gegen, bufe Lehrlinge einen Minimal-Wockienlohn von 2.S0 Marl erhalten sollten, wurde anfangs dadurch vielfach umgangen, daß man die Lehrlinge beim Eintritt in die Lehre ein Lehrgeld(Premium) zahlen ließ, hoch genug, um daraus den Wochenlohn derselben be- streiten zu können. Das ist jetzt gesetzlich verboten. Der beste Beweis dafür, daß man mit den erörterten gesetz- lichcn Bestimmungen im allgemeinen sehr zufrieden ist, dürfte der Umstand sein, daß auf Vorschlag des Viktorianischen Minister Präsidenten(Premier) die gesetzgebende Körperschaft vor zwei Monaten dieselben auf Ziegeleien, Porzellan- und Thonwaren Fabriken, Cigarrenfabriken, Wollenwebereien , Sattlereien, Bleche waren-Fabriken und andre ausgedehnt hat, wobei die Arbeitgeber in den drei ersteren die Ausdehnung ausdrücklich befürworteten, während sie in den beiden folgenden keinen Widerspruch dagegen er- hoben. Fürsorge für Arbeitslose. Die in Hannover von einer Versammlung der Arbeitslosen gewählte Deputation hat von der Stadtverwaltung die Zusage bekommen, daß verschiedene städtische Arbeiten, die sonst noch länger liegen blieben, sofort in Angriff ge- nommen werden sollen, sodah dadurch eine ganze Anzahl Arbeits - loser Beschäftigung finden würden. In München haben die socialistischen Gemeindevertreter an den Magistrat die Anftage gerichtet, welche Maßnahmen er zu treffen gedenkt, um der gegenwärtigen Arbeitslosigkeit möglichst zu steuern durch Ausführnng von Notstandsarbeiten zc.. bezw. ob er eine ähn- liche Kalamität, wie sie gegenwärtig herrscht, künftighin durch recht- zeitige Inangriffnahme von sogenannter Winterarbeit hintanhalten will. Zugleich ersuchten sie den Magistrat, ob er eS nicht für thun- lich erachtet, umgehend eine Arbeitslosenzählung durch das städtische Arbeitsamt, wie das in Stuttgart geschieht, vornehmen zu laffen. Die OrtS-Krankenkaffen Hamburgs , die zur Zeit unter sehr starker Zersplitterung leiden, sind in Verhandlungen über Zusammen- legung der Kassen zu einer gemeinsamen Orts- Krankenkaffe ein- getreten._ Mordprozeß Nenmann. Fünfter Tag. In der heutigen Sitzung wird als erste Zeugin unverehelichte Bertha G ö r i s ch vernommen. Die Herkunft deS Rings. Der Angeklagte Bober hatte behauptet, daß er diesen Ring von der Zeugin, mit der er befreundet gewesen geschenkt erhalten habe. Die Zeugin wiederum will den Ring von einem Zeugen Schulz zum Geschenk erhalten haben. Sie erklärt auf Befragen des Vorsitzenden, daß sie glaube, den ihr hier vorgezeigten Ring als denselben wieder erkennen, de» sie dem Bober geschenkt. In einer Vorvernehmung im August v. I. hatte sie mit Bestimmtheit erklärt, daß es der Ring nicht sei und sie hatte jeden Irrtum für ausgeschlossen erklärt. Erst als ihr der Vorsitzende dies vorhält und sie' ernstlich vor dem Meineide verwarnt, erklärt die Zeugin, daß sie eine bestimmte Be- hauptung nicht aufstellen könne, der vorliegende Ring aber dem andern sehr ähnlich sehe. Auch die Zeugin Hartmann hatte vor dem Untersuchungsrichter ausgesagt, daß der Ring, den die Görisch dem Bobcr geschenkt, nicht der vorliegende Ring zu sein scheine. Bei ihrer heutigen Vernehmung kann sie bestimmte Aussagen nicht machen. Der vo» liegende Ring ist ein echter, die Zeugin hatte früher ausgesagt, daß der Zeuge Schulz der ursprüngliche Besitzer des Görischschen Ringes, den letzteren als unecht bezeichnet habe. Arbeiter Gustav Schulz bestätigt, daß er der Görisch einen Ring verkauft habe, den er eines Tags in einer Restauration für 2M. gekaust und längere Zeit getragen hatte. Er hat den Ring für unecht gehalten und erklärt, daß der vorliegende Ring ihm sehr ähn- lich erscheine. Bei seiner Vernehmung vor dem Untersuchungsrichter hat er eine ganze Reihe markanter Unterschiede angegeben und he= stimmt behauptet, daß der vorliegende Ring nicht derselbe sei den er der Görisch überlassen habe. Nachdem ihm das Protokoll vorgelesen worden, wiederholt der Zeuge, daß es nicht derselbe sei. Die Görisch hat nach der Bekundung des Zeugen auf diesen eingewirkt, vor Gericht auszusagen, daß der Ring mit demjenigen identisch sei, den er ihr gegeben, er kann sich jedoch jetzt dieser Thatsache nicht mehr entsinnen. Auf Vorhalt der Verteidigung schränkt der Zeuge schließlich seine Aussage dahin ein: er könne bestimmtes über den Ring nicht sagen, er halte aber für wahrscheinlicher, daß es nicht derselbe Ring sei. Der Goldarbeiter K r a u s e soll an dem streitigen Ringe der Görisch eine Reparatur vorgenommen haben. Er weiß sich der Sache überhaupt nicht mehr zu entsinnen. Zeugin Hedwig N i e h n, eine frühere Verlobte des Bober, weiß, daß dieser allerlei Gegenstände, Ringe u. dergl. besessen habe, die er gekauft haben wollte. Darunter befand sich auch ein Ring mit blauem Stein, der genau so ausgesehen habe, wie der vor- liegende. Dasselbe sei der Fall mit dem vorliegenden Simili- und dem vorliegenden Siegelring mit grünem Stein. Letzteren will sie schon im Sommer 1399 bei Bober gesehen haben, während Bober selbst behauptet hatte, daß er den Ring erst kurz vor Weihnachten von Nenmann erhalten habe. Abgesehen von diesem Widerspruch hebt der Vorsttzende noch folgendes hervor: Nach der übereinstimmenden Bekundung dieser Zeugin und des An- geklagte» Bober habe dieser bei einer Partie nach dem Neuen Krug den Stein aus dem Siegelringe verloren, ihn aber wiedergefunden. Der Angekl. Bober behaupte! nun, daß er den Stein selbst mit Hilfe von Siegellack wieder eingesetzt habe, während von sachverständiger Seite behauptet wird, daß in dem vorliegende» Ringe der Stein kunstgerecht eingesetzt sei.— R.-A. W r o n k e r sucht durch eine ganze Reihe von Fragen aus der Zeugin herauszubekommen, ob der Ausflug nach dem Neuen Krug nicht auch im Herbst, im Oktober oder November stattgefunden haben könne. Sie giebt die Möglichkeit zu, da sie öfter einen Ausflug nach dem Neuen Krug gemacht habe. Zimmermannsfrau Achtenhagen aus der WilhelmSbavener- straße kannte die Medenwaldt und kennt die Seeger. Eines Tags, als sie zur Medenwaldt gerufen wurde, hatte sich dieselbe ringe- schloffen und auch Frl. Seeger hatte sich in ihrem Zimmer eilige- riegelt. Frl. Medenwaldt sagte ihr. sie könne die Seeger nicht mehr behalten, sie habe Angst vor ihr und deshalb müsse sie sobald als möglich weg. Zwischen den beiden Frauen scheint an dem betreffenden Morgen kein freundliches Verhältnis obgewaltet zu haben, denn nach der Bekundung der Zeugin hat ihr kurz darauf auch Frl. Seeger ge- sagt, sie fürchte sich vor der Medenwaldt und würde froh sein, wenn sie erst ein andres Unterkommen hätte. Zeuge Mechaniker Schäm bekundet, daß er lange vor der Mord- that bei dem Angeklagten Bober einen Siegelring, ein Portemonnaie und ein Kästchen gesehen habe, die den hier vorliegenden gleich- artigen Sachen außerordentlich ähnlich gesehen haben. Er weiß auch, daß aus dem Siegelring einmal der Stein herausgegangen war und er dem Bober den Rat gegeben habe, ihn mit Hilfe von Siegellack wieder zu befestigen.— Angeklagter B o b e r erklärt hierzu, daß er diesen Rat auch befolgt und den Stein wieder sauber eingefügt habe. Er sei zwar Hutmacher , arbeite aber schon seit Jahre» bei der Herstellung von Drahtwaren und wiffe mit Löten und dergleichen Bescheid. Auch der Zeuge Ernst R i e h n hat schon vor Weihnachten 1899 bei Bober ähnliche Gegenstände gesehen, wie sie hier in Frage stehen. Andre Mitglieder der Familie Riehn bekunden dasselbe. Das Benehmen der Zeugin Seeger. Nach der Mittagspause wird eine Frau Grafel als Zeugin aufgerufen, um Auskunft über Frl. Seeger zu geben. Sie bekundet: Sie kenne Frl. Seeger nur flüchtig, diese sei am 14. Januar d. I. bei ihr gewesen, um sich nach der Adresse einer Dame zu erkundigen, die eine Gesellschafterin suchte. Bei dieser Gelegenheit soll Fräulein Seeger sich zu der Mutter der Zeugin in einer eigentümlichen Weise über den Medenwaldtschen Mord geäußert haben. Diese Zeugin ist auf Grund eines an den Präsidenten gelangten Briefes vorgeladen worden, sie weiß jedoch nichts darüber zu bekunden. Frl. Seeger wird von derZeugin mit aller Bestimmtheit als die betreffende Person wiedererkannt, diese erklärt aber, daß sie sich auf eine Begegnung mit der Zeugin überhaupt nicht besinnen könne, daß sie überhaupt nicht in der Zosseuerstraße, wo die Zeugin wohnt, ge Wesen sei. Kurz darauf besinnt sich Frl. Seeger, daß sie von einer Bekannten dorthin gesandt worden sei, die ihr sagte, sie könne dort die Adresse einer Dame erfahren, die eine Gesellschafterin suche. Bei den Erörterungen über diesen Punkt äußert sich Frl. Seeger auch dahin, daß.sie in der Halden Stadt bekannt sei"— eine Bemerkung, die den R.-A. Dr. M e n d e I zu der Frage veranlaßt, ob sie etwa schon einmal an nervösen Zufällen gelitten habe? Die Zeugin S e e g e r verneint dies.— R.-A. W r o n k e r stellt durch Befragen fest, daß die Dome, die eine Gesellschafterin suchte, 72 Jahre alt sei, der Verteidiger fragt darauf die Zeugin, ob sie vorwiegend bei alten alleinstehenden Damen Stellung als Gesellschafterin suchte, oder ob sie solche Stellung auch bei Familien annehmen wollte.— Die Zeugin beklagt sich über derartige„anmaßliche* Reden, unter denen sie schon mehrfach zu leiden habe.— Rechtsanwalt Dr. Mendel wünscht nähere Aufklärung über das„Anmaßliche", was in der Frage des Verteidigers liegen solle.— Zeugin: In der Frage liegt die Unterstellung, daß ich bei alleinstehenden Damen Stellung suche und dann...— V e r t.: Nun, und dann? Bitte fahren Sie nur fort.— Zeugin zögert.— Bert.: Wollen Sie damit sogen, daß man Sie mit dem Morde in Verbindung bringe?— Zeugin: Jawohl I— V e r t.: Ist Ihnen bekannt, daß schon kurz nach dem Morde von dritter Seite der Vorwurf erhoben wurde, daß Sie mit dem Morde in Verbindung ständen?— Der Vorsitzende schneidet weitere Fragen dieser Art ab. Nachdem der Untersuchungsrichter, Landrichter G r u n o w. über die ersten Vernehmungen der beid-n Angeklagten vernomm-n worden, werden die Erörterung"'' über die drei Ringe und deren Aehnlichkeit mit Ringen, die Zeugen lange vor der Ermordung des Fräulein Medenwaldt gesehen haben, fortgesetzt. Eine Zeugin hält die Aehnlichkeit für eine so große, daß ste sich mehr der' Ansicht zuneigt, daß es dieselben Ringe seien. Eine Zeugin Helene N i t s ch k e findet namentlich in dem Porte- monnaic eine sehr große Aehnlichkeit mit einem solchen, welches sie im Besitze des Augeklagten Bober gesehen..Sie möchte beinahe sagen, es sei dasselbe." Der Sachverständige Uhrmacher K r a m m hält die Darstellung des Aug'-'lagten von der Art, wie der Stein aus dem Siegelring herausgefallen und von ihm mit Hilfe von Siegellack wieder hinein- gebracht sein soll, zwar nicht für unmöglich, aber doch nicht für wahrscheinlich. Sachverständiger Goldarbciter H o t h o r n ist der Ansicht, daß der S'-gelring früher wohl schon einmal einen andren Stein gehabt habe,' hält es aber aus technischen Gründen für recht un- wahrscheinlich, daß der jetzige grüne Stein von der Hand eines Laien eingesetzt sein könne, glaubt vielmehr, daß dies durch einen Sach- kundigen geschehen sei. Für absolut widerlegt könne er die Be- hauptnng des Angeklagten allerdings nicht erklären. Frau Schumann ist diejenige Zeugin, in deren Geschäft der Angeklagte Bober einen der 3 Ringe— den mit dem Similistein— gekauft habe» will. Sie giebt die Möglichkeit zu, kann aber Be stimnites darüber nicht sagen. Rechtsanwalt Dr. Mendel hebt hervor, daß der Angeklagte Bober das Geschäft der Zeugin ohne weiteres genannt habe, obgleich dasselbe schon längere Zeit nicht niehr in der Frankfurtcrstraße existierte, sondern erst ermittelt werden mußte. Konfitürenhäudler Walter Länge bestätigt auf Befragen des Vorsitzenden, daß er in seinem Geschäft solche Kästchen, wie es hier in Frage stehe, führe. Bober sei Knude von ihm gewesen, und er wisse genau, daß derselbe vor Weihnachten 1899 genau ein solches Kästchen für 50 Pf. in seinem Geschäft gekauft habe.— Rechtsanwalt Dr. Mendel stellt fest, daß Bober aus dem Gefängnis heraus gleich bei seiner ersten Vernehmung gesagt habe, daß er das Kästchen bei Länge gekauft habe. Bekundungen über Diebstähle des Angeklagten. Kaufmann Oskar G e i ck e ist seiner Zeit Buchhalter bei dem Lederwaren- Fabrikanten S. Markiewicz gewesen. Der Angeklagte Bobcr behauptet, daß er in dem Geschäft Laufbursche gewesen sei und der Zeuge ihm das angeblich Medenivaldtsche Visitenkarten- Täschchen geschenkt habe. Bober nennt auch einige Namen von An- gestellten des Geschäfts, der Zeuge kann sich aber auf dessen Person absolut nickt besinnen, er hält es auch für ganz unwahrscheinlich, daß er ihm dies Täschchen geschenkt haben sollte. Hierauf wird der Zeuge Förster vernommen. Er ist Portier im Hause Brunnenstr. 18 und soll auch seinerseits bekunden, ob Neumann derselbe Mann sei, der am 10. April vormittags in jenem Hause gesehen worden ist. Er kann darüber nichts sagen, da der Manu damals schon einen zu großen Vorsprung hatte. Nach seiner Meinung ist der Angeklagte auch nicht der Mann, der am 3. April in demselben Hause bei Frl. Krause eingebrochen hat. Rechtsanwalt Dr. Mendel: Wenn Sie nun aber hören, daß Neumann wegen dieses Einbruchs zu Zuchthaus verurteilt worden ist, dann ist es doch wohl derselbe Mann gewesen?— Zeuge: Dann irre ich mich, Zeugin Frl. Martin bekundet, baß der Angeklagte Neumann am Moiitag nach Ostem v. I. bei ihr eingebrochen habe und zwar uachniiitags zwischen 4 und 5 Uhr. Die Zeugin hatte an jenem Tage nur einen kurzen Geschäftsgang gemacht. Als sie beim Nach- bausekommen die Thür ihrer Wohnung offen fand, war sie sehr er- schrocken und als sie die Thür öffnete, sah sie zu ihrem Erstaunen den Angeklagten in ibrer Kücve. wo er es sich schon ganz bequem geniächt und seinen Ueberzieher auf den Stuhl gelegt hatte. Auf die Frage:.Was er hier wolle?" habe der Angeklagte geantwortet:„Die Thür stand ja offen! Ich bin Nähmaschinen- Reisender!" Die Zeugin erwiderte:»Sie sind ein schöner Reisenderl Ein Einbrecher sind Sie!" Der Angeklagte erklärte aber, nichts ge- stöhlen zu haben, und verstand es, den Ausgang zu gewinnen. Er soll in«i» Nebenhaus gerannt sein, beim Nachsuchen daselbst wurde er aber nicht gefunden und es hieß, er sei über dieDächer entkomme».— Präs.: War der Angeklagte sehr frech, als Sie ihn in Ihrer Wohnung über- raschten, hat er Sie bedroht, oder bedrohliche Redensarten gemacht? — Zeugin: Nein, er war sehr höflich I lHciterkeit.)— Dieser Einbruch ist noch nickt gesühnt., Der Augeklagte N e u m a n n giebt auf Befragen mit heiterer Miene zu, daß e r der Einbrecher gewesen sei.— Staatsanwalt Reiß konstatiert, daß in diesem Falle also der Augeklagte von seinem angeblichen Princip, nur zwischen 9 und 12 Uhr vormittags einzubrechen, abgegangen sei. Um 4Vz Uhr wird die Verhandlung auf Sonnabend 9Vz Uhr vertagt._ Gerichlks�Ieitung. Unglaubliche Borkommnifse in einer Privat-Bade-Rnstalt kamen gegen deren Inhaber. Stange, zur Sprache, der gestern unter der Anklage des wiederholten Betrugs vor der 129. Abteilung des Schöffengerichts stand. Durch die umfangreiche Beweisaufnahme wurde festgestellt, daß der Angeklagte an Gichtkranke Lohtanninbäder verabfolgt halte, deren Material bereits von andern Kranken benutzt worden war. Einige Zeuge» hatten die Anstalt»»verrichteter Sache voller Ekel wieder verlassen. Der Gerichtshof verurteilte den Au- geklagten zu einer Geldstrafe von 1000 M. Zum Kapitel der unschuldig Berurteilten liefert der Fall des Kaufmanns W e i n e r t einen bemerkenswerten Beitrag. Am 13. Oktober 1893 wurde derselbe wegen vollendeten und versuchten Betrugs zu einer Gefängnisstrafe von 9 Monaten verurteilt. Be- sonders belastend war für ihn das Gutachten des damaligen gericht- lichen Bücherrevisors. Nach jahrelangem Bemühen des Verteidigers, Justizrals Arnold Goldsiein. gelang eS demselben, das Wiederaufnahme- Verfahren durchzusetzen. Gestern wurde vor der 9. Strafkammer des Landgerichts I von neuem gegen Weinert verhandelt. Die drei ge- richtlichen Bücherrevisoren Kruse, Huschke und Bachmann gaben ihr Gutachten in so entlastender Weise für den Angeklagten ab. daß der Staatsanwalt selbst deffen kostenlose Freisprechung beantragte. Der Gerichtshof erkannte dementsprechend. Nur einem günstigen Zufall hatte der unschuldig Verurteilte eS zu danken, daß er die Strafe nicht anzutreten brauchte. Ein Maffenprozest gegen Schulkinder, die Folge eines sommerlichen Ausflugs, kam dieser Tage vor dem Gericht m F r i e s a ck(Westhavelland ) zur Verhandlung. Auf einer Partie, den zwei Gemeindeschulklassen unter Führung der Lehrer im Juli v. I. nach Sölln unternahmen, schmückten die Kinder die Wagen, welche zu ihrer- Beförderung dienten, mit B i r k e n r e i s e r n; diese wurden dazu in der' Forst gepflückt. Der später hinzukommeude Rcvierförster erstattete, als er die geschmückten Fuhrwerke gesehen, gegen sämtliche beteiligten Kinder, etwa 80 anderZahl, beim Amtsgericht Anzeige wegen Entwendung der Birkenzweige. Da sich unter den Kindern aber 50 befanden, die noch nicht 12 Jahre alt waren, also das straffähige Alter nicht erreicht hatten, so konnten nur 30 zur Rechenschaft gezogen werden: diese erhielten»un jedes einen Strafbefehl in Höhe von 1 Mark wegen.Forftdieb- st a h l s". Hiergegen wurde auf Entscheidung deS Gerichts angetragen. In dem Verhandlungstennin bestritten nun alle Kinder'bis auf drei, sich an der Entwendung von Birkenzweigcn beteiligt zu haben; und ein Beweis ihrer Schuld konnte auch nicht erbracht werden. Bei den drei geständigen Angeklagten kam der Amtsanwalt zu der Ueberzeugung, daß sie die zur Erkenntnis der Strafbarkeit ihrer Handlungsweise erforderliche Einsicht noch nicht besäßen; darauf wurden alle Angeschuldigten freigesprochen. Ob es wirklich unbedingt geboten war, gegen Schulkinder auS einer so harmlosen Veranlassung derart vorzugehen? China . Die Waldersee -Expedition„vertagt". Ein Pekinger Telegramm besagt: Graf Waldersee hat den geplanten Vormarsch vertagt, nachdem die chinesische Re- giernng die von den Gesandten gestellten Strafforderuiigcn zugestanden hat. Amerikanische Besorgnisse. AuS New Dork wird gemeldet: Der Vorschlag der Ver- einigten Staaten, nach welchem die verschiedenen Mächte sich gegenseitig verpflichten sollen, keine neuen Kon-rssionen seitens Chinas zu verlangen, ist im Princip angenommen worden. Russtsch-japanische Spannung. Die Annexion der Mandschurei durch Rußland wird als voll- ständig, bis auf den Namen, betrachtet. DaS russische Civilgonvcrne« nient beschlagnahmt die Seezölle und hat eine Kopfsteuer eingeführt. Am 10. Februar machten räubernde Russen einen Angriff auf ein Gast- haus, am 11. Februar auf das englische Konsulat, deffen Wächter er« schaffen wurde. Der Gegensatz zwischen Rußland und Japan scheint sich zu verschärfen und man kann daher der Auf- fasinng hier begegnen, daß im Frühjahr ein russisch-japa« nischer Krieg im Bereich der Möglichkeit liege. Mscheichkett und DepesifzVNs Eisenbahn Unglück. Köln , 22. Februar.,(23. T. B.) Nach Meldungen aus St. Goar ist heute nachmittag 4 Uhr bei der Einfahrt in den Bahnhof St. Goar der drittletzte Wagen des Durchgangszugs Basel— Köln infolge eines Nadreifenbruchs e n t g l e i st und ungefähr 250 Meter neben dem Geleise hingeschleift worden. ES ist jedoch niemand verletzt worden. Nachdem die Reisenden der letzten drei Wagen in die vorderen Wagen untergebracht ivaren, konnte der Zug unter Zurücklassung der letzten drei Wagen die Fahrt fortsetzen. Die Transvaalfrage im englischen Unterhause. London , 22. Februar.<W. T. B.) Unterhaus. William Redmond fragt, ob der deutsche Kaiser der britischen Regierung seine Dienste als Schiedsrichter indcrFrage derBeendiguug des Boerenkriegs angeboten habe.— Uuterstaatssekretär Lord Cranborne beantwortet die Frage mit nein.— Redmond fragt hierauf: Will die Regierung erwägen, ob es rätlich ist, den deutschen Kaiser um seinen Schiedsspruch zu ersuchen?— Der Sprecher ruft Redmond zur Ordnung. Eine Antivort wird auf diese Frage Redmonds nicht erteilt.— Auf eine Anfrage teilt der Schatzkanzler Hicks- Beach mit, der bisher auS« gegebene Betrag an Kriegskosten sei 81 500 000 Pfund Sterling, die wöchentlichen Kosten belaufen sich auf etwa 1250000 Pfd. Stcrl.— Der Kriegsminister Brodrick erklärt, daß nach einer kürzlich auf- gestellten Schätzung die Zahl der im Felde stehenden Boeren etwa 20 000 betrage, und daß im Januar mehr als 16 000 Boeren ge- fangen in den Händen der Engländer waren(?); diese Zahl habe sich in der letzten Zeit noch erhöht. Dampferkatastrophe im Hafen von Sa» Francisco. San Francisco , 22. Februar. (W. T. B.) Der der„Pacistc Mail Steamship Company" zu Reiv Doek gehörende Dampfer „City of Rio de Janeiro" hatte Hongkong am 22. Januar und Dokohama am 2. Februar verlassen und traf gestern abend am Goldenen Thor,(Hafen von San Francisco ) ein und legte sich des Nebels wegen bis 5 Uhr morgens vor Anker. Als er dann in den Hafen einfuhr, lief er auf ein Riff auf und sank in fünfzehn Minuten.* ES brach eine große Verwirrung aus, während die Boote inS Waffer gelassen wurden. Viele Personen sprangen über Bord. Drei Boote kamen von dem Schiff gut ab. Wie viele ertrunken sind, läßt sich noch nicht sagen, da der Zahlmeister, der die Passagierliste hat, vermißt wird. Man glaubt indessen, daß sich 29 Kajüten- Passagiere, darunter sieben Weiße, und 150 Japaner und Chinese» im Zivischendeck befunden haben. Die Mannschaft zählte 140 Köpfe. Frankfurt a. M.. 22. Februar.(B. H. ) Die.Franks. Ztg." meldet aus New Dork: In Fiillstop bei Trenton stieß der Atlantic-Expretz der Pensylvauia-Bahn mit einem Lokalzug zu- sammen. 12 Personen wurden getötet und 40 verletzt. Wien , 22. Februar.<W. T. B.) Unter den Eingängen der heutigen Sitzung des Abgeordnetenhauses � befanden sich eine Interpellation Schönerer betreffend Besitzergreifung eines Gebiets- streifens in Tientsin und eine Interpellation Funke betreffend Dnrch- führung der Verordnung vom 17. Oktober 1899 über die Anfhcbung �er Sprachenverordnuugen für Böhmen . Budapest , 22. Februar.<W. T. B.) Die Arbeitslosen wollten heute abernrals demonstrativ die Straßen der Stadt durch- ziehen; die Polizei verhinderte dies jedoch und verhaftete 22 Per- sonen, welche Widerstand leisteten. Paris , 22. Februar.(B. H. ) Die revolutionären Socialisten hielten eine Bersanmilung ab, in der sie gegen das neue Gesetz des Handelsininisters Millerand betreffend Regelung der Ausstände protestierten. Eine Tagesordnung in diesem Sinne wurde an- genommen. Mehrere socialistische Abgeordnete wohnte» der Ver- sammlung bei. PariS , 22. Februar.(23. T. B.) Die Abendblätter melden ans Montceau-leS-Mines , daß dort im Auftrag des Staatsamvalts zwei ans St. Etieune angekommene Kisten mit Erwehren beichlag- nahmt seien. Anläßlich dieser Maßnahme habe ein Führer der Ans- ständigen einem Bencklerstatter erklärt, daß die ausständigen Berg- arbeiter nahezu 3000 Gewehre besäßen. Paris , 21. Februar.(W. T. B.) In der Deputiertenkammer beantragte der Nationalist Ganthier de Claguy, in das Budget 6 Millionen Frank einzustellen zur Unterstützung der durch die Kälte und de» Acbeitsinangel in Mitleidenschaft gezogenen Arbeiter« bevölkeruug. Der Antrag wird für dringlich erklärt und der Budget« kommission überwiesen. Salonichi, 22. Februar.(B. H. ) Die Mitglieder des hiesigen macedonischen Komitees wurden verhaftet. Die Polizei be- schlagnahmte Waffen und kompromittierende Schriftstücke. Verantwortliche, Redacteur: Wilhelm Schröder in Wilmersdorf . Für den Inseratenteil verantwortlich: Th.«locke tn Berlin . Druck und Verlag von iviax Babing in Berlin . Hierzu 1 Beilage.
Einzelbild herunterladen
verfügbare Breiten