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suchungshaft wird nicht eingeführt, die Frage der bedingten Verurteilung ist nicht weiter gediehen. Herr Nieberding fand im Reichstag auch bei den bürgerlichen Parteien eine sehr kühle Temperatur vor; aber diesem heiligen Bureaukratismus thut das nicht viel. Er bleibt immer gemessen würdig, korrekt fund ideenlos. Dies Patent bewährte er besonders den energischen Angriffen gegen- über, die Genosse Stadthagen   gegen seine Verwaltung erhob. Auf die Frage nach den Gründen, weshalb der Bundesrat die Schaffung eines einheitlichen Arbeitsrechts, eines Reichs- Berggesetzes, eines Wasserrechts, eines Jagd- und Fischereirechts, einer Neuordnung der Rechtsverhältnisse der land- und forstwirtschaftlichen Arbeiter und des Gesindes und die Beseitigung der mittel- alterlichen Partikularrcchte abgelehnt habe, vergaß er über- Haupt die Antwort. Einer Erörterung gewisser Vorgänge beim Sternberg-Prozeß, in denen sich das Uebergewicht der Staats- anwaltschaft und der Polizei in der Justizpflege deutlich ge- zeigt hat, wich er aus, indem er den formellen Grund vor- schob, daß der Prozeß noch vor dem Reichsgericht schwebe. Die Ueberlastung der Richter, besonders in Berlin  , auf die Stadthagen   treffend hingewiesen hatte, gab er mit süßsaurer Miene zu, suchte aber die Schuld komischerweise auf den preußischen Landtag zu wälzen, der daran doch wirklich unschuldig ist. Die Folgen dieser Ueber- lastung, auf die Stadthagen   mit schneidender Schärfe hin- gewiesen hatte, suchte er dadurch aus der Welt zu schaffen, daß er sie bestritt. Dienstag geht die Beratung weiter. Vielleicht wird der Konitzer Mord erörtert werden, auf den am Schluß der Sitzung Herr Böckel in der Tonart derStaatsbürger Zeitung" eingegangen war, vermutlich um sein antisemitisches Renommee wieder aufzufrischen._ Rrichsrecht über SenatSderordnung. Aus Leipzig   wird telegraphisch gemeldet: Das Reichsgericht erkannte auf Aufhebung deS Ur- teils des Landgerichts Hamburg   vom 19. Oktober 1900. durch welches der Redacteur Reichstags-Abgeordneter Molkenbuhr wegen Aufforderung zum Ungehorsam gegen die Lübecker   Verordnung gegen das Streikpostenstehen zu 100 M. Geldstrafe verurteilt worden war, und sprach den An- geklagten von Strafe und Kosten frei, weil diese Verordnung als ungültig anzusehen sei, da sie im Widerspruch mit der Gewerbe- Ordnung«nd dem Strafgesetzbuch erlaffen worden fei. Der Senat von Lübeck   hatte versucht, eine Bestimmung der ver- worfenen Zuchthausvorlage für das seinem Verordnungsrecht unter- stehende Gebiet einzuführen. Er verbot das Streikpostenstehen und machte sich damit eines seiner Kompetenz völlig entzogenen miß- bräuchlichen Eingriffs in die von Reichs wegen geordnete Koalitions- gesetzgebung schuldig. Der Senat von Lübeck   verfuhr bei diesem Versuche, das Reichs- recht durch einzelstaatliche Matznahmen zu unterminieren, mit so besonderem Ungeschick, daß fast sämtliche Parteien des Reichstags gegen die Gültigkeit der Verordnung Einspruch erhoben. Nur die Reichsregiernng selbst, der der Schutz der Rcichsrechte besonders anvertraut ist, untemahm eine Verteidigung des Lübecker   Senats und Herr Nieberding appellierte an die Entscheidung der Gerichte in einer Form, die keineswegs eine Neigung für Aufrechterhaltung der Reichskompetenzen bekundet. Von socialdemokratischer Seite wurde mehrfach zum Ungehorsam gegen die Verordnung aufgefordert, um die Entscheidung der Gerichte herbeizuftihren. Ein derartiger Prozeß, der zunächst beim Brandenburger Amtsgericht anhängig war und in dem das preußische Kamniergericht in letzter Instanz zu entscheiden hat. ist noch in der Schwebe. In Hamburg   wurde die Gesetzmäßigkeit der lllbischen Ver- ordnung unter den seltsamsten Ausdeutungen des Kompetenzverhält- niffes zwischen Reich und Einzelstaaten, die wir seiner Zeit eingehend besprachen, angenommen und Abgeordneter Molkenbuhr für schuldig befunden. Die nunmehrige Beseitigung dieser Hamburger   Rechts- irrung durch das R e i ch s g e r i ch t ist erfreulich. Die p o- l i t i s ch e Bedeutung des Urteils liegt darin, daß den immer dreisteren Versuchen einiger Einzelstaatcn. die reichsrechtlich fest- stehenden Rechte der Arbeiterklasse zu unterhöhlen, immerhin doch ein wenig Einhalt geboten loird. Die Gründe, welche das Reichs-' gericht zur Ungiltigkeitserklärung drr Verordnung bewogen haben, finden unfre Leser an andrer Stelle eingehend mitgeteilt. Ein Anarchistengesetz in Italien  . Als im Juli des vorigen Jahres König Humbert von Italien  von der Hand eines jener Desperados gefallen war, die das unter der Ausbeutung und Knechtung eines vieltausendköpfigen schmarotzenden Klerus und einer noch wenig entwickelten, aber um so brutaleren Kapitalistenklasse seufzende Land mit Naturnotwendigkeit hervor- bringen mutz, wurde wieder einmal von der gesamten Scharfmacher- presse des Kontinents der Anarchistenschrecken zu verbreiten versucht. Natürlich waren es Blätter vom Schlage derPost" und der Berliner Neuesten Nachrichten", die am eifrigsten dem Angst- Philister die Vorstellung einer internationalen Anarchisten- Verschwörung und des Vorhandenseins veritabler Bomben- Anarchisten auch in Deutschland   vorzuspiegeln suchten, um Deutsch- land zum Hauptteilnehmer an einem großen Kesseltreiben gegen die anarchisfischen Verbrecher zu pressen. Diese Versuche scheiterten zwar kläglich an dem gesunden Menschenverstand der deutschen   öffentlichen Meinung und der Thatsache, daß infolge der Ausbreitung der Social- demokratie in Deutschland   der Anarchismus jede Daseinsmöglichkeit verloren hat, allein es erhielten sich doch die Meldungen, daß die verschiedenen Regierungen Beratungen wegen einer internationalen Anarchistenhatz miteinander Pflogen. Ueber ein Resultat dieser VerHand- kungen erfuhr man nichts, bis jetzt dem italienischen Parlament ein A n a r ch i st e n g e s e tz unterbreitet worden ist, bei dessen Er- örterung auch der Thatsache internationaler Verhandlungen Er- wähnung geschah. Ueber diese Vorlegung eines Anarchistengesetzes berichtet das Wolffsche Telegraphenbureau: Rom  , 2. Februar.  (Senat.) Canevaro begründet seine Interpellation über die Erniordung deS König? Humbert. Redner erinnert an den Verlauf der in Rom   abgehaltenen Konferenz gegen den Anarchismus, verlangt die Wiedereinführung der Todesstrafe in Italien   für anarchistische Verbrechen und fordert die Regierung zu erklären auf. was sie für die Zukunft zum Schutze der Person des Königs und der Einrichtungen des Lands zu thun gedenke. Der Mini st er des Aeußern Visconti-Venosta erklärt, im Verfolg der Konferenz gegen den Anarchismus habe sich die italienische Polizei mit den Polizei- Verwaltungen des Auslandes in Verbindung gesetzt, da sie ein planmäßiges, ein- heitliches Vorgehen der Polizei aller Länder gegen den Anarchismus für notwendig halte. Sie habe außerdem bei Unterhandlungen über Abänderung oder Erneuerung der Auslieferungs-Verträge stets auf der Forde- rung beständen. daß das anarchistische Verbrechen als gemeines Verbrechen angesehen werden soll. Mini st erPräsident Saracco erklärt sich mit dem Minister des Aeußern einverstanden. Er versichert, daß die Nc- gierung, wie bisher, so auch fernerhin alles mögliche thun werde, damit die bereits ergriffenen und die noch zu ergreifenden Matz- nahmen ihren Zweck erreichen. Nach der traurigen Ermordung des Königs Humbert habe die Regierung eine Einigung der Mächte herbeizuführen gesucht,»im das von der Konferenz gegen den Anarchismus angestrebte Ziel zu verwirklichen. I u st i z m i n i st e r G i a n t u r c o betont, daß das anarchistische Verbrechen keinen politischen Zweck verfolge, sondern auf den Uni- stürz aller gesellschaftlichen Ordnung gerichtet sei. Ter Minister bringt den Entwurf eines Gesetzes über die anarchistische» Verbrechen ein und verlangt die Dringlichkeit für die Vor- läge.(Lebhafter Beifall.) Er bemerkt dazu, daß der Gesetzcutwurf keineswegs reaktionär sei, sondern der Verteidigung der Gesellschaft diene und die Bestimmungen der Strafgesetze über die Vereinigung von Verbrecher» zu ergänzen bestimmt sei. Canevaro erklärt sich von dem Vorgehe» der Regierung befriedigt und die Sitzung wird darauf aufgehoben. DerPatria" zufolge soll die Regierung zu der heute ge- schehenen Einbringung des Gesetzentwurfs gegen die anarchistischen Verbrechen durch n e u e r d i» g s erfolgte Verhaftungen veranlaßt Ivorde» sein. Es soll ein Anarchist verhaftet worden sein, der mit der Ermordung des Herzogs der Abrnzzen beauftragt war, und zwei andre in Genua  , die einen Mordanschlag gegen den Präsidenten eines Gerichtshofs ausführen sollten, der einen ihrer Genoffe» verurteilt hatte. Es scheint nach den Mitteilungen des Ministers des Aeußeren, als ob die Anregung, ein internationales Polizeigesetz gegen die Anarchisten zu schaffen, nicht das erwartete Entgegen- kommen gefunden habe, so daß Italien   jetzt dazu schreitet, ein Special-Anarchistcngesetz zu stände zn bringen. Wenn nun behauptet wird, daß die Regierung unter dem Eindruck neuer schwarzer Anarchistenpläne mit ihrem Gesetzentwurf herausgerückt sei. so erscheint uns das unglaubhaft. Vielmehr wird die Absicht, ein derartiges Gesetz einzubringen, bereits nach der Ermordung Humberts fest- gestanden haben, und die n eue st en Entdeckungen an- geblicher Anarchistenattentate werden nur dazu gemacht worden sein, um die Notwendigkeit eine's solchen Gesetzes zu beweisen. Seit ein paar Tagen schwirrte eS nur so von abenteuerlichen Mitteilungen über enthüllte Mordverschwörungen und verhaftete Anarchisten. Jetzt wird es klar, weshalb Polizeispitzel und Reporter ihre Phantasie wieder einmal so sehr strapazierten. So plump die Märchen er- funden sein mögen und so furchtbar bisher auch jedesmal die ge­schäftigen Verbreiter derartiger grotesker Erfindungen blamiert worden sind man erinnert sich an den anarchistischen Mordanschlag auf Wilhelm II.   in Alexandria  , an da? Attentat auf den perfischen Schah, an die läppischen A n a r ch i st e n m ä r ch e n. die vor ein paar Monaten von New Jork gemeldet wurden so ftaglich ist es doch, ob die bestellten Attentate nicht in der italienischen Kammer ihre Schuldigkeit thun werden. Einen Schutz gegen die Mordanschläge verzweifelter, konftlser Fanatiker bietet natürlich auch das idealste Anarchistengesetz nicht. Eben weil eS sich nur um Wahnsinnsthaten einzelner und nicht, wie man glauben machen will, um Komplotte ganzer Gesellschaften handelt, bietet auch die eifrigste Polizeischnüffelei nicht die mindeste Sicherheit. Den Anarchismus in Italien   müßte man ganz anders bekämpfen: durch sociale Reformen, durch Ausschneiden der furchtbaren Korruptionsbeulen in Kirche, Staat und im Wirtschaftsleben, durch Aus- rottung der Maffia   und Camorra  , durch Hebung der Volksschule, Schutz des Proletariats, Erweiterung der politischen Freiheiten des Volks usw. Statt dessen will man sich in eine uferloseFlotten- Politik stürzen! Der wahre Zweck aller Ausnahmegesetze richtet sich ja freilich auch nicht gegen die Verbrechen sogenannter Anarchisten, sondern gegen die legalen Bestrebungen der um Beseitigung der Knechtung und Ausbeutung kämpfenden Masse! Ein Zweck, der freilich ebenso wenig erreicht wird. *»* Deutsches Iteich. Das Landesökonomic- Kollegium hat in der zlveitcn Hälfte der vergangenen Woche eine Reihe von Sitzungen abgehalten, die einige immerhin bemerkenswerte That- lachen zu Tage gefördert haben. Als Regicrungsvertreter waren an- wesend ein Unterstaatssekretär, ein Ministerialdirektor und drei Ge- Heimräte von landwirtschaftlichen, je ein Geheimrat vom Handels- Ministerium und vom Ministerium drs Innen,, im ganzen also sieben hohe Beamte ein Belveis, wie e»g heute die Verbindung der agrarischen Belvegung mit denmaßgebenden" Instanzen ist. Aber noch mehr: auch der Kaiser wird, wie angekündigt wurde, einer der nächsten Sitzungen beiwohnen, und der Landwirtschafts- Minister Freiherr   v. Hammerstein begrüßte, unaufgefordert, das Kollegium in einer Rede, in der er der Hoffnung Ausdruck gab, daß im neuen Jahrhundert die Lage der La n'd Wirtschaft sich günstiger ge st alten werde als im vergangenen und daß er jedenfalls alles thun werde, im, sie zu verbessern! Herr v. Hammerstein hat offenbar diese Ge- legenhcit benutzt, um den Eindruck der neulichen Er- klärung des Grafen Bülolv im Abgeorduetenhaufe über den er- höhten Zollschntz auch seinerseits nocki zu bekräftigen. Denn worauf anders als auf die Erhöhung der Getreidezölle wird man in agrarischen Kreisen dieses neue Hilfeversprechen des Ministers vornehmlich beziehen? Unter den Bescheiden, die sodann au« dem Landwirtschafts-Ministerium dem Landesökonomie- Kollegium zu- gesandt worden waren, ist vor allem einer von allgemeinstem Jnter- effe, daß nämlich der von den Agrariern seit längerem verlangte, von Herr» v. Hammerstein auch schon versprochene Gesetzentwurf zur Regelung des Verhältnisses der ländlichen Arbeitgeber und Ar- beitnehmer und der Sicherung vor Kontraktbruch nunmehr in der That ausgearbeitet ist und dem kgl. Staats», inisterium zur Be- lchlußfassung vorliegt. Was unter dieser Sicherung des Kontrakt- bruchs von den Agrariern gemeint ist, haben diese selbst schon des öfteren offen im Abgeordnetcnhanse ausgesprochen: die Land- Proletarier haben sich also einer neuen Gefahr zu versehen: nach der Erhöhung der Getreide- und Brotpreisc die. Sicherung der Agrarier vor ihrem angeblichen Kvalttionsrecht wahrlich, eine vorzügliche Aussicht auf Erhöhung ihrer Löhne, die ihnen ja nach Erledigung beider Ziele die Herren Agrarier ver- iprochen haben. Weiter hat das kgl. Laudwirtschaftsministerium selbst eine sehr lange Debatte über die Prämiiernng des Gesindes angesagt, ob- gleich selbst ein Regierungsvertreter sie als eine sehr nebensächliche Sache bezeichnete. Ein charakteristischer Zng sei auch ans dieser Debatte erwähnt, der die Notlage der Landwirtschaft wieder ein- mal auf das schlagendste bewies; man war so sehr für Prämiiernng, daß nicht weniger als 16 Anträge dazu eingebracht wurden, aber mit der Ueberzeugung, der man AnSdruck gab, daß eine Ans- ührung dieser Matzregel unbedingt einen Zu- ch staatlicher Mittel erheische. Also nicht einmal die paar Groschen für Prämien ihrerbesten" Leute unter dein Gesinde verniag die notleidende Landwirffchaft zu leisten, auch hierfür bettelt man den Staat an. Endlich brachte noch eine Rede des Professors Sering über die bisherige Thätigkeit der A n s i e d e l u» g s k o m m i s f i o n ein sehr interessantes und wertvolles Zugeständnis. Diese ist, wie er ausführte,in neuerer Zeit ins Stocke n gerate»; der Grund davon ist, daß der verkaufsbcdürftige Gutsbesitzer durch die Kom- Mission nicht das findet, was er braucht, eine schnelle und sichere Abwicklung des Geschäfts". Damit ist der Beweis gefühlt, daß, was wir immer behauptet und was die Agrarier immer bestritten Hobe», die ganze Ansiedeluugs, bewegnug in erster Linie als Hilfsthätigkeit für bankrott-gefährdete Gutsbesitzer aufzufassen ist, d i e s o f o r t v e r s a g t, wo die in Betracht ko», in enden Herren Agrarier keinGe- schüft" n, e h r zu machen Aussicht haben!Die ganze innere Kolonisation ruht heute wieder vollständig in den Händen der regulären G ü t e r j ch l ä ch t e r." In der That, ein wertvolles Material, das Herr Sering hier uns vorlegte. Im Tnnkcl. Die Vorarbeiten für das neue Zolltarlf- s ch e m a find, so wird mitgeteilt, im Reichsamte des Innern s o geheimnisvoll betrieben worden, daß selbst diejenigen Be- amten, die unmittelbar daran beteiligt waren, nicht mehr erfahren konnten, als sie unbedingt erfahren' mutzten. Um die Möglichkeit einer unbefugten Kenntnisnahme auf ein Mindeßmatz einzuschränken, sind für die Vorarbeiten verschiedenfarbige Mappen angelegt worden, von denen diejenigen, die Andeutungen über Zollsätze enthalten, unter strengstem Verschluß' gehalten werden. Ccntral-Geiiosscuschaftskasse und Hypothekenklüngel. In derKöln  . Ztg." luird mitgeteilt, daß die Central-Genossenschafts- lasse der Pommerschen Hypothekenbank Vorschüsse gemacht hat zur Hereinnahme von Pfandbriefen und vermerkt dabei, daß ei» Vorstandsmitglied der Ceiitral-Gcnosseuschaftskasse, Dr. Heßbergcr, das Amt eines Treuhänders bei der Pommenchen Bank versieht. Wir fügen hinzu, daß bis wenige Monate vor dem Zusammenbruch der jetzige Präsident der Central-Genossenschaftskasse, Dr. Heiligen- st a dt, Treuhänder bei der Sandenfchen Hypothekenbank gewesen ist. KröcherS Kaisertoast. Wohl darf mit staunender Bewunderung selbst den Kenner des preußischen Abgeordnetenhauses und seines Präsidenten der Tiessinn und die Geistcsfülle des Toastes erfüllen, den Herr v. Kröcher am Sonntag beini Festessen des Abgeordnetenhauses nach dem zweiten Gange ausbrachte und den die Korrespondenten der bürger- lichen Presse alseinen zündenden Kaisertoast" ankündigen. Der Präsident des preußischen Abgeordnetenhauses erhob sich also zum Adlerflug: Wenn schon am jährlich wiederkehrende» Königsgeburtstage Preußenherzen höher schlagen wie viel mehr heute die unsrigen, die wir»och unter dem frischen Eindruck der erhebenden Festlich- leiten bei Gelegenheit des LOOjäljri'gen Krönungsjubiläums stehen. Wer am 18. Januar dem Kröimngs- und Ordensfest im königl. Schlosse beigewohnt hat, der wird sich dem Eindruck nicht haben entziehen können. welchen zwei Erscheinungen in ihm hervorgerufen haben, Erscheinungen, so eigenartig u n d symptomatisch für das Verhältnis zwischen König und Bok in Preußen, daß sie sich jedem aufdrängen mußten und sich auch namentlich den ausländischen Gästen von einem englischen und einem spanischen hohen Offizier weiß ich es aus eigner Kenntnis ausgedrängt haben: die eine neue, daß die vornehm st en Krön» insignien von den jugendlichen Prinzen, Söhnen Ihrer Majestäten, getragen wurden, zuerst Prinz Adalbert   mit dem Reichsapfel, dann' Prinz Eitel Friedrich   mit dem scepter und zuletzt unmittelbar vor dem Herrscherpaar die königliche Krone, getragen von dem hochaufgerichtet einherschreitenden, zum Manne heranreifenden Kronprinzen, dem Stolz des Landes und unsrer Hoffnung in einer, will's Gott, noch recht fernen Zukunft, Und dann die alte, historische, daß im Weißen Saal des kgl. Schlosses an einem Tische mit ihrem Könige Ritter   und Inhaber aller Ordens- klaffen vom hohen Orden des Schwarze» Adlers bis zum All- geineinen Ehrenzeichen tafelten, Unteroffiziere, Post» boten, Kanzleidiener gegenüber von Fürst en, M i n i st e r n und Generälen. Meine Herren! Wir, die gewählten Vcrtrer des preußischen Volks, haben neulich in unsrem Sitzungssaale gelobt, daß der Geist im Volk, welches es den er- lauchten Monarchen auS dem Geschlecht der Hohenzollern   ennöglicht hat, das zu leisten, was sie zum Wohle Preußens und Deutsch- lands geleistet haben, das alte bleiben soll bis in die fernsten, fernsten Zeiten. Erneuern wir dies Gelübde und erheben wir den Jubelnif: Se. Majestät der Kaiser, unser allergnädigster König und Herr, lebe hoch und nochmals hoch und abermals hoch." Eigenartig und symptomatisch für das Verhältnis zwischen König und Volk" ist Herrn v. Kröcher die Thatsache, daß die Prinzen Kroninsignien tragen.Eigenartig und symptomatisch" ist für den Präsidenten des Junkerparl'aments die Thaffache, daß Unteroffiziere mit Generälen, Postboten und Kanzleidiener mit Ministem und leibhaftigen Fürsten an einem Tische sitzen dürfen. Welch gewaltiger Fortschritt der Zeit, der selbst die fabelhafte Thatsache übertrifft, daß in der preußischen VoUsvertretung unter der Präsidentenherrlichkeit des Herrn v. Kröcher einige gewöhnliche Bürgerliche fitzen dürfen! Fall Alfons. DieMünchener Post" bestätigte das Gerücht Prinz Alfons von Bayern   sei aus seiner milftärischen Stellung ent- fcrut worden, weil er beim Begräbnis des Großherzogs von Wachsen-Wciniar den Platz unmittelbar neben dem jungen Groß- Herzog gegen den als Vertreter des Kaisers erschienenen preußischen General beansprucht habe; eS fei dann ein sehr scharfe? kaiserliches Telegramm eingelaufen, worin auch auf den bekannten Moskauer   Zwischenfall Bezug genommen wurde. Im Hinblick auf diese Auffassung der Maßregelung deS Prinzen Alfons wird derNürnb. Anz." von einem Leser darauf aufmerksam gemacht, daß in einem illustrierten Blatte der Leichenzug photo- g r a p h i e r t ist und Prinz Alfons thatsächlich unmittelbar zur Linken des jungen Großherzogs geht, während rechts von diesem sich der Fürst von Bulgarien   und König Albert von Sachsen   befinden und preußische Generale erst in der zweiten Reihe kommen. Daß Prinz Alfons seinen Platz neben dem Groß- Herzog eingenoinmen hat und der General  , der als Vertreter des Kaisers gekommen war. zurückstehen mutzte, sei, wie dieses photo- graphische Zeugnis beweist, ganz unzweifelhaft richtig. Die HohköuigSburg. Man sckireibt uns aus Elfaß-Lothringen  : Unter den Ausgaben des dem Landesausschuß vorgelegten außer- ordentlichen Etats figuriert unter dem TitelVerwaltung des Unter« richts, Erhaltung der historischen und Kmistdenkmäler"' ein Beitrag von 1S0 000 M. als erste Rate zum Ausbau der Höh- k ö n i g s b u r g. Insgesamt werden vom Landes-Ausschuß hierfür 1 400 000 M. gefordert. Die oppositionelle Presse des Reichs- lands nimmt bereits Stellung zu dieser mehr priiicipiell als finanziell wichtigen Angelegenheit und fordert die elsaß  -Ioihringensche Volks- Vertretung auf, den Versuch einer Inanspruchnahme von Landes- mittel» zur Wiederherstellung einer im Privatbesitz des Kaisers be- findlichen Burg unter allen Umständen zu vereiteln. Die SeemannSordnnngS-Kommission deS Reichstags und daS RcichS-Marine-Amt. In der vorletzten Sitzung dieser Kommission, über deren Be- ratnngen wir nach Abschluß der ersten Lesung der Regierungsvorlage einen Gesamtbericht bringen werden, spielte sich ein so befremdlicher Vorgang ab, daß wir es angezeigt hallen, ihn durch Veröffeiitlichung der Vergessenheit zu entreißen. An den Verhandlungen der Koni- Mission'nehmen durchschnittlich sieben bis acht Regierii'ngskommissare teil, darunter als Vertreter des Reichs- Marine- Amts der Kapitän z. S. S ch ni i d t. Dieser Herr hat sich nun im Lause der Zeit sehr häufig, oft sogar in recht lebhafter Weise an den gepflogenen Debatten beteiligt. Als seine Haupt- aufgäbe scheint er es zu betrachten wahrscheinlich im höheren Austrage, die von den drei socialdemokratischen Komniissionsmitgliedern im Interesse der Seeleute eingebrachten Verbcssenmgsaiilräge zu bekämpfen. Zum Leidwesen des Herrn Kapitäns z. S. führte er jedoch bisher diesen Kampf mit ebenso- wenig besonderem Geschick, noch mit übermäßigem Glück.