gebracht werden konnte, bei Leibesstrafe verboten. Die Reichenkonnten, da sie eine größere Quantität zu kaufen im stände waren,.einen Brennschein lösen und sich also eine bessere Sorte verschaffen;die Annen dagegen, welche ihren Bedarf nur in kleineu Quantitätenkauften, waren genötigt, die überaus schlechte und teure königlicheWare zu nehmen. Dabei wurde, um jede Umgehung der harten Vor«schriften zu verhindern, ein förmliches Spioniershstem eingerichtet. Esmußten nämlich die Accise-Beamten sowie eine Anzahl Invaliden... beiTag und Nacht in den Straßen umhergehen, um durch den Geruchauszuspüren, ob irgendwo Kaffee ohne vorherige Lösung eines Brenn-scheins gebrannt oder gebrannter Kaffee verkaust werde. Diese undähnliche Maßregeln lassen sich bei Friedrich II. nur daraus er-klären, daß er wie Voltaire daö gemeine Volk verachtete, undwie Bonaparte die Nbgöttcrci, die dasselbe mit ihm trieb, zuseinen Zwecken mißbrauchte. Sie waren in einer Zeit möglich, inwelcher nicht nur das Volk seinem Regenten noch unbedingt ergebenwar, sondern auch die servile Gesinunng der Leute, welche überRegiernngsmaßregeln schrieben, dem Herrscher eine über de»Verstand aller Ünterthanru hinausreichende Erleuchtung,oder, wie einer von Friedrichs Lobrednern sich ausdrückt, die Füllealler Erkenntnis des ganzen Lands zuerkannte."(XVI, 423.)Friedrich Wilhelm II.„König Friedrich Wilhelm II. war wieLudwig XV. schon in seinen jungen Jahren durch Erziehung und Ver-führung sittlich verdorben, und sank sogar noch früher als dieser,tief herab. Er war wie Ludwig eine durchaus sinnliche Naturs undhatte mit diesem schlechtesten aller französischen Könige auch nochzwei andre Charakterzüge gemein. Er suchte nämlich bei seinenfleischlichen Sünden im blinden Glauben und in dersogenannten Kirchlichkeit Beruhigung und Trost,und geriet ganz in die Gewalt seiner Maitressen undihrer Verwandten. Das erstere ward von den Frömmlern... benutzt, um den Radikalismus in der Theologie aus-zurotten und die alte Kirckenlehre mit Gewalt aufrecht zu er«halten.... Was Friedrich Wilhelms Maitressen bettifst, so...genügt die Bemerkung, daß die Frau des Kämmerers Rietz alsGräfin Lichtenau in Berlin die Rolle der Pompadour spielte, daßder preußische Hofadel in gleichem Grade, wie der französische, mitstolzer Verachtung gegen alles Bürgerliche erfüllt war. und daß dmfür 17S2 und 1806 das preußische Volk im Kampfe mit den Franzosenschwer büßen mußte."(XVIl, 50 f.)*#«Friedrich Wilhelm III..Der neue König war sittlichrein, allem Prunke abgeneigt und gleich einem guten Hansvaterauf Zucht und Ordnung bedacht; er war aber dabei auch ä n g st l i chund bedachtsam, vermied jeden entscheidenden Schritt, und strebte inden erschütternden Kämpfen einer tiefbewegten Zeit seinen Staatneutral zu erhalten. Er selb st war wie seine Umgebung, nittelmäßig, scheute jedes überlegene Talent,und ließ sich von Männern leiten, die seinerunwürdig tv a r e»."(XVII, 445 f.)„König Friedrich Wilhelm mußte sich... dazu hergeben, einDiener der französischen Polizei zu werden. FriedrichWilhelm sah sich nämlich genötigt, nicht nur das Gebot geheimerVerbindungen wieder einzuschärfen, sondern auch seinen Offizierendas Besprechen politischer Gegenstände zu verbieten."(XVIII, 181.)Meinungen des„alten Fritz".Ueber Religion, fttrche usw..Worauf denn der Kronprinz hochund teuer versicherte, daß er nunmehr ganzsSeiner Majestät<d. h. de»Vater» Friedrich» des Großen) christlichen und orthodoxen Meinungbeistimme."(Protokoll über die Zusammenkunft des Königs FriedrichWilhelm II. mit dem Kronprinzen Friedrich am 15. August 1781.)*„Nie hat ein edler Mann gefragt, ob andre Weltendie Tugend, der er folgt, vergelten,ob sie dem Laster, daß er fliehet, dröhn....... Er weiß, er wird unsterblich seinmit Wirkungen, die sich an seine Thaten reih'n.Dies ist die e i n z i g e und wahreU n st e r b l i ch k e i t, die nie der Tod zerstört.Was man von einer andern hört,Kommt hier auf Erden nie inS Klare.Zu unserm Glück genügt, was die Moral uns lehrt."(Aus einer Epistel an den Feldmarschall Keith 1760.)„Nur der hochmütige Parteigeist und das persönliche Interesse,IvelcheS sich gern unter dem Namen der SacheGottes verbirgt, bewaffnet die Hände der Verfolger mit demSchwerte, welches sie von dem Altar nehmen. Deshalb bin ichmißtrauisch gegen den Feuereifer der Frommen und möchteihnen genr sagen:„Du ärgerst Dich, und beschimpfst DeinenNächsten; also hast Du Unrecht." Und doch werden wir, gnädigeFrau, die Leute nicht bessern; die Menschen bleiben, wie sie immergewesen sind. Der Wiener Hof wird stets ehrgeizig, die In-quisitjon verfolgungssüchtig, Seine allerchrist«lichste Mose st St ein Weiberknecht, die deutscbenBischöfe Trunkenbolde ünd ich Ihr eifrigster Anbeter sein.(Aus einem Brief an die Herzogin von Sachsen-Gotha vom 18. Mai1764.)*„Nach mancherlei die Philosophie betreffenden Materien kam dieUnterredung auch auf die Religion. Als Seine Majestät unteranderm sagten: daß man in dem Unlinn so iveit gegangen,sich einen Gott zu denken, der einen zfveiten schuf, und daß diesebeiden dann einen dritten hervorbrachten, nahni ich mir die Freiheitzu sagen: daß gegenwärtig die vornehnistcn Theologen, besonderseinige der angesehensten Geistliche» in Berlin, dergleichen nicht mehrvorbringen, daß überhaupt die christliche Lehre, so wie sie jetzt von de»im größten Rufe stehenden Predigern in Berlin vorgetragen werde,eine ganz andre Gestalt habe, als sie zu den Zeiten, da Se. Majestätin der Religion unterrichtet worden, gehabt zc. Unter andrem sagteich auch, daß der Probst Spalding ein eignes, mit großem Beifallausgenommenes Werk geschrieben habe, Ivorin er de» Geistlichen diestolze Vorstellung, daß sie unmittelbar einen göttlichen Beruf alsPriester Gott«» hätten, zu benehmen suche und ihnen vorstelle,- daßihr Beruf, als bloß politisch betrachtet, demzufolge sie das Volk überalle Pflichten unterrichten und zu Befolgung derselben vermahnensollten, edel genug sei usw. Worauf der König sagte:„Das istsehr gut, und ich bin der erste, das zu achten." Seine Majestätsetzten hinzu: Die Einbildung der G e i st l i ch e nvon einem unmittelbaren göttlichen Beruf seieben so ungereimt, als das Vorgehen, womitman den Souveränen schnieichelte, daß sie dasEbenbild Gottes auf Erden wären."(Aus einer Unter-redung des Professors Sulzer mit dem König 1777.)«„Was die Vorstellung anlangt, die sich der Mensch von derGottheit macht, so ist sie grundfalsch und alles, was darüber gesagtzu werden pflegt, ist voll von Widersprüchen. Bald ist die Naturdas, was man Gott nennt, und bald Gott das, was man die Naturnennt.— Der Mensch kann nur eben so wie die Tiere und Pflanzenein Naturprodukt sein."(Aeußerung au« dem Jahre 1785.)„Die Menschen haben sich ein sonderbares Phantonr von strengerTugend geschmiedet, und wollen, daß die P r i e st e r, die zur einenHälft» Betrüger sind und zur andern im Aber-glauben stecken, diesen Charakter annehmen sollen. Es ist ihnennicht erlaubt, offen die Weiber und den Wein zu lieben, wohl aberehrgeizig zu sein. Run zieht aber doch schon der bloße Ehrgeiz'Laster und schreckliche Unordnungen nach sich. Mir fällt der Affe derKönigin Cleopatra ein, den man sehr gut tanzen gelehrt hatte.Einnial kam jemand auf den Einfall, ihm Nüffe hinzuwerfen,sogleich vergaß der Affe seinen Anzug, den Tanz, sowie seine Rolle,und fiel über die Nüffe her. Ein Priester spielt, so lange sichsein Eigennutz damit verträgt, den tugendhaften Mann; aber beidengeringsten Gelegenheiten bricht die Natur aus ihren Fesseln hervor.und Laster und Bosheit, die von der äußeren Gestalt der Tugend ver-hüllt waren, erscheinen alsdann aufgedeckt. Es ist erstaunlich, daßdie Macht der Geistlichkeit auf einem so unsicheren Boden hat ge-gründet werden können."(Brief an Voltaire 1787.)»„Ich, der ich al» Ketzer und Philosoph keine Zuneigung zu denPriestern empfinde, würde von Herzen wünschen, daß ihnen der Mundgestopft und der Stolz und Hochmut gedemütigt würde, mit welchem siedie Herrschaft der Inquisition in Frankreich einführen wollen. Aberich spreche über diese Dinge nur wie der große Haufe: man mußhinter den Coulissen stehen, um zu begreifen, weshalb sie der Hofso sehr beschützen muß."(Brief an den Bevollmächtigten MinisterEarl Marishal in Paris, 22. Mai 53.)»„Ein Frömmling an der Spitze eines Staates...wird in einem Tage das ganze Gebäude umstürzen, das man kaumin zwanzig Jahren mit vieler Mühe aufgeführt hat."(AnVoltaire 1771.)„Alles, was Sie von unsren deutschen Bischöfen sagen, ist nurzu wahr; sie mästen sich mit dem Zehnten von Zion. Aber Sieiviffen auch, daß im heiligen römischen Reiche wegen des altenHerkommens, der goldenen Bulle und andrer Ungereimtheitendieser Art die eingeführten Mitzbräuche in Ehren gehalten werden;man sieht sie, zuckt die Achseln, und alles geht seinen Gang fort.Wenn man den Fanatismus vermindern will, so muß man sich nichtan die Bischöfe ivagen. Bringt man es aber dahin, die Mönche,besonders die Bettclorden, zu verringern, so wird das Volk lauwerden, und, da es dann weniger abergläubisch ist, denRegenten gestatten, sie, die Bischöfe, auf das herunter zu setzen, wasdem Wohle des Staats zuträglich ist. Das ist der einzige Gang, denman nehmen muß. Wenn i» a n das Gebäude des UnsinnSganz leise und ohne Geräusch untergräbt, so be-wirkt man, daß es notwendig von selb st einfällt.Der Papst ist in seiner Lage genötigt, Brevcs und Bullen zu er-lassen, wie seine lieben Söhne sie nur immer von ihm fordern.Seine Macht, die auf dem idealen Ansehen des Glaubens beruht,verliert in eben dem Verhältnisse, wie dieser sich vermindert. Wennnoch einige Minister, die über die gemeinen Vorurteile hinaus sind,an die Spitze der Nationen kommen, so wird der heilige VaterBankrott machen. Schon haben seine Wechsel und Anweisungen ihrenKredit zur Hälfte verloren. Ohne Zweifel wird die Nach-weit den Vorzug genießen, daß sie frei denkenkann.(An Voltaire 1775.)Ueber Monarchen.„Der Irrtum der meisten Fürsten bestehtin dem Glauben, Gott habe die Menge von Menschen, deren Wohl-fahrt ihnen anvertraut ist, bloß aus ganz besonderer Sorge für ihreGröße, ihr Glück und ihren Stolz geschaffen, und ihre Unterthanenseien nur zu Werkzeugen und Dienem ihrer zügellosen Leiden-schokten bestimmt.... Daher der unmäßige Hang nachfalschem Ruhm, daher die brennende Begierde, alle« an sichzu reißen, daher die Härte der Auflagen, ivomit das Volkbelastet ist, daher die Trägheit der Fürsten, ihr Stolz,ihre Ungerechtigkeit, ihre Unmenschlickikeit, ihre Tyrannei und alle dieLaster, welche die menschliche Natur herabwürdigen! Wollten sichdie Fürsten von diesen Irrtümern losmachen. wollten sie mit ihremNachdenken bis zu dem Zweck ihrer Einsetzung hinanffteigen, sowürden sie sehen, daß ihr Rang, auf den sie so eifersüchtig sind.und ihre Erhebung nur das Werk der Völker ist, daß dieTausende von Menschen, die ihnen unterworfen sind, sich keineswegszu Sklaven eines Einzelnen hingegeben haben, um ihn furchtbarerund mächtiger zu machen; dag sie sich keineswegs einem Bürgerunterworfen haben, um Märtyrer seiner Launen und ein Spiclballseiner Einfälle zu sein.... Mögen sie inne werden, daß der wahre Ruhm eines Fürstennicht in der Unterdrückung seiner Nachkam, nicht in der Vermehrungder Anzahl seiner Sklaven besteht, sondern m der Erfüllung derPflichten ihres Amts, und in der Beeiferung, den Absichten derer zuentsprechen, die sie mit ihrer Macht bekleidet haben und von denenihnen die höchste Gewalt übertragen ist. Solche Monarchen sollte»bedenken, daß die Ehrfurcht und eitle Ruhmbegierde Lasten sind, dieman an einem Privatmann mit Strenge ahndet, und die mau immeran einem Fürsten verabscheut."(Aus„Betrachtungen über den gegen-wärtigen politischen Zustand Europas" 1733.)MaiestätSbeletdiguuge».„Ich bin so glücklich, lieber Lord,vollständig gleichgültig gegen alle Acnßcrungen in Wort und Schriftüber meine Person zu lein.... Jeder im öffentlichen Leben stehendeMann muß der Kritik, der Satire, ja oft genug der Verleumdungals Zielscheibe dienen. Jeder, der einen Staat regiert hat» seieS al» Minister, als General oder alö König, hat Sticheleienzu ertragen gehabt; es wäre mir also sehr„nangenchm,wen» ich der einzige sein sollte, dem dir» Schicksal erspartbliebe."(Brief an den Minister Earl Marishal 1753.)»»*lieber die Ehe.„Ich will alles thun, was in meiner Machtsteht, und gelingt es mir nur, durch meine Folgsamkeit die Gnadedes König» zu erlangen, so werde ich es meinerseits an nichtsfehlen lasse».Nur eine Bedingung muß ich dem Herzog von Bevern stellen,daß nämlich das corpus äolicti(nämlich dl» von Friedrick Wilhelm I.seinem Sohn ausgesuchte Braut und zulünstige Gattin Friedrich II..Prinzessi» Elisabeth Christine von Braunschiueig- Bevern) bei ihrerGroßmutter erzogen wird. Lieber will ich Hahnrei oder dergehorsame Knecht meiner Zukünftigen werden, als eine Närrin heiraten,di» mich durch ihre Albernheiten ärgert, und die ich mich schämenmuß. andre Leute sehen zu lassen. Ich bitte Sie. sich in diesemSin»» zu bemühen, denn wenn man so wie ich die Romanheldinnenverabscheut, so fürchtet man die spröde Tugend: die schlechtesteBerliner H... wäre mir lieber als eineHeilige.der ein halbes Dutzend Frömmler an der Schürze hängen. Wenn esnur noch möglich ist. ihr etwas Bildung zu geben I Ich bezweiflees. In jedem Falle muß ich darauf bestehen, daß sie bei ihrerGroßinutter erzogen wird. Ich bin überzeugt, lieber Freund, daßSie, was Sie nur können, zur Erreichung diese« Zieles beitragenwerden."(Brief an den General v. Grunibkow, 11. Febr. 1732.)» s*.�ch hoffe, der König wird sich, bin ich einmal erst verheiratet,nicht m meine Angelegenheiten mischen; denn dann, fürchte ich.würde die Sache übel ablaufen, und di« Frau Prinzessin dürftedabei schlecht wegkommen: die Heirat macht mündig, und sobald ichmündig bin, bin ich Herr im Hause. Meine Frau hat nichts darinzu sagen: nur kein Weiberregiment in irgend etwas auf Erden IIch glaube, daß ein Mann, der sich von Weibern regierenläßt, der größte Cujon ist. den man sich denken kann undDeswegenlasseRotttifche Vebevstchk.Verlin, den 17. Januar.Reichstag.Seit Donnerstag voriger Woche wartet Graf Posadowskyauf die Bewilligung seines Gehalts, aber die social-politischen Gegensätze, die die Debatten über den Etat desReichsamts des Innern beherrschen, sind so zahlreich undtreten in diesem Jahre schon aus Anlaß der 12 000 Mark-Affaire so heftig auf, daß sich das Ende der Diskussion nochgar nicht absehen läßt.Herr v. Kardorfs hat den Vorsitz und die Mitglied-schaft in der Budgetkommission niedergelegt, um an Stelledes kranken Herrn v. Stumm, den wir im Hause vielleichtgar nicht mehr wiedersehen werden, die rednerische Führungseiner Partei zu übernehmen. Herrn Dr. Arendt allein kanndoch nicht alles überlassen bleiben. Der Gründerder Laura-Hütte hat sich offenbar die Specialität vor-behalten, in möglichst übertriebener und thörichtsterForm die Socialdemokratie anzugreifen. Der LeipzigerKonflikt, zu den: die Fraktion durch ihre Erklärungdoch so unzweideutig Stellung genommen hat, daßselbst Herr Oertel es anerkennen mußte, kommt ihm sehr ge-legen, um der Partei eins auszuwischen. Außerdem scheintder Stummsche Citatensammler in seine Dienste getreten zusein und ihn fleißig mit Material zu versorgen.Genosse Richard Fischer wandte sich sehr energisch gegenKardorffs Anrempeleien und erinnerte ihn, der uns Moralpredigen wollte, an die blutige Gründung der Laurahütteund sein Subsidialverhältnis zur Diskontobank. Kein Wunder,daß gerade Herr v. Kardorff die 12000 Mark- Affaire somilde beurteilt und in der voraussichtlichen Ablehnungunsres Antrags auf Einsetzung einer parlamentarischen Unter-suchungs- Kommission ein glänzendes Vertrauensvowmfür den Grafen Posadowsky erblickt. Diesem undder Affaire widmete unser Redner noch eine ergänzendeKritik, die wirkungsvolle neue Gesichtspunkte bot.Herrn v. Kardorff kam Herr Dr. O e r t e l zu Hilfe, demwieder Genosse R o s e n o w entgegnete. Auch Graf Posa-d o w s k y mischte sich ein und bescherte den Staatsrechts-lehrern die Entdeckung, daß das Deutsche Reich eine Gründungder Fürsten auf Kündigung sei. Ein Mann mit einer sokindlichen Auffassung geschichtlicher Notwendigkeiten ist bei unsMinister.Neben diesen Debatten lief die socialpolitische Diskussionweiter. Der konservative Abgeordnete v. S a l i s ch erinnerteden Staatssekretär an die vom Reichstag im vorigen Jahrgeforderte Versicherung der Seeleute gegen Un-glücksfälle beim Retten von Personen und Gütern aus See-gefahr. Graf Posadowsky will die Sache im Auge behalten.Der freisinnige Abgeordnete Zwick trat in einer sehrmatten Rede für erhöhten Schutz industriell-thätiger Kinderund Frauen ein. R o s e n o w endlich forderte, daß dieKommisston für Arbeiterstatistik mit der Untersuchung derVerhältnisse der Arbeiter im Verkehrsgewerbe undder Bureauschreiber befaßt würde. Er kritisierte dieVerordnung über die Einrichtung von Sitzgelegenheit für dasVerkaufspersonal und wünschte die Ausdehnung des gesetz-lichen Neunuhr-Ladenschlusses auf Apotheken undBarbiergeschäfte.Dem C e n t r u m, das sich auf die Ablehnung der Zucht-Hausvorlage so außerordentlich viel zu gute thut, widerfuhrdas Unglück, daß heute eines seiner angesehensten Mitglieder,der Jurist R i n t e l c n. ganz aus heiler Haut, einen heftigenund sachlich ganz unbegründeten Angriff auf das Streik-postenstehen unternahm. Kaum sind die Wogen der Er-regung in der katholischen Arbeiterbevölkernng über denbekannten bischöflichen Erlaß mit Mühe und Notgeglättet worden, da erklärt ein hervorragender Centrums-Parlamentarier das Streikpostenstehen, das ein un-erläßliches Kampfmittel für die Gewerkschaften ist, für einenAusfluß des Terrorismus und fordert Strafen und Verbot.Herr Hitze suchte zu retten, was zu retten war, und wolltedie Aeußerung des Herrn Rintelen als unverbindliche Privat-anficht hinstellen. Herr Rintelen aber betonte, daß auch HerrHitze durchaus nicht im Namen der Fraktion gesprochen hätte.Der Streit wird wohl noch weiter gehen.Morgen und Sonnabend fällt die Sitzung auS; amMontag wird die Debatte fortgesetzt.—überhaupt nicht verdient, ei» Mann qenannt zu ivcrden. Tverheirate �ch mich als anständiger Mann, das heißt,> chFrau machen, was' sie wiU,"'und thues e i t s. w a s j r gefällt. Es l e b c d s e g r e i,m e r n emeiner, �..-„..heitl"(An den General v. Grunibkow,». Sept. 1732.)Die Schuldigen der Eisenbahnkatastrophen?Im Abgeordnetenhaus wurden am Donnerstagscharfe Angriffe gc�en die Minister v. Miguel und V.Thielengerichtet, deren übertriebener Sparsamkeit die Schuld an sovielen Eisenbahnunfällen zuzuschreiben ist. Aus Anlaß derletzten furchtbaren Katastrophe bei Osfenbach hattendie beiden Vertreter von Frankfurt a. M. die Regierunginterpelliert, welche Schritte sie zu thun gedenke, umin Zukunft ähnlichen Unfällen vorzubeugen. Der Haupt-schuldige, Johannes v. Miguel, war der Verhandlung fern-geblieben; nur sein Mitangeklagter v. Thielen war erschienen.Mit Recht suchte der Begründer der Jnterpellatton, Abg.Funk(freis. Vp.), die Schuld an diesem Unfall wie an sovielen andren dem System Miguel- Thielen zuzuschreiben,das die Eisendahnen lediglich als Einnahmequellefür den Staat, nicht aber alS ein Mittel zur Be-friedigung der Verkehrsbedürfnisse betrachtet. Diesem Systemzuliebe unterbleibt jede Reform, werden die Fort-schritte der Technik unberücksichtigt gelassen, werdenkeine Neuerungen eingeführt, wird an dem Beamtenpersonalgeknausert. Erschüttert unter der Wucht des Anklagematerialsversuchte Herr v. Thielen eine Verteidigungsrede. Mit leiserStimme brachte der Minister, der sonst über ein kräftigesOrgan verfügt, ein paar Worte hervor, die im wesentlichendarauf hinausliefen, daß die preußischen Eisenbahnen die vor-züglichsten von der Welt sind und daß von einem Systemder Sparsamkeit unter seiner Verwaltung gar keine Rede seinkönne.Den Herren von der Rechten, die dem Minister Beifallklatschten, war die Situatton unangenehm, sie machten denVersuch, eine Besprechung der Jnterpellatton zu hintertreiben.Aber vergebens l Der Antrag auf Besprechung fand diegenügende Unterstützung, so daß der zweite Jnter-pellant, Abg. Sänger, Gelegenheit hatte, scharf mit derPrositwut und Plusmacherei der Eisenbahnverwaltung zuGericht zu gehen und die Trennung dieser Vcrwaltting vonder eigentlichen Staatsverlvaltung zu fordern.Der Minister erwiderte nicht mehr. Die Debatte wirdin einer der nächsten Sitzungen fortgesetzt. Zunächst stehenam Montag einige kleinere Etats zur zweiten Beratung.—