e« namentlich 1896 in den letzten Wochen de» radikalen Ministeriums Lson Bourgeois gethan hat. DaS traungste ist, daß sie e« ungestraft thnn kann, da sie immer der Zustimmung der realtionären Parteien Frankreichs , ja, deren jubelnder Mitwirkung sicher ist. Von Rochefort bis Meline giebt es in der reaktionären Presse nur eine Stimme, daß die Zaren- regierung durchaus berechtigt sei, kraft des Allianzvcrirags in die innere Politik Frankreichs hmeinzureden. sobald natürlich Rochefort, Meline und Konsorten herausfinden, daß die Landesregierung die .Armee", die Grundlage der Allianz, gefährde... Von erquickender Deutlichkeit ist hingegen die Zurückweisung. die der Artikel der«Nowoje Wremja" in der.Petit« RSpublique" und der.Aurore" gesunden hat. Genosse Görault-Richard schreibt: .Würde Rußland diese famose Allianz zerreißen, so hätte es zuerst darunter zu leide». Bisher hat Nußland davon alle Vorteile gehabt, Vorteile, die sich auf eine erkleckliche Zahl von Millionen beziffern. Bis Rußland sein Blut für mis vergießt, läßt eS unsren Geldbeutel zur Ader. Die Möglichkeit eines Bruchs mit diesem allzu teuren Freund ist mithin nicht geeignet, unL zu er- schrecken. Im Gegenteil..." Und Urbain Gohier schreibt m der .Aurore":.Nachdem diese Aufraffer auS unsren Koffern die zur Vervollständigung ihre» industriellen und militärischen Mechanismus nötigen Milliarden gepumpst haben, wollen sie ander- wärt» ihre Arbeit fortsetzen.. Dann verweist tx auf die russischen Prohibitivzölle auch gegen die französisch« Wareneinfuhr, auf die Liebedienerei der französischen Diplomatie gegenüber Rußland in China unter venachteiltgung der ftcmzöstschcn Jntereffen. Wenn Rußland jetzt die Allianz kündigte,.desto besser'; Rußland , der Henker Polens und Finnland «, da« Land der Knute und de« Galgens. hat nichts gemein mit dem Volke. das wir sein wollen. Es gilt, unsre Truppen jeder Berührung mit den Schlächtern von BlagowestschenSk zu entziehen. Man darf dem korrumpierten Petersburger Klüngel nicht gestatten, in unsre Angelegenheiten hinein- zureden" u. s. f. im gleichen derben, rücksichtslosen Ton. Afrika . Der Krieg in der Kapkolonie scheint sich immer weiter auszudehnen. Die englische vchanpftmg, daß die Boercn bei den kapholländern wenig Unterstützung fänden, findet in den heute vorliegenden Meldungen ihre direfte Wider- legnng. Haben sich doch»ach der»Morning Post" allein im Distrikt von Philippstown 1500 Holländer den Boeren ongeschlosien. Da die!im Kapgebiet befindlichen Boeren, deren Zahl man auf 6000 schätzt, den ganzen Norden der Kapkoloni« in einer Aus­dehnung von mindestens 800 Kilometer vom Westen zum Osten durchstreifen, dürften sich nicht nur im Distrift Philippstown die holländischen Bewohner den Boeren angeschlossen �aben. Di« ein­zelnen Boerenkommando« bedrohen BritStown, Philippstown, Steyn»- bürg und Burghersdorp und haben in all diesen Distrikten den engli­schen Truppen Gefechte geliefert, bei denen die Engländer verschtedent- lich Schlappen erlitten haben. So bei BritStown. wo«ine Schwadron Aeomanry, die eine sich zurückziehend« Lorr«n- Abteilung allzu hitzig verfolgte, aufgerieben wurde, so bei BnrgherSdorp, wo eine au« Husaren und Kolonialtruppen bestehende englische Abteilung, die ein 300 Mann starke« Boeren- kommando angegriffen hatte, zurückgeschlagen wurde. Ferner verlor am Montag das neunte L mcier-Regiment in einem Gefecht am Plaisterbeuvel acht Mann, darunter einen Lieutenant, den Sohn des Marquis Duffenn. Dagegen wurde ein Boerenangriff auf Steyn« bürg zurück- geschlagen� worauf die Angreifer sich in die Zuurberge zurückzogen. ivo sie sich verschanzten. Ein englische« Telegramm behauptet, die« Boerenkommando sei umzingelt und habe keine Hoffnung, fich durch- zuschlagen. Ein andre« Telegramm meldet, daß Oberst Grenfell«in 700 Mann starke« Boerenkommando verfolg« und bereit» Fühlung mit dem Feind erlangt habe, der sich jedochweigere, fich zu stellen". Die Boeren pflegen allerdings nur dann einen Kampf an« zunehmen, wenn sie den Augenblick für günstig halten. Lord Kitsch ener soll sich nach Do Aar(zwischen Brittown und Philipptown) begeben wollen, �um von dort au« die militänsche Aktton selbst zu leiten. Er soll einstweilen mtt möglichster Beschleunigung starke Truppenabteilungen zusammenziehe. Der regelmäßige Bahnverkehr zwischen Kapstadt und Do Aar ist wieder aufgenommen worden. Daß die noch in der Nähe befindlichen Boeren e« ruhig mit ansehen werden, daß Kitschener auf diesem Schienenwege Truppen zusammenzieht, ist allerdings kaum an- zunehmen. Nicht gerade sehr zuversichtlich klingt auch folgende« Telegramm au« Pretoria : .General Knox ist in ein Gefecht mtt De W e t« Truppen verwickelt, welche eine Stellung in der Nähe vom Leeuwkoop innehaben. De Wet hofft durchzubrechen und wieder nach Süden gehen zu können. Di« östliche Boerenabteilung in der Kapkoloni« wird an- scheinend am Reitpoort-Spruit von den englischen Truppen im Schach gehalten. Die westliche Abteilung ist, wie gemeldet wird, in zwei Teilen nach Norden gegangen, der«ine m der Richtung auf PrieSka, der andre durch Strydenburg. Die engliiwen Truppen folgen denselben." Wenn man auf englischer Seite De Wet die Hoffmmg zuschreibt. wieder nach Süden durchzubrechen, so muß DeWet wohl alle Aussicht baben, dielen erneuten Durchbruch durch die englischen Linien bewerkstelligen zu könne». Gelingt es ihm wirklich, wieder nach Süden zu marschieren und sich mit den im Kapland operierenden Boerenabteilungen zu vereinigen, so hatte er damit seine Aufgabe glänzend gelöst. Denn vermutlich diente der erste DurchbruchS- versuch nur dem Zweck, die englischen Tnippen an seine Ferse zu heften, um den andren Boerenabteilmigen die Möglichkeit zu geben, umso unbehinderter über den Oranjefluß in die Kapkolonie einzu-