Die„Kittliische VolkSzeitung" vom 20. Februar betrachtet es als eine„sonderbare Erscheinung", dah die Vertreter der Socialde miratie i» der Budgetkommission bei Beratung des Militäretats so zurückhaltend seien, sich selten an der Diskussion beteiligten und nie Anträge auf Abstriche stellten, obgleich es sich uin Ausgaben von Hunderten von Millionen handle. Der Schreiber jener Zeilen scheint im parlamentarischen Leben noch ein Grünling zu sein, sonst würde er sich über dieses Ver» Kalten der socialdemokratischen Abgeordneten gegenüber dem Militäretat nicht wundern. Die jetzige Taktik der Vertreter unsrer Partei unterscheidet sich in nichts von der früher beobachteten Taktik. Die Socialde mokratie lehnt den Etat pure ab und hat deshalb keine Veranlassung, AbänderungS- antrage zu stellen. Sieht sich eine der bürgerlichen Parteien ver- anlagl, Streichungen zu beantragen, so unterstützt die Partei diese Anlräge bei der Abstimmung. Das Wort zu ihrer Verteidigung übernimmt sie nicht. Dieselbe Taktik wie in der Kommission, beobachtet die Partei im Plenum i man wird aus der ganzen parlamentarischen Thätigkeit der Partei nicht ein Beispiel anführen können, dah sie bei Be» ratung des Militär- oder Marine-Etats sich zu Anträgen auf Ab- st r i ch e herbeigelassen habe, sie lehnte die Etats Posten für Posten ab. Damit fallen auch alle sonstigen Spekulationen, welche die „Köln . Volkszeitung" an das Verhalten der Socialdemokratie in der Bndgetkommission knüpft. Auf bedenkliche Weise feiert das Masse- Blatt den Grafen Waldersee. Das Blatt insinuiert allen Ernstes dem Generalissimus, datz er eine geräuschvolle ExpeditionSkomödie n»r deshalb insceniert habe, um den Chinesen Furcht einzujagen. Und dieser Scherz sei denn auch überraschend geglückt. Schildere doch die ,St. James Gazette" die lustige Wirkung des Schreckschusses folgendermaßen: ..Der deutsche Gesandte, Dr. Mumm, sprach besLi-Hung-Tschano und Prinz Tsching vor und verkündete beiden, daß Feldmarschall Gra Waldersee am 23, Februar mit einer Armee nachSinganfu aufbrechen werde. In heillose st ein Schrecken liefen die beiden Friedensbev oll nr ächtigten zum Telegraphen- a m t und depeschierten der Kaiserin-Witwe... Später sprach der britische Gesandte vor und erwähnte, daß seine Re- gierung des Wartens müde sei, und daß die britischen Truppen vor Verlangen stürben, nach dem Innern des chinesischen Reich s marschieren zu dürfen. Das Resultat war, daß die beiden Vielgeplagten wieder in aller Eile nach dem Telegraphenamte liefen, während die langen Zöpfe auf ihrem Rücken flott den Takt dazu tanzten.... Es währte nicht lange, da sprach nun auch noch der japanische Regiernngsvertretec vor. Wieder d i e- selbe Hast und ein weiteres beschlennigendeS Telegramm." Daß das Mosse-Blatt dies lustige Anekdötche», das vielleicht sogar satirisch gemeint ist, seinen Lesern ganz ernsthaft auftischt, ist ja nicht weiter verwunderlich. Aber daß es den deutschen Oberst- kommandierenden in der Posie eine derartige Rolle zutraut, ist eine sehr zweifelhaste Schmeichelei. Das hat Waldersee denn doch nicht verdient, daß man ihn für so naiv hält, die geriebenen chinesischen Diplomaten für solche Quadratesel zu halten.— Der widerliche Zank um die„Boxer'-Köpfe wird allmählich selbst den Leuten zu arg, denen sonst der Weltniachts- Koller olle Sinne benebelt hatte. Daß kürzlich die„K r e u z- Z e it n n g" eingestand, daß es ihrem unniaßgeblichtn Unterthanenverstand nicht einleuchten wolle, daß nun absolut so und so viele Köpfe abgeschlagen werden müßten, was zwar bei einem konservativen Blatte immerhin be- merkenswert, Ivenngleich ja unsre Junker die neue Mode der Ueberseepolitik von allem Anfang an nur im Interesse ihrer Brotwucherpläne mitgemacht haben. Aber daß jetzt selbst das seit Beginn der glorreichen China - kreuzfahrt in„patriotischen" Delirien liegende„Kleine Journal" das Feilschen um die Boxer-Köpfe als„barbarische Sühne" be- zeichnet und darüber klagt, daß dadurch„die im voraus viel- gerühmte Kulturmission der europäischen Mächte in einem recht bedenklichen Lichte" erscheine, das verdient nicht nur der Kuriosität wegen erwähnt zu werden. Wenn selbst in ein durch beständige byzantinische Poffenreißerei ans de» Fugen gegangenes Hirn noch ein solcher Lichtstrahl fällt, muß es in der That um die chinesische„Kulturmission" trostlos aussehen. Eine solche Art der Kriegsfiihrung und Friedcnsdiktierung ist freilich auch seit vielen Jahrhimderten nicht mehr erhört gewesen. Man denke sich, daß Ii a p o l e n nach Jena und Austerlitz die Köpfe der preußischen Generale»ind Staatsmänner gefordert hätte. Oder daß die Engländer Cronje und den anderen Boerenkommandanten hätten de» Kopf abschlagen lassen!— Originelle Boerenbegeisterung. Die„Berliner Neuesten Nachrichten" entfachen die Boerenbegeisterung durch die Berösient- lichuug eines„temperamentvollen Zeitgedichts" zur hohen Flamme. Die beiden letzten Strophen des gutgemeinten Poems lauten: Raubt Weib uns und Kind, verbrennt was ihr wollt. Verschreibt euch dem Teufel umSilber undGold, Wir machen die Rechnung auf blutigem Brett, So hat euch geschworen Christian De Wet. Wir folgen dem Schwur, und wir bleiben im Feld, Auch wenn uns im Stich läßt die ganze Welt; Wir bauen auf Gott und auf unsren Kornet, Es leb' unser Hauptmann Christtan de Wet I Der Haupt-Aktionär der„Berl. Neuesten Nachr." ist be- kanntlich der Kanonenkönig Krupp. Herr v. Krupp verschreibt nun zwar nicht dem Teufel um Silber und Gold seine Seele, wohl aber hat er jüngst öffentlich erklärt, den Engländern zur Niederwerfung der Boere» jedes gewünschte Quantum von Geschützen und Munition liefern zu wollen!— Gendarmen als Schnlinspicienten. Aus dem hannoverschen Kreise Bremervörde wird berichtet, daß dort die Gendarmen an- gewlesen worden seien, i» ollen Ortschaften des Kreises »rach�u forschen, ob die Lehrer auch das 200 j ährige Jubiläum des Königreichs Preußen in den Schulen ordnungsgemäß gefeiert haben. Warum hat man die Schulfeiern nicht gleich polizeilich über- wachen lassen?—_ Bestätigung der Huunenbriefe. WaS die Hunnenbriefe Schlimmes und Abscheuliches berichteten. wird mehr und mehr jetzt auch von ZeitungSkorrespondenten bestätigt, die sich Unbefangenheit genug bewahrt haben, um die Lügen und Beschönigungen der Khaki-Patrioten nicht mitzumachen. Der recht „national" gesinnte Kriegsberichterstatter der„Frankfurter Ztg." schreibt unter dem 24. Dezember aus Tientsin : „Die Expedition von Schanhaikwan»ach Peking läßt sich, waS die militärischen Ereignisse anbetrifft, ganz kurz abmachen. Die Truppe traf vor wenigen Tagen, nach dreinndzwanzig Marsch- tagen, munter und frisch in Peking ein, Ivo sie vom Grafen Waldersee empfangen wurde. Man redet in Tientsin und Peking von großen Schätzen an gemünztem und ungemünztem Silber, die von dieser Truppe mitgebracht sein sollen, doch werden diese Gerüchte sicherlich wieder übertrieben sein, abgesehen davon, daß — wie ich wiederhole— es sehr schwierig sein möchte, die Be- rechtigung der Aufbringung großer Geldsummen ans völlig friedfertigen Ortschaften auch nur einigermaßen befriedigend zu erklären. Ich hörte neulich einen rnssischen Offizier während des MittagSesscus einem französischen Kameraden gegenüber äußern:„Die Deutschen ärger» sich, daß sie in Tientsin und Peking nicht mttgepliindert haben, und deshalb plündern sie jetzt die Dörfer." Man sollte sich doch hüten, den lieben russischen Waffenbrüdern auch nur den geringsten Anlaß zu geben, uns mit ihnen auf gleiche Stufe zu stellen. Es würde ein nnvertilgbarer Schandfleck für unsre Armee i n, wenn uns die Russen nachweisen könnten, daß auch wir „ l o o t e n Die französische Negierung hat durch die Beschlag- nähme von vierzig in Marseille ankommender Beutekisten deutlich zu erkennen gegeben, daß sie das Beutemachen von ihrem Heere nicht duldet; eS untersteht wohl keinem Zweifel, baß die deutsche Regierung in dieser Beziehung nicht weniger gründlich ein- greifen würde, falls Ungehöriges vorgekommen fein sollte. Daß die von«nsrer Expedition berührten Ortschaften durch das augenblickliche Verhalten der Bevölkerung nicht den geringsten Anlaß zu schroffem Vorgehen boten, geht wohl daraus hervor, daß die Soldaten das Entgegen komme» der Bevölkerung loben, und besonders die reichliche Verpflegung an- erkennen. Leider ist die Bevölkerung des durchzogenen Distrikts mit dem von den Soldaten bewiesenen Entgegenkommen nicht gleicherweise zufrieden, wie das Nachfolgende beweist. Vor etwa acht Tagen bat mich ein bei Europäern wie Chinesen gleicher Achttmg sich erfreuender Deutscher, der früher in chinesischen Staatsdiensten stand, schriftlich, ihn doch aufzusuchen, da ein ,ch i n e s i s ch e r Freund" ihm bedeutsame Mitteilungen gemacht habe. Der„chinesische Freund" machte auf mich den Eindruck eines hochintelligenten Manns, der. nebenbei bemerkt, geläufig deuffch sprach, so daß ich einen Augenblick lang argwöhnte, es vielleicht mit einem Chinesen zu thun zu haben, der früher in Deutschland militärische Studien machte. Das war aber nicht der Fall. Er berichtete über das Verhalten der deutschen Expedition auf dem Durch- morsche durch die Distriktshauptstadt Fönghun etwa folgendes: Auf die Nachricht von dem Anmarsch des deutschen Bataillons habe der Mandarin auf seinen, des Berichterstatters Rat, alle für die Soldaten bestimmten Räume neu tapezieren und die KangS ssteinerne Betten) mit neuen Mattendecken belegen lassen. Außerdem habe der Mandarin 4 Ochsen, 20 Ziegen, 3000 Eier und viel Obst für die Truppen besorgen und ein Empfangsessen vorbereiten lassen. Die Nachricht, daß der Ort Föugtai an die durchziehende Expedition 7000 Taels habe zahlen müssen, sei den' Einwohnern von Fönghun unglaublich er- schienen, da der genannte Ort arm sei und überdies nichts der- schuldet habe. sHier mutz meines Erachten? unbedingt lin Irrtum vorliegen, da der Ort Föugtai so weit südlich der Linie Schanhaikwan- Peking liegt, daß eine Berührung desselben durch die von Schau- haikwan konimende Expedition kaum wahrscheinlich erscheint. Wohl wäre es aber möglich, daß ein mit der Schanhaikwan-Expedition gleichzeitig von Tientsin, quasi als Flankenschutz auf mehrere Tage nach Norden vorgeschobenes Bataillon den genai�iten Ort erreichte.) Der Mandarin von Fönghun habe nun, so erzahlte der chinesische Gewährsmann weiter, keinerlei Befürchtungen gehegt, daß man Fönghun eine Gcldliefenmg auferlegen werde, da die Be- völkcrung dieses Orts sich während der Boxcrnnruhcn bewaffnet»nd den Boxern erfolgreich Widerstand geleistet, auch viele dieser llebelthäter hingerichtet habe. Gleich- wohl habe der Führer des Expeditionscorps dem ihn begrüßenden Mandarin befohlen, sofort SO OVO Taels aufzubringen, da er seine Truppen bis zur Zahlung dieser Summe in der Stadt lassen werde. Zu einer derartigen Leistung sei die Stadt nicht in der Lage gewesen und so habe man sich von feiten des Militärs schließlich mit der bescheidenen Summe von L30 Taels begnügt. Während der Korrespondent diese GeldbeschaffungS-Politik noch zn rechtfettigen versucht, so vermag er eine zweite schwerere Be- schuldigung nicht zu rechtfertigen: „Der chinesische Gewährsmann versicherte nämlich auf das positivste, daß die Soldaten Frauen und Mädchen ver- gewaltigt hätten. Ich fragte einen Herrn vom Kriegsgericht, ob er so etwas von deutschen Soldaten für möglich halte, und erhielt leider eine bejahend« Antwort. Der Herr äußerte sich sehr bitter über einen Teil der deutschen Rc- servisten, die zum Teil als Abenteurer nach China gegangen seien, ohne jedes höhere Interesse. Bon Osfiziersseite wurde mir dies ebenfalls bestätigt, mit dem Hinzufügen, daß diese Leute auch die Disciplin bedenklich gefährdeten. Höchst erfreulicherweise geht man gegen diese Soldatensorte auf das energischte vor, und zwar ist dies in erster Linie dem Corpskommandeur General von Leffel zu danlen, der nicht müde wird, alle Auswüchse bis in die Wurzeln zu ver- folgen," Diese Mitteilung über die Ausschreitungen eines Teils der deutschen Reservisten stimmt schlechterdings nicht mit der Ettlärung des preußischen Kriegsministers, daß nur drei Fälle von kriegsgettcht- sicher Bestrafung zu verzeichnen gewesen seien. Andrerseits werden durch die möglichst schonend gehaltenen Andeutungen des Korrespon- dentendie Schilderungen der Hunnenbriefe völlig beglaubigt. So anerkennenSwett es auch ist. daß die militänsche Leitung gegen derartige Greuel einschreitet, so sind diese Exzesse selbst keineswegs verwunderlich, wenn man bedenkt, mit welchen Vorstellungen über China und die gelben Bestien die Kbakileute allein von der deutschen „nationalen" Presse genährt worden sind.— Der Boeren- Krieg. De Wct wird von Oberst Plumer noch immer erfolglos verfolgt. Seine Streitmacht marschiert in verschiedenen Kolonnen und beabsichtigt offenbar(?), in G r i q u a l a n d- W« st einzurücken. Plumer marschiert dicht dahinter. H e r tz o g mit der im W e st e n in die Kolonie eingedrungenen Abteilung marschiert nach derselben Richtung. Ein Gefecht Methucns. Lord Kitchener meldet aus Klerksdorp: Lord Methnens Abteilung ist hier einmarschiert, nachdem er das Land über Wolmaranstad hinaus aufgeklärt hat. Bei Haartebeestfontein stieß er auf 1400 Boeren unter den Generalen de Villers und Liebenberg. Die Boeren leisteten in einer starken Stellung hartnäckigen Widerstand, wurden aber nach heftigem Kampfe ans ihrer Stellung geworfen, Unsre Berluste betrugen 3 Offiziere, 13 Mann tot, bO ssiziere, 29 Mann verwundet. Die Boeren hatten angeblich schwere Verluste! sie ließe» 18 Tote zurück. Erbeuteter Bahnzug. Am 19. Februar zerstörten die Boeren einen Bahndnrchlaß bei Klipriver. Sie erbeuteten dott ferner auf einem Eisenbahnzng eine Ladung Lebensmittel, steckten die Wagen des Zugs, nach- dem sie dieselben ungestört geleert hatten, in Brand und zogen dann ab. Die Pest. In Kapstadt sind am 21. Februar zwei neue Pestfälle unter den Weißen festgestellt worden. Abgeordnekenhsus. 83, Sitzung vom 22, Februar 1901, 11 Uhr. Am Ministertisch: v. Thielen. Auf der Tagesordnung steht die zweite Lesung des Etats der Bauverwalrung. Die Einnahmen werden nach unerheblicher Debatte bewilligt. Bei den Ausgaben bringt Abg, Goldschmidt sfrf. Vp,) die Verlängerung der Konzession der Großen Berliner Straßenbahn- Gesellschaft durch den Minister bis zum Jahre 1949, also über die Dauer des Vertrags der Gesellschaft mit der Stadt Berlin hinan? zur Sprache. Wie kommt der Minister zn einer so auffälligen Mas- nähme, die in direktem Widerspruch zu den Gesetzen zu stehen scheint. T Gesellschaft hat selber bei dem Vertragsabschluß mit der Stadt Berlin keine längere Konzesstonsdauer verlangt. Die ungewöhnlich zuvor- kommende Behandlung der Großen Berliner fällt zeitlich zusammen mit dem Eintritt des Ministerialdirektors Micke in die Direktion der Gesellschaft. Ich ersuche den Minister, seine so großes Aufsehen erregende Maßnahme hier zu rechtfertigen. Minister v. Thielen: Ich habe die Konzesstonsverlängerung ans Grund deS Kleinbahii- gesetzes eintreten lassen und war vollkommen befugt dazu; von einer Gesetzesvcrletzung kann nicht gesprochen werden. Tie Verlängerung ist erfolgt, um der Großen Berliner Straßenbahn-Gesellschaft Ge- legenheit zu geben, den Anforderungen des steigenden Verkehrs aus- reichend zu entsprechen, wozu sie nicht im stände gewesen iväre, wenn die Konzesstonsdauer so bemessen worden wäre wie im Ver- trag mit der Stadt Berlin . Die Befugnis zur Konzessionsverläugc- rung ist dem Minister der öffenilichen Arbeiten durch das Kleinbahn- gesetz etteilt worden, ohne daß von irgend einer Seite hier im Hause Widerspruch erfolgt wäre. Der Eintritt Mickes in die Verwaltung der Gesellschaft hat mit der Konzessionsverlängerung nicht das ällermindeste zu thnn. Wenn Herr Micke als Direktor der Gesellschaft sich der Kouzejsionsverlängerung in sehr eifriger Weise angenommen hat. so hat er damit nur seine Pflicht gethau. Abg. Freiherr v. Zedlitz ffrk.) sucht aus den Z8 6 und 7 des Kleinbahngesetzes den Nachiveis zu führen, daß der Minister durchaus im Rahmen seiner Zuständigleit gehandelt habe. Ueber die Dauer eines koiizessionspflichtigen Unter- »ehmens hat ausschließlich die Staatsbehörde zu entscheiden. Die Konzesstonsdauer liegt also im pflichtmäßigen Ermessen der Staats- behörde, und es ist selbstverständlich, daß ein Unternehmen nur auf eine solche Dauer genehmigt werden kann. die seine wirtschaftliche Existcnzfähigkeit ermöglicht. Aus diesem Umstände folgern Juristen, daß eine sristliche Beschrnukuug der Konzesstonsdauer durch Vertrag zwischen Gemeinde und Straßenbahn rmzulnsfig und rechtsnnwirksam sei. Das mag dahingestellt sein; jedenfalls tvird durch das Znstimmungsrecht der Gemeinde nicht daS Recht des Ministers, die Konzession festzusetzen, verkümmert. sWidcrspruch links,) Wenn die Herren Juristen der Stadt Berlin anders sagen, so haben sie unrecht. Sie haben vielfach unrecht. Die Rechtslage ist die, daß die Gesellschaft durch den Minister eine Kou- zession auf 50 Jahre erhalten hat, daß aber im Jahre 1917 die Straßenbahn- Gesellschaft die Pflicht hat, die Zu- stimmung der Gemeinde beizubringen oder durch die Be- Hörde ergänzen zu lassen. Das' letztere würde ja sehr nnliebsam sein, und da beide Parteien auf die Behörde an- gewiesen sind, hoffe ich, daß es vorher zu einer Verständigung zwischen der Gesellschaft und der Stadt kommen wird.(Bravo l rechts.) Abg. Dr. Friedeberg(natl,): Mit der Erklärung des Ministers, daß er innerhalb der gesetz- lichen Schranken geblieben sei, scheint uns die Sache nicht erledigt zu sein. Die Verlängerung der Kouzcssionsdauer ist von der Straßenbahn-Gesellschaft ja nicht einmal verlangt worden. Ich bc- dauere, daß durch die Entscheidung des Ministers die Möglichkeit für die Stadt, den Straßenbahnbetrieb in eigne Regie zu nehmen. auf so lauge Zeit hinausgeschoben worden ist. Minister v. Thielen verteidigt nochmal« seine Entscheidung. Die KonzessionSverlängerung wurde in einem Augenblick nachgesucht, als der elektrische Betrieb unter Anwendung großer Mittel hier in Berlin ein- gefühtt werden sollte. Gerade mit Rücksicht auf die be- sonderen Verhältnisse der Hauptstadt mußte dafür gesorgt werden, daß die Anlagen, die die Gesellschaft traf, sich auch amortisieren konnten. Zudem wurden ihr Bedingungen aufgelegt, die Anwendung eines bestimmten Systems, bestinmitcr Wagen, die Führung bc- soudercr Linien, daß der Gesellschaft hierfür eine gewisse Entschädigung in der KonzessionSverlängerung gewährt werden mußte. Abg. Dr. Langcrhans(frs. Vp,): Im Gesetz steht nichts von dem Recht deS Ministers zur Kon- zessionSverlängcnnig, und in den Ausfühnuigsbestimmungen zum Gesetz findet sich allein der Punkt, daß die Konzession so lange zu gewähren ist, daß dem Unternehmen die Möglich- leit einer entsgrechcnden Amortisation gewährleistet ivird, Das Gesetz über die Kleinbahnen ist außerordentlich schlecht und ver- beffcrungsvedürflig. Auf jeden Fall hat der Minister die Pläne Berlins ' durchkreuzt. Die Stadt ist inunittelbar im Begriff, neue Bahnen anzulegen, damit nicht die Große Berliner Slraßenbahn- Geiellschaft alles beherrscht. Einer so großen Stadt gegenüber war die Arr der Behandlung, die der Minister in dieser Frage ein- geschlagen hat, nicht richtig. Eine Gesellschaft, die einen Kontrakt mit der Stadt abgeschlossen hatte und nun unter Uebergchuug der Stadt sich direkt an den Minister wandte, um bestimmte Vorrechte zu er- langen, hat wirklich keine» Anspruch, so freigiebig behandelt zn werden. Die Gesellschaft steht so glänzend da und zahlt so hohe Dividenden, daß sie in der Zeit bis 1917 die Kosten der Neuanlage längst zurückerhalten wird. Ich verstehe nicht, wie ein preußischer Minister hinter dem Rücken der Hauptstadt der Gesellschaft niehr Vorteile zuschanzen konnte. Erst durch die Zeitungen hat die Stadt Berlin von dem ganzen Handel erfahren. DaS ist außer- ordentlich traurig.(Lebbaster Beifall links.) Minister v. Thielen: Ich halte dem Vorredner entgegen, daß ich mich in den Vertrag zwischen der Gesellschaft und der' Stadt Berlin garnicht hinein- gemischt habe, er geht mich auch nichts an. Er tritt erst in die Erscheinuilg, wenn die ursprüngliche Konzesstonsdauer abgelaufen ist. Zur Zeit als die Konzessivnvvcrlängernng von der Gesellschaft nach- gesucht wurde, war von der Absicht der Stadt, ihrerseits die Straßen- bahnliuie» zu betreiben, garnichl die Rede. Erst als die Verlängerung erfolgt war, ist mir von dieser Absicht der Stadt Kenntnis geworden! daß rch die Absicht gehabt hätte, die Jnteresien der Stadt zu schädigen, davon kann nicht die Rede sein. Abg. Goldschmidt(frs, Vp.): Der Minister ist die Antwort auf die Frage schuldig gebliebc», weshalb er über den Kopf Berlins hinweg die Konzession verlängert hat. Etwas andres wäre eS gewesen, wenn die Gesellschaft sich erst an die Stadt gewandt hätte, um die Verlängernng der Konzession zu erhalten und zurückgewiesen dann den Minister zn Hilfe gerufen hätte. Die Bevölkerung Berlins fiel geradezu aus den Wolkcu. als man erfuhr, daß der Minister die Konzession bis 1949 verlängert habe. Wir wollen nur wünschen, daß 1917 ein anders geatteter Minister an Stelle des Herrn v. Thielen steht. Wenn der Herr Minister die Absicht gehabt hat, die Berliner Bevölkerung zu verletzen, dann ist ihm diese Absicht sehr gut ge- lungen. Für sein Vorgehen hat die Berliner Bevölkenmg absolut kein Verständnis, So'oerfährt man nicht mit Berlin , so verfährt man nicht einmal mit Poseinuckcl.(Bravo ! links.) Damit schließt die Diskussion, Die Ausgaben werden bewilligt, ebenso der Rest des Etats. Nächste Sitzung: Sonnabend, 11 llhr. Etat der Eisenbahn- Verwaltung. Schluß 5 Uhr._ K)avrsmentÄrifrszes. Bndget-Kommissio». Freitagsitzung. Eine Anregung des Abg. Gröber(C.) in Bezug auf'die Herstellung einer MiNtär-Krinttual-Statistik wird von der Regierung dahin beantwortet, daß dieselbe bereits in der Ausführung begriffen sei und seiner Zeit dem Reichstag vorgelegt werde. Auf die Frage des Refereuieu über den Preis der Maschinengewehre wurde crividert, daß ein solches auf 14 000 M, zu stehen kommt, wovon das eigentliche Gewehr 5000, die Laffette 9000 M, kostet. Abg. Speck(C.) ftagt an. unter
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