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Nr. 139.

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Vorwärts

Berliner Volksblatt.

20. Jahrg.

Die Infertions- Gebühr beträgt für die sechsgespaltene Rolonel. zeile oder deren Raum 40 Pfg., für politische und gewerkschaftliche Bereins­und Bersammlungs- Anzeigen 20 fg. ,, Kleine Anzeigen" jedes Wort 5 Pfg. ( nur das erste Wort fett). Infecate für die nächste Nummer müssen bis 5 Uhr nachmittags in der Expedition abgegeben werden. Die Expedition ist an Wochen­tagen bis 7 Uhr abends, an Sonn- und Festtagen bis 8 Uhr vormitttags geöffnet.

Telegramm Aoresse: ,, Socialdemokrat Berlin".

Centralorgan der socialdemokratischen Partei Deutschlands .

Redaktion: S. 68, Lindenstrasse 69. Fernsprecher: Amt IV, Nr. 1983.

58 Socialdemokraten

Donnerstag, den 18. Juni 1903.

Lippe aber bereits einen Abgeordneten mit 3 bis 4000 Stimmen in den Reichstag sendet, so würde heute bereits die Socialdemokratie die Ausschlag gebende Partei des Deutschen Reiches sein und endlich eine Politik steter und zielsicherer Volksfreiheit und Volksglückes be­

im ersten Wahlgange gewählt! gimnen tönnen.

Berlin 2

Berlin 3

Berlin 4

Rich. Fischer

W. Heine

B. Singer

Rob. Schmidt

Berlin 5

Berlin 6

G. Ledebour

Teltow- Beeskow

Nieder- Barnim

Brandenburg

Breslau - Weft

Waldenburg

Reichenbach- Neurode

Halle

Kalbe- Aschersleben

Zeit

Hannover

Solingen

Elberfeld

Kiel

Altona

Ottensen

Hamburg 1

Hamburg 2

Hamburg 3

Bremen

Lübeck

Rostock

Randow- Greifenhagen

Braunschweig 1

Braunschweig 3

Sonneberg

Rudolstadt

Gotha

Gera

Greiz

Altenburg

Bayreuth

Nürnberg München 1

Stuttgart

Darmstadt

F. Zubeil

A. Stadthagen Pens

Ed. Bernstein Herm. Sachse Kühn Kunert Thiele

Alb. Schmidt Meister Scheidemann

Molkenbuhr

Legien

Frohme

v. Elm

Bebel

Dick

Mekger Schmalfeldt Schwark Herzfeld Alwin Körsten Blos Calwer Reißhaus Hofmann- Saalfeld

Bock Wurm Förster Buchwald Hugel Südekum Vollmar Hildenbrand Cramer Edmund Fischer Sindermann

Kaden

Gradnaner Georg Horn Nitschke

Zittau

Löbau

Dresden- Neustadt

Dresden - Altstadt

Dresden - Tharandt

Meißen

Pirna

Fräßdorf

Döbeln- Roßwein

Grünberg

Leipzig- Land

Geyer

Mittweida

Göhre

Chemnitz

Schippel Auer

Glauchau

Zwickau

W. Stolle

Stollberg - Schneeberg

Zichopan- Gelenau

Annaberg

Kirchberg- Auerbach

Plauen

Goldstein Rosenow Grenz Franz Hofmann Gerisch

Wahl- Lehren.

Expedition: S. 68, Lindenstrasse 69. Fernsprecher: Amt IV, Nr. 1984.

Die Ratlosen.

In den Betrachtungen der bürgerlichen Presse malt sich die völlige Ratlosigkeit, des alle Erwartung übersteigenden Wahlfiegs Die Stichwahltaktik der bürgerlichen Parteien arbeitet bereits der Socialdemokratie kritisch Herr zu werden. Abgesehen von einigen darauf hin, die Socialdemokratie nach Kräften um den Erfolg ihrer liberal- freifinnigen Blättern, die den ehrlichen Versuch der Selbst­Arbeit und um das Recht ihrer Macht zu bringen. Indessen wir eintehr unternehmen, tommt man nicht über das öde parteitaktische wissen längst, daß wir nur auf uns allein zu rechnen haben, und Bedürfnis hinaus, nach den Gründen der Niederlage zu suchen, die daß die Berufung auf das freiheitliche Bürgertum" nur eine ihren Begierden und Vorurteilen am meisten schmeicheln, nicht nach den wirklichen Ursachen. Sie wollen immer noch nicht sehen, traurige Legende ist. und begnügen sich, die alte Leier weiter zu maltraitieren, die sie in den Tausenden von umsonst bezahlten Flugblättern schlugen. Die Scharfmacher- Organe rufen nach dem starken Mann und Aenderung des Wahlrechts. Die Kanalrebellen machen die Regierung verant wortlich. Die Kartellfanatiker jammern wieder nach dem Zusammen­schluß aller Staatserhaltenden".

Gleichwohl hat die Socialdemokratie stets die Anschauung ver­treten, daß die Ausschaltung einer wirklichen liberalen Bourgeoisie kein Vorteil für die Entwicklung der deutschen Verhältnisse ist. Aber der Socialdemokratie ist es niemals gelungen, in dieser Hinsicht er­zieherisch zu wirken. In der Angst vor dem Proletariat verriet der Liberalismus sein letztes Jdeal.

"

die Norddeutsche Allgemeine Zeitung"; sie wiederholt einfach, was Von einer verblüffenden Hilflosigkeit ist das Regierungsblatt,

Gerade diese Wahlen haben aber bewiesen, daß die bürgerlichen liberalen Parteien an ihrer reaktionären Verkuppelung zu Grunde gehen. Keinen Wahlkreis haben sie bisher behaupten können, und sie während der ganzen Wahlbewegung Tag für Tag predigte, ob­eine große Anzahl find endgültig verloren. Sie sind unter die wohl die Thatsachen gerade inzwischen diese Tattit als die denkbar Fittiche der katholischen Kirchenpartei und des Junkertums gekrochen, unglücklichste erwiesen haben: um sich zu schüßen gegen das Proletariat und sind jämmerlich erstickt. Die Haltung in der Zollfrage, die ganz gegen die eignen Interessen des Liberalismus war und nur einer täppischen Wahltaktik entstammt, wurde zum eignen Verderben des Freisinns. Nicht die Socialdemokratie trägt die Schuld an dem Untergang des Liberalismus, sondern der Liberalismus selbst. Unsre Erfolge sind zumeist auf Kosten der äußersten Reaktion erzielt. Der Freifinnigen Volfspartei haben wir nur einen, der Freisinnigen Vereinigung zwei Sige genommen. Da­gegen haben wir die reaktionären, agrarischen Nationalliberalen aus fünf Wahlkreisen, die Konservativen aus vier, die Antisemiten aus zwei und das Centrum aus einem Wahlkreis verdrängt.

In den Stichwahlen werden wir alle unsre Kraft einsehen, die reaktionär- agrarischen Parteien weiter zu schwächen, obwohl wir auf die Hilfe des Freisinns nicht rechnen, sondern im Gegenteil darauf gefaßt sind, daß er uns in den Rücken fällt. Aber dies Ver­halten schwächt doch auch immer mehr das Interesse der Social­demokratie an der Existenz einer Partei, die sechs Mandate nur mit unsrer Hilfe zu erringen vermöchte( Grünberg, Sagan, Löwen­ berg , Rothenberg, Mülhausen - Langensalza , Tondern - Husum und vielleicht als fiebentes Alzey - Bingen ). Es bleibt abzuwarten, ob der Freifinn die Kunst und die Einsicht finden wird, nach dem letzten furchtbaren Zusammenbruch seine" Taktik" oder richtiger fein ganzes Wesen zu revidieren.

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Der Zollwucher- Politik der Regierung ist durch die Wahlen eine Duittung erteilt worden, die deutlich genug sein dürfte. Ein äußeres Zeichen ist der Durchfall der Führer des Bundes der Landwirte: Hahn, Röfide, Lude, Dertel. Da die agrarischen Forderungen der Bündler sich nicht unterscheiden von denen der konservativen Partei, so trifft das Urteil auch die ganze Rechte. In der That haben wir auch gegen­über den Konservativen starke Erfolge erzielt. Rein ländliche Be­zirke weisen starte socialdemokratische Minderheiten auf, einige haben wir sogar erobert. Wäre die Wahlhörigkeit im Junterland nicht immer noch stark und zäh, so hätten wir schon diesmal mit der konser vativen Gippschaft aufgeräumt. In Mecklenburg , dem agrarischen Musterstaat, haben wir alle Wahlkreise für die Socialdemokratie in Beschlag genommen: einen haben wir behauptet, und in sechs müssen wir mit den Konservativen ringen. Es ist charakteristisch, daß der medlenburgische Vicepräsident des Bollraubes, der Nationalliberale Büsing beseitigt worden ist.

fo

Die Berechtigung unsrer seit Monaten wiederholt aus­gesprochenen Mahnung an die bürgerlichen Parteien, die Social­demokratie als gemeinsamen Gegner zu betrachten und bei der Wahltaktik danach zu verfahren, wird durch diese Thatsache er­neut bekräftigt. Bei der gegenwärtigen Sachlage erscheint es uns als Pflicht aller Parteien, bei den Stichwahlen jede andre Rücksicht beiseite zu lassen und, wo irgend socialdemokratische Kandidaturen in Frage kommen, geschlossen gegen diese zu stimmen. Demgemäß erachten wir es als selbstverständlich, daß auch im 1. Berliner Wahlkreise sämtliche nicht social­demokratisch gesinnten Wähler ihre Stimme dem freisinnigen Kandidaten geben. Die Gestaltung der fünftigen Boltsvertretung ist von dem Ausfall der Stichwahlen sehr wesentlich abhängig; es gilt daher, den Stampf in der angegebenen Richtung rüstig fortzusetzen, da ohne Zweifel noch mancher Fehler ausgemerzt werden kann, wenn jeder Mann, dem die Verfassung das Wahl­recht verleiht, sich bewußt bleibt, daß diesem Recht als Korrelat die moralische Pflicht, davon im Dienste des Vaterlandes Gebrauch zu machen, gegenübersteht."

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Ist das die ganze Weisheit, die in den Regierungsstuben noch aufgewandt werden kann? Wir denken doch, daß gerade der Sartellgedanke das jämmerlichste Fiasko erlitten hat. Im Königreich Sachsen ist das Kartell aller bürgerlichen Barteien bis in der ganze Staat zur Socialdemokratie übergegangen ist. die äußersten Konsequenzen durchgeführt, und die Folge war, daß Je reaktionärer sich die bürgerlichen Parteien entwickeln, Leichter und erfolgreicher ist naturgemäß der Kampf gegen die Socialdemokratie. Nicht zufällig haben wir auch in Berlin so gewaltige Erfolge errungen: Die Thatsache, daß sich zwischen der Freifinnigen Volkspartei und dem konservativ­antisemitischen Klüngel fast jeder Unterschied verwischt hatte, erleich­terte uns in wesentlicher Weise den Kampf. Auch in der in der letzten Beit sehr beliebten Mahnung an die Partei der Nichtwähler liegt kein heilend Del; denn die Wahlbeteiligung war diesmal außer ordentlich stark. Man hat die Beamten an die Urne getrieben, aber es scheint, daß sie nicht gerade den Wünschen der Regierung gemäß gestimmt haben.

Die Kreuz- Zeitung " ift merkwürdigerweise mit unsren Siegen noch nicht zufrieden. Am Mittwochmorgen beschränkte sich die Kreuz­Beitung" auf die Mitteilung von Wahlresultaten hinter dem Sports­teil. Am Abend bemerkt fie:

,, Man kann höchstens sagen, daß die Socialdemokratie, wenn auch die von ihr erwartete und von manchem Patrioten befürchtete gewaltige Bermehrung ihrer Reichstagsfite nicht eingetreten ist, dennoch auf eine immerhin nennenswerte Verstärkung ihrer Fraktion rechnen kann."

Damit ist zugleich auch die Anschauung des deutschen Volkes über den maßvollen Zollwucher der mittleren Linie" gekennzeichnet, sowohl über diejenigen Parteien, die ihn direkt durchsetzten, wie über die, welche ihn indirekt förderten. Auch die Maßvollen" wurden Wir werden bestrebt sein, auch den weitergehenden Wünschen überall zurückgedrängt, die Wahl wurde zu einem Gericht der Kreuz- Zeitung " in Bezug auf unsre Stärke Rechnung zu für alle Halben. Keine bürgerliche Partei hat irgend einen tragen. Das Junterblatt kriegt es fertig, selbst die vernichtende Erfolg zu verzeichnen, dagegen die empfindlichsten Niederlagen. Demonstration der Millionen des deutschen Volkes für den Zoll­Andrerseits markieren sich in dem Anschwellen der socialdemokratischen wucher zu verwenden: Stimmen jene Millionen- Proteste, die in Gestalt der Millionen- Petition dank der Kardorff- Rotte unerledigt" im alten Reichstag zurückblieb. Die Mehrheit des deutschen Volkes verwirft den Zollwucher in jeder Gestalt und sie weigert eine Handelspolitik, die das Proletariat zu Gunsten der Befißenden ausbeutet. In diesem Protest weiß sich die wirklich notleidende Bevölkerung des Landes eins mit den Industrie­Arbeitern der Städte.

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Ebenso steht fest, daß die ländlichen Kreise nach wie bor das sicherste Bollwerk gegen die Umsturz­partei bilden. Zwar gewinnt auch in ihnen, dank der wüsten Berhetzung unsrer ländlichen Arbeiter durch die Presse, die Flugblätter und die Wanderredner der Socialdemokratie, diese Partei allmählich an Boden. Aber der Kern unsrer ländlichen Bevölkerung will von ihr nichts wissen, und auch die Mehrheit der Landarbeiter hat sich nicht gewillt gezeigt, ihren Lockungen Folge zu leisten. Wir sollten meinen, daß hiermit die Bahn für unire Wirtschaftspolitik gezeichnet ist. Hoffentlich wird diese Lehre, die in dem Ausfalle der Wahlen liegt, von unsren verbündeten Regierungen richtig gewürdigt werden."

Die Socialdemokratie ringt in den Stichwahlen durchweg mit der äußersten Reattion und den Schwächlingen der mittleren Linie. Uns Die Nachrichten über das Wahlergebnis fließen diesmal besonders stehen nach bisheriger Zählung- 26 Konservative, 22 Nationalliberale Langfam. Noch immer läßt sich das Reſultat nicht übersehen. Es und einige Centrumsmänner in sen Stichwahlen gegenüber, dagegen die Socialdemokratie unaufhaltsam fort. In Medienburg haben wir scheint, daß es bei dem in unfrer Extra- Ausgabe vom Mittwoch nur 10 Boltsparteiler und 5 Mitglieder der Freifinnigen Bereinigung. Diesmal in sämtlichen Wahlbezirken Socialdemokraten in die Stich

mittag bleibt und wir mit 57 Abgeordneten die Hauptwahl ab­schließen. Die Zahl der Stichwahlen, an denen die Socialdemokratie,

und zwar überwiegend sehr ernsthaft beteiligt ist, dürfte sich auf Berlin , 17. Juni. ( W. T. B.) Bis 9 Uhr abends waren 374 Wahl 110 bis 120( 1898: 105) belaufen. Der überall beobachtete ergebnisse bekannt, davon find 172 Stichwahlen. Gewählt find Der überall beobachtete 29 Konservative, 82 Gentrum, 14 Bolen, 5 Reichspartei, 53( die richtige gewaltige Stimmenzuwachs läßt es erwarten, daß die social- Biffer ift 58. Red. d. Vort.") Socialdemokraten, 4 Wilde, 6 Elsässer, demokratische Drei Millionen- Partei, die alles weit an 5 Rationalliberale, 1 Däne, 1 Reformpartei, 2 Bauernbund. An Stich Stimmenzahl hinter sich läßt, was biher deutsche Parteien aufzuwahlen find beteiligt 36 Konservative, 117 Socialdemokraten, 24 Frei bringen vermochten, Wirklichkeit wird. Die nationalliberale Partei finnige Volkspartei, 62 Nationalliberale, 11 Freifinnige Vereinigung, hatte in ihrer Märchenzeit( 1874), da sie mit 155 Mandaten den 4 Elsässer, 8 Bolen, 12 Reichspartei, 4 Antisemiten, 31 Centrum, Reichstag beherrschte, nur 1 542 501 Stimmen auf sich vereinigt. 8 Wilde, 5 Bauernbund, 8 Deutsche Boltspartei, 8 Welfen, 6 Reform­Hätten wir in Deutschland ein wahrhaftes gleiches Wahlrecht partei.

und nicht jenes verfassungswidrige ungejegliche Pluralsystem, das in Berlin VI einen Kandidaten mit 78.000 Stimmen, in Schaumburg­

In Wirklichkeit schreitet gerade in den ländlichen Bezirken auch

wahl gebracht und Rostock behauptet.

Die Kreuz- Zeitung " spinnt dann troh Sachsen den Kartell­gedanken weiter: Brüderlich sollen sich vereinigen die Schwarzen mit den Blauen, die Junker mit den Juden. Die Freifinnige Bolts­partei darf mit von der Partie sein, nur von den Barth - Leuten will fie nichts wissen.

Der Reichsbote", das reaktionäre Pastorenblatt, schreibt die ganze Schuld der Regierung zu. Das Wahlresultat bedeute keinen Erfolg des Socialismus bewahre! sondern sei ein Zeichen der Unzufriedenheit mit der Regierung.

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Die Unzufriedenheit ist nicht von gestern, sondern sie hat sich seit Jahren aufgehäuft. Sehr viel hat dazu beigetragen das unftäte, impulsive Hin und Herivogen unsrer Politik; sehr viel