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Mr. 107.

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Vorwärts

9. Jahrg.

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fern sprech- Anschlus: Amt 1, v. 4186.

Berliner Bolksblatt.

Zentralorgan der sozialdemokratischen Partei Deutschlands .

Redaktion: SW. 19, Beuth- Straße 2.

Schloßpatriotismus.

Sonnabend, den 7. Mai 1892.

Expedition: SW. 19, Beuth- Straße 3.

Es versteht sich wohl von selbst, daß Kunze aus seinem Herzen keine Mördergrube gemacht und dem Magistrat mitgetheilt hat, wer sein Auftraggeber ist. Um so er staunlicher ist es, daß der Magistrat von diesem Umstand der Stadtverordneten- Versammlung keine Kenntniß gegeben hat, doch kommt diese Mittheilung auch aus dem Wunde des Herrn Kunze noch sehr gelegen.

und im Interesse der Bürgerschaft fraglos sein müsse. Die dem Magiftrat wegen Anlegung der Schloß­stillschweigende Konnivenz, welche der Magistrat durch An- terrassen im Auftrage des Kaisers geführt Den Projekten, welche die Byzantiner des neuen Kurses knüpfung von Verhandlungen mit Herrn Kunze einem Unter- werden. bezüglich der Umgestaltung des Berliner Schloßplages hegen, nehmen entgegenbringe, welches in der gesammten Bevölkerung Kunze schreibt, daß dieser Umstand Herrn Meyer ist vorläufig ein Riegel vorgeschoben; wir sagen vorläufig, da cine bedingungslose Berurtheilung erfahre, und welches neben- ficher bekannt" sei. man gar nicht wissen kann, was bis zum nächsten Donnerstag her noch die Ausbeutung des Publikums durch schnöde Gewinn­passirt, und die Gefahr, daß der Vertagungsbeschluß zum sucht von Lotterie- Interessenten ermögliche, wurde scharf kritisirt Ausgangspunkt einer Verständigung zwischen Magistrat und und jede Identifizirung der Versammlung mit den Kunze Stadtverordneten wird, durchaus nicht ausgeschlossen er- schen Plänen auf das Allerentschied enste zurückgewiesen. scheint. Wenn diese Stimmung vorhält weffen wir übrigens Im Magistrat haben die Millionen, die Herr keineswegs sicher find wird des Herrn Kunze Lieb' und Runze als Morgengabe patriotischer Männer für die Nieder- Müh' vergebens sein, und das" Forckenbecken" der einzige reißung einer Anzahl, gegenüber dem Schloß belegener Schmuck des Schloßplazes bleiben; auch die Bau- Akademie" Unsere Auffassung der Sache wird durch die Kunze'sche Häuser anbietet, einen starken Eindruck gemacht, und die und das" Rothe Schloß" sind noch nicht abbruchsreif, weil Mittheilung in feiner Weise geändert. Die deutschfreisinnige Zusicherung, daß diese Summe nicht unter der Devise die Lotterie, wie es scheint, schon vor der Geburt in den Mehrheit der Stadtverordneten- Versammlung aber kann sich Gottes Segen bei Kunze" aufgebracht werden gedankenreichen Köpfen des Herrn Kunze und seiner Ge- Glück wünschen, daß sie jetzt eine so schöne Gelegenheit hat, soll, hat hingereicht, um dieses erleuchtete Kollegium das nossen erstickt ist. Noch genialer wie der Lotterieplan war aller- ihren Wahlspruch zu bethätigen: Teich- und Terrassenprojekt gänzlich vergessen zu lassen. Männerftolz vor Königsthronen!

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Aber gerade diese unabsehbaren Projekte sind es, die Gehirn er entsprang- daß jeder deutsche Arbeiter eine Stunde arbeiten solle, damit die Wittel beschafft werden, um in der Umgebung des Berliner Schlosses einen Teich und Terrassen anlegen zu können.

Herrn Kunze und seinen patriotischen Helfershelfern gegen­über zu äußerster Vorsicht veranlassen müssen.

Wenn es sich um städtische Interessen handelte, würden diefe Lotteriepatrioten feinen Finger rühren; sowie jedoch Ein wahrhaft grandioser Gedanke, dessen Werth dadurch Pläne in Frage kommen, die nur bei den phantasiereichsten nicht beeinträchtigt wird, daß die Terrassen von irgend einem Gemüthern Wiederklang finden können und deren Erfüllung spekulativen Piepmeier zur Verhinderung anarchistischer Be­das Herz der Hauptstadt des neuen Deutschen Reiches in strebungen empfohlen werden.

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Räuber der Ehre."

Noch hat kein amtliches Organ eine Erklärung in Sachen

So unsympathisch der Ankläger ist, so brüchig sein Charakter, fo tläglich seine Vergangenheit, die von ihm sustanziirten Be­werden. G3 muß festgestellt werden, ob die Anklagen auch nur schuldigungen müssen von den zuständigen Behörden untersucht im mindesten begründet sind.

eine mittelalterliche Burg verwandeln würde, da schwingen Dieser Unsinn wagt sich an's Tageslicht; was aber viel der Ahlwardt'schen Judenflinten" abgegeben, und schon die Kunze und Konsorten das Glücksrad, um das Gold zu schlimmer ist, Pläne, denen der Stempel häßlichster Stellen- Richter in die Arena, um für die Unternehmer und Aktionäre als Offiziofus der Löwe'schen Gewehrfabrik Eugen münzen , welches für die Realisirung ihrer Pläne gebraucht jägerei aufgedrückt ist, werden im Magistrat einer Diskussion eine Lanze zu brechen. In einer Artikelreihe: Räuber der wird. Diesem Treiben ein Ende bereitet zu haben, ist das werth erachtet, und die Personen, welche sich zu solchem Ghre" macht er sich zum Anwalt der Kapitalisten, die bis heute Berdienst der Stadtverordneten, die am Donnerstag in sehr Treiben zusammengethan haben, sind im Stande, Monate noch keinen Schritt gethan haben, um vor dem bürgerlichen deutlicher und nicht mißzuverstehender Weise dem Magiftrat lang die Bürgerschaft weit über die Grenzen unseres Gericht, der einzigen Inftans, an welche sie sich zu wenden haben, den Text gelesen haben, was den patriotischen Herrn Kunze Weichbildes hinaus zu beunruhigen. Dies find Beichen Schuß gegen die schweren Angriffe zu suchen, die der Ahlwardi wohl veranlassen dürfte, auf seine Projekte zu verzichten. der Zeit; der Byzantinismus unserer Tage ist genau so gegen sie gerichtet hat. Wir hatten eigentlich erwartet, daß der Kämmerer ekelhaft und korrupt wie derjenige vergangener Zeiten Herr Stadtrath Maaß, das- wie man sagt in die nur die Form hat sich etwas geändert. Stunze'schen Pläne eingeweihteste Magistratsmitglied, die Die Schloß- und Lotteriepatrioten werden dieses Mal bisherige Thätigkeit des Magistrats in Sachen Schloßteich möglicherweise noch mit ihren Plänen an der Entschlossenheit aber er überließ diese patriotische der Stadtverordneten- Versamnilung scheitern; ob aber nicht Aufgabe einem Kollegen, der sich redlich- wenn auch ohne schon ein neuer Kunze" inmitten der Versammlung fist, ist wahr herausstellte so wäre dem gegenüber die Sache des Schienen­Erfolg -bemühte, darzuthun, daß der Magiftrat allen schwer zu sagen, denn auch bei der Schloßfreiheits- Lotterie flickers Baare ein Kinderspiel. Als es sich darum handelte, den umherschwirrenden Gerüchten und Projekten in unschulds- waren die Herren erst furchtbar tapfer und fielen später Kartellpolitiker Baare, den Parteigänger Bismard's, festzunageln, voller Ahnungslosigkeit gegenüber ſtehe. war die Freifinnige Zeitung" keineswegs so zaghaft, und wir find die Letzten, es ihr zu verdenken. Aber was dem National­liberalen Baare recht, das ist den Deutschfreisinnigen Ifidor Löwe bidia. Wenn Herr Richter die Sache der Fabrik führt, so bewegt ihn dazu zweierlei, die Parteistellung des zöme und bat tapitalistische Intereſſe.

erläutern würde,

doch um.

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will,

Wenn auch nur der hundertste Theil der Vorwürfe sich als

Er schreibt:

Es giebt nicht blos ein Recht auf Eigenthum und auf per­

In der Stadtverordneten- Versammlung wußte man um Vorläufig jedoch scheint es, als ob das Projekt der so besser Bescheid; das städtische Triumvirat der Schloß- Niederreißung der Gebäude zwischen der Kurfürstenbrücke freiheitslotterie wurde nicht geschont. Die verschiedenen und der Breitenstraße im Schooße der städtischen Bau­Stebner ließen es an bitteren Wahrheiten über die verwerf deputation begraben bleiben solle; wir wünschen ihm eine liche Spekulation auf die Spielwuth nicht fehlen, und die sanfte und ewige Ruhe, und wenn Herr Kunze seine sämmt soweit dieselben die Regulirung des Schloß Mißbilligung darüber, daß Mitglieder der städtischen Ver- lichen Pläne waltung sich zu Mitschuldigen an diesem Attentat auf das plages und seiner Umgebung betreffen. dazu betten ein, Bublifum gemacht haben, kam zu lebhaftem Ausdruck. so soll ihm um dieser Gutthat willen Alles verziehen sein. im Gange befindlichen Plänen die richtige Würdigung;| Ebenso fand die Stellung des Magistrats zu den jetzt Aus einer Zuschrift des Herrn Kunze an die Kreuz unbegreiflich sei es daß der Zeitung"( Nr. 212, Abendausgabe vom 6. Mai), die sich gesetzt war." so wurde ausgeführt Magistrat fich für die Stadt ein Geschenk anbieten lasse gegen die Rede des Stadtverordneten Meyer II richtet, er unter Bedingungen, deren strikte Ablehnung im städtischen sehen wir, daß die Verhandlungen des Herrn Kunze mit

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Feuilleton.

Nachbruct verboten.]

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Am Webstuhl der Zeit. Beitgenössischer Roman in 3 Büchern

von A. Otto Walster .

Dem Fäßchen ward die nöthige Zurichtung gegeben,

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fönliche Freiheit, sondern auch ein Recht auf Ehre. Gin Angriff auf die Geschäftsehre kann zugleich für die Vermögensverhältniffe schwerere Folgen haben, als die Erpressung, der ein Berliner Kaufmann damals von der Räuberbande des Athanas aus­

Die bedrohte Geschäftsehre, die Verkürzung des Profits, das

ist der springende Bunkt, und alle bösen humore des Herrn

" Herein" des Mimen geöffnet wurde, und die nichts weniger gesucht und empfunden, stand nun mit einem Male, dieses als eine imponirende Haltung verrathende Gestalt des Ex- Inhalts beraubt, auf gleicher sozialer Stufe mit Leuten, Expeditionsvorstandes erblicken ließ. die einen anderen und, wie er sich halb und halb nun selber sagen mußte, höheren Werth für sich beanspruchen konnten.

Im Angesichte der festlich tafelnden Gesellschaft prallte derselbe erschrocken zurück, aber Riemer hatte bereits die Thür hinter ihm geschlossen.

Der Mime, welcher statt einer weißen Serviette ein blaues Taschentuch in sein Knopfloch geknüpft hatte, trat ihm entgegen mit Würde und fragte:

Wo kommst Du kühner Fremdling her? Was suchst Du hier im Heiligthum?" Und da er keine Antwort hierauf erhielt, wandte

er sich

damit die Luft oben zum Spunde hereindringen und der achselzuckend zur Gesellschaft und deklamirte, mit der Hand Abneigung der Natur vor allem luftleeren Raume Genüge auf den gänzlich Verblüfften hindeutend:

"

Da liegen sie, die stolzen Fürsteutrümmer, Einftmals die Gözen ihrer Welt!"

In Ihres Nichts durchbohrendem Gefühle

Leisten könnte, und bald quoll der goldgelbe Geisenheimer durch den patentirten Faßhahn in die krystallhellen Gläser. passenden Toaste auf eine bessere Zukunft!" zusammens Raum aber waren die Gläser zu dem hier am ersten und dann mit einem letzten Drucker malungen, mann die Dhren spitzen ließ.

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worauf er sich genugsam angeſtrengt zu haben glaubte und mit erneutem Eifer seine Aufmerksamkeit seinem Salate

Frank weidete sich eine kurze Zeit an diesem Jammer­bilde und konnte nicht umhin, den gerechten Zufall zu be­wundern, der einen sich leberhebenden mit dem strafte, mit dem er gesündigt. Bald genug aber gewann die ihm eigene Gutmüthigkeit oder die Rücksicht auf die Geliebte, bei ihm die Oberhand, er erhob sich und begrüßte, indem er auf Musselich zuschritt, den neuen Gast mit den Worten: Seien Sie bestens gegrüßt in unserem fröhlichen Kreise, Herr Musselich und legen Sie hier Ihre düsteren Gedanken ab! Die Schicksalstonne rollt um und um, ohne zu fragen, ob's uns auch recht ist; darum müssen wir's hinnehmen, wie's gerade kommt. Und erträglich ist es hier immer noch, wie Sie sehen. Wer weiß, ob der würdige

"

Dr. Raffumaus heute so ein Frühstück findet, wie wit. Kommen Sie, nehmen Sie Platz in unserer gastlichen Der Antömmling muß uns füreine Versammlung höherer Runde. Sie sehen, daß ein Platz für Sie offen gelassen Er ist's, er ist's! Nun, Leute, haltet Euch in Würde. zuwendete. In der That war es ein eigenthümlicher Anblick, den ist, hier neben mir, denn dieser Tisch, so wollte es die Mann zu sehen, der, im Bewußtsein, Geld zu haben und Schicksalslenkerin, ist auch für Sie gedeckt worden." Ich danke, danke bestens," murmelte Musselich etwas Für eine Versammlung von Königen!" fügte Molinaro bem Geldſacke zu dienen, so oft mit Würde auf Alles herabgeblickt, was auf seine stereotype Frage:" Bringen überrascht, daß er statt Spott und Hohn noch freund­Draußen aber erhob sich ein Zwiegespräch, aus dem Sie Geld?" mit Mein" Jantworten mußte. Einen Mann, liches Entgegenkommen fand." Ich habe aber gar keinen hörte tiemer's wohlbekannte Stimme Porte sprechen der Ehre und Reichthum stets als Zwillinge angesehen, die Hunger."

Wesen ansehen."

grabähnlich hinzu.

Dummes Zeug, keinen Hunger? Ein Mann wie Sie

durchaus nicht; ein besonderes Zimmer können wir Ihnen inhaftaten kaum etwas Besseres als Kriminalgefangene er- Essen. Hier einige Sardinen werden die Appetitsnerven Nur immer hier herein, Herr Musselich; es genixt fast wie ein Verbrechen erachtet und in den Wechsel- hat fiets Hunger, und übrigens kommt der Hunger mit dem blickt hatte. Er, der so wenig inneren Werth in sich fühlen anregen, wenn Ihnen der Schreck sollte in den Magen ge­Dann klopfte es an die Thür, die auf ein würdevolles komite und deshalb den Schwerpunkt seines Jch's im Gelde fahren sein, und vor allen Dingen leeven Sie mit uns ein

nicht geben."