nr 165. 2«. nt«. 2. MM des„WWlirts" Kmimr WlksltlM. i«.?.» im. J*ittcvavifchc Rundfchau. Die ersten Sewegnvgell der stawöstschen Republik und die Stimmung Europas ihr gegenüber.*) i. Der erste Teil des dritten Bandes der von Jean Jaurss Herausgegebenen Uistoirs Sociaiiste behandelt, soweit die Ge- schichte Frankreichs in Betracht kommt, nur die kurze Spanne Zeit zwischen dem 10. August 1792 und der Jahreswende 1792/93. Aber wie bedeutungsvoll für die Geschichte der großen Revolution sind die Borgänge, die sich in diesen nicht ganz fünf Monaten abspielen! Mit den, Tuilericnsturm, der das Schicksal des Königtums besiegelt, setzt faktisch die Geschichte der Republik ein. Die sechs Wochen, die bis zu ihrer feierlichen Verkündigung ver- strichen, wurden im Innern hauptsächlich durch Känchfe zwischen der bürgerlich-republikanischen und der radikal-demokrarischen Strömung ausgefüllt, die zunächst sich in der Form von Reibereien zwischen den Wortführern der noch tagenden gesetzgebenden National- Versammlung und den tonangebenden Elementen der r e- volurionären Kommune von Paris äußern, wobei es sich aber erst noch mehr um formale als um grundsätzliche Streitpunkte handelt, und die dann bei den Wahlen zum Nation alko i, ve ii t schon vielfach bestimmtere Gestalt annehmen. Nach außen hin fällt in diese Zeit die Abwehr gegen die in Frankreich eingedrungenen und auf Paris losmarschierenden Heere der ver- kündeten Monarchien, deren Absicht es lvar, dem französischen Volk die monarchische Regierung mit Gewalt aufzuzwingen. An dem gleichen Tage, wo in Paris der Nationalkonvent, die erste, auf Grund allgemeinen und gleichen Wahlrechts gewählte Volksvertretung eines großen Reiches, zusammentritt, wird bekanntlich auf dem Schlacht- selbe bei V a l m y der Kampf wider die Verbündeten entschieden. Die Widerstandsfähigkeit des französischen Volksheeres unter Keller- mann veranlaßt den Herrführer der Verbündeten, den schon begonnenen Angriff auf die französischen Truppen ein- zustellen und Kehrtum zu kommandieren. Der äußere Feind lvar damit zlvar noch nicht besiegt, aber seiner drohendsten Gestalt entkleidet. Je mehr er aber zurückgedrängt und der Krieg in des Feindes Land getragen wird, um so heftiger regen sich die nur kurze Zeit unterbrochenen inneren Gegensätze, die nun, im Konvent, sich als der Kampf zwischen der Partei der Gironde — gemäßigte Republikaner — und der radikalen Bergpartei inimer deutlicher abzeichnen. Zugleich aber steigern sich die sachlichen Schwierigkeiten der inneren Verwaltung, ins- besondere soweit es sich um die Finanzen des Landes und seine allgemeine Wirtschaftsentwickelung handelt. Wie vorauszusehen, widmet Jaurss dieser Seite der Revolutionsgeschichte seine besondere Aufmerksamkeit. Jaurss, der viel tiefer als die bisherigen Geschichtsschreiber der Revolution in das sociale Leben der Zeit, die wirklichen Klassen- bewegungen, einzudringen sucht, erbringt auch im vorliegenden Bande wieder reiches Material für diese Seite seiner Aufgabe. Da sind zunächst die Thatsachen, die er über die Vorgänge bei den Wahlen zum Nationalkonvent mitteilt, von großem Interesse. Wie schon bemerkt, erfolgten diese Wahlen auf Grund des allgemeinen, gleichen und geheimen Stimmrechts, aber indirekt, d. h. durch das Zwischenglied von Wahlmännern, wogegen sich übrigens schon damals in radikal gesinnten Kreisen Opposition erhob. Als bezeichnend für die damalige Stimmung sei hierbei erwähnt, daß gerade von feiten der radikalsten Elemente auch gegen die geheime Stimmabgabe agitiert wurde. Wie es sich im Anfang Oktober 1792 um Er- neuerungs-Wahlen für die Pariser Gemeindevertretung und die Departements handelte, verlangen die Parteigänger der Pariser Kommune die öffentliche Stimmabgabe. Indes findet dieses Verlangen bei den Republikanern im Konvent kein Ech o.„ Von Maral bis zu Cambon und den Girondisten war er einstimmig darin, die geheinie Stimm- abgäbe auftecht zu erhalten und von den Sektionen und der Kom- mune die Beobachtung dieses Gesetzes zu verlangen." Jaurös ver- mutet, daß die Männer der Kommune damals in der offenen Stimm- abgäbe ein Mittel der„Diktatur des Proletariats " erblickt haben. Bei den Wahlen zum Konvent war es in den Pariser Wahlmänner- versamnilungen sehr stünnisch hergegangen. Kein Parteigänger der Girondisten hatte es gewagt, dort fiir seine im übrigen Lande so starke Partei in die Schranken zu treten, und die airondistische Presse führte laute Beschwerde über den in Paris verübten„Wahl- terrorismus". Paris wählte ausschließlich Parteigänger der Kommune in ihren verschiedenen Abtönungen, voran Robespierre , Danton , Desmoulins , Marat , den sich Philipp Egalitö nennenden Herzog von Orleans usw. Wenn sich der Einfluß der Arbeiter bei diesen Wahlen schon ftihlbar macht, so jedoch nur erst im Sinne des bürgerlichen Radikalismus; von einer Klassenvertretung der Arbeiter ist selbst in Paris noch keine Rede.«Nirgends scheinen die Lohnarbeiter", schreibt Jaurös,„bei diesen Wahlen eine führende Nolle gespielt zu haben. Kein starkes Arbeiterwort, ob von einem ländlichen oder städtischen Lohnarbeiter herrührend, ist uns überliefert. In den Wahlniäunerlisten stößt man kaum jemals auf einen Lohnarbeiter." Allerdings wurde nach Jauräs wenigstens ein Lohnarbeiter in den Konvent gewählt. Das Departement Rhone et Loire entsandte den Waffenschmied No öl Pointe aus S a i nt- E t i e n n e in den Konvent.*') Aber wenn dieser auch sehr energisch seine Eigen-! schaft als Lohnarbeiter betont, so tritt er doch nicht als Vertreter be- s onderer Arbeiterinteressen mif.die Meinungsäußerungen, dievon ihm vor- liegen, beziehen sich auf dieSlburteilung und Verurteilung Ludwigs XVI. Hier spricht er im Sinne der äußersten Linken für kurzen Prozeß. „Die Nachwelt wird staunen, Bürger", heißt es in seiner Erklärung vom 15. Januar 1793,«wenn sie vernimmt, daß die Vertreter des französischen Volkes, die Begründer einer großen und gewaltigen Republik, so viel Zeit brauchten, um sich über das Schicksal eines meineidigen und mörderischen Tyrannen zu entschließen.... Sie wird endlich staunen, daß ein Nationalrat, der zusammengesetzt ist aus Männern, die in freier Wahl allen Ständen ohne Unterschied entnommen sind, daß ein mit den vollen Macht- befugnissen einer großen Nation ausgestatteter Konvent, auf den diese ihre letzten Hoffnungen setzte, daß dieser Konvent, der das letzte Bollwerk des Volkes sein und die letzten Wurzeln der Tyrannei und der Unterdrückung ausrotten sollte, sich ebenso langsam wie schwach gezeigt hat, als er über den barbarischten und blutgierigsten Tyrannen zu Gericht saß, den es je gegeben." Radikal genug ist der Satz, aber in seiner gedrechselten Form macht er nichts weniger als den Eindruck der Stimme aus der Werkstatt. Es ist mit der Anrufung der Nachwelt derselbe gezierte Periodenbau, in dem sich die Löwen des Salons der Epoche gefielen. Man hört mehr den Arbeiter, der zeigen will, daß er a u ich in die„aus allen Ständen zusammengesetzte" Versammlung gehört, als der Vertreter einer Klaffe niit bestimmten eignen Auffassungen. Aber wenn Jaurös mit seineni dichterischen Naturell aus der Siede Pointes etwas mehr herausliest, als sie unsres Erachtens enthält, d. h. gerade das in ihr nachtönen hört, was wir bedauenid vermissen, so hat er um *) Jean Jaur&s, La Convention. I. La Republique.— Los icköes politiquee et sociales de l'Europe et la Revolution(1792). (Der Konvent. I. Die Republik . Die politischen und socialen Ideen Europas und die Revolution.) Dritter Band der Histoire Sociaiiste. (Socialistische Geschichte.) Paris , JuleS Rouff et Cie. 855 S. 4°. ") Ueber einen zweiten Arbeiter-Abgeordneten siehe weiter unten. so mehr Recht, wenn er auf die Thatsache, daß überhaupt ein Ar- beiter in den Konvent gelangte, das größte Gewicht legt. Etwas Gleichartiges hatte die Welt in der That bisher nicht gesehen. Aus den beratenden Versammlungen des Altertums waren die Sklaven, aus denen der barbarischen Stämme ebenfalls die Unfteien aus- geschlossen, das einzige zeitgenössische Parlament, das englische, gewährte nur der grundbesitzenden Aristokratie und der bürger- lichen Oligarchie Zulaß, hier aber war der Angehörige der tiefstgestellten Gesellschaftsklasse, der Handarbeiter, der geschichtliche Abkömmling der Sklaven, zur Ausübung der Souve- ränität mitberufen, und wenn er in der Person des Waffenschmiede- gesellen aus der gewerbreichen Stadt des heiligen Stephan die bürgerlichen Vertreter wegen des schleppenden Ganges ihrer Ver- Handlungen abkanzelte, so lag darin wirklich, wie Jaurös sich aus- drückt, eine„Revolution in der Revolution". Wenn aber die Wahl des Arbeiters in den Konvent noch keinen bestimmten Ailsdruck einer Klassenpolitik der Arbeiter trug, so fehlte es auch auf der andren Seite, bei den bürgerlichen Republikanern, an einer bestimmten Klassenpolitik den Arbeitern gegenüber. Dies zeigt sich unter anderm darin, daß sowohl bei den Wahlmännern wie auch bei den Abgeordneten die specifisch bürgerliche Klasse, das gewerbetreibende Unternebinertum, vollständig zurücktritt hinter den Angehörigen der fteien und öffentlichen Berufe, wie Juristen, Aerzte, Beamte— letzteres obendrein meist g e- wählte, das heißt von der gemischten Wählerschaft abhängige Beamte. Jaurös teilt darüber sehr charakteristische Zu- sammenstellungen aus Wahlmännerlisten und der Vertretung der industrielleren Departements mit. In der Vertretung des sehr gewerb- reichen Departement der unteren Seine(mit Städten wie Dieppe , Havre , Ronen), in der der Departements M e u r t h e und M e u s e, wo die Eisen- und Glasfabrikation so stark entwickelt ist, im Departement Tarn mit einer starken Tuchindustrie, in der gewerbreichen I s ö r e finden wir unter den Vertretern nicht einen Fabrikanten oder Kaufmann. Das Departement der Rhone - mün dung, wo der Handel eine so große Rolle spielr, sendet nicht Einen Vertreter des Handels in den Konvent. Kurz, die typischen Vertreter der Bourgeoisie waren in dein Konvent außerordentlich dünn gesät. II. War aber der Klaffencharakter der Versammlung verwischt, so war er darum nicht schon aufgehoben. Das große oder, wenn man will, breite Interesse des Bürgertums hatte im Konvent kaum einen ernsthaften Gegner. Marats Donnerworte gegen die Reichen hatten keine grundsätzlich antibürgerliche Tendenz; sie waren unbestimmte Gefühlsergüsse, hinter denen keine einigermaßen definierbare Gesellschaftsauffassung steckte. Er sah wohl die Mängel des neuen Zustandes, aber er wußte nichts Bestimmtes anzugeben, wie ihnen abzuhelfen sei.„Die Revolution," schrieb er am 7. Juli 1792,„ist nur von den untersten Klassen der Gesellschaft gemacht worden und wird nur von ihnen gestützt, von den Arbeitern, den Handwerkern, den Kleinhändlern, den Landleuten, von jenen Unglückseligen, die der unverschämte Reichtum die Kanaille nennt und römische Anmaßung Proletarier nannte. Aber was man sich nie vorgestellt hätte, ist, daß sie nur für die kleinen Grundeigentümer, Gesetzesmenschen, Rechts- verdreher gemacht worden ist." Welche verschwommene, kleinbürgerliche Deutung erhält hier der Begriff Proletarier! Indes darin hatte der Ami du peuple (Freund des Volkes Recht, daß es vor allem die kleinen Grundeigentümer waren, die den Vorteil von der Revolution gezogen hatten. Die neuen Eigentumstitel, welche die Revolution durch die Auf- Hebung von Feudalrechten und den Verkauf der Kirchen- güter geschaffen hatte, gaben denn auch bei den Wahlen den Ausschlag für die Revolultionsparteien, zu denen in jenem Moment noch die Girondisten gehörten, ja deren stärkste Partei sie waren.«In jeder Gemeinde gab es zahlreiche Familien, die alles verloren, das Eigentum und womöglich auch das Leben, wenn die Revolution unterlag." Selbst in der Vendäe waten von den auf 28 Millionen gcwerteten Kirchengütern zur Zeit der Konvents- Wahlen für nahezu 24 Millionen veräußert, und„alle diese Einflüsse des revolutionären Eigentums machten sich in den Urwahl- und Wahlmänner-Versammlungen machtvoll geltend". Als aber zwei Mitglieder der Pariser Kommune , die vom Vollziehungsausschuß in die Provinz gesandt waren, Dufour und Momoro , in der Normandie eine neue, erweiterte Ausgabe der Menschenrechte ankündigten, wonach auch das neue Eigentum eine Revision gewärtigen mußte, wurden sie fast von der gesamten republikanischen Presse scharf zurückgewiesen. Die Sache ist äußerst charakteristisch. Die betreffenden Sätze der»revidierten Menschenrechte" lauten: „Die Nation anerkennt nur das gewerbliche Eigentum, sie verbürgt dessen Gewährleistung und Unverletzlichkeit. Die Nation sichert den Bürgem gleichermaßen die Gewährleistung und Un- verlctzlichkeit dessen, was man fälschlich Grundeigentum nennt, so lange zu, bis sie über diesen Gegenstand Gesetze niedergelegt habe» wird." Jaurös glaubt sich dagegen auflehnen zu müssen, daß in diesen Sätzen ein Socialismus im niodernen Sinne des Wortes stecke. Ganz sicher decken sie diesen nicht; die bedingungslose Lerbürgung ! des gewerblichen Eigentums entspricht vielmehr durchaus dem Wesen der bürgerlich kapitalistischen Wirtschast. Aber es liegt doch der Idee, das Eigentumsrecht auf bestimmte Arten von Eigentum ein- zuschränken, eine Auffassung zu Grunde, die auch dem modernen Socia- lismus eigen ist, nämlich das Privateigentum nicht als Naturrecht, sondern als g c s e l l i ch a f t l i ch e s, d. h. von der Gesellschaft verliehenes und dem Wirtschaftsbedürfnis der Gesellschaft unterzuordnendes Recht zu statuieren. Bei dem damaligen Stande der Wirtschaft war offen- sichtlich die Unverletzlichkeit des gewerblichen Eigentums Lebens- bedingung der Produktion und Produktionsentwicklung. Beim Boden- besitz war die Sache schon zweifelhast, und so wurde die bloße An- kündigung, daß hier noch eine gesetzliche Begrenzung des Eigentums- rechts in Aussicht stehe, als eine allgemeine grundsätzliche Bedrohung des Eigentums verfehmt. Das Eintreten für ein„Agrargesetz" ward als ebenso umstürzlcrisch empfunden, wie das Eintreten für den krassen Kommunismus, es spielte in der Revolutionszeit die eigent- liche Rolle des roten Gespenstes. Bei gewissen Volksklassen scheinen sich an ein zu schaffendes„Agrargesetz" in ähnlicher Weise unbestimmte Hoffnungen auf Verbesserung ihres Loses geknüpft zu haben, wie im letzten Drittel_ des 19. Jahrhundert bei russischen Bauern an eine vermeintlich bevorstehende„schwarze (d. h. heilbringende) Landverteilnng". Jaurös schließt aus den wiederholten Polemiken der republikanischen Politiker und Journa- listen gegen den Gedanken eines Agrargesetzes, daß in der That eine, wenn auch nicht sehr wirksame Propaganda für ein solches immer wieder von neuem im Volke vor sich Ssing. Und wie wurde sie bekämpft! Die Proben, die Jaurös aus der Presse jener Tage mitteilt, sind überaus interessant. Der Ton und die Methode der Polemik muten den Leser ungemein bekannt an. Es ist noch nicht lange her, daß der Socialismus ganz allgemein mit gleichen Argumenten abgethan wurde. „Jeder, der von einem Agrargesetz, von einer Verteilung des Grund und Bodens spricht", schreibt der Girondist C a r r a am 19. September 1792 in den„AnnaleS PatriotiqueS,„ist ein un- verhüllter Aristokrat, ein Feind der Allgemeinheit, ein aus- zurottender Bösewicht. Denn wenn er kein Koblenzianer ist(in Koblenz war bekanntlich die Centrale der emigrierten Aristokratie), so ist er ein Intrigant und hält zu irgend einer Clique oder Klasse von Kapitalisten, deren scheuß- liche Habgier, die auf das Nationalvermögen spekuliert, die leichtgläubigen Bürger vom Kauf der Nationalgüter abzuhalten sucht, um diese zu niedrigen Preisen zu erlangen, oder endlich zu egoistischen Börsenwucherern, die, da sie ihre Portefeuilles mit vordem königlichen Wertpapieren gefüllt sehen, den Preis dieser durch Entwertung der Landerwerbungen in die Höhe treiben möchten! Mögen diejenigen. die mit reinen Absichten klare Einsichten verbinden, sich Mühe geben, seine(des Volkes) Unwissenheit aufzuklären; mögen sie gegen das Ansehen der Bvsewichter zu Felde ziehen, die vielleicht noch mehr zu fürchten sind, als die Waffen der preußischen und östreichischen Räuber." In CondorcetS„Chroniques de Paris" nahm Auacharsis Cl o o tS (Klotz) das Wort. Der enthusiastische„Redner für das Menschen« geschlecht" wird gewöhnlich als ein weltverlorener Träumer be- trachtet, hier zeigt er sich aber in wesentlich andrem Lichte. Auch für ihn sind es Agenten der aristokratischen Reaktion, die dem Volk von Agrargesetzen reden.„Man will", schreibt er,„zwischen den Franzosen , die vom Produkt ihres Grundbesitzes leben, und den Franzosen , die vom Produkt ihres Gewerbes leben, Zwietracht säen."„Dieser Galimathias" habe„mehr zur Einnahme von Longwy und Verdun (durch die Verbündeten) beigetragen als man denkt". Schlechte Kerle, die im Solde der Tyrannen stehen, forderten das Volk zum Kampf wider die Neichen auf.„Aber das Volk ist vernünftig; es begreift sehr gut, daß der Grundbesitz die Grundlage der Industrie ist, das eine nicht ohne das andre geht. Die Prediger der Boden- Verteilung werden auf dem Lande nicht geHort und in der Stadt, deren zahlreiche Werkstätten durch ihre tolle Lehre vernichtet würden, gesteinigt werden. Ein Arbeiter, der dreißig oder vierzig Sous den Tag verdient, ist mit seinen Armen und seinen Hoffnungen reicher, als wenn man unsre vierundsechzig Millionen kultivierter Hufen unter siebenundzwanzig Millionen Menschen verteilte, deren zweite Generation auf eine Armut, eine Unwissenheit, eine Gleich- gültigkeit, eine Schlaffheit reduciert wäre, die sie unter das Joch des ersten besten Eroberers brächten. Es würde weder Städte noch Straßen, weder Deiche noch Posten, weder Korrespondenten noch Drucker, weder Papier noch Zeitungen, weder Journalisten noch irgend welches moralische oder physische Gefühlsleben geben. In der Barbarei auf dem Misthaufen einer erbärmlichen, bald verhagelten und bald überschwemmten Hufe verfaulen, das wäre das Los der Bürger Frankreichs . Der tüchtigste Tagelöhner würde seinen Tage- lohn dem Glück des besten Äckerloses vorziehen, und zwar um so mehr, als der Preis der Arbeitskrast unter dem System der Freiheit steigt. Man braucht nicht viel Umsicht, um die beklagenswerten Folgen der Verletzung des Mein und Dein vorauszusehen. So würde selbst der untergeordnetste Arbeiter einer großen Manufaktur den Heuchler zurückstoßen, der ihn aufforderte, die Magazine und Kapitalien eines Fabrikanten aufzuteilen, dessen weitreichende Verbindungen zwölf- hundert arbeitsamen Familien Arbeit verschaffen... Und worüber beklagen sich unsre Aufwiegler? Strebt das neue System nicht danach, durch milde und hilfegewährende Mittel die Kolossalvermögen zu zerstückeln? Die Substitutionen, die Sonderrechte der Erstgeburt und des männlichen Geschlechts sind abgeschafft, ebenso die Meister- Vorrechte, die herrschaftlichen und fiskalischen Bannrechte.... Wir werden die modernen Gracchen verachten, wir werden dem alten Gracchus nachahmen, indem wir die Gemeindegüter an eine Million Ariner, indem wir die weiten Ländereien verteilen, die in Korsika, in Madagascar und Guyana der Arme harren. Ein schöpferischer Wettbewerb wird die Zweige des Gewerbes auf der See und auf dem Lande vervielfältigen, der allgemeine Wohlstand wird durch eine raschere und reichere Cirkulation der Produkte des Bodens und des Meeres steigen. Beruhigt Euch also, kleinmütige Eigentümer, wägt meine Worte.... Man muß den Furchtsamen zeigen, daß die sogenannte arme Mehrheit außerordentlich daran interessiert ist, die sogenannte reiche Minderheit sicherzustellen. Der Nationalkouvent wird sicherlich eine Instruktion erlassen, die den ängstlichen Eigen» tümern als Ruhekissen dienen mag." Man glaubt bei dieser Mischung von Uebertreibungen und nüchterner Oekonomie eher irgend einen Eugen Richter zu hören, als den Orateur du genre liumain(Redner des Menschengeschlechts). Aber in ihren Alltagskleidern verstanden aitch die Männer der Revolution. die Dinge sehr realistisch zu beurteilen. Uebrigcns ging der Vorschlag von Cloots, der Konvent möge die erschreckten Eigentümer beruhigen, alsbald in Erfüllung. Es war kein geringerer als Danton, der am 21. September in einer großen An- spräche im Konvent den ihm persönlich befteundeten Momoro des- avouvierte:„Man hat glauben mögen, ausgezeichnete Bürger haben vermuten können," rief er in seiner die republikanischen Parteien zur Geschlossenheit anfeuernden Rede aus,„daß glühende Freunde der Freiheit durch Uebertreibung ihrer Principien der gesellschaftlichen Ordnung schaden könnten. Wohlan, schwören wir hier alle Ueber- treibungen ab! Erklären wir, daß alles Eigentum, ob Grundbesitz, ob privaten oder gewerblichen Charatters, für immer anstecht er- halten werden wird und daß die öffentlichen Abgaben nach wie vor werden erhoben werden. Erinnern wir uns ferner, daß wir alles nachzuprüfen, alles umzuschaffen haben; daß selbst die Erklärung der Menschenrechte nicht fehlerstei ist und der Revision durch ein wahrhaft freies Volk überantwortet werden muß." Und mit absoluter Einstimmigkeit beschließt der Konvent im Sinne Dantons. „daß 1. es keine andre Verfassung als die vom Volk acceytierte geben darf, und 2. die Personen und die Eigentumsrechte den Schutz der Nation genießen." Gegen das Agrargesetz, wie sie es auslegten, waren die girondistischen Politiker und Journalisten, die bei dieser Polemik den Ton angaben, sicher im geschichtlichen Recht. Galt es doch in jenem Moment, wo die Republik noch keineswegs im Lande befestigt war, vor allem bei dein breiten Bürgertum und dem Bauernvolt das Ge« fühl der sicheren Fortdauer des neuen Rechtszustandes zu verbreiten. Denn sie bildeten damals die zahlreichste und wichtigste Klasse der Bevölkerung Frankreichs . Daher die einstimmige Annahme der von Danton befürworteten Resolution. Danton unterschied sich in Bezug auf seine Gesellschaftsauf- fassung und politischen Ziele kaum von den Girondisten. Er war nicht weniger«Bourgeois" als sie, in deren Reihen es ja genug Leute gab, die sich mit s ocialistis chen Reformplänen trugen. Aber er war weniger Äiqucii- mensch als sie, weniger kleinlich in Personenfragen, sein politischer Blick war durch keinen Fraktionsdoktrinarismus getrübt. Er gehörte zu jenen Krastnaturen, bei denen sich ein stürmisches Temperament mit einem hohen Grad von staatsmännischem Geist verbindet, in diesem Pllnkt weit mehr, als' dies von Robespierre gesagt werden kann, Cromlvell ähnlich. Von den am meisten genannten Männern des Konvents ist er offenbar Jaurös der sympathischeste. Für Marat hat Jaurös wenig Sympathie. Er sucht ihm nach Möglichkeit gerecht zu werden und citiert ihn oft, wird aber ersichtlich von seiner krank- haften Verbissenheit und Denunziationswut abgestoßen, die Marat beiläufig selbst manchmal hinterher bedauert zu haben scheint. Noch weniger als Marat vermag Robespierre Jaurös zu begeistern. Wohl erkennt Jaurös in ihm den überzeugten Demokraten an und läßt auch ihn oft zu Wort kommen, aber es wird zugleich immer wieder ein ränkesüchtiges, hinterhaltiges Wesen scharf gegeißelt. In dieser Hinsicht kommt er bei Jaurös, der ihn einmal„den großen verleuindeten Verleumder" nennt, beinahe so schlecht weg, wie die Mhrer der Girondistenpartei, über die Jaurös die ganze Schale seines Zomes ergießt. Und zwar nicht weil fie
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