Nr. 165. 20. Jahrgang.L KeilU to Jotmürtf Kerl« JolWlirttSonnabend, 18. Juli 1908.Berliner partei-Hngelegenbeiten.Die Lokalliste für Berlin und Umgegendist neu herausgegeben und der heutigen Nummer unsres Blattes in gröhermFormat beigefügt worden. Bei der Wichtigkeit derLokalfrage erwächst denParteigenossen die dringende Pflicht, die Lokalliste streng zu be-achten. Den Saalabtreibereien und Verweigerungen gegenüber, diein Berlin teilweise noch versteckt, in den Bororten dagegen offenbetrieben werden, bleibt uns kein andres Mittel übrig als dieLokalsperre; und diese dort, wo nötig, durchzuftihren, muß dasBestreben aller Parteigenossen sein. Arbeiter, Partei-genossen. Gewerkschaften, Gesangvereine-c., besuchtdaher bei Ausflügen, Vergnügungen-c. nur solche Lokalitäten,welche auf der Liste verzeichnet stehen. Vor allen Dingen erwächstaber den Vorständen von Arbeitervereinen die Pflicht, beim Ab-schluß von Festlichkeiten und Partien auf das strengste die neueLokalliste zu beachten. Die Vorstände wollen in solchen Fällen auchdarauf sehen, daß in den Verträgen mit dem Wirt eine KlauselPlatz findet, wonach für den Fall, daß das Lokal für Arbeiter-Versammlungen später verweigert werden sollte, der Vertrag seineGültigkeit verliert. Verschiedene Vorkommnisse der letzten Zeitlassen eine Bestimmung dieser Art dringend ratsam erscheinen.Ebenso ist es Pflicht der Vorstände und Komitees, dafür nachMöglichkeit zu sorgen, daß bei Mehrbedarf an Bedienungspersonalder Stellennachweis des„Verbandes deutscher Gast-Wirtsgehilfen" sOrtsverwaltung Berlin), Dirksenstr. 39, ITelephon Amt 3 1813, Berücksichtigung findet. Thut ein jederseine Pflicht, so kann der Erfolg nicht ausbleiben. Lokale, diekeine Säle haben, sind frei. Die Lokalkommission.Zweiter Wahlkreis. Die Parteigenossen und Genossinnen werdenersucht, sich zahlreich an der Flugblattverbreitung am Sonntag, den19. d. Mts., früh 7Vz Uhr, in den nachfolgenden Lokalen einzufinden:Paul Scholz, Zossenerstr. 1. Emil Seidel. Mittenwalderstr. 16.I. Thomsen, Gneisenaustr. 39. Borgfeld, Arndtstr. 3S. F. Preuß,Bellealliancestr. 74 a. K. Werner, Hagelsbergerstr. 2. F. Rechtbach,Hagelsbergerstr. 23. I. Saß. Hornstr. 2. O. Kumke, Bülowstr. 59.Richter, Kulmstt. 36. Böttcher, Stciumetzstr. 29. Rickert, Steinmetz-sttaße 60. Marsch, Alvenslebenstr. 15. Hähnelt, Blumenthalstr. 5.F. Obnesorge, Markgrasenstr. 102. W. Bruns, Milhelmstr. 146.F. Lehmann, Friedrichstr. 16. R. Augusttn, Lindenstr. 69. EmilLindemann, Moritzstr. 9. Jul. Fischer. Boeckhstr. 7. F. Ewald,Schönleinstr. 6. Patschke, Gräfestr. 31.Die Vertrauensleute.Fünfter Wahlkreis. Die Flrigblatt- Verbreitungfindet am Sonntag'/a8 Uhr früh statt von Rausch, Wins-straße 12; Tuscher. Gollnowstr. 39; Knötzsch, Hirtenstr. 10; Patt.Dragonerstr. 15; Wirth, Auguststr. 51; Wittchow, Kleine Hamburgerstraße 27, Ecke Elsasserstraße; Schlitz, Luisenstr. 26.Bitten pünktlich zur Stelle.— Des Nachmittags:SiegeZ-f e st bei M e n t e, Landsberger Allee. Der Vor st and.Stralau. Sonntag, den 19. Juli, nachmittags 2 Uhr: General-Versammlung des focialdemokratifchen Wahl-Vereins für Stralau und Umgegend, im Lokale desHerrn Gursch, Stralau. Tagesordnung: 1. Vortrag über dieLandtagswahlen, Referent H.Bürger. 2. Diskussion. 3. Berichtdes Gemeindevertteters. 4. Kassenbericht, ö. Verschiedenes. Es istPflicht, daß jedes Mitglied erscheint. Der Vorstand.Treptow-Baumschulenweg. Das Waldfest, welches als S i e g e s-fei er am vergangenen Sonntag abgehalten weroen sollte, mußtede? Regenwetters wegen vertagt werden. Dasselbe findet jetztmorgen, Sonntag, in der Königsheide, Eingang von der Baum-schulenstraße, aus statt. Beim Glase Bier solvie beim Spiel werdensich die Parteigenossen mit ihren Angehörigen vortrefflich amüsieren.Es wird rege Beteiligung von Nah und Fern erwartet.Nächsten Mittwoch, den 22., regeln: äßigeWahlvereins-Versammlung bei Ackermann. Tagesordnung: 1. Vortrag.2. Kassenbericht. 3. Vereinsangelegenheiten und Verschiedenes.Johannisthal. Sonntag, den 19. d. M., findet das bekannteW a I d f e st mit Herren-, Damen- und Kinderbelusttgung, verbundenmit einer Siegesfeier, im Walde gegenüber dem Rauschen Lokal,statt. Wir hoffen, daß die Genossen der umliegenden Kreise unsauch in diesem Hahre mit ihrem Besuch beehren werden.Die vierteljährige Generalversammlung findet am Dienstag, den21. d. M., in Senftlebens Lokal. Friedrichstr. 48, abends gl/z Uhr.statt. Tagesordnung: Abrechnung vom verflossenen Vierteljahr.Vereinsaugelegenheiten. Die Mitglieder werden ersucht, recht zahl-reich zu erschemen._Prozeß gegen die Pommernbank.In der gestrigen Sitzung begannen die Verteidigungsreden.Nachdem der Landgerichts-Direktor H e i d r i ch die Verhandlungeröffnet hatte, erhielt zunächst Justizrat W r o n k e r das Wort. Erführte aus:Als zu Ende des vorigen Jahrhunderts eine schwere Krisisüber unser wirtschaftliches Leben hereinbrach, krachte es auch inden Wipfeln unter diesem Sturm. Viele Banken hatten unter diesemelementaren Ereignis zu leiden; manche erholten sich aus eignerKraft, sie hatten ihre Wurzeln tief im Boden des Vertrauens desPublikums, manche mußten gestützt werden durch gute Freunde,manche erholten sich durch die größte Nachsicht verständiger Gläubiger.Von der Krisis wurde fast keine Hypothekenbank verschont. DiePommernbank, die sich in einer ausgezeichneten Situation befand,hätte den Sturm unversehrt überwinden können, wenn nicht klein-liche und niedrige Ranküne, erbärmlicher Neid und Gehässigkeitgegen die Direktoren Schultz und Romeick ein wahres Keffeltreibengegen die Bank veranstaltet hätten. Den Besitzern von Aktien undPfandbriefen wurde allerseits der Rat gegeben, so schnell wie mög-lich ihre Werte loszuschlagen. Es fand ein ungeheurer Rückflußdieser Wette statt. Die Pommernbank hat sich gegen den Ansturmgewaltig gewehrt, sie that, was sie konnte, und es ist eine kolossaleLeistung, daß sie im stände war, in verhältnismäßig kurzer Zeit17V, Millionen Mark Werte zurückzunehmen. Das ist ein Beweisdafür, daß die Pommernbcmk außerordentlich gut fundiert war. Dakamen am 10. Dezember 1900 noch einmal 1 250 000 M. zur Bankzurück und die Katastrophe wurde immer drohender. Auf diejenigen,die den Ruin veranstaltet haben, kommt die Verantwortung für dieFolgen. Dann kam der Unglückstag. an welchem die beiden fleißigenund emsig wirkenden Direktoren verhaftet wurden, sie, die allein imstand« gewesen wären und die Kraft besessen hätten, das insSchwanken gekommene Schiff durch die Klippen und Untiefen hin-durch in den sicheren Hafen zu bugsieren.Während der Angeklagte R o m e i ck sich im wesentlichen mitdem Studium theoretischer Fragen des Hypothekenbankwesens be-schäftigt hatte und aus diesem Grunde in das Direktorium der Bankgekommen Ivar, hatte der Angeklagte Schultz eine rein kauf-männische Ausbildung genossen, und diese seine kaufmännischenKenntnisse in glänzender Weise dazu benutzt, um die in schwierigerLage befindliche Pommernbank Schritt vor Schritt vorwärts zubringen. Der Staatsanwalt Dr. Müller hat mit Recht gesagt, daßsich die Angeklagten in einer vorzüglichen Assiette befanden, siehatten nicht nötig, alles, Ehre, Freiheit, Vermögen aufs Spiel zusetzen. Der Staatsanwalt meint, die Angeklagten hätten Ver-schwendung getrieben, das zeige der Bankpalast, den sie in der Behren-straße erbaut haben! Gewiß ist es eins der schönsten Bankgebäude,aber im allgemeinen pflegen doch Banken nicht in Hinterhäusernsich anzusiedeln. Kein Mensch hätte auch bis dahin irgend welchenAnstoß an der schönen Fassade genommen, jetzt aber, wo ein Unglückeingetreten ist, spielt man sie gegen die Angeklagten aus. DiePommernbank hat keinen Nachteil aus dem Bau erlitten, er kostet2,6 Millionen Mark und ist jetzt 3,6 Millionen Mark wert. DerStaatsanwalt macht den Angeklagten auch die Symposien zumVorwurf, die bei Gelegenheit von Aufsichtsrats- und Revisions-sitzungen abgehalten worden. Thatsache ist doch aber, daßdie Aufsichtsratsmitglieder, zu denen auch Fürsten gehörten,ganz vergnüglich an diesen Diners oder Soupers teilgenommen haben,weil keiner von ihnen auch nur auf die Idee kommen konnte, daßsie, die 1896 auf 120 000 M. Tantieme freiwillig verzichtethatten, durch diese Symposien die Bank schädigten! Seit des seligenLucullus Zeiten ist Gemüse wohl noch nie so teuer bezahlt worden,wie hier durch die Aufsichtsräte.Er bestreite entschieden, daß die Angeklagten mala liär gehandelt und die Bank wissentlich geschädigt haben. Wer unbescholtenenLeuten den Vorwurf dolosen Handelns machen will, darf nicht mitlapidaren, allgemeinen Behauptungen kommen, sondern diese müssenim einzelnen bombensicher sein. Das ist mit den Behauptungen dcSStaatsanwalts bezüglich des unbeschränkten Einflusses der An-geklagten auf die Strelitzbank nicht der Fall. Herr Ha ch meist erwar keineswegs so molluskenhaft, wie ihn der Staatsanwalt schilderte,kein Simplicissimus.Die Angeklagten hätten sich ganz gewiß auf Taxen von Männernwie Bohl und H a n e l verlassen können, und man habe ja ge-sehen, daß diese Taxen von andren, alten, erfahrenen, gediegenen,in Amt und Würden ergrauten Männern, deren Wort doch nicht alslächerlich betrachtet werden kann, nicht nur bestätigt, sondern manch-mal noch überschritten worden sind. Der Zusammenbruch der Bankwar entschieden unnötig; Aktionäre und Psandbriefbesitzer hättenkeinen Pfennig zu verlieren brauchen, die Verluste liegen nicht indem, was_ die Angeklagten vorher gethan, sondern in dem, wasnachher geschehen, in den späteren Entwertungen des Besitzes liegeder Kern des Ganzen. Die Pommernbank habe sich 1899 und 1900in einer solchen finanziellen Lage befunden, daß sie den Sturm hätteaushalten können. Tief bedauerlich sei es, daß es den Bemühungender Verteidiger nicht gelungen sei, die beiden alten, in Ehren graugewordenen Bausachverständigen Bohl und Hanel vor der Blamezu bewahren, hier auf der Anklagebank sitzen zu müssen. Es handeltsich bei ihnen um Persönlichkeiten, die seit 1878 als Taxatorenthätig und vom Kammcrgericht wegen ihrer Zuverlässigkeit bevorzugtworden sind. Wenn ihnen wirklich einmal ein Irr-tum untergelaufen sein sollte, so müsse mandoch bedenken, daß jeder Sterbliche Irrtümernunterworfen sei, und wenn hier ihr Irrtum hin-sichtlich des Gutes Kaukern hervorgehoben worden, sowerde man doch aus diesem kleinen Fädchen keinen Strick drehenwollen. Männer wie Kamps, Tied, Härtel haben ihre Taxen be-kräftigt, ein Mann, wie Prof. Dietrich, habe ihre Taxmethode fürdie allein richtige erklärt. Denke man sich einmal, daß die Rollenvertauscht wären und die beiden Angeklagten statt auf der Anklage-bank hier vor dem Zeugentisch ihr Gutachten eidlich bekräftigten.Man könne doch unmöglich alle die Bekundungen chrenwetter, fach-verständiger Männer als lächerlich über Bord Wersen und nur dieTaxen der Anklagesachverständigen als maßgebend erachten.Die Pommernbank sei keineswegs in so trüber Lage gewesen,wie die Anklage behaupte. Wie ein Phönix aus der Asche derPommernbank habe sich in voller Glorie die Berliner Hypotheken-bank erhoben und die Aktien dieser armen Bank stehen jetzt 113 Proz.lEs sei dies dieselbe Erfahrung, die man nach dem Verkrachen derSandcnbank mit der daraus entstandenen Neuen Bodengesellschaftmachte IDer Verteidiger geht alsdann zu der Betrachtung der Ver-Hältnisse der I m m o b i l i e n- V e r k e h r s b a n k über und suchtunter Anführung vieler Zahlen darzulegen, daß die viel verlästerteund verschrieene Jmmobilien-Verkchrsbank viel besser war, als derihr jetzt von der Anklage nachgesagte Ruf. Merkwürdig, daß diesenun auch sanierte Bank, die angeblich so viel Schmerzen und so un-sägliche Mühe erfordere, um sie über Wasser zu halten, ihremDirektor 30 000 M. Gehalt geben kann und daß hier und da Auf-sichtsräte auch noch 2000 M. und mehr beziehen.Die Angeklagten stehen vor Ihnen, nachdem sie die bestenJahre ihres Lebens, 11 und 12 Jahre des kräftigsten Mannesaltersin aufreibendster, rühriger Thätigkeit der Pommernbank gewidmethatten, unter dem Verdacht so schwerer Handlungen. Wir stehenauf dem Standpunkt, daß sie vielleicht unbedacht und unter demEinfluß eines gewissen Optimismus, nicht aber verbrecherisch ge-handelt haben. Der Staatsanwalt hat gegen diese beiden MännerStrafen von sechs und fünf Jahren beantragt, Strafen, deren Höhenach keiner Richtung hin gerechtfertigt erscheint. Die Angeklagtenhaben entschieden bona licke gehandelt. Aber selbst wenn sie schuldigwären, so kann man sie nicht als die Männer ansehen, wie derStaatsanwalt, der sie als Falschmünzer, Schwindler von der Artdes bereiichtigten Schotten Law, als Betrüger bezeichnete. Er hatja das Recht dazu, aber von solchem Recht muß man doch mit be-sonderer Vorsicht Gebrauch machen. Die Verluste, die entstandensind, nachdem die Angeklagten verhaftet worden, kommen nicht aufihre Kappe, denn sie würden sie vermindert haben! Die An-geklagten sitzen morgen zwei Jahre zwei Monate in Untersuchungs-hast; eine furchtbare, unendliche Zeit! Wer solche lange Haft hintervergitterten Fenstern zugebracht hat, der hat genug gebüßt. Ichempfehle das Wohl und Wehe der Angeklagten dem gerechten, ruhigdenkenden und wohlwollenden Gerichtshöfe!Hierauf nimmt der Verteidiger Rechtsanwalt Leonh. Fried-mann das Wort. Seine Aufgabe ist, wie er hervorhebt, die Fälleder Anklage zu behandeln, in denen dem Angeklagten Schultz«Kleinder Vorwurf der Untreue bei Grundstücksgcschäften gemacht wird.Er verweilt lange Zeit zunächst bei dem viel erörterten Geschäft mitdem Terrain in Wilmersdorf, Bahrischestraße, und verwahtt denAngeklagten Schultz gegen den Vorwurf des Staatsanwalts, daß derAngeklagte bestrebt sei, möglichst die Dinge zu verdunkeln und allessage, nur nicht die Wahrheit. In längeren juristischen Aus-sührungen sucht der Verteidiger seine Behauptung zu begründen,daß bei dem Geschäft mit dem Grundstück in der Bayrischenstraßevon einer Untreue gegen die Pommernbank absolut keine Rede seinkönne. Der Vetteidiger streift auch seinerseits bei dieser Gelegen-heil die Frage der Taxen und der Taxmethoden, und macht auf diein dieser Beziehung zu Tage getretenen Divergenzen aufmerksam.Wo in aller Welt sei denn nun der Beweis für die Behauptungerbracht, daß der Angeklagte Schultz das Bewußtsein gehabt habe,daß die Bohlschen und Hanelschen Taxen falsch seien?Auch von einer Untreue bezüglich der Strelitzbank könne nichtangenommen werden, nachdem der Gerichtshof als richtig unterstellthat, daß Herr Schultz von einer Beleihung Kenntnis gehabt hat,die im Jahre 1892 die Preußenbank auf ein weit davon abliegendesTerrain in der Nähe des Kurfürstcndammes gemacht hat und wobeiKaufpreise erzielt wurden, die bis zu 1500 M. gingen.Der Verteidiger geht dann ausführlich auf die von der Anklagehervorgehobenen Grundstücksgeschäfte ein, bei denen Schultz Leuten,die von der Pommernbank hypothekarische Darlehen haben wollten,die Bedingung auferlegte, in Anrechnung auf die DarlehnsvalutaGrundstücke der Jmmobilien-Erwerbsgesellschaft hereinzunehmen.Die Anklage gehe davon aus, daß die der letzteren daburch ent-standenen Gewinne nichts andres gewesen seien, als der Pommern-bank entzogene Provisionen. Der Verteidiger eröttert deshalb dieFrage, ob die Pommernbank begründeten Anspruch auf Provisiongehabt habe. Herr Hecht, der Sachverständige aus Mannheim, demer hier folgen könne, weil es sich hier nicht um eine speciell Berliner,sondern um eine allgemeine Frage handle, habe diesen Anspruchnicht i taut prix als vorliegend anerkannt, und dies könne ge«nügen. Der Verteidiger bestreitet aber weiter, daß die Provisiondurch das Hereinnahme-Geschäft beeinträchtigt worden sei und be-hauptct, daß, wenn die Käufer Terrains der Jmmobilien-Crwerbs-gesellschaft zu„übertriebenen" Preisen hereinnehmen muhten, die»doch ber Pommernbank wieder zu gute kam, da sie an dem Gewinnzu 75 Proz. beteiligt gewesen.Redner schließt seine längeren Ausführungen, indem er dar-zulegen sucht, daß die Konstruktion der Untreue an hervorragendenjuristischen Mängeln leide. Ebensowenig berechtigt seien die Vor-würfe des Staatsanwalts, die er an den Ankauf und die Auf-Wendungen für das Gut Wroniawy knüpfte. Der Angeklagte Schultzhat es für seine Pflicht gehalten, jene Aufwendungen zu machen, ummit weitem Blick das Gut in den Stand zu setzen. Nur wennman Krämerseelen als geeignte Leiter großer Banken erachtete,könnte man dem Angeklagten einen Vorwurf aus Wroniawy machen!Er glaube, dem Urteile des Gerichts ruhig entgegensehen zu können.Am Sonnabend wird Justizrat Dr. Sello sein Plaidoyer halten.Mordversuch einer Verlassenen.Unter starkem Andränge, besonders von weiblichen Zuhörern,begann gestern vor dem Schwurgericht des Landgerichts l die Ver-Handlung gegen die 2öjährige Kellnerin Anna W i n a r S, welche desversuchten Mordes beschuldigt war. Es war wieder eine derüblichen Liebesgeschichten, welche ihren gerichtlichen Abschluß findensollte. Die Angeklagte, eine ansprechende Erscheinung, stammt ausBöhmen. Sie giebt zu, am Morgen des 19. Dezember v. I. eineAnzahl Schüsse auf ihren früheren Bräutigam, den Ingenieur Behr,abgegeben zu haben, bestreitet aber die Ueberlcgung, da ihr dieganzen Vorgänge während der That nur noch ganz dunkel in derErinnerung seien. Ueberdie Vorgeschichtemacht die Angeklagte folgende Angaben: Sie habe den IngenieurErnst Behr vor etwa zwei Jahren in Dresden kennen gelernt, wosie in dem bekannten Lokal„Zum großen Garten" eine Stellung alsBüffettmamsell bekleidete. Es habe sich bald zwischen ihnen einLiebesverhältnis entlvickelt und schon damals habe Behr ihr die Eheversprochen. Seinem ganzen Verhalten nach habe sie an die Ehrlich-keit dieses Versprechens glauben müssen, obgleich der zwischen ihnenbestehende Standesunterschied ihr wohl zum Bewußtsein gekommenwäre. Sie habe durch ihre Stellung eine gute Einnahme gehabt,außerdem von ihrem Vater Unterstützungen erhalten und im Jahre1901 sei ihr das Mutter- Erbteil ausbezahlt worden, das sich aufmehrere tausend Mark belief. So sei sie im Besitze erheblicher Mittelgewesen und sie habe es für selbstverständlich gehalten, daß sie damitihren vermögenslosen Bräutigam unterstützte. Ihr Glück sei aberdadurch getrübt worden, daß Behr ihr wiederholtEiscrsuchtsauftrittebereitete. Er beschuldigte sie, daß sie Beziehungen zu einem Offizierund einem reichen Dresdener Fabrikanten unterhalte und wiederholtkam es zwischen ihnen zu einem vorübergehenden Bruch. Schon zudamaliger Zeit habe sie sich einen Revolver angeschafft, da sie bis-weilen von Selbstmordgedanken heimgesucht wurde. Sie habe sichimmer wieder mit Behr vertragen, es sei ihr aber doch vor-gekommen, als sei seine Liebe zu ihr erkaltet und als lege er esdarauf an, sich nach und nach von ihr zurückzuziehen. Schließlichhabe Behr ihr gerade heraus erklärt, daß er sie nicht heiraten könne,er müsse eine reiche Frau haben. Sie sei der Verzweiflungnahe gewesen. Wieder sei eine Trennung erfolgt und siehabe ihn auf Zahlting einer Entschädigungssunune von3000 Mark verklagt. Noch einmal kam es zlvischen ihnenzu einer Aussöhnung, da Behr erklärt habe, daß er vonder Absicht, eine Geldheirat einzugehen, zurückgekommensei. Die Angeschuldigte habe darauf die Klage gegen Behr wiederzurückgezogen. Bald darauf wurde Behr, der Reservelieutenant ist,zu einer Uebung eingezogen, die Angeklagte nahm wieder eineStellung an und der Verkehr zwischen dem Paar beschränkte sich aufeinen allerdings sehr regen Briefwechsel. Im Herbst vorigen Jahresbegab Behr sich nach Berlin, wo er eine Stellung gefunden hatte.Bald folgte ihm die Angeklagte, wie sie behauptet, von Behr dazuaufgefordert. Sie lebten getrennt und das Verhältnis schien sichnach und nach aufzulösen. Die Angeklagte wurde aber wieder vomLebensüberdruß ergriffen. Sie beschloß, sich vor seinen Augen zuerschießen und begab sich zu diesem Zweck nach der Gerhardt«straße, wo die Wohnung Vehrs sich befand. Es sei gegen 9 Uhrmorgens gewesen, als sie die Gerhardtstraße erreicht hatte. Hier seiihr plötzlich Behr entgegengekommen, der soeben seine Wohnung ver-lassen hatte. Um nicht von ihm gesehen zu werden, sei sie schnell indie nächste Thürnische getreten. Gleich darauf sei Behr vorüber-gegangen. Sie habe gerufen:„Ernst l Ernst I" Behr habe sich nichtumgekehrt, er sei weiter gegangen. Noch einmal habe sie erfolglosgerufen, dann sei sie dermaßen von Erregung ergriffen worden, daßsie über das Folgende keine Rechenschaft abgeben könne. Wie siespäter gehört habe, soll sie auf Behr geschossen haben.Es steht fest, daß sie alle sechs Schüsse auf Behr abfeuerte,von denen drei trafen. Behr sank schwerverletzt zusammen. Erwurde nach Anlegung eines Notverbandes nach der Charitü gebracht,wo er lange in Lebensgesahr schwebte. Er scheint jetzt auf demWege der Genesung zu sein.Als erster Zeuge wird derIngenieur Vehrvernommen. Er erklärt, daß er sein der Angeklagten im Anfangedes Verhältnisses gegebenes Eheversprechen ernst gemeint habe,obgleich ihm gegenwärtig gewesen sei, daß er dann keine Aus-ficht hatte, Reserve-Offizier zu werden. Als siedann eine Zeitlang in Stellung gewesen sei, habe er erfahren, daßdie Angeklagte ihn: die Treue nicht bewahre und durch die von ihmangestellten Ermittelungen sei dieser Verdacht bestätigt worden. DieAngeklagte unterbricht ihn wiederholt in heftiger Wesse, einmal ruftsie ihm zu:„Es ist nicht wahr, lüge doch nicht!" Der Präsidentdroht schließlich der Angeklagten, er werde sie hinausführen lassen,wenn sie den Zeugen noch einmal unterbrechen lvürde. Mit Ent-schiedenheit bestreitet der Zeuge, daß er von der AngeklagtenGrldzuwcndungenangenommen habe, er sei ivohlhabend und habe dies nicht nötig.Allerdings habe er sich den: Anwalt der danmligen Klägeringegenüber bereit erklärt, ihr für das zurückgezogene Heirats-versprechen, eine Entschädigung von 2000 M. zu geben, aber dabeizur Bedingung gemacht, daß oie Angeklagte sämtliche von ihm er-haltenen Briefe auszuliefern habe. Der Zeuge hat bei dein Ueberfallirgend einen Anruf der Angeklagten nicht gehört. Die Geschwornengreifen durch Fragen an den Zeugen häufig in die Verhandlung ein.Der Verteidiger hält den: Zeugen aus seinen Briefen vor, daß erimmer noch von einem künftigen Zusammenleben spricht, obwohl erdamals bereits Beweise von ihrer Untreue zu haben behauptete.Der Zeuge erwidert, daß er damit nicht ein eheliches Zusammen-leben gemeint habe. Die Behauptung der Angeklagten, daß derZeuge sie gebeten habe, ihn frei zu geben, damit er reich heiratenkönne, es komme ihm dann auf zehn- bis zwölftausend Mark nichtan und sie könnten das Verhältnis ja fortsetzen, erklätt derZeuge für unwahr. ES gelangen Briefe der Angeklagten zurVerlesung, worin sie allerlei versteckte Drohungen ausstößt, falls sievon dem Zeugen hintergangen wird. Im übrigen verrät der Inhaltder Briefe tiefe, innige Liebe und die höchsten Beteuerungen, daßder Verdacht, von dem der Zeuge gegen sie beseelt ist, jeder Be-gründung entbehrt. Die Angeklagte bleibt dabei, daß alle ihreDrohungen nur darauf hinzielen sollten, daß sie sich selbst vor denAugen ves Zeugen das Leben nehmen würde. Auch eine ganzeAnzahl der Liebesbriefe des Zeugen werden auf den Antrag des