Nr. 69. 20. Jahrgang.
4. Beilage des„ Vorwätts" Berliner Volksblatt.
Gerichts- Zeitung.
Der Untergang des Passagierdampfers ,, Primus" vor Gericht. Altona , den 21. März 1903. Das entsetzliche Schiffsunglück, das im vergangenen Hochfommer über zahlreiche Familien tiefe Trauer gebracht hat, wird am Dienstag die erste Straftammer des hiesigen königlichen Landgerichts beschäftigen.
"
"
An einem prächtigen Sommermorgen des 21. Juli 1902 unter nahm der Eilbecker Männer- Gesangverein" Treue" auf dem BurteGuder Passagierdampfer Primus" mit Musikbegleitung eine Vergnügungsfahrt. Einschließlich der Frauen und Kinder sollen 210 Perfonen auf dem Dampfer gewesen sein. Gegen 11 Uhr abends wurde die Rückfahrt von Cranz aus nach Hamburg angetreten. Da Niedrigwasser war, mußte der Dampfer vollständig unterhalb des Schweinefandes herumfahren. Auf der freien Elbe angelangt, suchte der Dampfer das nördliche Fahrwasser auf, da hier die geringste Strömung herrscht. Ettva zu gleicher Zeit, als der Primus" von Cranz abdampfte, fuhr der der Hamburg- Amerika- Linie gehörende, zu Schleppzivecken auf der Elbe verwandte Schraubendampfer " Hansa " von Hamburg ab, um Leichter von Brunshausen zu holen. Als sich nun der Primus" gegenüber von Nienstädten befand, kam die elbabwärts fahrende Hansa" in Sicht. Diese wollte den Primus", in Gemäßheit der Bestimmungen, rechts passieren, der Primus" dagegen glaubte fich an der Nordseite des Fahrwassers sicherer und wollte deshalb links von der„ Hansa " vorbei; aus diesem Anlaß gab er mit der Dampfpfeife das Signal: Ruder links. Die " Hanja" durfte aber dieser Aufforderung nicht nachkommen, da sie eine Verlegung der kaiserlichen Verordnung zwecks Verhütung von Zusammenstößen auf See, die auch auf der Elbe Geltung hat, ge= wesen wäre. Die„ Hansa " stoppte deshalb ihre Maschine. In diesem Augenblick erfolgte aber der Zusammenstoß.
"
die Sicherheit der Schiffahrt gefährdender Mißbrauch scharf zu verurteilen ist. Den Führer der Hansa ", Kapitän Sachs, trifft der Vorwurf, sein mit Rücksicht auf die voraus beztv. etwas an Backbord befindlichen Lichter gegebenes Backbord- Ruder nicht signalisiert zu haben. Durch das nach Artikel 28 der kaiserlichen Verordnung hier vorgeschriebene Signal wäre die Situation vielleicht rechtzeitig geklärt worden, auch wäre es vorsichtiger gewesen, wenn Kapitän Sachs eher, als geschehen, die Fahrt seines Schiffes ermäßigt hätte." die hiesige Staatsanwaltschaft der Sache näher getreten. Diese hat Da das Unglück auf Altonaer Gebiet stattgefunden hat, so ist nach langer Untersuchung gegen den Kapitän der Hansa ", Hermann Sachs und den ersten Steuermann dieses Schiffes, Adolf Wahlen, die Anklage wegen fahrlässiger Tötung auf Grund des§ 222 des Strafgesetzbuches erhoben.
eines Menschen verursacht, wird mit Gefängnis bis zu drei Jahren Dieser Paragraph lautet:" Wer durch Fahrlässigkeit den Tod bestraft. Wenn der Thäter zu der Aufmerksamkeit, welche er aus den Augen sezte, vermöge seines Amtes, Berufs oder Gewerbes befonders verpflichtet war, so kann die Strafe bis auf fünf Jahre Gefängnis erhöht werden."
Unglück verursacht zu haben. Es sind zu der Verhandlung eine große Die Angeklagten bestreiten mit großer Entschiedenheit, das Anzahl Zeugen und mehrere Sachverständige geladen.
=
Sonntag, 22. März 1903.
eines Verkehrs mit der Geisterivelt werden würden, sind als vollendete Betrugsfälle aufgefaßt worden. Die Angeklagte ist in Gemeinschaft mit Jentsch bei den Einladungen nur geladene Gäste fanden Zu tritt sehr vorsichtig zu Werke gegangen. Die Bewerber wurden zweimal durchgefiebt, zuerst kam die Gutgläubigkeit in Betracht und dann die Zahlungsfähigkeit. Jeder Besucher wurde nach seiner Zahlungsfähigkeit abgeschätzt und danach wurde das zu zahlende Entree bemessen. So ist es gekommen, daß einzelne Personen nur 100 M. Wenn auch das Einkommen der beiden Schwindler nicht an 2,50 M. oder 3 M. zahlten, andre aber 10, 20, 30, 50, ja bis das eines Nardenfötter heranreichte, so muß es doch ein ganz erheb liches gewesen sein, da die Séancen sehr einträglich waren und namentlich im Winter mindestens eine in jeder Woche stattfand. Wer etiva glaubt, daß die Angeklagte in ihrem Aeußeren irgend etwas sein, die Angeklagte ist eine 53 Jahre alte Witive. Ihr Ehemann Bestrickendes hat, irrt sich. Die Somnambulen pflegen meist jung zu war ein invalider Kesselschmied, der im vorigen Jahre gestorben ist. Bemerkt sei noch, daß Rechtsanwalt Dr. Schwindt allein die Vers teidigung führt. Der nebenbei genannte Dr. Willy Thiele hat mit der Sache nichts zu thun, dieser vertritt Dr. Schwindt nur in nicht wahrzunehmen vermag. andren Prozessen, die dieser während der Dauer des Rothe- Prozesses
Sociale Rechtspflege.
Unzulässige Aufrechnung eines Schadensersaßanspruchs. Buchbinder S. verlangte durch Klage beim Gewerbegericht von dem Druckereibefizer Brodacz 8,70 M. rückständigen Lohn. Beklagter verweigerte die Zahlung, weil Kläger beim Beschneiden Rechnungen verschnitten habe, wodurch ein entsprechender Schaden entstanden sei. Die Kammer VIII verurteilte den Beklagten zur Zahlung der 8,70 Mark, weil nach§ 364 des Bürgerlichen Gesetzbuchs die Aufrechnung eines Schadens gegen den rechtzeitig geforderten Lohn unzulässig sei. Beklagter hätte höchstens Widerklage erheben können.
Unberechtigte Entlassung wegen schlechter Arbeit. Der Stickerei
In dem Beleidigungsprozeß wider den Hauptmann a. D. von Bröcker, der am 13. d. M. begann, wurde heute mittag 12 Uhr das Urteil gefällt. Dasselbe lautete dem Antrage des Staatsanivalts gemäß auf Freisprechung. Die Kosten wurden der Staatskasse auferlegt, dagegen wurde der weitere Antrag des Angeklagten auf Erstattung der notwendigen Auslagen ab gelehnt. Das Gericht nahm an, daß der§ 51 des Straf- Gefeßbuchs auf den Angeklagten nicht anwendbar sei. Wenn die SachverDie Hansa" traf den" Primus" beim Steuerbord- Paddelfasten ständigen sich auch dahin ausgesprochen haben, daß dem Angeklagten und durchschnitt denselben vollständig. Der" Primus" begann sofort ein pathologischer Zug innewohne, so stelle sich der Gerichtshof, dem zu sinken und sämtliche Passagiere fielen ins Wasser. Die Kata- Angeklagten noch günstiger gegenüber. Derselbe habe sich in der strophe war ganz entsetzlich. Noch vor wenigen Augenblicken ließ langen Verhandlung überzeugt, daß der Angeklagte ein hochbegabter, befizer Felisch wandte gegen die Lohnentschädigungsklage des die fröhliche Gesellschaft auf dem Primus" unter den Klängen der mit scharfem Verstande handelnder Mann sei, an dem nur eine be- Stickers B. ein, daß er zu dessen plötzlicher Entlassung berechtigt ge= Musik lustige Lieder in die Nacht hinaus ertönen, und jetzt durch die ihn zwinge, das, was er für sein Recht hält, bis zur äußersten immer einrichten und vormachen müssen. Am Tage vor der Entsondere Eigenart, eine besondere Charakterwirkung zu bemerken sei, wesen sei. B. habe seine Arbeit nicht verstanden, er hätte sie ihm zitterten markerschütternde Hilferufe die Luft. Der Kapitän der " Hansa " und seine Leute boten durch sofortige Flottmachung von Konsequenz zu verfolgen. Das habe er auch in diesem Falle gethan, lassung habe er ihn wieder unterrichtet, trotzdem hätte Kläger am Boeten und Rettungsgürteln alles auf, um die Unglücklichen zu und es sei ihm nicht abzusprechen, daß er in Wahrnehmung berechtigter andern Morgen nicht gewußt, wie er es machen sollte. Nun sei er retten. Allein trotz alledem ertranken 102 Menschen. Die Panik Interessen handelte. Wo er in einzelnen Ausdrücken gegen die Form entlassen worden. Die Kammer II des Gewerbegerichts stellte sich wurde noch durch den heftigen Zusammenstoß der beiden Schiffe ver- verstoßen habe, da stehe ihm schützend zur Seite, daß ihm gegenüber auf den Standpunkt, daß schlechte Arbeit an sich ein Entlassungsgrößert, wodurch zahlreiche Personen erhebliche Verlegungen erlitten. Vorschriften vorgekommen seien. Da auch die Absicht, zu beleidigen, abgeschlossen wurde. Kläger verlangte 26 M. und begnügte sich im thatsächlich Inkorrektheiten und falsche Handhabungen gesetzlicher grund sei und riet zu einem angemessenen Vergleich, der denn auch Stapitän Petersen vom" Primus" hatte sich durch Schwimmen ge- nicht erkennbar sei, so war, wie geschehen, zu erkennen. Der Primus", der inzwischen wieder gehoben ist und jetzt den Der Prozeß wider das Blumen- Medium Anna Rothe nimmt, je Namen„ Buxtehude " führt, ist das älteste Schiff, das auf der Unter- mehr sich der Termin der Hauptverhandlung nähert, immer größeren elbe verkehrte. Er ist 1840 in England erbaut. Er ist auf 192 Per- Umfang an. Zu den beiden medizinischen Sachverständigen, Professor sonen vermessen, er hatte aber 210 Personen aufgenommen. Er Dr. Puppe( jetzt in Königsberg ) und Oberarzt an der Charité soll jezt im Volksmunde den Namen Totenschiff führen. Da die Dr. Henneberg, und den 89 Zengen der Anklage hat der Ver- Stationen Hansa " ein Seedampfer ist, so gelangte das traurige Vorkommnis teidiger Dr. Schwindt noch 40 Entlastungszeugen geladen, so daß die am 31. Juli 1902 vor dem Hamburger See- Amt zur Verhandlung. Gesamtzahl der zu vernehmenden Zeugen ca. 130 beträgt. Unter Dieses hat nach eingehender Verhandlung folgenden Spruch gefällt: den 61 Betrugsfällen, die zur Anklage stehen, befindet sich auch eine Der Unfall ist in erster Linie durch den Führer des" Primus". Anzahl solcher Fälle, welche nur als Betrugsversuch aufgefaßt werden. Swinemde. 769 8 4 bededt 8 Haparanda 746 S Kapitän Peters, verschuldet, weil er sich in falschem Fahrwasser ge- Es sind dies solche Fälle, in denen die Angeklagte in Verbindung mit 770 WSW 3bedeckt 7 Petersburg 756 SS 771 529 2bedeckt 10 Cort 759 S halten und auch nicht mit genügender Aufmerksamkeit auf etwa in ihrem geschäftsgewandten Impresario Jentsch zwar das Eintritts774 SW 2 heiter 4 Aberdeen Sicht kommende Lichter geachtet hat. Die durch die Verhandlung geld empfangen hat, in denen aber die zahlenden Besucher der 775 S 3 heiter 3 Paris 773 Still festgestellte Gewohnheit der kleinen Dampfer auf der Elbe, sich bei Séancen von vornherein überzeugt waren, daß sie lediglich einen Wien 775 Still Nebel 4 Ebbe mit Rücksicht auf den dort schwächeren Gegenstrom am Nord- interessanten Hokuspokus zu sehen bekommen würden. Die Fälle, in Wetter- Prognose für Sonntag, den 22. März 1903. ufer zu halten, kann den Kapitän Peters nicht entschuldigen, da diese denen die Besucher blechten im Glauben, daß die Angeklagte über- Vielfach heiter und am Tage warm bei ziemlich lebhaften südwestlichen Gewohnheit als ein gegen die kaiserliche Verordnung verstoßender und natürliche Kräfte besize und sie in der Séance thatsächlich Zeugen Winden; keine erheblichen Niederschläge.
rettet.
Vergleichswege mit 20 M.
Witterungsübersicht vom 21. März 1903, morgens 8 Uhr.
Barometer
Wind
richtung
Windstärke
Better
Temp. n. C.
50C – 40%.|
Stationen
Barometer
stand mm
Wind
richtung
Windstärke
Wetter
Temp. n. T.
5° C. 4° N.
4 halb bd.- 2 2Regen 7 bedeckt
-
wollente
BAER SOHN
Regenschirme
2jährige Garantie,
Vorzügl. Prima Taffet- Gloria, Hochmod Griffe
90
M
Chausseestrasse 24a- 25
11 Brückenstrasse 11
Gr., Frankfurterstr. 20
zwischen Invalidenstr. u. Schiller- Theater N. zwischen Jannowitzbrücke u. Köpenickerstr . Ecke Koppenstrasse( am Bürger- HospitaD
Special- Haus grössten Massstabes.
Die 21 Preis- Liste 1903
ist erschienen und wird auf Wunsch kostenlos und portofrei zugesandt.- ca. 175 Abbildungen.- Klare Veranschaulichung.- Verständlich für Jedermann.
Frühjahr- Paletot
Frühjahr- Paletots
Sonder- Angebot! Marengo Melton oder Fischgratgewebe m. schräg. Taschen
18 MK.|| Frühjahr- Anzug
45, 36, 27, 21, 18, 15
8 M.
Frühjahr- Raglans Moderne Verarbeitung und Stoffe 30, 27 21 M. Frühjahr- Anzüge
50, 40, 36, 30, 25, 18 15 M. 27 M. 3 M.
Schwarze Gehrock- Anzüge 65, 50, 45, 40, 36, 33 Frühjahr- Beinkleider....... 15, 12, 10, 8, 6, 4 Piqué- Westen...., 6, 5, 4, 3.50, 2.75, 2.25
Anzüge nach Mass 27
70, 60, 50, 40, 36, 30
M.
Sonder- Angebot! Marengo Melton od. Fischgratgewebe in hochmod. Verarbeit.
21 MK.
Frühjahr- Havelocks. 24, 21, 18, 15, 12, 10 6 M. 75. Gummi- Regenmäntel 45, 36, 30, 27, 22.50, 18 15 M. Radfahrer- Anzüge...... 27, 24, 21, 18, 15, 12 Litewken und Loden- Joppen 50, 16, 4.50 Prüfungs- Anzüge
zur Einsegnung... 24, 18, 15, 12
1 M.75 Knaben- Stoff- Anzüge³, 12, 10, 8, 8, 4 3
Paletots nach Mass 24M
50, 45, 40, 36, 30, 27
Einsegnungs- Anzüge
M.
6 M.
3 M.
9 M. 50 2 M.
Hosen nach Mass 750
21, 18, 15, 12, 10, 9
Reichste Auswahl in den neuesten Moden und verschiedensten Webarten, sowie Kammgarn, Satins , Cheviots, Ripegarn, Drapés, Meltons u. s. w. 33, 30, 27, 24, 21, 18, 15, 12,
Jeder Käufer eines Einsegnungs- Anzuges erhält reizende Beigaben umsonst.
9.50
M.
Herren- Kragen
Prima Leinen, in 10
neuesten Formen, 4- fache
Einlage
das Dutzend
-
1.80