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Nr. 27.

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Vorwärts

9. Jahrg.

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Fern sprech- Anschluß: Amt VI, tr. 4108.

Berliner Bolksblatt.

Zentralorgan der sozialdemokratischen Partei Deutschlands .

Redaktion: Benth- Straße 2.

werden.

Dienstag, den 2. Februar 1892.

Expedition: Beuth- Straße 3.

traft des Soldaten, der ein willenloses Werkzeug in der Politische Uebersicht.

Hand des Vorgesetzten sein soll.

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Diese neue

Bur Naturgeschichte des Militarismus. Es ist wahr, in neuerer Zeit haben militärische Jdeo­Berlin, den 1. Februar. logen merkwürdiger Weise giebt es auch solche den Das Aftenstück, welches wir in unserer letzten Nummer Grundsatz aufgestellt, der Soldat müsse zur Selbstän Die vom Reichstage am Freitag in dritter Lesung veröffentlichten, hat gerechtes Aufsehen erregt und wird bei bigkeit erzogen werden. Das Problem aber, wie Gelb- angenommenen Ge se te betreffend die Anwendung der ver­ben bevorstehenden Debatten des Reichstages über den ständigkeit des Individuums mit blindem Gehorsam zu ver: Bestände von Getreide, Holz und Wein, sowie betreffend tragsmäßigen Zollsäge auf die in Transitlagern vorräthigen Militäretat jedenfalls als wuchtiges Material verwerthet einigen sei, ist noch schwieriger als das der Quadratur des die Anwendung der vertragsmäßig bestehenden Zollbefreiungen Zirkels. Es ist die unmöglichste aller Utopien. Mag ein Die Nechtheit des Aftenstückes steht absolut fest. The Militär das wundersame Wort Moltke's: daß die und Zollermäßigungen gegenüber den nicht meistbegünstigten wir aur Veröffentlichung schritten, stellten wir sorgfältige Armee eine vorzügliche Schule der Bildung sei, noch so ernst Staaten, sind, da sie bereits am 1. Februar in Wirksamkeit Nachforschungen an, welche jeden Zweifel an der Aechtheit nehmen, er kann, ohne die Grundlagen des Militarismus 3u treten haben, am Sonnabend Abend im Reichsanzeiger" ausschloffen und die Richtigkeit der mitgetheilten Thatsachen zu zerstören, nicht darauf verzichten, daß der Soldat blinden verträge in Kraft und enthusiastische Bourgeoisblätter batiren publizirt.-Mit dem heutigen Tage treten die Handels­ergaben. Hätten wir überhaupt Bedenken noch hegen Gehorsam zu leisten hat, daß er, ohne mit der Wimper vom 1. Februar 1892 eine neue era." tönnen, sie hätten verschwinden müssen vor der Rücksicht zu zucken, jedem Befehl auf unsere Pflicht als Vertreter des Gemeinwohles, der zu leisten hat und sei der Befehl noch so widerfinnig, die vielen neuen Aeren", die ihr vorausgegangen sind. des Vorgesetzten Folge Nera" wird nicht besser und nicht schlechter ausfallen, als Humanität und des Menschenrechts. noch so brutal, noch so entwürdigend. Wir haben in der Das Aftenstück sagt uns nichts Neues. Wir waren über Armee den rücksichtslosesten, tonsequentesten Absolutis. Die Hunnenschlacht der Geister, wie der wahr die Zustände in der Armee so weit unterrichtet, daß uns mus. Jeder Unteroffizier ist für den unter ihm Stehenden haftige Stocker die Kammerkaybalgerei um das Schulgesetz fein der in dem Aftenstück erzählten Greuel überraschen ein Selbst herrscher, der sein sic volo, sic in belanntem Schauspieler- Schwulst nannte, hat höchft konnte ja die meisten uns schon vorher bekannt waren. jubeo spricht und seinen Willen als oberstes fazenjämmerlich geendet. Den Phrasenorgien mußte der Aber amtlich war bisher Alles, was betreffs der Gesetz hinstellt und ihm Gehorsam erzwingt. Mißhandlungen unserev dienenden" Brüder und Söhne der Despot gutmüthig, dann wird er, falls er nicht die ihre Rechnung dabei zu finden hoffen, suchen die Ift Razenjammer folgen, und nur die Veranstalter des Radaus, ins Publikum drang, regelmäßig entweder abgeleugnet oder übler Laune ift, feine" Leute gut behandeln; ist er jäh- Komödie der Leidenschaft noch fortzusetzen. Hunnenschlacht beschönigt, oder für seltene, nur die Regel der guten Be- zornig, boshaft, so wird er sie mißhandeln. Was von der Geister! Reine Schlacht, teine Geister und wenn handlung unserer Soldaten beweisende Ausnahmen erklärt dem politischen Absolutismus gilt, das gilt auch von dem wir sagen wollten, daß die Hunnen wenigstens stimmen, worden. Jetzt haben wir das amtliche Geständniß, daß militärischen: im Wesen des Absolutismus dann würden die Akteure gewiß heftig protestiren. wir die Dinge von Anfang an richtig aufgefaßt hatten. liegt der Gewaltmißbrauch.

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Um so recht ad oculos zu demonstriren, was es mit

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Des Ferneren ist das Aktenstück bedeutungsvoll durch Mag den Unteroffizieren noch so streng eingeschärft diesem sogenannten Prinzipienkampf zwischen Regierung und die Thatsache, daß es den ernsten Willen der werden, daß sie die Soldaten zur Selbständigkeit erziehen Konservativen einerseits und Liberalen und Fortschrittlern obersten Militärbehörden bekundet, Mißhandlungen der sollen die militärische Erziehung wird immer Dressur andererseits in Wirklichkeit auf sich hat, brauchen wir blos Soldaten zu verhüten. Das Schreiben des Oberbefehls- sein. Und der Soldat darf sich nicht mudsen". Selb- zu erwähnen, daß am Freitag, wo der Prinzipien habers der fächsischen Armee ist von dem menschenfreund- ständigkeit in der Praxis heißt: Kriegsartitel. tampf" im Abgeordnetenhaus am heftigsten tobte, lichsten Geiste durchhaucht, und wir wissen auch, daß dieses Sogar in einem Lande, wo der demokratische Geist so die Regierung im Reichstag die Unterstützung der Schreiben fein vereinzelter Aft war, und daß Instruktionen verbreitet ist, daß auch die Armee sich ihm nicht hat ver- liberalen, fortschrittlichen und sozialdemokratischen, Atheisten" genau in demselben Geiste von höchster Stelle" auch für schließen können wir meinen Frankreich , find alle brauchte, um gegen die christlichen Konservativen vor einer Sie preußische und bayrische Armee ergangen sind. Versuche, die militärische Dressur zu einer militärischen Niederlage gerettet zu werden. Krieg auf Leben und Tod Diese Justruktionen sind schon in der ersten Hälfte des Erziehung zu gestalten, erfolglos gewesen. Und auch mit Leuten, von deren Unterstüßung man abhängt das vorigen Jahres erlassen worden, und das von uns ver in der französischen Armee kommen entsetzliche Soldaten ist Theaterlärm.- öffentlichte Aktenstück trägt das Datum des 8. Juni 1891. mißhandlungen vor. Greuel, wie die, welche Prinz Georg, Die fortschrittlichen Blätter- namentlich die Frei­In diesen sieben oder acht Monaten hätte sich eine Wirkung Herzog zu Sachsen , in seinem Rundschreiben brandmarkt, sinnige Zeitung" sind sehr verdutzt über diese Wendung zeigen müssen. Es hat sich jedoch, wie wir bestimmt sagen liegen eben in dem System und sie werden dauern so der Dinge und beweisen dadurch von Neuem ihre Unfähig­tönnen, teine Wirkung gezeigt. Und ebenso bestimmt lange der Militarismus dauert. tönnen wir sagen: es wird sich keine zeigen. teit, die selbstverständlichsten Dinge zu begreifen. Herr Die Da hilft kein Wenden und Drehen der Militaris- Richter wirft in seiner komischen Entrüstung den National­Soldatenmißhandlungen sind keine zufälligen Erscheinungen, mus ist nicht nur mit den wirthschaftlichen Interessen des liberalen Mangel an Konsequenz vor er hat also den e find naturnothwendige Ausflüsse des Volkes unverträglich, sondern auch mit der Humanität. Bennigsen'schen noch Charakterstärke und Prinzipienfestigkeit Militarismus- und gehören organisch zu ihm, Und darum fühlen wir, angesichts der haarsträubenden zugetraut. Er scheint die Naivität seiner Spar- Agnes zu gerade wie die Prostitution und das 8uh älter- Berbrechen, zu welchen der Militarismus führt, uns in dem haben. thum einen organischen Theil der herrschenden Gesellschafts- Entschlusse bestärkt, mit aller Kraft dahin zu wirken, daß ordnung bildet. Da hilft kein guter Wille, da ist die mit dem System der stehenden Heere gebrochen äußerste Energie ohnmächtig. Da hilft keine Deffent- wird. lichkeit der Militärprozesse. Alle Reformversuche müssen am innersten Wesen des Wiilitarismus scheitern. Der Wiili­tarismus beruht nun einmal auf blindem Gehorsam, er zermalmt die Individualität und bricht die Widerstands­

Feuilleton.

Nachdrua verboten.)

Am Webstuhl der Zeit.

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Beitgenössischer Roman in 3 Büchern

von A. Otto Walster .

Fort mit dem Militarismus!-

mit dem gemäßigteren Flügel der Demokraten. Meine Herren, hat noch Jemand etwas zu bemerken? Das scheint nicht der Fall zu sein, und somit erkläre ich die Vor­besprechung der Vertrauensmänner der liberalen Partei behufs Aufstellung eines liberalen Parteikan didaten für den nächsten Landtag geschlossen."

Dreizehntes Kapitel.

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Um zu sehen, bis zu welcher Höhe der Naivetät die Herren Fortschrittler und ,, Demokraten " sich in Beurtheilung Ser Freitagsszene im Abgeordnetenhaus verstiegen haben, muß man die jetzt hierher zurückkehrenden Berliner Korrespon denzen der Blätter besagter Richtung sich ansehen. Ein durch besondere Wichtigthuerei und Klatschhaftigkeit aus­gezeichneter Berichterstatter verräth uns sogar, daß die

Musselich denkt oder nur ins Blaue hineinstarrt, ist schwer zu errathen. Das zeitweilige Stirnrunzeln scheint auf das Erstere, die unbeweglichen Augen auf das Letztere hinzu­deuten. Es klopft an die Thür, und Herr Musselich läßt ge wohnheitsmäßig sein uns schon bekanntes trächzendes Herein" vernehmen.

Der Ankömmling zeigt sich dem Blicke als ein fein­gekleideter, äußerst solid aussehender Herr. Er macht auch auf Musselich einen sichtlichen Eindruck, denn der würdige Expeditions- Vorstand erhebt sich aus seiner bequemen Lage, nimmt die Pfeife aus dem Munde und spricht mit der freundlichsten Miene, die er anzunehmen vermag:

Ah, ergebenster Diener, Herr Assessor. Was verschafft mir denn die so unerwartete, wie unverdiente Ehre, Herr Assessor Leo?"

Die Audienzen des Herrn Musselich. Herr Dr. Lutz erhält als Referent zum Schluß noch Es ist wieder Sonntag, und wir benutzen diesmal die einmal das Wort, um einige herzliche Ermahnungen und Stunden des Morgens, um in einer engen Gasse drei Stiegen Empfehlungen an die Zuhörer zu richten, und empfiehlt eines alten Hauses emporzufteigen, worauf wir uns einer schließlich Herrn Professor Birnenmann als den besten und Thür gegenüber befinden, an welcher auf einem weißlackirten vertrauenswürdigsten Kandidaten. Während der hierdurch Blechschilde in schwarzen Buchstaben zu lesen ist: entstehenden Aufregung und Begeisterung und mitten unter H. Musselich, Hochrufen und Händeklatschen vertheilen wir die Bettel, Expeditions Vorstand. auf denen die Namen unserer Wahlmänner gedruckt sind. Herr Musselich feiert seinen Sonntag in seiner eigenen Zu diesen Wahlmännern gehören wir natürlich alle. Diese Weise. Ein gelbfarbiger Schlafrock mit geblümtem Muster Wahlmänner- Liste muß gleichfalls durch Attlamation von legt sich fanft um seine hagere Gestalt, die sich bequem den Bersammelten angenommen werden, die sich sodann mit auf dem mit schwarzem Leder überzogenen Sopha zurück- Ganz recht, Herr Assessor, ich erinnere mich noch voll­begeisterten Hochrufen, welche bis in die Straße fortzusetzen gelehnt hält. Die Füße fizen zwanglos in niedergetretenen kommen." find, trennen. Sollte dann noch von Seiten der Partei des Hausschuhen, an denen Jemand vor Jahren seine Stickkunft Sie erklärten mir damals, daß Sie immer etwas Geld Herrn Benjamin oder von Seiten der Konservativen ein versucht hatte; die Haarspigen stehen heute steifer als gewöhn- in Reserve behielten."

" Herr Musselich, Sie werden sich erinnern, daß ich ge­legentlich einmal bei Ihnen anfragte, ob Sie wohl einige Gelder disponibel hätten....?"

anderer Borschlag gemacht werden, so schützt der Vor- lich um die tahle Höhe seines Hauptes und auf dem Gesichte" Das waren allerdings meine Worte, Herr Assessor," figende die vorgerückte Stunde vor und verheißt weitere hat ein Ausdruck von behäbiger Ruhe und stiller Selbst bemerkt Musselich, bedachter werdend und die Brille nach Berhandlungen in einer späteren Zeit, in einer zweiten zufriedenheit Platz gegriffen. Auf dem Tische vor ihm steheit der Stirn hinaufschiebend.

Bersammlung. In der Zwischenzeit aber, darauf fönnen noch die Ueberreste eines nahrhaften Frühstücks von Schinken Die von Ihnen damals abgegebene Erklärung hat Sie sich verlassen, wird Dr. Benjamin zu Kreuze friechen und Eiern, und das Stillleben vervollständigen ein halb- mich veranlaßt, mich in einer vorübergehenden Verlegenheit und mit uns Berhandlungen anknüpfen. Unser Zweck ist geleertes Weinglas und die Flasche, aus welcher es gefüllt an Sie zu wenden." dann erreicht. Wirft er uns aber gegen Erwartung den worden.

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Sie? Herr Assessor? Ei das ist ja gauz merkwürdig. Fehdehandschuh hin, dann giebt es für uns immer noch ein Herr Muffelich raucht aus einer langen türkischen Pfeife, Aber freilich, so was tann bei Jedem vorkommen." Abkommen mit den Konservativen oder schlimmsten Falls ein Genuß, den er sich nur Sonntags vergönnt. Ob Herr

" Die Sache bei mir ist ganz einfach; ich gedenke nämlich